Birkhahnbalz hautnah erleben – Ein unvergessliches Jagdabenteuer in alpinem Frühling

Zwei balzende Birkhähne im Kampf auf verschneitem Balzplatz
Auf dem Balzplatz kämpfen rivalisierende Hähne mit voller Kraft um die Gunst der Hennen. © Manfred Hesch

Begleite ein Jagdteam zur faszinierenden Birkhahnbalz in der Steiermark – ein Naturerlebnis voller Tradition, Wildromantik und einzigartiger Geräuschkulisse. Vom Aufstieg im Schnee bis zum Weidmannsheil.

Laut knirschend ächzt der harschige Schnee unter unseren Schuhsohlen, als wir in einer herrlichen Vollmondnacht zum Balzplatz hinaufsteigen. Der helle Schein des Nachtgestirns lässt die ­vorhandene Stirnlampe ein nutzloses Dasein im Rucksack fristen, doch wie sagt ein altes Sprichwort so schön?
– „Besser man hat als man hätte“. ­Weniger nutzlos ist hingegen der ­haselnusserne Bergstock, der jedem Tritt die nötige Sicherheit verleiht. Der Schnee ist vor allem in den zugewehten Rinnen meterhoch und lässt uns hin und wieder, begleitet von einem geräuschvollen Bersten der Harschschicht, bis zur Hüfte einsinken. Mühsam arbeiten wir uns – zwei Schulkollegen und ich – langsam den Berg hinauf.

Schneebedeckte Berglandschaft mit Fichtenwald vor imposanter Gebirgskulisse
Frühling in den Alpen: Der Lebensraum der Birkhähne präsentiert sich noch tief verschneit. © Martin Grasberger

Birkhahnjagd in der Steiermark – Zwischen Kochkunst, Kameradschaft und alpiner Jagdtradition


Gestern Nachmittag sind wir bereits das erste Mal hier heroben gewesen, um den Schirm für die morgendliche Hahnenjagd vorzubereiten. Christian, der Verwalter dieser wunderschönen Eigenjagd im Herzen der Steiermark, hat Mathias und mich zur Birkhahnjagd eingeladen, wobei ich diesmal nur als Begleiter mit an Bord bin. „Nur“ ist relativ, denn insgeheim weiß ich, dass es noch einen anderen, ­weitaus driftigeren Grund meines Hierseins gibt: Die beiden brauchen einen Koch!
Wir haben aus den umstehenden, vom Wetter gezeichneten Fichten der Kampfzone größere Äste entnommen, um mit geringstem Aufwand und unter Zuhilfenahme weniger Werkzeuge – einer Zimmermannshacke, verschiedener Nägel und einer Handsäge – einen Schirm zu fertigen, der uns drei Jägern Platz bietet. Bei strahlendem Sonnenschein und guter Stimmung sind wir damit rasch fertig und können den Rückweg zur „Jagdhütte“ antreten. Die Jagdhütte müsste eigentlich als „Jagdhaus“ bezeichnet werden, da sie neben einer Stube, einem Bad, einem WC, mehreren Zimmern und einer großen Terrasse eigent­lich alles bietet, was man zum Leben braucht. Und dennoch fühlt es sich hier, im Talschluss, wie in einer anderen Welt an: keine Menschen, keine Funksignale – nur die um­stehenden Berge, der Wald, seine ­tierischen Bewohner und wir.
In der Hütte angekommen, werde ich meiner Vorsehung gerecht und zaubere ein herzhaftes Abendessen am mit Stückholz befeuerten Küchenherd, das aus selbst gemachten ­Wildkäsekrainern und Kartoffelpüree besteht. In gemütlicher Atmosphäre lassen wir den Tag ausklingen, voller Freude auf die bevorstehende Jagd. Mathias hat sich für dieses Jagd­erlebnis sogar eine neue Jagdbüchse
gekauft, deren Trefferlage wir noch überprüfen. Da alles passt und wenig später noch einmal ein leichtes ­Hungergefühl aufsteigt, rutschen auch noch ein paar Palatschinken in unsere Kehlen, ehe es zu Bett geht. Es heißt früh aufstehen – früh im Sinne von 2.15 Uhr.
Lediglich ein heiß dampfender ­Kaffee begleitet am Morgen unser spär­liches Gespräch, und Minuten ­später befinden wir uns wiederum auf dem Weg in Richtung Balzplatz. Dieser befindet sich in einer Senke, knapp oberhalb der Waldgrenze, und in Kürze soll ich Zeuge eines Schauspiels werden, das für naturverbundene Menschen wie mich kaum zu beschreiben ist.

Birkhenne und balzender Hahn – Szene der Damenwahl im Frühling
Die Birkhenne entscheidet: Im Hintergrund buhlt der Hahn um ihre Aufmerksamkeit. © Manfred Hesch

Birkhahnbalz im Morgengrauen – Ein Naturschauspiel voller Klang, Rivalität und Eleganz


Der Weg ist wiederum anstrengend, die Atemfrequenz steigt direkt proportional mit der Vorfreude auf das Balz­geschehen. Beim Schirm angekommen, schieben sich Mathias und Christian vorsichtig hinein, und ich finde ebenfalls eine leidlich bequeme Position.
Es ist zwar noch dunkel, allerdings leuchtet der Mond das Szenario ­gespenstisch aus. Eine Dreiviertelstunde später dringt der zarte Ruf
der Ringdrossel an unsere Ohren – ein untrügliches Zeichen für Hahnenjäger, dass die Birkhahnbalz kurz bevorsteht. Daher sind wir äußerst gespannt, was auf uns zukommt. Da – ein Zuschen! Vom Balzplatz dringen zu uns schon die ersten Balzgeräusche her: Das ­Rodeln der Hahnen wird von Zeit zu Zeit mit dem Plodern der Federn ­raufender „Sichelritter“ begleitet. Eine Geräuschkulisse, die wahrlich einzigartig ist! Ich bin in diesem Moment dankbar, dass es meinen Freunden und mir und vergönnt ist, diesem Schauspiel beizu­wohnen, denn ich weiß, dass dies ein absolutes Privileg ist.
Zaghaft gesellt sich zum silbrigen Mondschein nun immer mehr Tageslicht, das aber aufgrund der vorhandenen Wolkendecke noch kein sicheres Ansprechen erlaubt. Langsam, Minute für Minute, schälen sich immer mehr Details aus dem morgendlichen Szenario: Neun Birkhahnen haben sich am Balzplatz eingefunden, wobei in seinem Zentrum die stärkeren Hahnen rodeln und am „Rande der Gesellschaft“ die jüngeren und die „Schneider“ (Ein­jährige). Ein erfahrener Birkhahnjäger weiß die Sichelritter anzusprechen – auch wenn das im Durcheinander des Balzbetriebes nicht immer einfach ist. Jetzt kann ich sie durchs Fernglas sehen: Sie kreisen in ihren scharf ­abgegrenzten Bereichen um die Gunst der Hennen. Apropos: Da kommt eine Henne wie zufällig herbei und durchquert den Balzplatz beinahe unbeeindruckt. An den Hahnen aber merkt man sehr wohl, wie sehr sie sich ­be­mühen, ihr zu gefallen, denn es herrscht Damenwahl. Plötzlich zeichnet sich eine bevorstehende Auseinandersetzung zweier gleich starker Hahnen ab, die immer wieder in kurzen Sprüngen aufeinander losgehen. Mit einem dumpfen Knall krachen sie aneinander und hacken mit ihren Schnäbeln ­wütend aufeinander ein. Einer sucht das Weite, streicht wenige Meter ab, um seinen Balztanz erneut trippelnd fortzuführen.

Weidmannsheil auf den Sichelritter – Traditionelle Birkhahnjagd mit Respekt und Maß


Es wird spannend, Christian hat schon einen Hahn ausgemacht, und Mathias richtet sich zum Schuss. Wenige ­Augenblicke später peitscht die Kleine Kugel in die Senke hinein, und der Schussknall wird von den umliegenden Berghängen zurückgeworfen. Der Birkhahn ist tödlich getroffen und rutscht zwanzig Meter auf der harschigen Schneeschicht in Richtung Tal. Für ­wenige Augenblicke ist es totenstill. Die Hahnengesellschaft hat sich in ­Sekundenbruchteilen aufgelöst, alle Vögel streichen ab. Einer hat unweit von uns auf einer Lärche aufgeblockt und sondiert die Lage.
Ob des guten Schusses ist innerhalb des Schirmes Erleichterung zu spüren. Wir warten noch geraume Zeit, ehe wir unsere kurzzeitige Behausung in Richtung des Erlegten verlassen. Vor uns liegt ein Kleiner Hahn, dem wir die Letzte Ehre erweisen. Christian bettet ihn nach alter Tradition auf Reisig und bindet ihn auf Mathias’ Rucksack. Es ist bereits taghell geworden, als wir uns auf den Weg in Richtung Tal machen. Auf der Terrasse der Jagdhütte betten wir den Hahn nochmals, um uns an diesem so einzigartigen Weidmannsheil zu erfreuen. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Kaffee, Speck und Eiern geben wir den Hahn in die Kühlung und holen ein paar Stunden Schlaf nach. Am Nachmittag lassen wir dieses Jagderlebnis noch einmal Revue passieren und feiern die Erlegung eines alten Sichelritters.
Der Bestand ist zwar seit Jahren einigermaßen stabil, was ein jährliches Monitoring bestätigt, doch früher waren weit mehr Hahnen an der Balz beteiligt. „Wir erlegen nur einen Hahn in der Saison“, erzählt Christian, „doch wer weiß, wie lange wir diese traditionelle Jagd noch ausüben können.“

Birkhahn beim Balztanz mit gesträubtem Gefieder im Licht des Morgens
Ein Birkhahn präsentiert sich in typischer Balzstellung – Gefieder gesträubt, Kamm aufgerichtet. © Manfred Hesch

Allein zur Birkhahnbalz – Ein stilles Naturerlebnis voller Klang, Regen und Vorfreude

„Morgen früh gehe ich noch einmal rauf. Ich möchte die Balz noch einmal so richtig erleben“, erkläre ich der Runde, die meine Motivation mit einem ungläubigen Grinsen quittiert. „Ja, genau“, war das lapidare Kommentar, „das glauben wir dir aufs Wort!“
Gesagt, getan. Am nächsten Morgen hebt mich der Wecker neuerlich aus dem Bett, und ich finde den Weg zum Balzplatz nach zwei Aufstiegen allein. Es nieselt allerdings leicht, daher lege ich eine Filzunterlage auf die „Schneebank“ im Schirm. Das Wetter ist alles andere als einladend: Das leichte ­Nieseln hat sich in anhaltenden Regen verwandelt. Gottseidank bin ich dick eingepackt und in Loden gehüllt. Ich bin gespannt, ob die Hahnen bei diesen Bedingungen überhaupt balzen. Aber das tun sie – und wie! Langsam bildet sich wiederum diese typische, monotone Geräuschkulisse, bestehend aus dem Kullern der Hahnen, das immer wieder von einem „Zschuchui!“, dem Zuschen, vervollständigt wird. Diesmal kann ich die Balz ohne Unterbrechung erleben und die Hahnen erneut zählen: Interessanterweise sind es heute erneut neun Sichelritter, obwohl wir ­gestern einen entnommen haben. Heute sind es zwei Hennen, die durch den Balzplatz schreiten. Mit Freude erfüllt birsche ich nach der Balz ins Tal, ein wundervolles Erlebnis reicher, und freue mich aufs nächste Jahr, denn auch ich habe von Christian eine Einladung auf einen Birkhahn erhalten.

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