Die Kunst der Blattjagd ist ein Spiel aus Tönen, Timing und Technik. Tipps zu Blattern, Lockrufen, Strategien und Ausrüstung – für den Erfolg auf den Rehbock in der Brunft.
Einer meiner beiden Lieblingsblatter, der Rehfiep Hubertus, liegt griffbereit am Sitzbrett, der andere (Rottumtaler Blatter) hängt, in ein Lederetui gehüllt, an einer Kordel um den Hals. Der geladene Repetierer steht in der rechten Ecke des Bodensitzes. Der Ansitzstandort wurde bei der Errichtung bereits so gewählt, dass sich der Blattplatz in einem dunklen Bereich befindet, also vom Dunklen in das Hellere hinaus geblattet werden kann. Ein Windanzeiger im Bestand vor mir, ein an einer Angelschnur hängender Golfball mit einer eingebohrten, großen weißen Gänsefeder, zeigt mir, dass der Wind passt. Die Feder steht gerade zu mir her, was bedeutet, dass der Wind von vorne aus dem aufgeasteten Buchen-Altholzbestand kommt. Das Zielfernrohr ist auf 5-fach eingestellt und somit dem Blattstandort angepasst. Angesprochen wird durch die Zieloptik.
Lockruf in der Blattjagd: Mit Fiep und Sprenglaut den Rehbock überzeugen
Wenn sich die erste Augustwoche ihrem Ende zuneigt und viele Geißen bereits abgebrunftet sind, springen die Böcke eher aufs Blatten als in den Tagen zuvor. Viele Jäger wundern sich, wenn sie beim Blatten in der Hauptbrunft nur junge Böcke zum Springen bringen. Da stehen die meisten älteren noch bei den Geißen und entfernen sich nur ungern vom lieblich duftenden Brunftgeruch des windfangnahen Feuchtblattes. Entscheidend ist auch das Geschlechterverhältnis im jeweiligen Revier. Je höher der Geißenanteil, desto schwieriger ist es, bei der Blattjagd erfolgreich zu sein. Eine zu große Auswahl für die Böcke erschwert den Jagderfolg beim Musizieren.
Eine halbe Stunde warte ich noch, bis sich Eichelhäher, Zaunkönig & Co beruhigt haben, dann lasse ich meine ersten, verhaltenen Strophen erklingen. Ein Bock könnte in der Nähe des Ansitzplatzes eingelagert sein, daher locke ich ihn mit dem Kommunikationslaut, übersetzt in Rehsprache: „Ich bin eine Geiß, ist hier noch ein anderes Reh?“ Ich halte die Hand vor den Blatter, damit dämpfe ich den Ton, sodass er nicht zu schrill klingt, und drehe mich ganz vorsichtig nach links, vorne und rechts, damit ein täuschend echter, möglichst natürlich klingender Geißfiep zu hören ist. Rehe stehen bekanntlich ebenfalls nicht wie eine Statue und senden ihre Laute in verschiedene Richtungen. Noch rührt sich nichts.
Die Töne sollen dabei durchwegs variieren und nicht gleich klingen. Rehe fiepen auch nicht ständig in derselben Tonhöhe, Länge oder Lautstärke. Am besten, man versetzt sich in das lockende Tier hinein, lässt seinen Gefühlen und Instinkten freien Lauf und blattet mit derselben Leidenschaft, wie ein Bock seine Geiß treibt. Wobei das Wort „treiben“ nicht richtig ist, denn er folgt ihr einfach hinterher.
Wiederum greife ich zu meinem Lockinstrument und imitiere eine getriebene Geiß. Immer wieder ist dazwischen der Sprengruf „Piäää, piäää!“ zu hören. Dabei teilt die Geiß dem Bock mit, dass sie noch nicht paarungsbereit ist – also ein eindeutiges „Geh weg, Alter“! Genau dieser Ton elektrisiert jeden territorialen Liebhaber, und er wird nachsehen, welcher Eindringling da bei einer seiner Geißen steht. Übrigens sind die meisten meiner herangeblatteten Böcke in der ersten Viertelstunde des Musizierens gesprungen. Das schließt jedoch nicht aus, dass sich ältere Schlaumeier, meist zu Ende der Brunft, wenn sie bereits abgebrunftet und todmüde sind, bis zu einer halben Stunde nach dem letzten Fiepton heranlocken lassen.
Meiner Erfahrung nach springen Böcke gerne vor und nach Gewittern. Auch ist der Erfolg beim Blatten bei einem Wetterumschwung oder kühlerem, bewölktem Wetter besser als bei brütendem Sonnenschein, wo sich das Wild in kühlere Bestände und Wasser führende Gräben des Reviers zurückzieht. Hier ist ein Blatten um die Mittagszeit Erfolg versprechend. Wenn die ersten Julitage ins Land ziehen und das Treiben der Liebespaare beim Rehwild um die Monatsmitte beginnt, werden viele Rehjäger unruhig und fiebern den Tagen der Lockjagd entgegen.

Blattjagd richtig lernen: Warum der Ton den Jagderfolg bestimmt
Es gibt sehr viel Literatur und auch gute Filme, CDs und DVDs über die Blattjagd, in denen man sich Wissen und gute Tricks abschauen kann. Auch von Profis und Jagdpraktikern angebotene Blattjagdseminare sind von Vorteil. Letztlich muss jedoch jeder einzelne Jäger seinen eigenen Weg finden, wie und mit welchen Instrumenten er die Blattjagd ausübt.
Grundsätzlich unterscheidet man Hand- und Mundblatter. Die größere Vielfalt an Tönen lässt sich mit einem Mundblatter erzielen, erfordert jedoch auch entsprechende Übung.
Mit dem Kauf eines Blatters ist es da noch lange nicht abgetan. Manch ein Grünrock glaubt, dass die Melodien, wie sie in YouTube-Kanälen und entsprechenden Filmen gezeigt werden, scheinbar von selbst aus dem erworbenen Instrument hervorquellen. Beim ersten misslungenen Praxiseinsatz legt man das gekaufte „Ding“ dann wieder zur Seite und sagt sich, dass das sowieso nicht funktionieren könne. Man bleibt bei seinen bisherigen Jagdstrategien und verzichtet auf ein Lockinstrument, benutzt stattdessen vielleicht sogar noch eine Handy-App mit entsprechenden Tonvorlagen.
Doch Blattjagdinstrumente spielen eben nicht von selbst. Man muss sie so benutzen können, dass dem Bock oder der Geiß eine entsprechende Szene vorgetäuscht werden kann. Ein Theaterstück, in dem der blattende Jäger als Regisseur fungiert und weiß, welche Töne in der jeweiligen Szenerie vonnöten sind, um den Bock oder die Geiß zum Springen zu veranlassen. Der Bock soll glauben, dass er vor Ort einer paarungswilligen Geiß begegnet oder die Geiß soll glauben, dass sich ihr Kitz in Lebensgefahr befindet.
Würde uns jemand eine Klarinette, Tuba oder Steirische vorlegen und unverzüglich eine wunderschöne Melodie hören wollen, dann bräuchten wir ebenfalls eine gewisse Zeit der Übung, des instrumentalen Kennenlernens und der Erfahrung, welche verschiedenen Töne, Melodien oder Klangfarben daraus hervorzubringen sind. Dann kommen noch die individuellen Feinheiten und Nuancen dazu, und man muss die Stücke – bildlich gesprochen – nach „Walzer“, „Polka“ oder „Marsch“ unterteilen, den Takt vorgeben und eine Melodie zum Erklingen bringen, damit dazu auch getanzt werden kann.
Die richtige Wahl des Blatters: Tipps für erfolgreiche Lockjagd auf Rehwild
Auch die Wahl der Musikinstrumente wird entsprechend unterschiedlich ausfallen und muss zum jeweiligen „Musikantentypus“ passen. Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, dass sich der blattende Jäger zuerst mit der Art der Blatter beschäftigt und sich mit der „Bedienungsanleitung“ auseinandersetzt. Denn vom Hineinblasen, Ansaugen, Daumendrücken über das Formen eines Buchenblattes, das Spannen eines Grashalmes zwischen den Daumen bis hin zu Fieptönen mit den eigenen Lippen, gibt es eine Reihe verschiedener Möglichkeiten, den Instrumenten rehähnliche Töne zu entlocken.
Bereits in alten Jagdbüchern steht beim Kapitel Blattjagd ein nicht unwesentlicher, eher aufmunternder Satz: „Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann springen die Böcke auch auf ein quietschendes Wagenrad“. Und das stimmt in einem gewissen Zeitabschnitt durchaus. Entsteht beim Musizieren also auch einmal der eine oder andere „Misston“, so nimmt dies ein liebesverwirrter Bock so schnell nicht übel. Die Wirkung der ausgesendeten Locktöne, ob zartes Fiepen oder todängstliches Geschrei, hängt also von der vorgefundenen Situation, dem erlebten „Bühnenbild“, ab. Doch sollte der Musikant ein gewisses Vorwissen um die verschiedenen Töne und deren Bedeutung beim Trockentraining im Hauskeller, der Jagdhütte oder unter der Bettdecke erlangen.
Vor allem die älteren, erfahrenen Böcke glauben einer Serie von Misstönen nicht, besonders dann, wenn sie bereits unter dem Ansitzplatz stehen und verwundert nach der auf dem Baum fiependen Geiß Ausschau halten. Tiefes Schrecken verrät den schlauen Alten, welcher an diesem Platz und im selben Jahr nicht mehr so leicht mit künstlichem Rehgelocke zu überlisten sein wird.
Meine erste Serie mit dem Rottumtaler Blatter ist verklungen, und nach einigen Minuten der Stille folgen die nächsten Töne. Da nach einer halben Stunde noch kein Bock auf den Geißfiep gesprungen ist, nehme ich meinen abgelegten Hubertus Rehfiep und mache ein Kitz in Todesangst nach – das Kitz-Angstgeschrei. Der Bock könnte ja gerade bei einer Geiß stehen.
Lange und laute Kitztöne, drei bis viermal hintereinander, wieder in verschiedenen Richtungen – da lässt sich Todesangst heraushören und der Mutterinstinkt wecken. Noch ist es ruhig. Doch da springt die Geiß schon heran, ist jedoch allein.
„Tonlose“ Blatter vermeiden: Pflege und Kontrolle vor der Blattjagd
Wie das eigene Gewehr im Frühjahr eingeschossen gehört, genauso sind auch die Lockinstrumente vor dem ersten Ausgang und den Serien im Revier auf ihre Betriebstauglichkeit zu testen. Manchmal haben sich Hosentaschen- oder Jackeninhalte, wie Brösel oder Staub, in den Luftkanälen oder unter der Membran verklebt und verhindern eine ordnungsgemäße Tonabgabe. Daher ist es ratsam, alle Arten von Lockern stets in Futteralien oder Lederetuis einzubetten und nicht lose in Taschen zu stecken, wo sie dem jagdlichen Schmutz, wie Sägespänen oder anderen Staubpartikeln, ausgesetzt sind.
Nichts ist ärgerlicher, als ein „tonloses Musikinstrument“ in Momenten der Jagpraxis als solches wahrzunehmen und erkennen zu müssen, dass man an diesem „Zustand“ durch seine Sorglosigkeit und Schlamperei auch noch selber Schuld hat.

Die Sprache der Rehe: Der richtige Ton beim Einsatz von Blattern
Wer die Lautäußerungen der Rehe ein bisschen studiert hat, weiß, dass es einige differierende Töne zu unterscheiden gilt. Diese variieren in der Tonhöhe, Länge und Ausdruckskraft. Ein Kitz, das nach seiner Mutter ruft, klingt anders, als wenn es vom Fuchs verfolgt wird. Eine Geiß, die sich als Reh bemerkbar macht, hört sich anders an, als ein getriebenes weibliches Stück, welches vom Bock bedrängt wird und noch nicht zum Beschlag bereit ist. Zudem kommen noch das Schrecken, Klagen und Angstgeschrei bzw. Töne der Eifersucht hinzu. Auch der höhere Schmalrehruf unterscheidet sich von dem einer Altgeiß, der eindeutig etwas tiefer klingt.
Für manchen Jäger wird es ratsam sein, verschiedene Lockinstrumente mit dem jeweils speziell eingestellten Ton parat zu haben. So macht es durchaus Sinn, einen Blatter mit Kitzruf und einen Blatter für Geißfiep und Sprengruf einzusetzen. Mühsam wird es dann, wenn man bei einem Instrument andauernd die Töne neu einstellen muss. Irgendwann sind die Schrauben so ausgeleiert, dass überhaupt kein Ton mehr aus dem Instrument kommt und man die Szenerie „sprachlos“ am Ansitzplatz an sich vorbeiziehen lassen muss.
Blattjagd lernen: Warum Übung und Seminare den Unterschied machen
Wer die richtigen Blattjagdtöne erlernen möchte, sollte sich einem Profi anvertrauen. Viele Jagdverbände bieten diesbezügliche Seminare in Theorie und Praxis an, oft auch in Form von Filmen oder Videoszenen. Als Vortragender solcher Seminare wundert man sich oft, welche Töne da das Ohr des Menschen „erfreuen“. Wie muss das erst für ein Reh klingen?Andererseits gibt es beim Üben genügend Spaß und gute Laune, wenn vom sterbenden Eichhörnchen bis zur balzenden Quietschente alle möglichen Laute zu hören sind.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und dementsprechend erlangen die Seminarteilnehmer bereits im ersten Teil des Kurses die Erkenntnis, dass dem Instrument ein gewollt platzierter Ton ohne Üben nicht zu entlocken ist.

Blattjagd mit dem richtigen Lockinstrument: Tipps für Ton, Technik und Erfolg
Wer sich mit Blattern mit Stimmblättchen, wie dem Rottumtaler Blatter, dem Rehblatter von Klaus Weißkirchen oder den skandinavischen Blattern, schwer tut, sollte vorerst einfacher zu bedienende Blattinstrumente, wie den Buttolo Handblatter mit einem Gummikörper und dem Prinzip eines Blasebalges, vertraut machen. Fiepen und Sprengruf sind damit gut und relativ einfach nachzuahmen.
Meine persönlichen Favoriten sind der Rehfiep Hubertus mit der Einstellung auf den Kitzruf/Kitzangstgeschrei und der Rottumtaler Blatter von Klaus Demel, den ich vor allem für die Brunftlaute der Geiß – speziell den Sprengfiep – einsetze. Auch der Kitzruf, das Kitzangstgeschrei und das Eifersuchtsgeschrei können mit diesem Blatter bei einiger Übung mit eingerollter Lippe und möglichst ohne Speichelfluss (wegen dem Verkleben des tonangebenden Stimmblättchens) sehr gut nachgeahmt werden.
Als die Geiß, ohne zu Schrecken, abgesprungen ist, nehme ich einen bodennahen Buchenast, der zum Erdsitz hereinhängt, in die Hand und täusche im trockenen Laub das Plätzen und Fegen eines Bockes vor. Laut verliert sich das bocktypische Rascheln im Altholzbestand vor mir. Dazwischen rufe ich mit dem Sprengfiep in Kombination einige Strophen dazu.
Keine fünf Minuten später wird es rot hinter einer Zwieselbuche, und das ergraute Haupt eines ungeraden Sechsers kommt zum Vorschein. Er springt nicht wie ein Jüngling in weiten Sätzen heran; beinahe schleichend, betont vorsichtig nähert er sich meinem Sitz und sondiert die Lage. Das Gewehr ist schon im Anschlag, der Rotpunkt hat sich auf dem Blatt angesogen, und als ich einen lauten Schrecklaut von mir gebe, wirft es den Überlisteten im Feuer zu Boden. – So einfach kann es gehen …