Dürre, Starkregen & Hitze fordern Rehwild & Schwarzwild zunehmend heraus. Erfahre, wie Jägerschaft mit Tränken, Lebensraumgestaltung & Monitoring auf Wetterextreme reagiert.
Der Klimawandel zeigt sich im Revier längst nicht mehr nur in Statistiken, sondern ganz konkret im Jagdalltag: Trockene Böden, ausgetrocknete Suhlen und ausbleibende Tautropfen zwingen Wildtiere zu ungewöhnlichem Verhalten. Rehe suchen Wasser zunehmend an untypischen Orten – etwa in Schwimmbecken privater Gärten, was immer häufiger Feuerwehreinsätze notwendig macht, um das Wild zu retten oder zu bergen. Als eigentlich standorttreue Nahrungsselektierer geraten Rehe bei anhaltender Trockenheit unter erheblichen Stress.
Klimawandel und Wildtiere: Wie Extremwetter das Rehwild bedroht
Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit dem Aufreten von Extremwetterereignissen. „Diese häufen sich seit den letzten 20 Jahren sowohl in die eine als auch in die andere Richtung“, so Dr. Christa Kummer-Hofbauer, Präsidentin des Vereins Grünes Kreuz, Klimatologin und ORF-Wettermoderatorin. „Bei Starkregenereignissen kommt es in kurzer Zeit manchmal zu Monatssummen an Niederschlagsmengen. Dann gibt es wieder Trockenperioden, die wochenlang keinen einzigen Tropfen bringen.“ Ursache sei ein verlangsamter Jetstream (Starkwindband in rund 10.000 m Höhe), der dafür sorge, dass Hoch- oder Tiefdruckgebiete länger ortsfest blieben, so Kummer-Hofbauer.
Auch wenn Trockenheit im Sommer das sichtbarste Problem darstellt, ist sie nicht das einzige Symptom des sich wandelnden Klimas. Der Wechsel zwischen extremer Dürre und plötzlichen Unwettern – etwa Starkregen oder Hagel – bringt Wildtiere zusätzlich unter Druck. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, ist in Wahrheit Ausdruck derselben gestörten Wetterdynamik mit unmittelbaren Folgen für den Lebensraum.
Das Hochwasser in Niederösterreich Mitte September 2024 brachte innerhalb von fünf Tagen Niederschlagsmengen, die statistisch einem 1.000-jährigen Ereignis entsprechen. 1 2 Der Boden konnte die Wassermassen nicht aufnehmen, und in einigen Regionen kam es zu zahlreichem Fallwild. So etwa „in den südlichen Gemeinden des Bezirkes Scheibbs, in Gaming, Lunz am See und Göstling/Ybbs“, berichtet etwa BJM-Stellv. HRL Rosemarie Wurm. „Es war sehr kühl im Tal, am Berg gab es Schneefall, das Rehwild war großteils noch in der Sommerdecke bzw. gerade beim Verfärben in die Winterdecke. Schwache Rehe wurden verendet in den Wäldern aufgefunden. In einigen Jagdgebieten sind auch gesund wirkende Rehe mitten auf Wiesen und Freiflächen verendet“, so Wurm. Ein Rehbock aus dem Hegering Gaming wurde an das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) geschickt, bei dem auf der Pathologie eine bakterielle blutige Magen-Darm-Entzündung festgestellt wurde. „Starkregen kann Clostridien-Bakterien aus dem Boden an die Oberfläche spülen, sie kommen aber auch im Oberflächenwasser immer wieder vor“, so die Leiterin des pathologischen Labors am FIWI, Dr. Anna Kübber-Heiss. „Diese Bakterien können für Rehwild toxisch sein, führen zu blutigem Durchfall und schnellen Todesfällen innerhalb von 6–24 Stunden“, erklärt Kübber-Heiss. „Clostridien sind Sporenbildner, deren Sporen lange im Boden überleben. Sie können zu Magen-Darm-Verstimmungen führen. Ist das Stück etwa durch Nässe oder schlechte Nahrung geschwächt, kann das Mikrobiom gestört sein, Keime wandern aus dem Enddarm in andere Darmbereiche und richten dort massiven Schaden an. Es braucht eine gewisse Anzahl, damit es zur Erkrankung (Clostridiose) kommt. Die Bakterien bilden selbst Gifte. Wenn die Darmbarriere geschädigt ist und die Gifte in den Körper gelangen, geht alles sehr schnell“, so die Pathologin. Typisch sei das Auftreten von Clostridien im Herbst und Frühling aufgrund von Futterumstellungen, die die Darmflora stören. Je nach Giftstärke oder zusätzlichen Erkrankungen fallen Symptome unterschiedlich aus. Nach dem Hochwasser kamen etliche verendete Rehe aus Niederösterreich ans FIWI – mit Todesursachen, wie Lungenentzündungen (Kitze) oder Darminfektionen. Kübber-Heiss ergänzt, Wassermangel und Trockenheit seien nicht nur für das Rehwild belastend; auch beim Schwarzwild steige der Räudebefall durch mangelnde Suhlmöglichkeiten.
Auch das Hagelunwetter im Waldviertel (Waldkirchen/Thaya, Bezirk Waidhofen/Thaya) Ende Juni 2024 3 zeigt, wie unberechenbar das Klima geworden ist. Sechs Stück Rehwild seien von bis zu 7 cm großen Hagelkörnern ortsnah bei Scheunen und Hallen erschlagen aufgefunden worden, wie Jl. Alfred Kainz, Waldkirchen, berichtet. Gegen außergewöhnliche Extremereignisse, wie Hochwasser oder faustgroßem Hagel, ist auch eine noch so gute Lebensraumgestaltung machtlos.
Als Ergänzung zu diesem Artikel, hier das vollständige Interview mit Oberförster Ing. Michael Meissl, Vorsitzender FA Rehwild, zum Thema Trockenheit und Rehwild bzw. Wege, um Wasser, Deckung und Äsung und damit einen vielfältigen, ökologisch wertvollen Lebensraum für das Wild (speziell Rehwild) bereit zu stellen.
Wildtiermanagement im Klimawandel: Hegemaßnahmen gegen Dürre und Extremwetter im Revier
Doch weil solche Wetterextreme zunehmen, braucht es umso mehr vorausschauendes Wildtiermanagement: Mit gezielten Maßnahmen lassen sich die Auswirkungen von anhaltender Dürre und häufigem Starkregen langfristig abmildern und die Klimaresilienz des Reviers insgesamt stärken. Der Fokus dieses Artikels liegt auf der heißen und trockenen Jahreszeit und auf Beispielen von Hegemaßnahmen der Jägerschaft. Besucht wurden die Reviere Prinzendorf, Bezirk Gänserndorf, sowie Inprugg, Neulengbach, Bezirk St. Pölten Land.
LJM-Stellv. Ing. Johannes Unterhalser: „Die Jägerschaft bleibt nicht untätig: In vielen Revieren werden Wildtränken angelegt oder alte Wasserstellen instandgesetzt. Hecken, Stauden, Obstbäume oder trockenheitsresistente Zwischenfruchtmischungen spenden Schatten, schaffen Struktur und unterstützen das Wild in kritischen Zeiten. Denn verantwortungsbewusstes Wildtiermanagement ist heute untrennbar mit Klimaanpassung verbunden.“
Strukturelemente, wie Hecken, Blühstreifen oder Feuchtbiotope, wirken als Puffer bei Starkregen, speichern Wasser und bieten Deckung sowie Äsung. Für Rehwild entstehen so Rückzugsräume mit Wasserzugang – wichtig für die Kitzaufzucht bei instabiler Witterung. Lebensraumverbesserung hilft nicht nur in Dürrezeiten, sondern stabilisiert Wildtierpopulationen langfristig. Unterhalser: „Diese extremen Wetterereignisse in immer kürzeren Abständen führen starke Veränderungen für unsere Wildtiere herbei. In einer Sitzung des Fachausschusses für Rehwild des NÖ Jagdverbandes kam zur Sprache, dass in manchen Regionen der Rehwildbestand spürbar zurückgegangen ist. Interessant war, dass dieses Phänomen sehr unterschiedlich wahrgenommen wurde. In der Diskussion der betroffenen Reviere wurde versucht, Ursachen zu finden. Da Veränderungen von Landschaftsformen, forstliche Maßnahmen, touristische Auswirkungen etc. ausgeschlossen wurden, führten die Jagdausübungsberechtigten die negativen Auswirkungen auf das Rehwild auf folgende Ereignisse zurück: Das Frühjahr war in den letzten Jahren in einigen Regionen Niederösterreichs heiß und trocken, wodurch auch die Äsung bedeutend trockener war. Rehgeißen mussten auf ihre Reserven zurückgreifen, um körperlich gesund zu bleiben. Damit konnten die Rehgeißen ihren Kitzen nicht jene Milchqualität zur Verfügung stellen, die für eine starke Konstitution notwendig gewesen wäre. Die daraus resultierende Schwächung der jungen Rehe wäre über die Zeit vielleicht noch zu kompensieren gewesen. Auf die Hitze und die Trockenheit folgten allerdings ein starker Temperaturabfall und Starkregen. Die bereits geschwächten Kitze konnten diesem Wechsel körperlich nicht mehr standhalten und verendeten“, so Unterhalser.
Sommerliche Notzeit: Wie Hitze und Trockenheit das Rehwild unter Druck setzen
„Noch vor 50 Jahren war die Notzeit des Rehwildes der Winter“, erklärt Ob.-Fö. Ing. Michael Meissl, Vorsitzender Fachausschusses für Rehwild. Damals herrschten mehr Schnee, Frost und tiefere Temperaturen, zudem fruktifizierten Waldbäume seltener. „Es standen weniger Grünäsung sowie Samen und Früchte, wie Eicheln oder Bucheckern, zur Verfügung. Rehwild lebt im Winter nicht territorial und kann daher auf bessere Äsungsflächen ausweichen“, weiß Meissl. Heute liegt die Notzeit eher im Sommer: „In deckungsarmen Gebieten trocknen viele Äsungspflanzen aus oder enthalten kaum noch Wasser. Oft bleiben nur eintönige Feldfrüchte auf großen Schlägen übrig.“ Das Territorialverhalten (siebe WEIDWERK 7/2025, Seite 10 f.) des Rehwildes im Sommer verschärfe die Lage obendrein: „Das Rehwild kann kaum in bessere Revierteile ausweichen. Schäden entstehen dann etwa in Maisbeständen mit hohem Wasseranteil.“ Sein Fazit: „Jedes Reh-Territorium sollte fruchttragende Gehölze, Schatten, vielfältige Grünäsung und eine Wasserstelle bieten. Die Biotoptragfähigkeit eines Reviers entscheidet sich in der Sommer-Notzeit.“
Regenwasser für Rehwild: Wie das Revier Prinzendorf Windräder zur Wildbewässerung nutzt
In Prinzendorf, Bezirk Gänserndorf, macht man sich das Vorhandensein von Windrädern zunutze. Mit HRL Jl. Johann Nemetschek (Schrattenberg, FA Rehwild) sowie mit Jagdleiter Günter Riedl und Jagdaufseher Erich Riedl (beide Gen.-Jagdrevier Prinzendorf) nehmen wir einen Lokalaugenschein vor. Rund um zehn Windräder sollen Auffangbecken für Regenwasser implementiert werden, bei acht Windrädern ist dies bereits der Fall. Halbschalen von 50 cm Breite sind rund um die Basis der Windräder betoniert, mit einem Loch versehen, durch das das Regenwasser, welches das Windrad bei stärkerem Niederschlag oft millimeterdick herunterrinnt, über ein Rohr in ein Auffangbecken abgeleitet wird, erklären die drei Jäger. Die Auffangbecken sind 3–4 m breit, 4–10 m lang und verfügen über eine Tiefe von rund 1,5 m. Abgedichtet sind die Becken jeweils mit einer doppellagigen Betonitmatte, darüber eine 10 cm hohe Humus- bzw. Erdschicht, darüber Teichfolie, und als Schutz für die Teichfolie befinden sich darüber noch einmal 30–40 cm Erde. So werde verhindert, dass das Wasser im Boden versickert, wie Jagdleiter Riedl erklärt.
Eine natürliche Wasserressource in Prinzendorf stellt etwa die Zaya dar. Tränken an mehreren Stellen ergänzen das Wasserangebot für das Wild. „Weiters haben wir auf mehreren Flächen im Revier Wildäsungsmischungen für Vielfalt, Deckung und Unterstützung des Wildes ausgebracht“, ergänzt er.
Wasser für Wildtiere: Wie das Revier Inprugg natürliche Quellen zur Rehwildversorgung nutzt
Im Hegering Haspelwald bei Neulengbach wurden günstige Situationen genutzt, um das Angebot an Wasser zu erhöhen. „Wir haben vier kleinere Bäche und einen Fluss, die Große Tulln“, so Jagdleiter Ob.-Fö. Ing. Michael Meissl. Für das Rehwild in Inprugg sei die Große Tulln jedoch zu weit entfernt, ergänzt er. „Am Rande des Wienerwaldes, in der Flyschzone, haben wir viele kleine Quellen, wo wir immer wieder kleine Teiche geschaffen haben, in denen das Wild das ganze Jahr über Wasser vorfindet. Dadurch, dass es sich um natürliche Wasserquellen handelt, steht dem Wild sauberes Wasser zur Verfügung“, so Meissl.
Wo kein Wasser vorhanden sei, solle es künstlich zur Verfügung gestellt werden, so Meissl. Sinnvoll sei es daher, Tränken im Schatten und abseits von Verkehrswegen, am besten sogar abseits von Wegen, die Freizeitnutzer frequentieren, zu platzieren, ergänzt Meissl, und diese stets sauber zu halten (Algen). Hecken und Obstbäume würden zusätzliche Deckung und Äsung für das Rehwild darstellen.
Fallwild durch Klima und Verkehr: Herausforderungen und Maßnahmen für die Jägerschaft
Fallwild entsteht auch durch verschiedenste natürliche Einwirkungen auf das Wild. Zu den Hauptursachen zählen dabei Extremwetterereignisse, wie Starkregen, plötzliche Kälteeinbrüche oder schwere Schneefälle, die besonders Jungwild oder geschwächten Tieren das Leben kosten können. Dürreperioden führen zu Wassermangel und schlechter Äsungsqualität. Hier können Jäger durch gezielte Hegemaßnahmen gegensteuern – etwa durch die Bereitstellung von künstlichen Tränken, das Offenhalten natürlicher Wasserstellen sowie durch das Anlegen wasserhaltiger Äsung (etwa Klee, Luzerne).
Der Straßenverkehr stellt eine der häufigsten Ursachen für Fallwild dar. Wildwarner, die an Leitpfosten angebracht werden, können Wildtiere durch optische und akustische Signale vom Queren der Fahrbahn abhalten. Allerdings lässt ihre Wirksamkeit mit der Zeit durch den Gewöhnungseffekt nach. Daher sei insbesondere in straßennahen Bereichen eine verstärkte Bejagung notwendig, sind sich Michael Meissl und Johannes Unterhalser einig, um Wildbestände lokal zu regulieren und das Risiko von Wildunfällen zu verringern.
Wildökolandaktion: Lebensraumverbesserung durch Jägerschaft und Partner seit 1967
Die Wildökolandaktion, eine Kooperation des Niederösterreichischen Jagdverbandes, der EVN und des Landschaftsfonds NÖ, unterstützt Jäger und Grundeigentümer seit 1967 bei der Schaffung wildgerechter Lebensräume. Ziel ist es, durch Pflanzung von Bäumen, Sträuchern und Wildäckern dem Lebensraumverlust durch Zersiedelung und Klimawandel entgegenzuwirken. Die Aktion fördert 100 % der Beratung und 70 % der Pflanzgutkosten. Bisher wurden in rund 4.300 Projekten über 3,76 Mio. Pflanzen gesetzt – das entspricht etwa 1.740 ha an neu geschaffenem Lebensraum. Die Maßnahmen verbessern nicht nur die Biodiversität, sondern vernetzen Biotope, regulieren das Mikroklima und kommen letztlich der gesamten Bevölkerung zugute.
Bei Interesse wenden Sie sich an den Niederösterreichischen Jagdverband (jagd@noejagdverband.at bzw. Tel. 01/405 16 36-0).
Hier das vollständige Interview mit Oberförster Ing. Michael Meissl, Vorsitzender FA Rehwild, nachlesen!
- Hochwasserereignis 13. bis 20. 9. 2024 in NÖ, https://www.noe.gv.at/noe/Wasser/Hochwasser_September_2024.html#:~:text=Zwischen%2013.,nahezu%20das%20gesamte%20Landesgebiet%20umfasste. ↩︎
- Auf der WEIDWERK-Website beleuchtet der Artikel „Kein Entrinnen“, https://weidwerk.at/kein-entrinnen/ die Thematik. ↩︎
- 30. 6. 2024 – Katastrophales Hagelunwetter in Waldkirchen an der Thaya, https://www.bfk-waidhofen.at/2024/06/30/30-06-2024-katastrophales-hagelunwetter-in-waldkirchen-an-der-thaya. ↩︎