Drei Bärenangriffe, ein Todesfall – in der Slowakei eskaliert der Konflikt um Raubtiere. Zwischen Panik, Populismus und Tierschutz entlädt sich eine Debatte, die weit über Landesgrenzen reicht.
Allein zwischen dem 21. und 30. März 2025 kam es in der Slowakei zu insgesamt drei schweren Bärenangriffen, wobei der letzte Übergriff vom 30. März 2025 leider tödlich verlief: Die erste Attacke traf einen Jäger, der eine Salzlecke für Rothirsche nachfüllen wollte. Der Tatort befand sich nur wenige Hundert Meter entfernt von einem bekannten Ausflugsziel in der Kleinen Fatra (nordwestliche Slowakei).
Die zweite versuchte Attacke passierte ironischerweise am 22. März, also einen Tag vor dem offiziellen internationalen Tag des Bären, der wiederum auf Facebook mit herrlichen Bildern frenetisch gefeiert wurde. Zufälligerweise war genau an dieser Stelle eine Fotofalle installiert, welche die dramatischen Szenen filmte. Es war klar erkennbar, dass der frei laufende Hund die Bärin im Unterholz überrascht hatte, die dann das unschuldige Herrchen mehrmals furios angriff. Da der Mann in der rechten Hand eine Axt hielt, konnte er diese zur Selbstverteidigung verwenden. Das entsprechende Video wurde zum Internethit und erreichte auch in Windeseile deutsche Kanäle, die damit vor den angeblich großflächig durchgeführten Raubtierauswilderungen warnen wollten. Die andere Seite betitelte das Video als Fake oder gar als inszenierte Situation, um die Bären absichtlich in ein schlechtes Licht zu rücken.

Die dritte, tragisch endende Attacke ist ebenso grausam wie auch für viele Raubtierliebhaber nahezu unvorstellbar: Am Sonntagabend kehrte ein 59-jähriger Mann nicht von seinem Waldspaziergang zurück, weshalb seine Angehörigen die Polizei informierten. Nach stundenlanger Suche konnte der Mann zwar gefunden, allerdings durch den Notarzt nur noch den Tod festgestellt werden. Wenige Tage später wurde auch von der Forensik bestätigt, was bereits Sonntagabend als sehr wahrscheinlich galt: Der Mann war aufgrund der schwerwiegenden Kopfverletzungen, die ihm ein Bär zugefügt hatte, noch am Fundort verstorben. Gefunden hat ihn sein eigener Sohn, der sich an der Suche beteiligte. Dass in einer Entfernung von einem Kilometer vom Fundort des Toten etwas ausgelegter Mais gefunden wurde, soll offenbar nun die tödliche Attacke erklären? Wäre dem so, dann würden die Tiere unter einem solchen Nahrungsstress stehen, dass es mitunter wirklich gefährlich wäre, mit einer Wurstsemmel in der Hand in den Wald zu gehen.

Bärenkonflikt eskaliert online: Zwischen Angst, Desinformation und ideologischen Fronten
Die Geschehnisse sind dramatisch und würden eine pragmatische und lösungsorientierte Aufarbeitung und Zusammenarbeit verschiedenster Organisationen erfordern. In der Realität eskalieren die ohnehin schon seit Jahren verfeindeten Pro- und Contra-Seiten und buhlen in rhetorisch mehr als gewagten bis nahezu kriminellen Aussagen um die Gunst der potenziell zahlenden Bevölkerung in der Mitte, die sich auf eine der beiden Lager schlagen sollte. In den sozialen Netzwerken wird vom geplanten „Genozid an Bären“ geschrieben oder aber man missbraucht weitere, eigentlich für Menschen kreierte Slogans wie „Bear lives matter“ (abgeleitet von „Black lives matter“ – eine Reaktion auf den traurigen Fall, in dem ein dunkelhäutiger Mann bei einer Polizeikontrolle offenbar grundlos getötet wurde). Die Gegenseite verbreitet nur Furcht und Panik und behauptet ohne jegliche Datengrundlage, dass sich die Bärenpopulation alle drei Jahre verdoppelt hätte. Somit wären jetzt in der kleinen Slowakei zumindest 10.000 Bären ansässig – offenbar will man dem interessierten Laien weismachen, dass Bären ungewöhnlicherweise nicht sterben, sondern nur Schaden verursachen, Menschen töten und sich reproduzieren würden. Eine mulmige Vorstellung, die dafür sorgt, dass viele im Bärengebiet wohnhafte Menschen extremst verunsichert sind und nicht mehr im Dunkeln von der Bushaltestelle nach Hause gehen wollen.

Bärennotstand in der Slowakei: Abschussquote, Eskalation und politische Verantwortung
Zudem beruft man sich auf die goldenen Zeiten des Kommunismus, währenddessen westliche Jäger für viel Geld systematisch die großen, schweren Männchen erlegten, was zu einem Ungleichgewicht der Geschlechter zugunsten der Weibchen und einer unnatürlichen Verjüngung der Bärenpopulation führte. Die Politik in der Mitte muss nun diesen Hexenkessel ausbalancieren und ruft für die Slowakei in den Bärengebieten flächendeckend den Notstand aus. Außerdem sollen dieses Jahr genau 350 Bären getötet werden, keiner mehr oder weniger. Wobei nicht klar ist, wie man diese Zahl definiert hat und auf welche Individuen man abzielen will. Hilflos werden Abschusszahlen in den Landkreisen vorverteilt, und angeblich soll der Bärenabschuss hauptsächlich um die Dörfer stattfinden.
Die häufig attackierte Jägerschaft möchte zum großen Teil nicht in die Ausübung des Sicherheitsabschusses miteingebunden werden, und zwar aus Angst vor verbalen oder gar tätlichen Angriffen der selbst ernannten Raubtierverteidiger. Somit wird auf die personell gut ausgestatteten Bäreneinsatzteams verwiesen, die gerne die „Drecksarbeit“ machen können, da sie angeblich sonst nichts zu tun hätten. So will man sich verständlicherweise dem zwar zahlenmäßig kleinen, aber gefährlichen Tierschutzmob entziehen, der weder vor Morddrohungen noch vor Androhungen von Kindesentführungen, adressiert an die Angestellten des Bäreneinsatzteams, zurück–schreckt. Alles im Dienste jener Bären, die irgendwo draußen in den Wäldern, auf den Feldern oder in Dörfern sitzend keine Ahnung haben, wie über ihr weiteres Schicksal entschieden wird.
Die Eskalation um die Bären, sowohl im Wald als auch auf Facebook, Instagram & Co, ließ sich eigentlich schon vor einigen Jahren voraussagen und stimmt somit umso trauriger, da man durch pragmatische Schritte den Tod von Menschen hätte verhindern können. Dass jetzt einige Hundert Bären fallen müssen, um die Situation sowohl im Wald als auch in den Dörfern zu entspannen, ist eine logische Konsequenz einer Reihe von Faktoren und Versäumnissen, die sich jetzt nicht mehr rückgängig machen lassen. In meinem Artikel „Quo vadis Medved“ (siehe HUBERTUS 3/2024, Seite 30) wurden die Hintergründe genauer erläutert. Trotzdem ist es eine furchtbare Vorstellung, so viele Tiere zu erlegen, einfach nur, um eine irgendwie generierte Zahl zu erfüllen.

Vermutlich muss in der Slowakei zum jetzigen Zeitpunkt zunächst eine Art „Blutzoll“ erbracht werden, sprich der Abschuss einer erhöhten Bärenanzahl, bevor über neue wissenschaftliche Projekte diskutiert werden kann. Kaum jemand in den Bärengebieten wird in dieser kritischen und mitunter gefährlichen Situation verstehen, warum man den „bösen Bären“ nun zu allem Übel auch noch für mehrere Tausend Euro hochtechnische Halsbänder anlegen will, als ob sie nicht schon genug beschädigt hätten. Eigentlich wäre es außergewöhnlich wichtig, die Auswirkungen eines erhöhten Abschusses auf das Verhalten der Bären zu beobachten, schließlich sollte man zumindest aus der jetzigen Lage etwas lernen. Aber momentan kümmert man sich höchstens um die Ermittlung der Populationszahl, und das, obwohl gerade bei Raubtieren das Verhalten entscheidend ist, ob wir Menschen mit Bären und Wölfen zusammenleben können, und nicht die nackten Zahlen.
Die Situation in der Slowakei könnte allerdings stellvertretend für den Wolf im deutschsprachigen Raum stehen, wo die Kämpfe von Pro und Contra mindestens genauso „leidenschaftlich“ geführt werden, wenn auch der Wolf weniger gefährlich für den Menschen ist, aber gerade den Weidetierhaltern manchmal das Leben schwer machen kann. Es sollen hier keine Schuldzuweisungen getätigt werden, um erneut eine bestimmte Menschengruppe an den Pranger zu stellen. Dennoch verfolgen wir seit Jahren das Erstarken einer Art „Raubtierideologie“, die aber weder den Tieren noch den Menschen nützt, sondern vielleicht noch mit dazu beigetragen hat, dass die Diskussionen um die Raubtiere nicht nur in der Slowakei, sondern auch im deutschsprachigen Raum nun in dieser oft verfahrenen Situation enden. – Im zweiten Teil werfen wir einen genaueren Blick auf die wichtigsten Argumente und prüfen: Was ist Fakt, was Fiktion?