Österreichische Jägertagung: 30 Jahre Wissenstransfer zu Wild & Lebensraum

Volles Haus bei der Österr. Jägertagung 2025 in der Puttererseehalle in Aigen/Ennstal.
Österr. Jägertagung 2025 © Fritz Wolf

Im Jahr 1995 fand im Schloss Gumpenstein die erste Österr. Jägertagung statt, der 23 Teilnehmer beiwohnten. Es ging damals um die praktische Beurteilung von Heu als Wildfuttermittel. Fritz Völk und Karl Buchgraber gelten als die Initiatoren der Jägertagung, die nicht erst 30 Jahre später zu einem Fixpunkt im jagd­lichen Terminkalender avanciert ist. Nicht nur aus Österreich, sondern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum strömen die Teilnehmer alljährlich ins steirische Ennstal, um sich auf dem neuesten jagdlichen Wissensstand zu halten – am 6. und 7. März 2025 waren es etwa 500 Interessierte, die in der Puttererseehalle Platz nahmen.

Österreichische Jägertagung: Fachvorträge, Diskussionen & Netzwerken rund um Wild, Lebensraum und Jagd

Tagungsziel war stets ein Programm mit hochwertigen Vorträgen zu einem aktuellen Schwerpunktthema, das von einem neutralen und unabhängigen Kommitee aufgebaut wurde. Im Jahr 2009 dokumentierte das Programmteam, damals bestehend aus Karl Buchgraber, Fritz Völk, Fritz Reimoser, Werner Spinka und Klaus Hackländer, die Grundkonzeption und Zielsetzung der Österr. Jägertagung in schriftlicher Form. Man wollte ein jährliches Angebot zum Gedankenaustausch zwischen Praktikern, Behördenvertretern und Wissenschaftern aus allen Bundesländern und möglichst auch benachbarter Länder zum Themenkomplex „Wild, Lebensraum und Jagd“ im Sinne einer nachhaltigen Nutzung schaffen.
Als Zielgruppe wurden sowohl Jäger als auch sämtliche Landnutzer, die durch ihre Maßnahmen oder Unterlassungen Wildpopulationen oder deren Lebensräume beeinflussen, sowie Personen/Interessengruppen, die durch ihre Auseinandersetzung mit der Jagd und durch ihre Öffentlichkeitsarbeit auf das Jagdwesen und dessen Akzeptanz in der Gesellschaft Einfluss nehmen, festgemacht.
Je intensiver die Kultur­landschaft genutzt wird, umso eher treten die Ziele, Ansprüche und Wünsche der Naturnutzer in Konkurrenz zueinander, und umso wahrscheinlicher ergeben sich wechselseitige Beeinträchtigungen und mögliches Konfliktpotenzial. Die Vielfachnutzung der „Natur“ wird durch die hohen Ansprüche unserer Wohlstands- und Freizeitgesellschaft immer stärker geprägt. Die Interessengruppen haben mitunter recht unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Natur zu behandeln ist. Der notwendige konstruktive Dialog erfordert von allen ein Mindestmaß an Fach­wissen über die Aus- und Wechsel­wirkungen dieser Faktoren und über die Motive und Einstellungen anderer Landnutzer. Die Österr. Jägertagung möchte eine Plattform bieten, wo über aktuelle Themen eingehend referiert und offen, kontroversiell, aber auch wertschätzend diskutiert wird. Die Diskussionen sind ein ebenso wichtiger Teil der Veranstaltung wie etwa auch der „Speaker’s Corner“ mit freier Themenwahl.
„In 30 Jahren kann man auf 547 Vorträge von 340 verschiedenen Vortragenden zurückblicken, die Beiträge wurden auf 2.000 Seiten publiziert“, zeigt Univ.-Prof. DI Dr. Fritz Reimoser in seinem Überblick ein paar interessante Fakten zur Jägertagung auf.

Es braucht diese informellen Gespräche in ungezwungener Atmosphäre, die mindestens genauso wichtig sind wie die Vorträge der Tagung. | Univ.-Prof. DI Dr. Fritz Reimoser


Die Österr. Jägertagung hat mittlerweile einen hohen Bekanntheitsgrad im deutschsprachigen Raum erreicht. Die limitierten Eintrittskarten für die Veranstaltung in der Puttererseehalle sind meist in kürzester Zeit vergriffen. Die Teilnehmer (mit einem hohen Anteil an Stammpublikum) schätzen offenbar die Kombination aus fachlich hochwertigen Vorträgen, offenen Diskussionen und herzlicher Gastlichkeit im Rahmen der Abendgestaltung; viele genießen die Verbundenheit untereinander und freuen sich, wenn sie an diesen beiden Tagen im Jahr ein Teil der so geschaffenen „Atmosphäre mit Seele“, wie es Buchgraber und Völk formulierten, sein können. „Großer Dank gebührt dem Organisationsteam an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, die mit großer Umsicht, mit Eigenverantwortlichkeit und Professionalität an die Sache herangeht“, so Reimoser. Diesem Team gehören Dr. Johann Gasteiner, Dominik Dachs MSc., DI Andreas Duscher, Univ.-Prof. Dr. Klaus Hackländer, Dr. Anna Kübber-Heiss, Michael Maroschek, LJM Franz Mayr-Melnhof-Saurau und Ing. Josef Zandl an.

Das Monitoring ist das Fundament, auf dem die Jagd steht. Die gesammelten Daten müssen interpretiert werden, aber nicht von NGOs, sondern von uns Jägern! | LJM Franz Mayr-Melnhof-Saurau (Stmk.)

„Unser Lebensraum war ein Schatz. Wir haben beobachtet, wir haben gestaunt, wir haben gelernt. Wir haben Respekt vor der Natur gehabt und diese verteidigt. Wir haben sie im wahrsten Sinne ,begreifen‘ dürfen“, entführt Fw. Fritz Wolf die Tagungsteilnehmer in seine Kindheit, die im völligen Kontrast zur heutigen Zeit stehe. Er beleuchtet das Thema „Wildtiere und Wildlebensräume in der Kulturlandschaft“ und beschreibt die Kulturlandschaft als Ergebnis menschlicher Eingriffe, die über Jahrtausende eine einst natürliche, sich selbst regulierende Umgebung geprägt haben. Diese Landschaft ist durch landwirtschaft­liche Flächen, Siedlungen und Infrastrukturen gekennzeichnet. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Lebensräume der Wildtiere in Kulturlandschaften dramatisch ver­ändert, bedingt durch menschliche Eingriffe und natürliche Prozesse.

Fw. Fritz Wolf © Martin Grasberger

Zur Jagd gehört auch das Handwerk, das wir in der Jungjägerausbildung praktisch vermitteln. | Fw. Fritz Wolf

Ein Grund für die Veränderung der Lebensräume ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Der Anbau groß­flächiger Monokulturen, die Versiegelung von Ackerflächen und die intensive Nutzung von Wiesen zur Futter­erzeugung haben die Vielfalt der Pflanzen und Tiere in diesen Gebieten stark reduziert. Wildtiere, die auf eine vielfältige Flora und Fauna angewiesen sind, finden in diesen monotonen Landschaften nicht mehr die nötigen Nahrungsquellen oder Rückzugsmöglichkeiten. Besonders betroffen sind Arten, die auf bestimmte Lebensräume angewiesen sind, wie etwa Wiesenbrüter. „Eine wichtige Aufgabe im Zusammenhang mit der Lebensraum­erhaltung und Verbesserung kommt bestäubenden Insekten, wie Bienen oder Hummeln, zu“, betont Wolf. Hier solle jede Gelegenheit genutzt werden, um Imkern Stellplätze zu gewähren und somit einen Beitrag zur Biodiversität zu leisten.
Durch Sturm und Borkenkäfer­kalamitäten haben sich auch die Wälder verändert. Durch Wiederauf­forstungen sind zumeist Mischwaldkulturen entstanden, die nicht nur Einstandsmöglichkeiten und Schutz bieten, sondern auch klimatisch günstige Habitate mit ausreichendem Nahrungsangebot und Ruhe.
Ein weiterer Aspekt für die Veränderung von Wildtierlebensräumen ist die Urbanisierung (Verstädterung). Die Zunahme von Siedlungen und Verkehrswegen fragmentiert die Lebensräume der Wildtiere. Straßen und Gebäude stellen Barrieren dar, wodurch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und die Wanderungen zwischen verschiedenen Lebensräumen erschwert wird. Dies führt nicht nur zu einem Rückgang der Populationen, sondern auch zu einer erhöhten Mortalität durch Verkehrsunfälle. Weiters haben isolierte Populationen nicht nur mit einer gehäuften Krankheitsanfälligkeit, sondern auch mit einem Schrumpfen des Genpools zu kämpfen. Künstlich erbaute Grünbrücken über Autobahnen und unter Straßen sind oft die einzigen Möglichkeiten, um einen genetischen Austausch aufrechtzuerhalten. Die Veränderungen der Lebensräume werden aber auch durch den Klimawandel beeinflusst. Steigende Tempe­raturen und veränderte Niederschlagsmuster wirken sich negativ auf die Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen und Lebensräumen aus. Einige Arten sind gezwungen, in höhere Lagen oder kühlere Regionen auszuweichen, allerdings nicht immer mit Erfolg. Insbesondere in stark besiedelten Gebieten ist dies nicht möglich. Ein weiteres Problem stellt die Verknappung von Trinkwasser dar.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch Licht im Dunkel: Lebensraumprojekte und nachhaltige Landwirtschaftspraktiken gewinnen zu­nehmend an Bedeutung. Durch die Schaffung von Biotopen, Hecken und Blühstreifen entstehen Lebensräume für Wildtiere. Diese Maßnahmen fördern nicht nur die Biodiversität, sondern tragen auch zur Verbesserung der Lebensraumqualität bei. Dazu bedarf es unter anderem einer Zusammenarbeit zwischen den Grundeigentümern und der Jägerschaft. Bei den flächigen Aufforstungen nach Stürmen oder Borkenkäferkalamitäten ist zu berücksichtigen, dass Zäunungen Wildtiere ausgrenzen und die verbleibenden Flächen zugleich verstärkt genutzt, verbissen, gefegt und verschlagen werden.
Das Errichten von künstlichen Wasserstellen wird in vielen Revieren notwendig werden, um schwindende, bisher natürliche Wasserressourcen zu kompensieren. Um die vorhandenen Lebensräume als Wildtier auch nutzen zu können, sind mehr denn je intelligente Jagdstrategien erforderlich, um Schalenwild in einer Kulturlandschaft artgerecht und effizient zu bejagen. Selbst auferlegte jagdliche Ruhezonen und Jagdzeiten mit Intervall- und Schwerpunktbejagung haben sich bewährt. Das Schaffen von Wildäsungs­flächen, das Pflanzen Frucht tragender Bäume, wie Apfel, Ross- und Edelkastanie, oder das Fördern von Mast tragenden Laubholzarten, wie Buche und Eiche, sind ebenfalls zielführend.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lebensräume der Wildtiere in Kulturlandschaften durch menschliche Aktivitäten erheblich verändert wurden. Landwirtschaft, Urbanisierung, Kalamitäten und Klimawandel stellen große Herausforderungen dar. Es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft bzw. aller betroffenen Nutzergruppen, ein Gleichgewicht zwischen mensch­lichen Bedürfnissen und den An­sprüchen der Tier- und Pflanzenwelt her­zustellen. Es braucht zudem Forschungsprojekte, die das veränderte Wildtierverhalten im Zusammenhang mit dem Klimawandel untersuchen.
Gleichzeitig müssen Grundeigentümer und Jäger Aufklärungsarbeit in Bezug auf die „Spiel­regeln in der Natur“ leisten und über die großteils freiwilligen und unentgeltlichen Arbeiten, die Grundeigentümer und Jäger für die Gesellschaft leisten, sprechen. Naturbesuche mit Schulklassen und Familien im Zuge von wald- und jagdpädagogischen Ausgängen sind hervorragende Möglichkeiten dafür.

Dr. Maximilian Schaffgotsch, LL.M. sprach bei der Österr. Jägertagung 2025 über die verschiedenen Jagdgesetze Österreichs.
Dr. Maximilian Schaffgotsch © LL.M. Martin Grasberger

Wir brauchen nicht nur eine Wildökologische Raumplanung (WÖRP), sondern eine ,Humanökologische Raumplanung’ (HÖRP) | Dr. Maximilian Schaffgotsch LL.M.

RA Dr. Maximilian Schaffgotsch LL.M. beleuchtet die Megatrends der österreichischen Jagdgesetzgebung „aus der Vogelperspektive“ und stellt fest, dass das Textvolumen der Jagdgesetze in den vergangenen 40 Jahren um etwa 45 % zugenommen habe. „Wenn wir nun dieses Mehr an Normen anschauen, stellen wir fest, dass es auch mehr Programmatik gibt“, so Schaffgotsch weiter: Während sich die ältere Systematik etwa mit der Klarstellung des Jagdrechtsbegriffs in der Gesetzeseinleitung (NÖ, W, Vbg.) begnügt, werden jüngere Gesetze nun mit (teils ausführlichen) Programm- und/oder Zielbestimmungen eingeleitet (Bgld., Stmk., K, T, Sbg.).
„Wir haben in den modernen Gesetzen oder in den jüngeren Novellen das Stichwort ,Wild­management‘, das sich in der WÖRP (Wildökologischen Raumplanung) manifestiert. Mit diesem Konzept gehen wir in größere Räume; wir schaffen Kern-, Rand- und Freizonen, liberalisieren Schuss- und Schonzeiten (auch das ist ein Megatrend), bis hin zur technischen Aufrüstung mit Nachtsichttechnik“, so Schaffgotsch, der als Ziel des Wildmanagements mehr Erlegungen festmacht. „Der Begriff ,Wildmanagement‘ beinhaltet eine ganz große Gefahr, weil er im Denken des normal Sprachbegabten die Auffassung induziert, dass wir alles beherrschen können.“ Schaffgotsch bevorzuge stattdessen den Ausdruck ,Lebensraum- und Wildverantwortung‘, weil die Idee, dass wir alles so fantastisch im Griff hätten, widerlegt werde. „Wir haben restriktivere Fütterungs­regimes, restriktivere Prädatorenbejagung, und der Hintergrund dafür ist, dass dies die Wildstandsentwicklung fordere: plus 41 % beim Rehwild­abschuss, plus 33 % beim Rotwild­abschuss, plus 963 % beim Schwarzwildabschuss (jeweils seit 1975). Dem gegenüber stünden minus 70 % beim Feldhasen, minus 87 % beim Fasan und minus 64 % bei den Enten (jeweils seit 1970). Schaffgotsch stellt diese Entwicklung in Relation zur österr. Bevölkerungsentwicklung, die von 1950 bis 2023 um 32 % gewachsen sei, seit 1990 seien die Österreicher mit dem Pkw 50 % mehr Kilometer im Jahr gefahren, und die Kalorienzufuhr pro Kopf und Tag sei von 1961 bis heute um 69 % gestiegen, was letztlich dazu führe, dass von 1975 bis 2005 die Anzahl über­gewichtiger Stellungspflichtiger um 32,7 %, die Anzahl adipöser Stellungspflichtiger um 11,2 % gestiegen sei. „Dadurch, dass wir im Vergleich zu 1945 dreimal so viele pflanzliche Erzeugnisse aus der Natur herausquetschen, dass die Fläche, der Vorrat und die Holznutzung des Waldes trotzdem zunehmen, könnte ich den Verdacht hegen, dass die Gierigen auch die Geizigen sind“, stellt Schaffgotsch fest. Bei all diesen Betrachtungen fehle ihm etwas Wesentliches, nämlich das MEM („Menschen-Einfluss-Monitoring“), also eine klare, konsolidierte Impactanalyse. Wie gehen die Jagdgesetze damit um? „In acht Bundesländern sind weniger als 3 % der Paragrafen unmittelbar dem Wildschutz gewidmet“, weiß Schaffgotsch. „Dieses Loch in den österr. Jagdgesetzen mit Ausnahme Salzburgs ist ziemlich groß. Daher sollten wir über eine Adaptierung nachdenken. Wir brauchen nicht nur eine WÖRP, sondern eine ,Humanökologische Raumplanung‘ (HÖRP). Die Jagd im Sinne des Wildmanagements sei gefordert, der Gesellschaft diese Dinge in Offenheit und Klarheit mitzuteilen, allerdings faktenbasiert, fordert Dr. Schaffgotsch. Etwa, was die Regulierung der Naturraumbeanspruchung betrifft: Hier könnte es auch rechtliche Rahmen, etwa Betretungsverbote wie bei einem Horstschutzgebiet, geben, sodass auch die Mitbürger in die Pflicht genommen werden. In Jagd-/Wildschutzgesetzen könnte das sehr viel klarer verdeutlicht werden.“

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