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Topthemen beim 1. Onlinetag – 4. Teil

29. Juni 2021 -
Hohe Jagd: Online-Tag - © Christoph Burgstaller
© Christoph Burgstaller

Warum die Argumentation pro Jagd in der heutigen Zeit kein leichtes Unterfangen ist, mit den richtigen Worten und Taten allerdings gelingen kann, wurde beim „1. Onlinetag der Hohen Jagd & Fischerei“ diskutiert. – 4. und letzter Teil: „Jagdpädagogik: Argumente für die Jagd“.

Im Wald, nicht in der Klasse

Ein Pädagoge ist eine Person, die sich mit dem erzieherischen Handeln, also der Praxis von Erziehung und Bildung und den Theorien der Pädagogik, ­professionell auseinandersetzt. Wie viel Pädagoge muss ein Jäger sein, der mit Kindern einen Ausflug in den Wald unternimmt? Katharina Bancalari richtet den Blick auf die Anfänge der Waldpädagogik, wo diese Frage auch Thema war. Waldpädagogik sei lange als das Instrument der Öffentlichkeitsarbeit der Forstwirtschaft gesehen worden, argumentiert die leidenschaftliche Waldpädagogin. Die Ausbildung jedoch hat sich immer an der Pädagogik orientiert, und es sei gelungen, die Wald­pädagogik in der Umweltbildung zu einem fixen Bestandteil zu etablieren. Bancalari weiter: „Der Jagd- oder Waldpädagoge muss Einfühlungsvermögen haben und sich auf die Gruppe, die ihm gegenübersteht, einstimmen können. Allerdings braucht er Fachwissen, das er auch vermitteln kann.“ Methodik und Didaktik gelten als Handwerkszeuge, die dem Pädagogen die Arbeit erleichtern. Als Tipp gab sie den aktiven Wald­pädagogen mit, in den Wald zu gehen und nicht in die Klasse. „Es ist in der Ausbildung des Waldpädagogen ­gelungen, ausreichend pädagogisches Know-how hineinzupacken und auch praktisch zu üben, sodass wir ,päda­gogisch gut geschult‘ und für Waldtage gut gerüstet sind“, ist sie überzeugt. Als Voraussetzung nennt Bancalari neben der eigenen Bereitschaft, sich auf das Thema einzulassen, die Freude an der Arbeit mit Gruppen (Kindern, Jugend­lichen oder Erwachsenen), Durchhaltevermögen und Lernbereitschaft. Die forstliche Grundausbildung müsse im Falle des Nichtvorhandenseins nachgeholt werden, um auch die ­ent­sprechenden Antworten geben zu können. Die Arbeit mit Erwachsenen gestalte sich zwar anders, man könne aber in dieselbe Methoden-Schatzkiste greifen. Lediglich das Wording und das Setting seien anders, erklärt sie. Als Beispiel für Jagdpädagogik führt sie das Bergwaldprojekt des Alpenvereins ins Treffen, an dem sich die Forst­verwaltung Wittgenstein viele Jahre beteiligt habe. Mit den Teilnehmern sei ein Ansitz unternommen, Wild ­verkocht und der Abend mit einer Frage- und Antwortrunde abgeschlossen worden. So habe man bei Erwachsenen das Interesse für den Wald und auch für die Jagd wecken können, schließt Bancalari.

Der Jagd- oder ­Waldpädagoge muss Einfühlungsvermögen haben und sich auf die Gruppe, die ihm gegenübersteht, einstimmen können.
Katharina Bancalari, Waldpädagogin, katharina-bancalari.at

Wald & Wild

Auf die Frage an den Geschäftsführer von „Jagd Österreich“, wie weit die ­Ausbildung zum zertifizierten Jagd­pädagogen gediehen sei, holt DI Klaus Schachenhofer aus: „Ich bin mein ganzes Leben schon geprägt durch die Jagd, und mehr als mein ­halbes Leben beschäftige ich mich mit Naturpädagogik, daher ist mir die Jagdpädagogik ganz, ganz wichtig.“ Bereits vor drei Jahren, als er die ­Geschäfte von Jagd Österreich übernommen habe, sei für ihn klar gewesen, eine österreichweit einheitliche, zertifizierte Jagd­pädagogenausbildung anzustreben. Die Idee war, eine bewährte Ausbildung, nämlich die des Waldpädagogen, dahingehend zu erweitern und zu ergänzen. Im Rahmen des Forst & Jagd Dialogs wurde darüber sehr ausführlich diskutiert. Nachdem es keine Waldpädagogik­führung ohne Wildtiere und keine Jagdpädagogikführung ohne Wald gebe, liege es auf der Hand, diese beiden Themen zusammenzuführen – Wald und Wild seien untrennbar miteinander verbunden! „Aufbauend auf den zertifizierten Waldpädagogen wird künftig der Wald- und Jagdpädagoge ange­boten“, erklärt der Geschäftsführer. Die Richtlinien für diese Ausbildung sind übrigens mittlerweile bereits im Ministerium abgesegnet worden. Kürzlich seien in einem Testlauf in der Forstlichen Ausbildungsstätte Pichl 14 Jagdpädagogen ausgebildet worden. Als Zulassungsvoraussetzung zum Jagdpädagogen gelten eine fertige Aus­bildung zum zertifizierten Wald­pädagogen und eine gültige Jagdkarte – das sei alles. Künftig seien die ausgebildeten Jagdpädagogen auf der unter den Lehrern und Pädagogen bereits ­bekannten Plattform waldpaedagogik.at zu finden. Spannend sei, so Schachenhofer weiter, dass beinahe 40 % der bisherigen zertifizierten Waldpädagogen auch Jäger seien. Weiters werde man die Jagdpädagogen auf den Websites der Landesjagdverbände bzw. auf der Website jagd-oesterreich.at (auf einer Interaktivkarte) sehen.

Nachdem es keine Waldpädagogik­führung ohne Wildtiere und keine Jagdpädagogikführung ohne Wald gibt, liegt es auf der Hand, ­diese beiden Themen ­zusammenzuführen.
DI Klaus Schachenhofer, „Jagd Österreich“

Lassen wir die Jagd weg

WEIDWERK-Autor Fritz Wolf bringt die Pro-Jagd-Argumentation im Rahmen eines Revierausganges auf den Punkt: „Man muss als Jäger authentisch sein! Das, was man fühlt, denkt und auch sagt, muss man leben. Das spüren die Erwachsenen, das spüren die Kinder.“ Es sei für den Jagdpädagogen auch wichtig, davon zu sprechen, was vor und nach dem Schuss passiere, so Wolf. Es brauche bei der Jagd zahlreiche handwerkliche Dinge, um überhaupt zum Jagderfolg zu kommen, etwa Hochstandbau, Hundeabrichtung, Hege­maßnahmen u. v. m., und diese Dinge müssen der nicht jagenden Bevölkerung auch vermittelt werden. „Fragen, die ich immer wieder gerne stelle, sind: Lassen wir die Jagd einfach weg. Was würde dann passieren? Würden dann auch andere Naturnutzer zugunsten der Natur und der darin lebenden Tiere auf eine Naturnutzung verzichten? Gäbe es dann keine Straßen oder keine Eisenbahnen mehr? Gäbe es mehr ­verunfallte Tiere auf den Straßen oder Menschen, die in Unfällen verletzt werden oder gar zu Tode kommen? Wer sucht die Tiere nach, die ver­unfallt sind? Bisher haben das die Jäger zu jeder Tages- und Nachtzeit getan, teils unter Todesgefahr und mit Einsatz des Hundes. Wer würde das Wild reduzieren? Kann man kranke Tiere essen? Soll man diese leiden ­lassen? Dauert ein Schuss weniger lang als eine Krankheit?“

Fritz Wolf lässt die Kinder in ­seinen Waldausgängen den Wald befühlen. Nur wenn man den Menschen hingreifen, also begreifen lasse, dann sei der Eindruck bleibend, ist der Jagdpädagoge überzeugt. Wenn man mit den Kindern bei einem halben Meter Schnee zweihundert Meter durch den Wald bergauf, bergab gehe, seien sie nach fünfzig Metern physisch fertig und sagen: „Da kommen wir nicht mehr weiter!“ Seine Antwort: „Seht ihr, so geht es den Tieren.“ Man müsse den Kindern das, was im Wald passiere, vor Augen führen und sie begreifen lassen, stellt Wolf klar.

Früher habe man die Jagd im Gegen­satz zu heute nicht erklären müssen, denn selbst in Wien seien in den Fleischhauereien Hasen oder Fasane gehangen, sodass man auch als Nichtjäger sofort gewusst habe, dass Herbst und somit Jagdzeit sei. Das sei verlorengegangen, so Wolf. Bei manchen ­Menschen habe man das Gefühl, dass sie glauben, Kinderschnitzel würden von Mama- und Papaschnitzel gemacht werden, so Wolf über die Distanz des Menschen zu natürlichen Kreisläufen. „Als ich klein war, war es ganz normal, bei der Geburt oder auch beim Sau­abstechen dabei zu sein. Das fehlt den Menschen; man muss ihnen erklären, dass die Tiere im Wald nicht wie bei Walt Disney im Kreis sitzen, tanzen und singen, sondern dass es ein Fressen und Gefressenwerden gibt!“ Resümee: Jagdpädagogen sollen das Warum der Jagd erklären, die Spielregeln, die es im Wald gibt, vermitteln, authentisch sein und die Menschen letztlich zum Nachdenken anregen.

Man muss den ­Menschen erklären, dass die Tiere nicht wie bei Walt Disney im Kreis sitzen, ­tanzen und singen, sondern dass es im Wald ein Fressen und Gefressen­werden gibt!
Fritz Wolf, Fachautor und Jagdpädagoge

Dreckigwerden erlaubt

Wolfgang Garger, Mitbegründer des Pinzgauer Jägerballs, hat bei seinen Waldausgängen bemerkt, dass auch die Kinder am Land oft nicht mehr in den Wald gehen. „Teilweise erhalten sie € 5,–, damit sie beim Wandertag der Schule mitgehen“, zeigt sich Garger über die fast schon bizarre Ausgangssituation besorgt. „Deswegen haben wir uns das Ziel gesetzt, die Kinder wieder in den Wald, in die Natur zu bringen – weg von der Spielkonsole. Wir haben die Schulen auf unsere Kosten mit dem Ballerlös eingeladen, haben die Busse bezahlt, die Waldpädagogen, damit die Kinder wieder in die Natur rauskommen.“ Dann habe man leider ­festgestellt, dass Kinder der 4. Klasse Volksschule auch im Pinzgau noch nie im Wald gewesen seien, noch nie ein Steckerl haben schnitzen dürfen oder noch nie einen Bach aufgestaut haben! Erschreckend sei, so Garger, wenn die Kinder dann sagen: „Das ist ja ganz cool, aber die Mama hat gesagt, ich darf nicht dreckig werden!“ Vorrangig sei nicht, die Kinder für die Jagd zu sensibilisieren, sondern sie zuerst in den Wald hinauszubringen, ist er überzeugt. „Kinder sollen wieder dreckig werden oder mit einem Taschenmesser ein Steckerl schnitzen dürfen“, fordert der Werbeprofi. Wenn die Kinder positiv beeinflusst seien, sagen sie den Eltern, was sie machen sollen. Wenn ihnen z. B. der Urlaub mit Sandstrand gefalle, dann fahren die Eltern das nächste Mal wieder hin. „Die Entscheider sind die Kinder, nicht die Eltern!“ Wenn die Kinder vom Wald begeistert sind, bringt man auch die Erwachsenen in den Wald. Eltern sind nicht beleidigt, wenn ihre Kinder mehr an der frischen Luft sind als vor der Spielkonsole. Sein Tipp: Wenn Lehrer und Kinder in die richtige Richtung „gestoßen“ werden, dann kann die Imageverbesserung zum Selbstläufer werden.

Erschreckend, dass Kinder in der vierten Klasse Volksschule noch nie im Wald waren, noch nie ein Steckerl geschnitzt oder einen Bach aufgestaut haben.
Wolfgang Garger, Inhaber der Werbeagentur Garger, Koch und Foodstylist

Wissen ist Macht

Eine Umfrage unter den Zusehern, ob die Jagd ein positives Image habe, hat ergeben, dass etwa 80 % der Zuseher der Jagd ein schlechtes und nur etwa 20 % ein positives Image bescheinigen. Hier ist also absoluter Handlungs­bedarf gegeben, weshalb die künftigen Jagdpädagogen alle Hände voll zu tun haben werden. Es gilt, die Menschen über die Kreisläufe des Lebens und auch der Natur aufzuklären. Denn eines ist klar: Unwissenheit ist der Tod der Akzeptanz.