Vertrauenssache

Der Steinadler verfügt über eine ausgeprägte Persönlichkeit. Seine Bindung zum Falkner währt ein Leben lang.
Gewaltig: Steinadler © Jakob Wallner

Sie zieren Staatswappen, sind mythologische Symbole und werden mit Kraft, Macht und Tapferkeit assoziiert. Greifvögel ziehen die Menschheit seit jeher in ihren Bann – und das zu Recht.

Wenn fünf erwachsene Menschen mit zusammengekniffenen Augen konzentriert in den gleißenden Himmel starren, muss es schon sehr interessant sein. Allerdings gilt die Aufmerksamkeit scheinbar ein paar trägen Wolkenfetzen, die sich langweilig vom zarten Blau abheben, und den Wipfeln der umliegenden Wälder, die sachte in den Böen wiegen. Keine Sonnenfinsternis, kein Perseidenschauer, auch keine Flugshow. Die Zeit verstreicht zäh, während die sandkorngroßen Pupillen nervös über die Szenerie huschen.
Plötzlich bricht ein Schatten hinter einer Baumkrone hervor, und einen Sekundenbruchteil später bohren sich die mächtigen Fänge des Steinadlers in die Schleppe.

Volles Programm

Ort des Geschehens ist das Greifvogelzentrum bei Schloss Waldreichs im Bezirk Zwettl, Niederösterreich. Ebenfalls Geschäftsstelle des Österreichischen Falknerbundes.
Möchte man hier die letzten grauen Eminenzen vergangener Monarchien vermuten, belehren einen Monika Hiebeler – ihres Zeichens Präsidentin, erste Falkenmeisterin und Referentin für Greif­vogelschutz – und Mag. Martina Gräßle – Vizepräsidentin und Schriftleiterin – schnell eines Besseren.
Scharfsinnig und spritzig vermittelt, defintiv die richtige Adresse, um die Themenwelten Greifvögel und Falknerei hautnah zu erleben. Nach dem Besuch der spektakulären Greifvogelvorführung bleibt dann nur eines zurück: strahlende Gesichter und der Drang, tiefer in die Materie einzutauchen.

Fachkundig

Seit Dezember 2012 ebenfalls zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO zählend, stellt die Falknerei seit jeher hohe Ansprüche an jene, die sich dazu berufen wähnen – oder dies zumindest glauben.
Die größten Tugenden seien an dieser Stelle vorweggenommen: Geduld und Selbstbeherrschung. Dies mag zunächst trivial klingen und Alleinerziehern oder Hundeführern nur ein Schmunzeln abringen. Doch die Passion und Ausdauer, die es braucht, um Falkner zu werden, ist eine Nummer für sich. Und wenn nicht von Haus aus vorhanden, (beinahe) unmöglich zu lernen.
„Manche Menschen sehen eine Vorführung und denken sich: ‚So schwer kann das doch nicht sein, das will ich auch machen.‘ Dann erklärt man ihnen im Schnelldurchlauf, was ‚das‘ denn an Herausforderungen, Zeit- und Geldaufwand usw. mit sich bringt und lässt sie etwas enttäuscht zurück. Klarerweise freut es mich immer, wenn sich Personen für die Greife und die Falknerei interessieren, aber ab und zu müssen Träume zerstört werden“, scherzt Monika Hiebeler. „Oder zumindest ins rechte Licht gerückt. Es geht nämlich immer noch um ein Lebewesen. Das kann man nicht nach einer Woche wie ein Spielzeug in den Schrank legen und herausnehmen, wenn’s einem gerade passt – das heißt Verantwortung“, schließt Hiebeler.

„Die Falknerei ist in ihrer ursprünglichen Form eine alte Jagdart, die Beizjagd. Diese wird von den meisten Falknern, wo es möglich ist, auch praktiziert. Greifvogelzucht und -schutz spielen ebenfalls eine wichtige Rolle“ | Martina Gräßle

„Hinzu kommt, dass Greifvögel keine domestizierten Tiere wie Hunde oder Katzen, sind. Auch wenn sie aus strengen Zuchtprogrammen stammen; wir können zwar ihr Vertrauen gewinnen und sie zahm halten, aber ein Greif verzeiht keine Fehler, Ruppigkeiten oder gar eine strenge Hand – dann fliegt er davon. Es bleibt immer eine Partnerschaft und keine Abhängigkeit“, ergänzt Martina Gräßle.
Verfügt man über diese unumstößliche Geduld, wird man aber trotzdem nicht automatisch zum Falkner geschlagen. Ein gewagter Blick in den Leitfaden für die Falknerprüfung reicht aus, um in Prüfungsangst zu verfallen.
Bereits die Tatsache, dass fast alle Greifvögel unter strengem Schutz stehen, machen Europäisches Recht hinsichtlich Artenschutz, Zoll- und Transportbestimmungen – neben der obligatorischen heimischen Rechtsprechung – zum Fixprogramm. Die historische Entwicklung und die Falknersprache sind danach fast schon leichte Kost. Apropos Kost, artgerechte Haltung und Ernährung stehen ebenfalls auf der Agenda. Und damit der erste Greif nach dem erfolgreichen „Abtragen“, sprich der Abrichtung und Ausbildung, längstmöglich fit bleibt, gilt es auch um Krankheiten und Pflege zu wissen. Natürlich ist damit noch lange nicht alles gesagt. Glücklicherweise werden dafür Vorbereitungskurse im Greifvogelzentrum angeboten.
„Als Außenstehender möchte man meinen, dass sich unser Kursprogramm ausschließlich an künftige Falkner richtet. In den Kursen sind aber vom Ornithologen, der sein Wissen vertiefen möchte, bis hin zu allgemein Naturinteressierten alle vertreten. Gemein haben die Teilnehmer klarerweise immer das Interesse an diesen wundervollen Vögeln“, so Monika Hiebeler. „Jene, die mit dem Ziel, Falkner zu werden, im Kurs sitzen, haben meist schon einige Vorkenntnisse oder im besten Fall bereits einen Lehrprinzen, sprich einen Schirmherren. Dieser trägt allgemein dafür Sorge, dass der Anwärter das notwendige Rüstzeug für den weiteren Weg als Falkner mitbekommt. Auch hier ist Ausdauer gefragt, denn im Durchschnitt streckt sich diese Lehrzeit über ein bis zwei Jahre“, ergänzt die Falknerin.

Verständis schaffen

Wäre der Sachkundenachweis für unsere Vierbeiner ähnlich anspruchsvoll, würde sich die Zahl an Hundehaltern im Bekanntenkreis wohl mit jener an Falknern decken. Stellt sich allerdings die Frage, was dieser kleine Teil ausübender Falkner überhaupt macht?
„Die Falknerei ist in ihrer ursprünglichen Form eine alte Jagdart, die Beizjagd. Diese wird von den meisten Falknern, wo es möglich ist, auch praktiziert. Greifvogelzucht und -schutz spielen ebenfalls eine wichtige Rolle“, führt Martina Gräßle aus. „Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Öffentlichkeitsarbeit, denn es kursieren leider immer noch viel zu viele Vorurteile oder auch einfach Unwissenheit. Da liegt es an uns Falknern, die Menschen auf­zuklären und zu sensibilisieren“, so Gräßle.
Während letztere Ambitionen in dieser heutigen Gesellschaft noch für zustimmendes Kopfnicken sorgen, schrillen beim Thema Beizjagd wohl die Alarmglocken. Denn UNESCO hin, Kulturerbe her, die Falknerei hat sich über ihre 4.000-jährige Historie vermutlich nicht nur Freunde gemacht. Da hilft auch kein Minderheitenstatus.

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