Jagdhunde früh ans Wild gewöhnen – So gelingt die erfolgreiche Wildgewöhnung

Jagdhund springt auf Reizangel mit Wildfellattrappe
Spielerisches Training mit der Reizangel – Aufbau von Jagdtrieb und Gehorsam © Desiree Schwers

Erfahre, wann und wie du deinen jungen Jagdhund ideal an Wild gewöhnst – von ersten Wildkontakten bis zur Einarbeitung an der Schliefenanlage und im Schwarzwildgatter. Tipps für eine stressfreie, erfolgreiche Ausbildung.

In den ersten Lebensmonaten eines Hundes, sprich der Sozialisierungsphase, die ab der vierten Lebenswoche bis etwa zum neunten Lebensmonat geht, ist sein Gehirn noch am aufnahmefähigsten. In dieser Zeit sollte der Vierläufer möglichst viel kennenlernen. Je mehr Umwelteindrücke er dann erfährt, desto leistungsfähiger ist er später. Werden ihm die richtigen Reize geboten, kann er sich sein Leben lang besser auf Stress und wechselnde Umwelteinflüsse einstellen.
Natürlich soll der Jungspund an alles in Maßen und behutsam herangeführt werden, damit er nicht überfordert wird. Denn alles, was er in dieser Zeit als negativ abspeichert, kann umfangreiche Folgen für sein späteres Verhalten haben. Eventuell äußert sich dies dann auch in ganz alltäglichen Situationen als unangebrachtes Meideverhalten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Vierläufer in dieser Sozialisierungsphase möglichst viele positive Erfahrungen macht.
Gewöhnt man den Hund schon früh ans Wild, verknüpft er die Zusammenarbeit mit dem Hundeführer rasch mit der verlockenden Beute. Dies stärkt wiederum die Bindung zwischen Mensch und Hund. Im Idealfall beginnt bereits der Züchter ab der fünften Lebenswoche der Welpen mit ersten Wildkontakten, indem er den Kleinen zunächst einmal diverse Wildteile, wie Sauschwarte, Rehdecke oder Hasen, zur Erkundung vorsetzt. Auch die Reizangel kann der Züchter schon spielerisch einsetzen, um die Welpen ans Wild heranzuführen. Zur Frühförderung eines späteren Bauhundes zählt bereits das Bewinden und Schütteln eines erlegten Fuchses.
Der erste Wildkontakt sollte jedoch stets kontrolliert ablaufen. Wildes Zerlegen oder gar Auffressen, aber auch konkurrierendes Verhalten unter den Wurfgeschwistern einschließlich einem Beutesichern durch Vergraben ist sofort zu unterbinden, damit sich die Welpen nicht schon kontraproduktive Unarten für den späteren Jagdgebrauch angewöhnen.

Vorstehhund apportiert Marderfell im Feld
Apport eines Marders – wichtige Übung für die Jagdgebrauchshundeausbildung © Desiree Schwers

Reizangel-Training zur Wildgewöhnung: So förderst du deinen Jagdhund richtig

Mit der Übernahme des jungen Vierläufers liegt es am neuen Halter, die Wildgewöhnung entsprechend sinnvoll fortzusetzen. Dabei ist die Reizangel weiterhin ein sehr hilfreiches Utensil. Mit ihr kann nicht nur sicheres Apportieren von Haar- und Federwild geübt werden, sondern auch optimales Vorstehen, diverse Gehorsamslektionen, wie Standruhe, Einspringen auf Kommando und Halt. Die Einarbeitung am und im Wasser ist auf diese Weise ebenfalls möglich. Außerdem kann der Junghund damit schon früh an Raubwild mit „unangenehmer“ Wittrung gewöhnt werden (zum Beispiel Marder und Fuchs), das ansonsten mit zunehmendem Alter gerne verschmäht wird.
Wichtig ist immer, gewünschtes Verhalten sofort kräftig zu loben. Bei zu wildem Spiel inklusive Kauen, Rupfen, Schütteln oder Zerfleddern der Beute muss man hingegen sofort eingreifen und dies beenden. Dabei ist viel Fingerspitzengefühl nötig, um dem Welpen nicht aufgrund von zu heftiger Korrektur die Arbeit am Wild gänzlich zu verleiden. Schnell verknüpft er nämlich damit auch die entsprechende Wittrung, die in Zukunft dann vielleicht schon ausreicht, um Meideverhalten bei ihm auszulösen. Achten Sie zudem immer genau auf die Reaktionen des Vierläufers beim Anblick oder Spiel mit den jeweiligen Wildarten. Denn hier zeigt sich rasch, ob Sie es mit einem eher draufgängerischen Heißsporn zu tun haben, den man unter Umständen etwas bremsen muss, oder ob es ein eher zaghafter Vertreter ist, den es erst einmal ganz behutsam in seinem Selbstvertrauen zu stärken gilt.
Eine gute Beobachtungsgabe, aber auch viel Einfühlungsvermögen sind generell sehr wichtig bei der Ausbildung des Hundes. Vergessen Sie nie, dass ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Hund eine ganz grundlegende Voraussetzung für eine freudig-motivierte Mitarbeit des Vierläufers und somit letztlich auch eine erfolgreiche Ausbildung desselben ist.

Behutsam vorgehen
Respektieren Sie individuelle Unterschiede beispielsweise bezüglich des Lerntempos. So sind größere Rassen im Vergleich zu kleineren häufig Spätzünder. Auch sollten Sie die Tagesform des Hundes berücksichtigen, die, wie bei uns auch, durchaus variieren kann. Passen Sie das Training immer dementsprechend an.
Üben Sie zunächst nur in sehr kurzen Sequenzen und beenden Sie das Ganze immer mit einem Erfolgserlebnis für den Hund und zwar, bevor seine Lust und Konzentration nachlassen.
Damit der Junghund die gelernten Eindrücke auch optimal verarbeiten kann, braucht er noch viel Schlaf. Gönnen Sie ihm daher unbedingt genügend Pausen, damit er nicht, von den zahlreichen neuen Eindrücken im Jagdrevier übermüdet, die Lust an gemeinsamen Birschgängen verliert. Deshalb ist die Mitnahme eines Rucksackes empfehlenswert, auf dem der Kleine nicht nur gemütlich rasten, sondern auch bequem im Rucksack getragen werden kann.
Trainieren Sie nicht mit Ihrem Hund, wenn Sie selbst gestresst sind oder einen schlechten Tag haben. Zu schnell überträgt sich Ihre negative Energie auf den Vierläufer, was nicht nur kontraproduktiv für Ihre Beziehung zueinander, sondern natürlich auch für den Übungserfolg ist.

Jungjagdhund an lebendes Wild gewöhnen – Tipps für Reviergänge, Voliere & Wildpark


Nehmen Sie Ihren Hund von Anfang an auf Reviergänge mit. Lassen Sie ihn sofort an erlegtem Wild schnuppern und loben Sie ihn ausgiebig, wenn er sich wie gewünscht verhält.
Sie können den Welpen, je nach späterem Einsatzgebiet, gleich nach dem Einzug bei Ihnen auch schon mit in Volieren lebendem Federwild bekanntmachen. Ebenso mit Schalen- oder Raubwild, das in Gattern gehalten wird. Der Besuch in einem Wildpark stellt eine gute Möglichkeit dar, den Vierläufer erstmals mit lebendem Wild und dessen Wittrung zu konfrontieren, allerdings stets in gebührendem Abstand noch durch Gitter getrennt. Raubwild kann der Hund außerdem ab und zu in Kastenfallen bewinden. In welchem Tempo und welcher Dosierung man anschließend den direkten Kontakt zu lebendem Wild gestaltet, hängt ebenfalls entscheidend vom Charakter eines jeden einzelnen Vierläufers ab. Sehr selbstbewusste, triebstarke Vertreter können in jedem Fall früher mit lebendem Wild konfrontiert werden als vorsichtige, noch zögerliche Junghunde, die erst einmal insgesamt mehr in ihrer Selbstsicherheit reifen müssen.
Achten Sie darauf, dass erste Apportierübungen erst stattfinden, wenn der Zahnwechsel komplett abgeschlossen ist, damit der Welpe das Tragen, Packen und Festhalten von Wild(teilen) aufgrund von Zahnschmerzen nicht mit etwas Negativem verknüpft.
Vor allem für sehr selbstbewusste Vierläufer ist eine relativ frühe, aber selbstverständlich wohldosierte Ein­arbeitung an wehrhaftem Wild empfehlenswert, da sich junge Hunde noch deutlich besser von Füchsen, Dachsen oder Sauen beeindrucken lassen als Erwachsene, die eventuell sogar schon einmal erfolgreich einen Marder oder Ähnliches gewürgt haben.

Jagdhund blickt aus dem Fuchsbau während der Schliefenarbeit
Frühes Training: Der Erdhund bei der Gewöhnung an den künstlichen Bau. © Desiree Schwers

Frühe Einarbeitung an der Schliefenanlage – So wird dein Erdhund jagdlich vorbereitet

Einen charakterstarken, entschlossen auftretenden Erdhund sollte man also schon früh, sprich gleich nach dem Zahnwechsel, an der Schliefenanlage einarbeiten. Dabei wird der Hund in einem künstlich angelegten Röhren­system aus Steig- und Fallrohren sowie mehreren Kesseln unter kontrollierten Bedingungen auf die spätere Bauarbeit vorbereitet.
Zunächst erfolgt eine langsame Gewöhnung an den dunklen, engen „Bau“ und anschließend, mithilfe von zahmen Füchsen, an die Raubwildwittrung. Ziel ist es, dass der Hund dem Fuchs von Kessel zu Kessel folgt, ihn kräftig verbellt und auf diese Weise später aus dem Bau sprengt. Aus Sicherheitsgründen kommen Fuchs und Hund in der Schliefenanlage nie direkt zusammen, sondern sind immer durch Gitterschieber voneinander getrennt. Der für die Anlage samt Füchsen und die Einarbeitung von Vierläufer und Hundeführer zuständige „Schliefenwart“ kann jederzeit von oben eingreifen, da der gesamte Komplex mit aufklappbaren Deckeln versehen ist. Auf diese Weise werden beim Hund Schneid, Passion und Unerschrockenheit gefestigt und vertieft. Außerdem lernt er, stets einen gewissen Respekt zum vorhandenen Raubwild zu wahren und nicht blindlings anzugreifen, zwei Eigenschaften, die später in freier Natur lebenswichtig für ihn sind.
Nach einer gründlichen Einarbeitung in der Schliefenanlage folgen erste Übungen am Kunstbau und schließlich in überschaubaren Naturbauen. Zaghaftere Vierläufer brauchen in jedem Fall mehr Unterstützung und Motivation durch den Hundeführer. Dabei ist es umso wichtiger, mit gutem Beispiel voranzugehen, also ganz klar und souverän aufzutreten. Eigene Unsicherheit oder Planlosigkeit würde einen eher zögerlichen Hund nur noch weiter destabilisieren. Deshalb ist es auch wichtig, immer wieder einmal das eigene Auftreten und die daraus resultierende Wirkung auf den Vierläufer zu reflektieren, im Zweifelsfall mithilfe einer anderen hundeerfahrenen Person.
Eigene Unsicherheit im Rahmen der Hundeausbildung hat im Übrigen nichts mit Schwäche zu tun. Es ist also absolut legitim und durchaus wünschenswert, wenn man sich, gerade als Erstlingsführer, im Rahmen des Trainings Unterstützung von einem erfahrenen Hundeführer oder Ausbilder eines Zuchtvereins holt. Ein planloses Herumexperimentieren hat noch keiner Mensch-Hund-Beziehung gutgetan, schließlich sind die Einarbeitung und der spätere Einsatz eines Jagdgebrauchshundes mit sehr viel Verantwortung verbunden.

Jagdhund in Schutzweste schnuppert an aufgehängtem Frischling
Beagle bei kontrollierter Wildgewöhnung an Schwarzwild © Annette Schmitt

Junghunde an Schwarzwild gewöhnen – Einarbeitung im Schwarzwildgatter Schritt für Schritt

Ab einem Alter von etwa neun Monaten besteht die Möglichkeit, unter Anleitung erfahrener Ausbilder, den Hund in speziellen Schwarzwildgattern (D) an die Arbeit mit Sauen heranzuführen. Der Junghund soll dort unter kontrollierten Bedingungen die Wehrhaftigkeit von Schwarzwild erfahren und zum Selbstschutz lernen, das eigene Verhalten an das der Sauen anzupassen.
Ziel der Übung ist es, dass der Hund Schwarzwild zuverlässig findet und in Bewegung bringt, ohne sich dabei selbst zu gefährden. Etwas ängstliche Vierläufer können zunächst vom Führer unterstützt werden. Dieser sollte dabei unbedingt entschlossen auftreten, denn hat er selbst Angst vor den Sauen, überträgt sich diese rasch auf den Hund, eine Schwarzwildschärfe ist dann meist nicht mehr zu erwarten. Dem Heißsporn hingegen zeigen die souveränen Gattersauen rasch seine Grenzen auf. Die Einarbeitung, die dem Tierschutz dient, überwachen erfahrene Gattermeister. Durch dieses Training soll verhindert werden, dass junge Hunde in freier Wildbahn unvorbereitet auf Schwarzwild treffen und dabei schwer verletzt werden.
Setzen Sie Vierläufer, die sich noch in der Ausbildung befinden, daher nicht auf Schwarzwildjagden ein. Zu schnell kann eine Situation eskalieren, und die noch unerfahrenen und wesensmäßig nicht gefestigten Hunde können sowohl physisch als auch psychisch dauerhaft Schaden nehmen, sodass ein späterer Einsatz an Schwarzwild mit ihnen nicht mehr möglich ist.
Die ersten Erlebnisse an Sauen müssen für Ihren Vierläufer unbedingt erfolgreich sein. Deshalb sollten sie am besten im kleinen Rahmen und gut geplant stattfinden. Während robuste, selbstbewusste Charaktere schon durch die Arbeit an den Gattersauen eine belohnende Bestätigung erfahren, ist es für den zaghaften Vertreter wichtig, in der Zusammenarbeit mit seinem Hundeführer zum Erfolg zu kommen. Für Letzteren hat es sich daher bewährt, immer wieder einmal kranke Stücke vor ihm abzufangen. Durch dieses gemeinsame Beutemachen wird allmählich auch das Selbstbewusstsein des anfangs eher zaghaften Hundes verbessert.

Jagdhund schwimmt mit apportierter Ente im Maul
Federwild im Wasser – sichere Apportierleistung im jagdlichen Training © Desiree Schwers

Frühe Wildgewöhnung durch Nachsuche – So wird dein Jagdhund sicher & selbstbewusst

Auch im Rahmen einer Nachsuche ist ein frühzeitiges Heranführen an Wild möglich. So kann der Welpe schon bei einfachen Totsuchen mit einem erfahrenen Vierläufer mitgeführt werden. Am Ende darf er das liegende Stück natürlich ausgiebig bewinden. Weil gerade junge Hunde viel von ihren Artgenossen rein durch Beobachten und Nachahmen lernen, kann der vierläufige Schüler nach komplett erfolgtem Zahnwechsel und bei entsprechender Reife später auch mit einem bereits gut eingearbeiteten Schweißhund zur Hatz geschnallt werden. Auf diese Weise verbessert sich ebenfalls die Selbstsicherheit des Jungspunds.
Grundsätzlich sollte die Gewöhnung an Wild also so früh wie möglich beginnen, idealerweise schon in Maßen beim Züchter. In jedem Fall ist es jedoch für die Ausbildung des Hundes wichtig, sich und den Vierläufer zeitlich, aber auch von den Anforderungen und Erwartungen her, nicht unter Druck zu setzen.
Arbeiten Sie grundsätzlich nie stur nach Ausbildungsplan, sondern stets mit viel Einfühlungsvermögen und
Geduld, angepasst an das individuelle Wesen und die Persönlichkeit eines jeden Hundes. Verzweifeln Sie nicht, wenn es bei dem einen oder anderen Vierläufer vielleicht etwas länger mit der Einarbeitung dauert. Letztlich zählt ausschließlich das Endergebnis, nämlich ein ausdauernd mit Freude arbeitender Jagdgebrauchshund, der Ihnen bei Ihrer Arbeit im Revier zuverlässig hilft.

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