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Explosives Handwerk 

28. Februar 2024 -
Explosives Handwerk - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser

Wiederladen von Büchsenmunition verzeiht keine Fehler. Es erfordert viel Fachwissen und eine präzise Arbeitsweise, um die notwendige Sicherheit zu gewährleisten. 2. und letzter Teil – Risikofaktoren und Kontrolle.

Viele Jäger und Schützen ­erzeugen oder verwenden ­wiedergeladene Munition aus verschiedenen Motivationsgründen. Ganz wesentlich ist es, nur Patronen zu laden, die sicher und geprüft sind. Das Revier darf nicht zum Testgelände für Probeladungen oder abgebrochene Ladungen (leistungsreduzierte Ladungen) werden. Es darf auch kein Spielplatz für überladene und damit ­gefährliche Laborierungen sein, sollte noch das Letzte aus dem Kaliber herausgequetscht werden. In einem ­Gespräch mit dem Leiter des Beschuss­amts haben wir erfahren, dass es wichtig sei, nicht nur Fach­wissen über die maximale ­Pulverladung zu haben, sondern die neuen Komponenten immer prüfen zu lassen und mit dem Bereich des Wiederladens ­umfassend vertraut zu sein.

Nicht zu oft wiederladen

Manchmal werden Patronenhülsen viel zu oft wiedergeladen. Wenn dann noch dazu nicht auf den Verschlussabstand geachtet wird (zu großer Abstand), ist die Dehnung der Hülse im Patronenlager bei der Schussabgabe enorm groß. Zur Darstellung haben wir eine Patronenhülse im Kaliber .300 Win. Mag. auf­gefräst, um zeigen zu können, wie sich eine Patronenhülse nach drei­maligem Wiederladen verändern kann, obwohl der Verschlussabstand eingehalten worden ist (siehe Seite 32). Die Schwächung des Materials, die durch die Dehnung beim Lidern der Hülse entsteht, ist deutlich zu erkennen. Als „Lidern“ bezeichnet man die Aus­dehnung der Patronenhülse und gleich­zeitigem Anpressen an das Patronenlager bei der Schuss­abgabe. Alle weiteren Ladetätigkeiten an so einer Hülse ­können unweigerlich zu einem Hülsenabriss führen. Die ­Folgen daraus ­könnten bei manchen Waffen fatal sein.

Treibladungspulver

Beim Nachkauf von Treibladungs­pulver, selbst bei gleichem Pulvertyp und Hersteller, sind in letzter Zeit Unterschiede in der Druckleistung beobachtet ­worden. Daher ist es notwendig, die Laborierung mit der neuen Charge ebenfalls prüfen zu lassen. Es hat sich gezeigt, dass ­Gasdrucksprünge im Bereich bis zu 500 bar Gasdruck auftreten können. Das bedeutet: Vertrauen ist gut – ­Kontrolle ist besser.

Zündhütchen: Sind alle gleich?

Die Anzündung der Patrone wird manchmal weit unterschätzt. Erzeugt das Zündhütchen einen zu kräftigen Zündstrahl, wird auch das Pulver mit dem Ergebnis einer Steigerung des Gasdruckes offensiver gezündet.
Gehen die Zündhütchen im eigenen „Materiallager“ zu Ende, werden oftmals andere Zündhütchen derselben Anforderungsbestimmung (etwa large- rifle-Zündhütchen) nachgekauft, obwohl die Laborierung mit einem Zünd­hütchen eines anderen Herstellers ­geprüft wurde. Es sind zwar Extremausreißer, aber es konnten bereits vom Beschussamt Gasdrucksteigerungen von bis zu 400 bar Druck rein durch den Einsatz unterschiedlicher Zündhütchen dokumentiert werden.

Zündhütchen sicher setzen

Manchmal werden die Zündhütchen nicht ganz in die Zündglocke ein­gepresst. Der Grund kann sein, dass die Zündglocke in der Patronenhülse nicht tief genug ausgebildet ist. Abhilfe schafft ein Nachreiben mit einem ­eigenen Zündglockenfräser. Es gibt aber auch Hülsen, deren Zündglocken zu kurz und nicht für normale Boxer­zündhütchen vorbereitet sind. Diese Patronenhülsen sind dann für das Wieder­laden mit standardisierten Zündhütchen ungeeignet und können nicht verwendet werden.
Es ist aber besonders wichtig, dass das Zündhütchen nicht über den Patronenboden hinausragt. Beim Laden der Büchse – insbesondere bei Geradezugverschlusssystemen – könnte durch einen Überstand des Zündhütchens die Patrone zünden, bevor der Verschluss verriegelt ist. Die daraus entstehenden Auswirkungen sind verheerend, denn der Verschluss verabschiedet sich in Richtung Kopf bzw. Gesicht, wenn die Büchse im Anschlag repetiert wird.

Zündglockenaufweitung

Sollte nach der Schussabgabe und nach dem Öffnen des Verschlusses das Zündhütchen aus der Hülse fallen, muss ­unbedingt der Grund dafür erhoben werden. Vermutlich hat sich durch einen Gasdruckanstieg bis an den Beschussgasdruck die Patrone im Bereich der Zündglocke bereits gedehnt, sodass das Zündhütchen keinen Halt mehr findet. In diesem Fall befindet sich die Büchse bereits in einer Maximalbeanspruchung, die einer Dauerbelastung nicht standhalten würde. Daher ist das Schießen mit einer solchen Laborierung sofort einzustellen.
Sollte der Grund dieser Dehnung nicht gefunden werden, muss die Büchse zum Büchsenmacher oder zum Beschussamt zur Abklärung gebracht werden. Daher ist die Kontrolle der ­abgeschossenen Patronenhülse nach jeder Schussabgabe bei wiedergeladener Munition essenziell.

Treibladungsmittel

Bei der Lagerung von Treibladungs­mitteln gibt es kein Limit oder Ablauf­datum. Auf den Pulverbehältnissen wird nur das Erzeugerdatum angeführt. Grundsätzlich kann man davon aus­gehen, dass qualitativ hochwertige Treibladungsmittel mindestens zehn Jahre haltbar sind. Voraussetzung sind trockene Lagerungsbedingungen bei konstanten 20 °C.
Zu altes Pulver sollte man ent­sorgen, oder wenn noch eine größere Menge verfügbar ist, sollte die Leistungsfähigkeit (Lebhaftigkeit) des Pulvers durch eine Eingabe einer Laborierung am Beschussamt geprüft werden.

Explosives Handwerk - Nicht plan gesetzte Zündhütchen sind brand­gefährlich. - © Norbert Steinhauser
Nicht plan gesetzte Zündhütchen sind brand­gefährlich. © Norbert Steinhauser
Explosives Handwerk - Eine regelmäßige chemische ­Reinigung sichert ein gefahrloses Verwenden von Munition. - © Norbert Steinhauser
Eine regelmäßige chemische ­Reinigung sichert ein gefahrloses Verwenden von Munition. © Norbert Steinhauser

Chemische Reinigung

Läufe, die durch unzählige Schuss­abgaben viel Geschossabrieb ansammeln, verringern zwangsläufig den Kaliberdurchmesser. Damit muss das Geschoss diese Engstelle meist beim Übergangskonus passieren, mit dem Ergebnis eines Gasdruckanstieges. Dies betrifft natürlich nicht nur wiedergeladene Munition, sondern auch industriell ­gefertigte Munition. Daher ist die ­chemische Reinigung wichtig, um den Lauf von diesen Ablagerungen zu befreien und auch wieder für eine gute Schussleistung vorbereitet zu sein.

Fazit

Das Wiederladen von Büchsenpatronen stellt bei korrekter Umsetzung eine ungefährliche und innovative Möglichkeit dar, sein gewünschtes Geschoss auf die geforderten Zielsetzungen anpassen zu können. Es ermöglicht dem Schützen, eine manchmal unglaublich gute Schussleistung aus seiner Waffe zu erhalten. Wie wir aber auch erfahren haben, birgt das unprofessionelle Wiederladen oder nicht vorhandene Fachwissen auch die Gefahr einer Sprengung der Büchse.
Ungeprüfte wiedergeladene Munition sollte man nicht verwenden oder von anderen annehmen, denn weder der Wiederlader noch ballistische Programme können wissen, wie viel Gasdruck die Patrone wirklich produziert. Auch viel Erfahrung und eine Sichtkontrolle der abgeschossenen Patronenhülse können den Gasdruck nicht eruieren. Die ­einzige Stelle, die dies prüfen und ­messen kann, ist das Beschussamt.
Die Kosten für eine derartige Prüfung im Verhältnis zum Aufwand sind verschwindend gering. Eine Munitionsprüfung durch das Beschussamt liefert dafür genaue Daten, wie Gasdruck und Geschossgeschwindigkeit, sowie eine Anzündungs- und Gasdruckverlaufskurve. Jedenfalls kann der Wieder­lader nach einer Prüfung durch das Beschussamt sicher sein, dass seine Patronen genau denselben Vorgaben von professionellen gewerblichen Munitions­herstellern entsprechen.