Printmedien im digitalen Zeitalter: Die Jagdpresse zwischen Tradition und Wandel

Jägerin in traditioneller Kleidung nutzt ein Tablet im Wald zur digitalen Revierbeobachtung
Digitale Jagdpraxis: Eine Jägerin beobachtet das Revier mit dem Tablet – moderner Einsatz inmitten der Natur © Christoph Burgstaller

Die Jagdpresse steht vor großen Herausforderungen: Digitalisierung, Social Media und verändertes Nutzerverhalten stellen Printmedien auf die Probe. Wie das WEIDWERK als traditionsreiches Jagdmagazin den Spagat zwischen haptischer Beständigkeit und digitaler Zukunft meistert.

Medien gelten gemeinhin als „vierte Gewalt“ im Staat, welche die ungemein wichtige Aufgabe hat, die Staatsgewalten Exekutive, Legislative und Judikative zu kontrollieren, um der missbräuchlichen Verwendung von Macht Einhalt zu gebieten. Auch wenn die Jagdpresse auf diesem Parkett eine eher untergeordnete Rolle spielt, hat sie dennoch den Auftrag, die Jägerinnen und Jäger mit wahrheits­getreuer Berichterstattung über aktuelle jagdpolitische Geschehnisse ins Bild zu rücken. Das WEIDWERK, im Jahr 1928 gegründet, tut dies als klassischer Vertreter der Legacy Media1 bereits seit fast hundert Jahren.

Ing. Martin Grasberger als Redner bei der Jägertagung 2025 in traditioneller Tracht
Ing. Martin Grasberger bei seinem Vortrag auf der Jägertagung 2025 – im Fokus: Jagd, Gesellschaft und Kommunikation © Fritz Wolf

Der technische Fortschritt hat den Wandel im Medienverhalten vorangetrieben – ein Umbruch, der auch in der Gesellschaft deutliche Spuren hinterlassen hat und wohl auch weiterhin hinter­lassen wird. – Ing. Martin Grasberger, Chefredakteur WEIDWERK

Medienwandel und Gesellschaft: Wie Social Media den Journalismus herausfordert

Der Betreiber eines (gescheiterten) Online-Kiosks hat einmal zu mir gesagt: „Printmedien sind in 15 Jahren tot.“ Das ist nun genau 15 Jahre her. Printmedien sind zwar nicht „tot“, wie von ihm prophezeit, kämpfen aber gegen mächtige digitale Gegner á la Facebook, Instagram, YouTube, TikTok, Snapchat usw. um Aufmerksamkeit. Ein Kampf, ähnlich wie David gegen Goliath. Während etwa „Soziale Medien“2 auf Suchtverhalten programmiert sind, hat klassischer Journalismus den mündigen Bürger als Ideal und verfolgt somit einen völlig anderen Ansatz.
Der technische Fortschritt hat den Wandel im Medienverhalten vorangetrieben – ein Umbruch, der auch in der Gesellschaft deutliche Spuren hinterlassen hat und wohl auch weiterhin hinterlassen wird.

Kleines Kind füttert Kühe im Stall – ländliches Aufwachsen mit Tieren
Ein Kind hilft im Stall beim Füttern der Kühe – gelebte Landwirtschaft und Nähe zur Natur © Adobestock/Stefano

Vom Bergbauernhof zur Smartphone-Ära: Wie sich unser Medienverhalten verändert hat

Als Kind der Siebziger Jahre bin ich ohne Handy aufgewachsen, hielt mein erstes Mobiltelefon – ein Nokia 3110 – erst mit Anfang Zwanzig in Händen. Mein Zwillingsbruder und ich sind auf einem Bergbauernhof im Bezirk Lilienfeld groß geworden und waren jeden Tag an der frischen Luft, und zwar von früh bis spät. Fernsehen gab es nur am Abend, wobei unser Vater aber niemals auf seine Nachrichten verzichtete. Wir hatten in den Ferien jeden Tag ein straffes Programm, haben bei der Heuernte geholfen, täglich den Stall ausgemistet und waren beim Schlachten von Schweinen, Ziegen und Schafen von Anfang an dabei. Wir haben die Kreisläufe der Natur hautnah mit­erlebt, lernten von der Pike auf, wo Milch, Fleisch, Eier und Brot ihren Ursprung haben und durften uns frei bewegen. Was ich als Kind – weil Freunde den Sommer zum Großteil im Schwimmbad verbrachten – oft als ungerecht angesehen habe, hat sich als positive Erfahrung in mir verankert, die ich nicht mehr missen möchte; weil ich weiß, dass viele Kinder in der heutigen Zeit nicht mehr das Privileg haben, so frei und ungezwungen aufwachsen zu können.
Zurück zum Hier und Heute: Während das immer stärkere Aufkommen der Mobiltelefone in den Neunzigern einen Meilenstein in der Kommunikation markierte, läutete die Einführung des ersten Apple iPhone im Jahr 2007 eine neue Ära ein. Eine Ära, die das Medienverhalten der Menschen nachhaltig verändern sollte – und nicht nur zum Guten. Drei Jahre zuvor ging Facebook ans Netz, das weltweit größte Soziale Netzwerk. Es folgten viele weitere Social-Media-Plattformen, wie Instagram, YouTube, TikTok oder Snapchat, sowie Infokanäle, wie WhatsApp, Telegram usw.
Da man diese Sozialen Medien selbstverständlich auf dem Smartphone konsumieren kann, diese sogar für mobile Endgeräte konzipiert sind („Mobile-First-Strategie“), ist der Nutzer in der Lage, selbst erstellte Inhalte binnen Sekunden einer mehr oder weniger großen Menschenmenge zur Verfügung zu stellen. Immerhin verfügt etwa Facebook über eine Mitgliederzahl von 3 Mrd., was bei insgesamt 8,2 Mrd. Menschen auf dem Globus als mehr oder weniger „flächendeckend“ zu bezeichnen ist.
Und nun sind wir dort angekommen, wo der Hase sprichwörtlich im Pfeffer liegt: Die Änderung des Nutzerverhaltens hat durch die Einführung des Smartphones richtig Fahrt auf­genommen und wird die Herausgeber von Printmedien auch in den nächsten Jahren massiv beschäftigen. Denn es wird nicht nur immer schwieriger, gedruckte Medien zu verkaufen, sondern auch die darin befindliche Werbung, die bei den meisten Titeln fixer Bestandteil ihres Geschäftsmodells ist. Ein weiterer Aspekt, der aktuell eine große Rolle spielt, ist, dass Vertrieb und Distribution immer teurer und schwieriger werden. Während es früher sogar in den Supermärkten eine große Zeitschriftenauswahl gab, ist heute selbst in Trafiken das Angebot auf ein Minimum geschrumpft, und auch die meisten Tankstellen verkaufen keine Magazine mehr. Gerade im ländlichen Raum wird damit die Verfügbarkeit von Printtiteln deutlich erschwert.

Zwischen Ethos und Influencern: Warum Jagdmedien mehr denn je gefragt sind

Als Chefredakteur des Jagdmagazins WEIDWERK kann ich auf eine beinahe 30-jährige Erfahrung im Bereich der Jagdmedien zurückblicken und habe in dieser Zeit zahlreiche Entwicklungen miterlebt – und mitgetragen. Der Anteil an Werbung ist bei vielen Print­produkten um 25 % und mehr zurückgegangen, auch die Abonnentenzahlen sind in vielen Fällen eingebrochen. Gedruckte (Jagd-)Medien sind daher bemüht, diese Einbußen digital aufzufangen, was in Anbetracht der großen Konkurrenz ein schwieriges Unterfangen ist, zumal der Mitbewerb, etwa in persona des Influencers, als „Ich AG“ auftritt und an keinerlei journalistisches Ethos gebunden ist.
In einem immer schwieriger werdenden Umfeld haben zahlreiche Verlage Anfang der 2000er-Jahre leider den Kardinalfehler begangen, die damals aufkommenden „Apps“3  völlig kostenlos zur Verfügung zu stellen, sodass später kaum jemand mehr dafür bezahlen wollte. Erst in den letzten Jahren hat man erkannt, dass gut recherchierte und mit journalistischer Sorgfalt aufbereitete Fachartikel auch digital einen Wert haben (müssen). Diese heben sich vom oftmals oberflächlichen Content der Sozialen Netzwerke erfrischend ab.

Jugendliche mit Smartphones in der U-Bahn – vertieft in digitale Inhalte
Junge Menschen nutzen ihre Smartphones in der U-Bahn – Sinnbild für die allgegenwärtige digitale Vernetzung im Alltag © Adobestock/Miodrag

Digitale Reizflut und FOMO: Warum Aufmerksamkeit zur knappen Ressource wird

Egal, ob in den USA oder vor einiger Zeit in Rumänien: Große Social-Media-Plattformen sind bereits als Werkzeug zur Manipulation verwendet worden, um Präsidentschaftskandidaten zu pushen und Wahlsiege herzuleiten. Aber auch für die Jagd stellen Soziale Medien Fluch und Segen gleichzeitig dar: Während einerseits die Möglichkeit geboten wird, die Jagd und ihre Agenden in weite Teile der Gesellschaft zu tragen, birgt sie andererseits die große Gefahr, selbst mit einem einzigen negativ behafteten Posting einen veritablen „Shitstorm“ loszutreten und die mühevolle positive Öffentlichkeitsarbeit – vornehmlich von den einzelnen Jagdverbänden oder von „Jagd Österreich“ lanciert – mit einem Schlag zunichtezumachen.
Auch in einem anderen Punkt präsentieren sich Soziale Netzwerke als zweischneidiges Schwert: Einerseits ist man damit stets auf dem neuesten Wissensstand, andererseits wird durch die ständige Reizüberflutung die Aufmerksamkeitsspanne immer weiter herabgesetzt. Apropos: Eine vielzitierte, mittlerweile 10-jährige Microsoft-Studie gibt an, dass der Mensch eine Aufmerksamkeitsspanne von nur acht Sekunden hat und damit eine geringere als der Goldfisch – mit neun Sekunden. In dieser Studie wurde eine Verringerung der Aufmerksamkeitsspanne von 12 Sekunden (2000) auf 8 Sekunden (2013) festgestellt. Spinnt man den Faden weiter, ist sie heute wohl noch um einiges geringer. Als Folge ist die menschliche Aufmerksamkeit zu einer wertvollen, hart umkämpften Ressource im Internet avanciert.
Die Welt der digitalen Information ist nicht nur immer schneller geworden, sondern bietet auch ein wesentlich breiteres Angebot als noch vor einigen Jahren. Das ist selbstverständlich auch ein Grund, warum digitale Leser beim Investieren ihrer Zeit immer schneller und bei der Auswahl der präferierten Themen immer wählerischer werden. Die meiste Zeit verbringen Kinder und Jugendliche in Sozialen Netzwerken, und zwar 2–3 Stunden täglich – oder sogar noch mehr. In dieser Zeit des Likens, Sharens, Kommentierens und Schreibens versinken sie förmlich darin, und es besteht die latente Gefahr einer sich entwickelnden Sucht. Untersuchungen haben übrigens gezeigt, dass sich der Mensch nur sehr schwer auf eine Aufgabe konzentrieren kann, wenn sich das Handy in der Nähe befindet und durch Klingel-, Piep- oder sonstige Töne erahnen lässt, dass Nachrichten eingelangt sind. – Weil er Angst hat, etwas zu versäumen. An dieser Stelle soll auch die vielzitierte FOMO4 („Fear of Missing Out“) erwähnt sein, die in den letzten Jahren für eine Reihe negativer psychologischer und verhaltensbezogener Symptome verantwortlich gemacht worden ist.

Natur, Wahrheit, Tiefe: Die Rolle gedruckter Medien in einer digitalen Filterblase

Gedruckte Medien laufen in puncto Aktualität immer im Windschatten ihrer digitalen Konkurrenten her, insbesondere der Sozialen Netzwerke. Und weil sie hier produktionsbedingt nicht schritthalten können, müssen sie sich auf andere Tugenden fokussieren: auf Wahrheitstreue, Reflexion und Tiefgründigkeit. Hier setzen die haptischen Mitbewerber menschlicher Aufmerksamkeit an: Sie recherchieren, sammeln und fügen die Puzzleteile zu einem lesenswerten und unterhaltsamen Ganzen zusammen. Daher werden gedruckte Medien auch künftig ihre Daseinsberechtigung haben, denn während das Digitale etwas Volatiles, Flüchtiges ist, stellt das Gedruckte etwas Nachhaltiges, Beständiges dar. Etwas, das man auch nach 160 Jahren noch in gleicher Weise konsumieren kann. Wie etwa der gebundene Jahrgang der „Jagd-Zeitung“ aus dem Jahr 1865, der mir vor Kurzem in die Hände gefallen ist und mein Büroregal ziert. Darin schmökere ich gerne, um gedanklich in eine längst vergangene Zeit zu reisen.
Smartphones, Tablets & Co haben dafür gesorgt, dass sich nicht nur ein Wandel im Medienkonsum manifestiert, sondern letztlich in der Gesellschaft selbst. Die Menschen entfernen sich immer weiter von den Kreisläufen der Natur, indem sie in eine virtuelle Scheinwelt eintauchen. Sie entfernen sich aber auch deswegen, weil sie es verabsäumen, die Botschaften in den Sozialen Netzwerken zu verifizieren. Dazu kommt, dass sie durch ihr Nutzerverhalten vom Algorithmus Nachrichten in ihren Feed5  gespült bekommen, die ihre Weltanschauung vielleicht noch weiter einzementieren. Und wenn man nun weiß, dass zum Beispiel jagdfeindliche NGOs in großem Stil Artikel streuen, deren Wahrheitsgehalt oft nicht einmal unter dem Mikroskop erkennbar ist, kann man erahnen, welche Gefahr sie bedeuten, wenn sie ihre Wirkung im Feed eines dafür zugänglichen Nutzers ungefiltert entfalten können.

Digitale Strategie für Jagdmedien: So geht das WEIDWERK neue Wege

Die Zukunft wird zwar immer digitaler, aber dennoch wird es für Printmedien weiterhin eine Berechtigung geben. Was aber nicht heißt, dass diese ihre Arme verschränken und die Füße hoch lagern können; im Gegenteil: Sie sind gut beraten, die digitale Herausforderung anzunehmen und neue Standbeine zu etablieren. Das WEIDWERK fokussiert daher seine Strategie künftig auf digitale Inhalte, zu finden auf folgenden Plattformen:

Auf unserem YouTube-Kanal veröffentlichen wir Videos, die unterhalten und informieren, etwa zur praktischen Blattjagd, zur Kitzrettung mit der Drohne, zur GEE (Günstigste Einschieß-Entfernung), zum Flintenschießen usw. – Das WEIDWERK steht also nach beinahe hundert Jahren weiterhin auf soliden Beinen, allerdings nicht mehr ausschließlich auf haptischen.

  1. Als „Legacy Media“ gelten Massenmedien, die bereits vor dem Internet auf dem Markt waren. Dazu zählen etwa Printmedien, Film- und Musikstudios, Werbeagenturen, Radio und Fernsehen. ↩︎
  2. Soziale Medien oder Social Media sind digitale Medien bzw. Plattformen, die es ihren Nutzern erlauben, sich im World Wide Web (Internet) zu vernetzen und Content zu veröffentlichen, zu kommentieren oder zu teilen. Von den 5,4 Mrd. Internetnutzern Anfang 2024 benutzten mehr als 5 Mrd. Soziale Medien. ↩︎
  3. App ist die Abkürzung des englischen Ausdrucks „Application“ und beschreibt eine Anwendungs-Software vornehmlich für mobile Endgeräte, wie Smartphones oder Tablets. ↩︎
  4. Die „Fear of Missing Out“, kurz FOMO, beschreibt die Angst bzw. Befürchtung, Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Lebensentscheidungen zu verpassen, die das eigenen Leben verbessern könnten. Sie ist gekennzeichnet durch den Wunsch, ständig mit dem in Verbindung zu bleiben, was andere tun, und kann als Angst beschrieben werden, dass die Entscheidung, nicht daran teilzunehmen, die falsche Wahl ist. ↩︎
  5. Die meisten Sozialen Netzwerke, wie Instagram, Facebook oder Twitter, sind als individuelle Startseite und wichtigste Benutzeroberfläche mit einem zentralen „Feed“ ausgestattet. Dieser besteht aus Beiträgen anderer Profile, mit denen der jeweilige Nutzer verknüpft ist bzw. die er abonniert hat. ↩︎

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