Jeder, der sich mit dem Zerwirken von Wild beschäftigt, ist naturgemäß auch mit der Ausbeute konfrontiert. Wie viel Fleisch bleibt etwa bei einem Stück Schwarzwild nach dem Zerwirken übrig? Wie viel „Abfall“ entsteht? Wie wirkt sich ein Blattschuss aus? Das WEIDWERK hat Antworten auf diese Fragen!
Wer in seinem Revier Schwarzwild hat – und das ist beinahe schon überall der Fall –, hat vor allem in Zeiten, in denen der Wildbretpreis „am Boden“ ist, großes Interesse daran, den maximalen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. In den letzten Jahren sind im WEIDWERK zahlreiche Artikel zum Thema Wildbretverarbeitung und Direktvermarktung erschienen; da uns Wild und Wildbret wichtig sind, wollen wir diesmal der Frage nach der Ausbeute nachgehen. Dazu haben wir einen Keiler mit 94,7 kg (aufgebrochen, mit Haupt), erlegt Mitte August 2019 im Waldviertel, fein säuberlich zerwirkt und penibel genau gewogen. Wie hoch, denken Sie, war die Ausbeute?
Auf frischer Tat!
Der Keiler, um den es hier geht, wurde in einem Maisfeld, das er gerade betreten und sich darin laben wollte, per Blattschuss auf Kurzdistanz (15 m) mit einer Blaser R8 im Kaliber .308 Win. (Barnes TTSX, 130 gr, Deformationsgeschoss) erlegt. Auf den Schuss hin flüchtete er noch etwa 20 m aus dem Feld heraus, um dann, Augenblicke später, umzukippen und zu verenden.
Nach einer mühsamen Bergung wurde der Schwarzkittel in den nahen Bauernhof des Jagdleiters gebracht, dort mit einer Seilwinde hochgezogen und im Hängen aufgebrochen.
Tipp: Wenn man das Stück mit dem Haupt nach unten aufhängt, ist das Aufbrechen um ein Vielfaches einfacher und auch hygienischer. Warum? Weil der Schweiß nicht über die Lungenbraten – die hochwertigsten Fleischteile des gesamten Stückes – fließt!
Der Wildkörper wurde nach dem Aufbrechen sorgfältig mit Trinkwasser ausgewaschen, weiters wurde darauf geachtet, dass der Zwerchfellpfeiler in der Bauchhöhle verbleibt, da dieser
für die Trichinenuntersuchung herangezogen werden muss. Der Keiler kam unverzüglich in die Kühlung, wo er vier volle Tage in der Schwarte hing und am fünften Tag zerwirkt wurde.
Sandkittel
Die Seilwinde im Zerwirkraum hat sich bezahlt gemacht, auch die kurze Rohrbahn, die am Kühlschrank (Landig LU 9000) in Sekundenschnelle montiert werden kann. So konnte der kapitale Keiler von einer Person mit der Seilwinde emporgehoben, mit Drehhaken eingehängt und in den Kühlschrank geschoben werden.
Vor dem Abschwarten wurde der Wildkörper noch einmal gewogen, um zu eruieren, um wie viel leichter dieser nach dem Abhängen geworden war; der Keiler wog nur noch 92,38 kg – Differenz 2,32 kg; Gründe: der Schweiß, welcher in der Kühlung abgeflossen war, sowie das beim Auswaschen von der Schwarte aufgenommene Wasser, das getrocknet war, und der Sand, welcher bereits im Wildkühlschrank aus der Schwarte gerieselt war. Das Abschwarten gestaltete sich etwas mühsamer als erwartet; dies ist beim noch warmen Wildkörper bekanntlich wesentlich einfacher zu bewerkstelligen. Bei diesem Arbeitsschritt wurde darauf geachtet, dass so wenig grüner Speck wie möglich auf der Schwarte verbleibt, da dieser
– dazu später mehr – zur Herstellung von Wildbratwürsteln und -käsekrainern verwendet werden sollte. Weiters wollten wir auch präzise Messergebnisse erzielen. Nachdem die Sau abgeschwartet und das Haupt abgesetzt worden war, ging es daran, sowohl den enthäuteten Wildkörper als auch die Schwarte separat zu wiegen. Wie schwer, schätzen Sie, waren Schwarte und Haupt?
Beim Abschwarten und dann auch beim Wiegen der Schwarte (inklusive Haupt und Schalen) fiel auf, dass doch eine beträchtliche Menge Sand, die der Keiler mit sich herumgetragen hatte, auf den Boden rieselte. Der Sand wog 1,4 kg! Beim Gewicht von Schwarte und Haupt haben wir uns alle verschätzt: Diese wogen sage und schreibe 25,2 kg – wohlgemerkt, die „dünne“ Sommerschwarte! Der enthäutete Wildkörper wog nur noch 67,18 kg.
Hart aufs Blatt!
Nun wollten wir wissen, welches Gewicht die Läufe samt Knochen auf die Waage bringen: Die Vorderläufe wogen 5,66 bzw. 5,37 kg, die Hinterläufe 9,2 bzw. 9,25 kg. Der Schopf wog mit Knochen 6,76 kg, der Rücken inklusive Wirbelsäule 8,46 kg.
Das bei diesem Keiler verwendete Deformationsgeschoss Barnes TTSX durchschlug die linke Schulter und verließ den Wildkörper rechts knapp hinter dem Vorderlauf; somit wurde nur ein Vorderlauf vom Schusskanal betroffen. Ein Vorteil des verwendeten bleifreien 8,4-g-Geschosses – dies ist im derzeit laufenden WEIDWERK-Langzeittest bei zahlreichen Wildstücken, auch bei Reh- und Rotwild, festgestellt worden – ist, dass trotz der hohen Geschwindigkeit (V0 = 952 m/s) keine großflächigen Hämatome entstehen. Dennoch musste beim linken Vorderlauf ein beträchtlicher Teil (2,0 kg) abgeschärft werden. Diesen „Verlust“ kann man in der Regel allerdings ohne Weiteres verschmerzen, da es sich dabei in erster Linie um Wurstfleisch bzw. Fleisch für Gulasch oder Ragout handelt, also nicht um die wertbestimmenden Teile eines Stückes Wild.
Wesentlich wichtiger ist in diesem Zusammenhang die optimale Wildbrethygiene, da das Stück Wild bei einem Schuss „hart aufs Blatt“ in der Regel unmittelbar im Feuer liegt oder nur noch wenige Meter flüchtet. Man hat somit nicht die Gefahr eines austretenden Mageninhalts und einer möglicherweise schwierigen Nachsuche, die nicht zuletzt auch mit vermeidbarem Tierleid und einer letztlich merkbaren Verschlechterung der Fleischqualität einhergeht. Also: Die Wildbrethygiene beginnt bereits beim Schuss!
Resümee
Spannend fanden wir, dass der Anteil von Schwarte und Haupt am Gesamtgewicht doch enorm ist (27 %), noch dazu, wo die Schwarte dieses speziellen Stückes zudem reichlich Sand enthielt. Aus Erfahrung kann gesagt werden, dass sich bei Wildschweinen das Verhältnis Abfall zu verwertbarem Wildbret mit zunehmender Größe der Sau verbessert.
Aufgefallen ist zudem der hohe Feistanteil dieses in freier Wildbahn zur Strecke gekommenen Wildschweins – das Fett am Rücken (grüner Speck) betrug 6,91 kg. Auch in der Bauch-höhle waren nicht unerhebliche Fettablagerungen zu finden. Die Federn wurden mit einem Rippenzieher fein säuberlich ausgelöst, wodurch schöne, mit Fett durchzogene Bauchspeckstücke zum Kalträuchern (Achtung, diese Stücke dürfen im Rahmen der Direktvermarktung nicht in Verkehr gebracht werden, da sie die 7-Tages-Frist überschreiten!) zugeputzt werden konnten. Von den nach der Fleischreifung vorhandenen 92,38 kg blieben am Ende 49,67 kg übrig, die fein zerwirkt, zugeputzt, vakuumiert, gewogen und beschriftet wurden.
Zerwirken
Nachdem der Waldviertler Keiler mit einem Gewicht von 92,38 kg (aufgebrochen, in der Schwarte) grob zerteilt war, ging es ans „feine“ Zerwirken. Bei diesem Arbeitsschritt geht es darum, die Teile, wie Vorder- und Hinterläufe, Schopf, Brustwände und Rücken, auszulösen und zuzuputzen.
Mit welchem Teil man beginnt, ist grundsätzlich nicht relevant, man muss lediglich darauf achten, dass jene Stücke, die man gerade nicht auf dem Arbeitstisch hat, in der Kühlung verbleiben, sodass die Kerntemperatur nicht über 7 °C steigt. Ich beginne in der Regel mit dem Rücken, der zwischen der 4. und 5. Brustwirbel vom Hals („Schopf“) getrennt wird. Danach löst man per Hand die – falls vorhanden – dicke Feistschicht (grüner Speck) vom Rücken und schärft direkt neben den Wirbelfortsätzen von vorne nach hinten entlang der Wirbelsäule, die Messerschneide immer Richtung Knochen führend, um so wenig Fleisch wie möglich am Knochen zu belassen. Im hinteren Bereich des Rückens ist eine „Stufe“ bemerkbar, entlang derer man Richtung Rippen nach unten schärft. Der Rücken ist neben dem Lungenbraten, der übrigens schon beim groben Zerwirken entnommen worden ist, der hochwertigste Teil eines Wildkörpers, daher gilt es hier, besonders akribisch vorzugehen. Apropos: Als wertbestimmende Teile eines Wildkörpers gelten der Rücken, die Lungenbraten und die Schlögel!
Hat man die beiden Rückenstränge von der Wirbelsäule gelöst, kann man die Silberhaut, welche sich an der Oberseite des Rückens befindet, ablösen. Hierfür stehen mehrere Techniken zur Verfügung; ich bevorzuge jene, bei der man den Rücken mit der Silberhaut nach unten auf den Arbeitstisch legt und mit einem scharfen, flexiblen Messer zwischen Silberhaut und Rückenfleisch „durchschabt“, um die Haut anschließend, das Messer mit der Schneide schräg nach unten führend, in einem Stück abzulösen. Dazu ist ein bisschen Übung erforderlich, und eine rasiermesserscharfe Schneide erleichtert diesen Arbeitsschritt ungemein. Resultat ist ein glatter Rücken ohne „unschöne“ Schnittspuren. Die Silberhaut sollte auf jeden Fall entfernt werden, da heute so gut wie kein Konsument in der Lage ist, dies zu bewerkstelligen, ohne den halben Rücken in Mitleidenschaft zu ziehen. Damit ist der Rücken fertig ausgelöst, kann vakuumiert und wieder in die Kühlung verbracht werden.
Das Auslösen des Schopfes geht ebenfalls rasch von der Hand, da man hier das Fleisch lediglich entlang
der Halswirbelsäule abschärfen muss; übrigens eignet sich der Schopf hervorragend als „Schweinebraten“, da er mit Fett durchzogen ist.
Das Auslösen der Rippen erfolgt, indem man mit dem Messer an der Innenseite der Brustwände jeweils links und rechts der Rippen Schnitte setzt, die allerdings nur einige Millimeter tief sind, um die Rippen im Anschluss mit einem Rippenzieher bzw. Messer auslösen zu können. Sind die Rippen „frei“, wird auch der Rippenbogen Schnitt für Schnitt entfernt. Bei einem starken Wildschwein, wie bei diesem Keiler, können Teile davon – der Bauchspeck – in der Folge kalt geräuchert werden. Dieser darf aber, wie bereits im ersten Teil dieser Serie erwähnt, nicht im Rahmen der Direktvermarktung in Verkehr gebracht werden (7-Tages-
Frist)!
Im Anschluss werden die Vorder- und Hinterläufe von den Knochen und Häuten befreit und je nach Kundenwunsch in ihre Einzelteile zerlegt, die etwa beim Hinterlauf folgende sind:
- Frikandeau (Unterschale)
- Oberschale mit Deckel
- Nuss
- Schlussbraten
- hintere Stelze (Unterschenkel)
Die meisten Fleischteile des Hinterlaufs eignen sich hervorragend für die Zubereitung von Braten, Schnitzeln oder auch für das Kurzbraten (Grillen). Verfügt man über einen Smoker, kann man diese Stücke bei einer Temperatur von 80–120 °C mehrere Minuten lang heiß räuchern. – Wahrlich ein Gedicht!
Der nicht vom Schussmal beeinträchtigte Vorderlauf kann in der Regel für Würste (Bratwürste, Käsekrainer), aber auch für Ragout, Edelgulasch und Faschiertes – etwa für Spaghetti, Burger usw. – herangezogen werden. Zuvor müssen die Knochen entsprechend ausgelöst werden.
Aus den anfangs vorhandenen 92,38 kg (aufgebrochen, in der Schwarte, nach 4-tägiger Fleischreifung) blieben am Ende 49,67 kg übrig, in folgende Teile zerwirkt und zugeputzt:
- 25,64 kg Wildbret (Rücken, Lungenbraten, Schnitzel/Braten, Edelgulasch)
- 9,6 kg grüner Speck zum Wursten
- 9,42 kg Bauchspeck zum Selchen
- 5,01 kg Abschnitte zum Wursten
Die restlichen 42,71 kg waren Abfall, bestehend aus Knochen und nicht verwertbaren Abschnitten (17,51 kg) sowie Schwarte und Haupt (25,2 kg); der Abfall hatte somit einen Anteil von 46 %.
Was kommt noch?
Ein so großes Wildschwein lässt das Jäger- und Direktvermarkterherz höher schlagen; zum einen ist bei einer Sau in dieser Größe die Ausbeute spürbar größer als etwa bei einem Frischling (Grund ist das bessere Verhältnis zwischen Körpervolumen und Körperoberfläche), zum anderen hat man auch genug Fett zur Verfügung, um zum Beispiel Bratwürste, Käsekrainer, Leberkäse o. dgl. zu erzeugen. Wir haben jedenfalls versucht, so viel wie möglich zu verwerten, und ebensolche Fleischerzeugnisse hergestellt. Das Gute ist, dass gerade diese Spezialitäten im Rahmen der Direktvermarktung in Verkehr gebracht werden dürfen, da die 7-Tages-Frist nicht überschritten wird (siehe Serie „Direktvermarktung: Was fällt hinein?“, ab Seite 6).
Wir haben beim Zerwirken nur den rechten Hinterlauf in seine Einzelteile zerwirkt, um zu sehen, wie schwer diese letztlich sind (siehe Liste links). Die Vorderläufe wurden fein säuberlich in etwa 3–4 cm große Würfel geschnitten, um einerseits als „Edelgulasch vom Wildschwein“ feilgeboten zu werden bzw. andererseits für das Wursten Verwendung zu finden. Alles, was nicht für das Gulasch taugt, kommt zu den Abschnitten, die wiederum als Basis für Bratwürste & Co dienen. Es lohnt sich, beim Zerwirken nicht allzu „geizig“ zu sein, nach dem Motto: „Kommt Gutes hinein, kommt Gutes heraus!“