Explosives Handwerk
Wiederladen von Büchsenmunition verzeiht keine Fehler. Es erfordert viel Fachwissen und eine präzise Arbeitsweise, um die notwendige Sicherheit zu gewährleisten. 1. Teil: Kosten, Irrtümer und Limits.
Immer mehr Personen stellen ihre Büchsenmunition für die Jagd oder den Schießsport selbst her. Immerhin benötigt man in Österreich keine zusätzliche Ausbildung oder einen bestimmten Sachkundenachweis zum Wiederladen von Munition. Es gibt nur Aufbewahrungsvorschriften hinsichtlich der Menge an Treibladungspulver und in welcher Weise es in einem räumlichen Nahverhältnis (etwa im Haus) gelagert werden darf.
Für die Jagd spielt wiedergeladene Munition eine untergeordnete Rolle, aber wenn man in Jägerkreise hineinhört, haben schon zahlreiche Jäger wiedergeladene Büchsenmunition verwendet. Manche stellen diese selbst her, andere wieder bekommen sie von Freunden oder Bekannten geladen. Das Wiederladen von Büchsenpatronen erfordert viel Wissen, Erfahrung und exaktes Arbeiten beim Herstellen der Munition.
Ein kleiner Fehler kann zu einem dramatischen Versagen der Büchse führen. Dann sind nicht nur schwere Verletzungen die Folge, auch Schadenersatzforderungen oder Schmerzensgeld könnten die Gerichte in weiterer Folge beschäftigen. Nach Auskunft des Beschussamtes Wien kommt es immer wieder zu verhängnisvollen Fehlern bei der Herstellung von wiedergeladener Munition. Wir haben uns dies direkt beim Beschussamt Wien angesehen und liefern die Fakten und mögliche Problemlösungen.
Motivation
Warum Jäger oder Schützen Büchsenmunition wiederladen, hat viele Gründe. Das sind einerseits die Munitionskosten, die dadurch vermeintlich gesenkt werden können. Andererseits sind viele der Meinung, die wiedergeladene Munition sei besser als jene von professionellen Munitionsherstellern. Im letzten Jahrzehnt hat sich auf dem Munitionssektor „Fabriksmunition“ vieles getan. So kann heute die Munition aufgrund der exakteren Komponenten und der teilweise computergesteuerten Ladeanlagen in den Herstellungsbetrieben wesentlich genauer und präziser produziert werden. Es ist noch nicht lange her, da war ein Streukreis bei 5 Schuss auf 100 m mit 20 mm im Durchmesser noch den Präzisionsbüchsen vorbehalten.
Heute sind es nicht nur die Premiumbüchsen, sondern auch Jagdbüchsen im niedrigen Preissegment, die durchaus solche Schussleistungen mit industriell hergestellter Munition abliefern.
Der große Vorteil wiedergeladener Munition ist die Möglichkeit, die Patronen exakt auf seine Büchse abstimmen zu können. Bekommt man ein bestimmtes Geschoss in einem bestimmten Kaliber – möglicherweise auslaufendes Kaliber – nicht mehr zu kaufen oder wird nach einer genauen Abstimmung zwischen Büchse und Laborierung gesucht, dann hat der Wiederlader die Möglichkeit, dieses Geschoss auf seine Büchse abzustimmen. Aber es ist wie mit einem wertvollen Konzertflügel, der Pianist spielt mit seinem Können die schöne Musik und nicht das Klavier. Das heißt: Der Wiederlader hat vielleicht die besten Ladegeräte und Komponenten, aber er muss das Wissen und Zusammenspiel zwischen Funktion, Sicherheit und Präzision bei der Herstellung von Büchsenmunition beherrschen.
Gewährleistung
Jeder Wiederlader, der seine selbst geladene Munition an andere – sei es unter Kostenabgeltung oder kostenfrei – weitergibt, ist voll haftungspflichtig für alles, was mit seinen Patronen in Bezug auf Innenballistik passiert. Nach einem Unfall ist es schwer zu beweisen, ob die Munition oder die Büchse Grund des Versagens war. Daher bleibt auch der Schadenersatz und in weiterer Folge die Zahlung von Schmerzensgeld höchstwahrscheinlich beim Wiederlader hängen.
Daher lautet unsere als auch die Empfehlung des Beschussamtes: Die Weitergabe von privat wiedergeladener Büchsenmunition ist höchst riskant und kann noch nach vielen Jahren zum Bumerang für den Wiederlader werden.
Kostenfrage
Wenn Munition rein nach dem Kostenfaktor beurteilt wird, kann es auf den ersten Blick so aussehen, als wäre wiedergeladene Büchsenmunition wirklich um einiges günstiger als Fabriksmunition. Obwohl alle Wiederladekomponenten, wie Hülsen, Zündhütchen und vor allem Treibladungspulver, preislich schon recht angezogen haben (Büchsenpulver, 1 kg, ca. € 140,–), kann man rein nach der Zutatenliste keine endgültige Kostengegenüberstellung aufstellen. Für eine professionelle Herstellung von wiedergeladener Munition müssen zunächst Hülsen verfügbar sein, Geschosse, Treibladungsmittel und Zündmittel angekauft werden. Nach dem Herstellen von Probeladungen (mindestens 10 % unter der Maximalladung) müssen diese am Schießstand erprobt werden.
Die fertige Ladung sollte unbedingt beim Beschussamt geprüft werden. Nur so ist der Wiederlader sicher, dass seine Laborierung nicht über dem Gebrauchsgasdruck liegt
und so die Waffe schädigen kann. In diesem Spannungsfeld erkennt man dann, dass, angefangen von der Beschaffung der Wiederladegeräte und Ladekomponenten über die Prüfung durch das Beschussamt bis hin zu mehreren Schießstandbesuchen, die Kostenfrage plötzlich in einem anderen Licht gesehen werden muss.
Berechnungsprogramme
Für die Ermittlung der Ladedaten können innenballistische (Computer-)Programme genutzt werden. Doch Achtung: Zwischen Theorie, Software und der Praxis am Prüfstand des Beschussamtes können gravierende Unterschiede zutagetreten. Diese Programme sind tolle Hilfsmittel, wenn bereits eine Referenzladung vorliegt und nachadaptiert werden soll. Des Weiteren sind diese Programme eine gute Entscheidungshilfe für die Auswahl der notwendigen Wiederladekomponenten. Für eine alleinige Berechnung des Gasdrucks einer bestimmten Laborierung sind sie jedoch nicht geeignet.
Aus einem Fertigungslos
Manche Wiederlader suchen sich die abgeschossenen Patronenhülsen am Schießstand sozusagen unkontrolliert zusammen. Nur nach dem Kaliber suchend, sammeln sie alles ein, was so an abgeschossenen Patronenhülsen des jeweiligen Kalibers zu finden ist. Leider werden dann diese völlig verschiedenen Patronenhülsen für das Wiederladen verwendet und manchmal auch anderen Jägern ungeprüft weitergegeben.
Das Thema dabei ist das Hülseninnenvolumen, welches nicht genormt ist und bei jedem Hersteller aufgrund der unterschiedlichen Hülsenwandstärke anders sein kann. Für einen professionellen Wiederlader ist es eine Grundregel, dass nur neu gekaufte oder abgeschossene Hülsen von einem Hersteller und aus nur einer Serie (gleiches Fertigungslos) Verwendung finden dürfen.
Wie viel der Gasdruck durch unterschiedliches Hülsenvolumen steigen kann, haben wir im Zuge einer Gasdruckmessung beim Beschussamt Wien untersucht.
Zunächst wurden zwei Hülsenfabrikate im Kaliber .300 Win. Mag. aus der Serienfertigung der Hersteller Federal und Norma für die Erprobung gewählt und das Hülsenvolumen im abgeschossenen Zustand erhoben. Dabei ergab das Volumen der Federal-Hülse 5,785 cm³ und jenes der Norma-Hülse einen Wert von 6,071 cm³. Dann wurden jeweils 5 Hülsen vollkalibriert und mit RS (Reload Swiss) Treibladungspulver bei gleichem Pulvergewicht und einem bleifreien 150 gr. Barnes-TTSX-Geschoss bei gleicher Setztiefe geladen. Die Laborierung war also ident, nur die Patronenhülsen waren unterschiedlich. Bei der Gasdruckprüfung war dann die Überraschung groß. Aus der mit etwas größerem Volumen gefertigten Norma-Hülse bekamen wir im Mittel einen Gasdruck von 4.233 bar.
Nachdem die .300 Win. Mag. einen max. Gebrauchsgasdruck von 4.300 bar aufweisen darf, lag diese Laborierung zwar knapp darunter, aber noch gut im Gebrauchsgasdruckfenster. Die Federal-Hülse lieferte dann mit dem kleineren Hülsenvolumen (stärkere Hülsenwand) im Mittel schon 4.685 bar Gasdruck. Das heißt: Diese Laborierung ist bereits weit überladen.
Von außen kann das Volumen einer Hülse nicht festgestellt werden. Werden verschiedene oder bereits ermittelte Ladedaten in ein anderes Hülsenfabrikat ungeprüft geladen, können Unterschiede von 500 bar oder mehr (!) auftreten, und dann kann im wahrsten Sinne des Wortes „Feuer am Dach“ sein.
Top-Speed-Ladungen
Manche Wiederlader laden ihre Munition an oder schon über den maximalen Gebrauchsgasdruck. Rasanz und gestreckte Flugbahn sowie hohe Geschossgeschwindigkeit im Ziel sind die Motivatoren für das Erzielen bzw. Anstreben des maximalen Gebrauchsgasdrucks.
Die Munition sollte aber nicht ans Limit geladen werden, denn sie muss für die Jagd anwendungssicher sein. Das bedeutet, dass etwa am obersten Limit geladene Munition nicht noch zusätzlich erwärmt werden darf. Dies kann aber im Zuge der Jagd recht schnell passieren. Denken wir nur an Patronen, die hinter einer Windschutzscheibe eines Autos bei direkter Sonneneinstrahlung liegen. Auch die Jagd, die bei hohen Temperaturen – z.B. in der afrikanischen Savanne – ausgeübt wird, kann dann munitionstechnisch problematisch werden. Mit zunehmender Wärme steigt der Gasdruck wesentlich an, wenn diese Patronen mit erhöhter Temperatur abgeschossen werden.
Diese Steigerung ist teilweise sehr eklatant, und so wurde bereits bei einer Erwärmung einer Patrone auf lediglich 52 °C ein Druckanstieg um 300 bar gemessen. Daher bringen 20 oder 30 m/s mehr an Geschossgeschwindigkeit, die durch eine vermeintliche Top-Speed-Ladung noch herausgekitzelt werden, kaum etwas für die jagdliche Praxis, können aber bei ungünstigen Umständen „voll ins Auge“ gehen.
Fazit
Die Belastung des Materials bei einem Büchsenschuss ist extrem hoch. Das heißt: Alle Teile der Büchse werden so gefertigt, dass sie bei Einhaltung des Gebrauchsgasdrucks dauerhaft eingesetzt werden können. Die Munition, die eine veränderbare Variable beim Büchsenschuss darstellt, muss immer unter dem maximalen Gebrauchsgasdruck (CIP-Norm) liegen. Daher rät das Beschussamt zur Prüfung der eigenen Laborierung und warnt Jäger vor der Benutzung von ungeprüfter wiedergeladener Munition.
Im zweiten Teil behandeln wir weitere Problemfelder beim Wiederladen von Büchsenmunition, die sich auf Ladekomponenten und Fertigungstechnik beziehen.