Wärmebildkamera vs. Schweißhund: Technik ersetzt nicht jagdliche Erfahrung

Nachsuchenführer mit Schweißhund bei der Arbeit im dichten Wald, mit Schweißriemen und Sicherheitskleidung
Sicher, konzentriert und erfahren: Ein Nachsuchenführer mit geprüften Schweißhund auf der Wundfährte im Wald © Jakob Wallner

Die Wärmebildtechnik revolutioniert die Jagd – doch ohne das richtige Verhalten kann sie mehr schaden als nutzen. Warum Schusszeichen, Wartezeit und Schweißhunde weiterhin unerlässlich sind.

Im Zuge der letzten Hirschbrunft bat mich ein bekannter Jäger um die Nachsuche auf einen von ihm beschossenen Hochgeweihten. Nach Aussage des Schützen erschien der Brunfthirsch im letzten Büchsenlicht auf dem Brunftplatz und näherte sich zielstrebig einem dort äsenden Kahlwildrudel. Nachdem er ihn als jagdbar angesprochen hatte und der Hirsch während des Brunftbetriebes einmal kurz verhoffte, trug ihm der Jäger die Kugel an. Auf den Schuss reagierte der Hirsch zunächst mit einem Zusammenzucken und zog dann mit leicht gekrümmtem Rücken ins angrenzende Fichtenstangenholz. Da er spitz von ihm wegzog, war ein Nachschießen nicht möglich.
In Anbetracht des schwindenden Büchsenlichts und der Annahme, gut abgekommen zu sein, schnappte er seine Siebensachen und begab sich umgehend zum vermeintlichen Einwechsel. Auf seine mitgeführte Wärmebildkamera vertrauend und seinen Kleinen Münsterländer an der Seite, verzichtete er darauf, den Anschuss aufzu­suchen und auf eventuelle Birschzeichen hin zu untersuchen.
Und tatsächlich – nach einigen Ver­suchen mit der Wärmebildkamera nahm er den scheinbar im Wundbett verendeten Hirsch wahr. Voller Vorfreude begab sich der Jäger in dessen Richtung. Die Hoffnung darauf, ihn nun in Besitz nehmen zu können, wurde allerdings schnell getrübt: Beim Annähern erhob sich der Geweihte plötzlich und brach fluchtartig davon. Das war nun auch dem jungen Münsterländer zu viel, sodass sich dieser aus der lockeren Halsung wand und lauthals die Verfolgung aufnahm. Zur Erleichterung des Weidmanns kehrte der von seiner Hatz gezeichnete Junghund nach einiger Zeit zum Ausgangspunkt zurück. Der beschossene Hirsch wurde am nächsten Morgen nach einer etwa 2 km langen Riemenarbeit meines Bayerischen Gebirgsschweißhundes ver­endet aufgefunden, das Wildbret war leider verhitzt und nicht mehr verwendbar.

Bayerischer Gebirgsschweißhund mit Schweißriemen sitzt aufmerksam im Grünen
Ein ausgebildeter Schweißhund wartet geduldig auf seinen Einsatz – unverzichtbar bei jeder anspruchsvollen Nachsuche © Jürgen Rosenkranz

Wundbett statt Wärmebild: Warum Geduld bei der Nachsuche Leben rettet

Statt ausschließlich auf die Wärmebildkamera zu setzen, wäre es besser gewesen, einerseits die wahrgenommenen Schusszeichen richtig zu deuten und andererseits den Anschuss gründlich zu untersuchen. Dadurch hätte der Jäger zu dem Schluss kommen können, dass es sich um einen Leberschuss handelte. Mit einer derartigen Verletzung sucht das Wild in der Regel die nächstgelegene Deckung auf und verendet nach etwa 2–3 Stunden.
Es ist absolut unstrittig, dass die Zuhilfenahme von Wärmebildkameras beim Aufsuchen von beschossenem Wild besonders zur warmen Jahreszeit von Vorteil sein kann. Dabei sollte jedoch stets darauf geachtet werden, dass man mit dem Aufsuchen erst dann beginnt, wenn von einem bereits verendeten Stück ausgegangen werden kann. Es muss damit gerechnet werden, dass der Schuss, wenn das Stück diesen mit einer steilen, nach vorn gerichteten Flucht quittiert und am Anschuss dunkler bis mittelroter blasiger Schweiß zu finden ist, nicht sofort tödlich ist. Aber auch ein deutlich wahrnehmbares Zusammenbrechen – wenn das Stück sozusagen „im Feuer liegt“ – kann trügerisch sein. Darum sollte auch bei diesen Schuss- und Birsch­zeichen mindestens die obligatorische Wartezeit einer „Zigarettenlänge“ – also in etwa eine Viertelstunde – eingehalten werden, um dem Wild genug Zeit zum Verenden zu geben. Leber-, Nieren- und Hochblattschüsse sind zwar ebenfalls tödlich, sollten allerdings frühestens nach 2–3 Stunden nachgesucht werden. Ein zu rasches Nachsuchen bzw. Hingehen ist bei derartigen Schüssen in der Regel kontraproduktiv – jeder erfahrene Nach­suchenführer wird dies bestä­tigen.

Schweißspur auf Baumstamm im Laub, Schweißhund nimmt Fährte auf
Eine sichtbare Schweißspur am Baum – hier zählt Erfahrung, Ruhe und der richtige Hund © Jürgen Rosenkranz

Wärmebildtechnik mit Grenzen: Warum bei Schusssignalen der Hund unverzichtbar bleibt

Eine „Nachsuche“ mit Wärmebild­technik hat in jedem Fall zu unter­bleiben, wenn am Anschuss Knochensplitter und mit Panseninhalt ver­­­­setzter Schweiß gefunden werden. Da die Deutung der Schuss- und Birschzeichen unterschiedlichsten Einflüssen unterliegen kann, wie etwa dem Adrenalinausstoß, Licht- und Wetterverhältnissen usw., sind auch diese nicht als hundertprozentiger Garant dafür zu werten, welcher Art die Schussverletzung ist.
Daher sollte man beim vorsichtigen Herantreten an das wahrgenommene Stück stets auf dessen Körperhaltung im Wundbett achten. Sitzt das Stück erhobenen Hauptes im Wundbett oder bewegt es eventuell noch die Lauscher, ist es dringend geboten, sich möglichst unauffällig zurückzuziehen. Nach ange­messener Zeit, wie zuvor erwähnt, sollte die Nachsuche mit einem auf Schweiß geprüften Jagdhund aufgenommen werden.

Wärmebildkamera liegt auf Baumstumpf in einer Wiese – moderne Jagdtechnik im Einsatz
Die Wärmebildkamera als modernes Hilfsmittel in der Jagdpraxis – effizient, aber nicht immer überlegen © Jürgen Rosenkranz

Keine Hektik nach dem Schuss: Warum besonnenes Handeln Leben schützt – auch mit Wärmebildtechnik

Zur Vermeidung unnötiger Beunruhigung sollte man in dieser Situation unbedingt versuchen, sich markante Geländemerkmale an der Einwechselstelle des beschossenen Stückes einzuprägen und/oder mit dem Handy eine GPS-Markierung setzen.
Es ist absolut nachvollziehbar, dass jeder Jäger nicht nur aus Neugier, sondern auch aus dem Antrieb heraus, das beschossene Wild raschestmöglich zu erlösen und das Wildbret zu verwerten, bestrebt ist, das verletzte Stück so schnell wie möglich zu finden. Dennoch sollte man sich stets vor Augen führen, dass all diese Beweggründe kein unverantwortliches Umhersuchen – auch unter Zuhilfenahme modernster Wärmebildtechnik – unter Missachtung der genannten Verhaltensregeln rechtfertigen. Unnötige Qualen von aufgemüdetem, krankem Wild und Unfälle durch annehmendes wehrhaftes Schwarzwild ließen sich damit vermeiden.

Wärmebildkamera bei Nachsuche: Verhaltensempfehlungen
Schuss- und Birschzeichen beachten
markante Geländemerkmale für die Anschuss- und Einwechselkontrolle einpräge­­­­­n und/oder GPS-Markierung setzen
Wartezeit bei eindeutigen Kammer­­schüssen mindestens 15 Minuten, bei Leber- und Nierenschüssen mindestens 2–3 Stunden
bei dem wahrgenommenen Wildkörper stets auf die Körper- bzw. Lauscher­­­­­-/Tellerhaltung acht­­­en
keine leichtfertigen Suchen, wenn am Anschuss Pansen- und Knochen­­­teile gefunde­­­n werden
Im Zweifelsfall immer einen auf Schweiß geprüften Jagdhund einsetze­­­n (Nachsuchenführer rufen).

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