Gamsbrunft im Wandel: Klimawandel und Jagd im Fokus
Erfahren Sie, wie der Klimawandel die Gamsbrunft und das Verhalten des Gamswildes beeinflusst. Entdecken Sie die Rolle der Jagd und die Auswirkungen von Tourismus auf die Gams.
Es ist so weit: Die Gamsbrunft steht vor der Tür – je nach Höhenlage reicht sie von Anfang November bis in den Dezember hinein. Die Geißen sind brunftig, und dennoch kann das Wetter einen entscheidenden Einfluss haben: So ist bei hoher Schneelage das Brunftgeschehen für Böcke anstrengender, ihre Feistreserven sind schneller aufgebraucht, und während der Erholungsphase ist es bei hohem Schnee schwieriger, Äsung zu finden.
Zudem haben Studien gezeigt, dass der Klimawandel das Brunftverhalten des Gamswildes beeinflusst. In wärmeren Regionen verschiebt sich der Zeitpunkt der Brunft, was möglicherweise Auswirkungen auf den Fortpflanzungserfolg haben kann. Die Brunftzeit scheint empfindlich auf Temperaturveränderungen zu reagieren. Dennoch müssten für präzise Aussagen noch weitere Studien angestrebt werden; da sich der Klimawandel stetig „wandelt“, sind endgültige Ergebnisse schwer zu ermitteln. So untersucht unter anderem das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna) zurzeit in seinem Projekt GamsKlimaMensch klimatische und anthropogene Einflüsse auf den Gams zur Entwicklung eines nachhaltigen Managements.
Gamsbrunft: Dominanz, Energie und das Ritual der Böcke
Zurück zur Brunft: Während die Geißen eher passiv am Brunftgeschehen teilnehmen, geht es bei den Böcken zur Sache: Schon zu Monatsbeginn schließen sich die bis dahin einzelgängerischen, älteren Böcke den Scharwildrudeln an. Oft positionieren sie sich auf erhöhten Plätzen, um sowohl den Überblick zu behalten als auch für rivalisierende Böcke gut sichtbar zu sein.
Es ist kaum vorstellbar, wie kräftezehrend die Brunft eines Gamsbockes sein muss, findet sie im Spätherbst oder zu Beginn des Winters statt – eine Zeit, in der in den höheren Lagen oft schon meterhoch Schnee liegt. Vor allem die Böcke müssen in dieser Phase enorme Energieverluste verkraften, die sie nur schwer ausgleichen können. Für manche Böcke wird es sogar die letzte Brunft ihres Lebens sein.
Der Höhepunkt der Brunft kommt oft Mitte November zu liegen, und in dieser Zeit werden die Geißen beschlagen. Wenn eine Geiß paarungsbereit ist, nässt sie, und der Bock untersucht die Stelle mittels Flehmen. Anders als beim Rothirsch windet der Gamsbock dabei nicht direkt am Feuchtblatt der Geiß, sondern lediglich am abgesetzten Urin. Manche Geißen nutzen dieses Verhalten, um aufdringliche, junge Böcke auf Abstand zu halten.
Eine brunftige Geiß wird normalerweise mehrfach vom dominanten Bock beschlagen, und es kann zu Serien von bis zu sechs oder mehr Paarungen hintereinander kommen. Das Aussehen der dominanten Böcke verändert sich in den Wochen danach stark, da sie kaum Nahrung aufnehmen. Besonders im hinteren Körperbereich wirken sie schlanker, und insgesamt machen sie oft einen hochläufigeren Eindruck.
Die mittelalten, besonders aktiven Böcke im Alter von etwa sieben bis neun Jahren tragen nun ihr tiefschwarzes „Hochzeitskleid“ und sind schon von Weitem an ihrem markanten Aussehen zu erkennen. Gegen Ende des Monats nähern sich auch die jüngeren Böcke dem Brunftrudel, und es ist durchaus möglich, dass ein vierjähriger Bock einen erschöpften Platzbock verdrängt. Etwa 180–190 Tage nach der Paarung bringt die Geiß normalerweise ein Kitz zur Welt, wobei Zwillinge nur sehr selten vorkommen.
Tourismus und Gamswild: Wie Störungen die Fortpflanzung gefährden
Der Einfluss des Tourismus auf das Gamswild ist ein komplexes Thema, da sowohl der Winter- als auch der Sommertourismus in den Alpenregionen stetig zunehmen und das Verhalten der Gams beeinflussen. Es lässt sich nachweisen, dass in Gebieten mit hohem touristischem Aufkommen die Fortpflanzung des Gams beeinträchtigt wird. Geißen können in der empflindlichen Zeit während der Brunft oder später während der Aufzuchtzeit ihrer Kitze gestört werden, was die Überlebenschancen der Jungtiere reduziert. Vor allem in den frühen Monaten, wenn die Kitze noch sehr verletzlich sind, sind regelmäßige Störungen durch Touristen besonders problematisch.
Nachhaltige Bejagung: Einfluss auf Gamswild und Population
Die Art der Bejagung des Gamswildes hat ebenso Einfluss auf die Brunft und die Populationsentwicklung. In vielen Alpenländern, wie Österreich, der Schweiz und Deutschland, gab es lange Zeit kaum oder nur sehr lockere Jagdregeln. Die Einführung moderner Jagdgesetze, die Quoten und Schonzeiten festlegten, kam erst im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Früher war die Jagd auf Gamswild oft weniger reglementiert, was in manchen Regionen zur Überjagung führte.
Durch den selektiven Abschuss älterer Böcke hat sich in einigen Gebieten die Altersstruktur der Gamsbestände verändert. Früher wurden vor allem die stärksten und ältesten Böcke erlegt, was zu einer Verjüngung der Population führte. Dies hat negative Auswirkungen auf die genetische Fitness der Population, da ältere, erfahrene Böcke in der Brunft eine wichtige Rolle spielen.
In der heutigen Jagdpraxis wird zunehmend darauf geachtet, auch jüngere Tiere zu entnehmen, um die Altersstruktur ausgewogen zu halten und eine Überalterung oder extreme Verjüngung zu verhindern.
Moderne Jagdpraxis geht zunehmend Hand in Hand mit wissenschaftlichem Wildtiermanagement. In den letzten Jahrzehnten wurden viele Regionen etabliert, in denen Gams systematisch überwacht werden. Dies ermöglicht es, die Population genau zu beobachten, und hilft, Jagdstrategien anzupassen, um die nachhaltige Bewirtschaftung zu gewährleisten. Monitoringprogramme, wie Populationszählungen und Gesundheitschecks, sind heute in vielen Regionen Standard, um den Bestand des Gamswildes langfristig zu sichern.
Wiederansiedlungsprojekte: Erfolgreiche Stabilisierung der Gamsbestände
In einigen Gebieten, wo das Gamswild durch frühere Überjagung stark dezimiert war, wurden in den letzten Jahrzehnten sogar Wiederansiedlungsprojekte durchgeführt, wie zum Beispiel im Nationalpark Berchtesgaden in den Bayerischen Alpen oder im Schweizerischen Graubünden und dem Wallis. Die Schweiz verfügt so mittlerweile über einen der stabilsten Gamsbestände Europas. In Österreich sind Bestrebungen in Vorarlberg, Tirol und im Nationalpark Hohe Tauern anzuführen.
Diese Projekte haben zur Stabilisierung und zum Wachstum von Gamsbeständen beigetragen, und Jäger spielen eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Populationen, um Überpopulationen und Konflikte mit der Landwirtschaft zu vermeiden.
Klimawandel und Inzucht: Risiken für die genetische Vielfalt der Gams
Eines leuchtet ein: Kleine Populationen sind anfälliger für Inzucht, da der Genpool begrenzt ist und sich Individuen häufiger mit nahen Verwandten paaren. Die Zerschneidung der Lebensräume durch den Bau von Straßen und Skigebieten fördern dies zusätzlich.
Der Klimawandel könnte ebenfalls die genetische Vielfalt beeinflussen, da sich die Lebensräume der Gams verschieben. Populationen könnten gezwungen werden, in höhere Lagen auszuweichen, wodurch sie isolierter werden und der genetische Austausch erschwert wird. Es spielt aber auch die Bejagung eine wesentliche Rolle, denn wenn gezielt nur ältere und stärkere Böcke erlegt werden, kann dies zu einer Reduzierung der genetischen Vielfalt führen, da diese Tiere oft über die besten Gene zur Weitergabe an die nächste Generation verfügen.
Herausforderungen für die Gams: Klimawandel und Anpassung
Die Zukunft des Gams hängt stark von seiner Fähigkeit ab, wie er auf die Herausforderungen des Klimawandels und die veränderten Rahmenbedingungen, wie Tourismus, reagiert. Verschiebung des Lebensraumes in höhere Lagen, veränderte Nahrungsverfügbarkeit oder höhere Mortalität durch extreme Wetterereignisse werden oder sind bereits beinflussende Faktoren des Klimawandels auf das Gamswild.
In einigen Regionen könnte es notwendig werden, Jagdzeiten anzupassen, um auf den veränderten Lebenszyklus des Gams zu reagieren. Wärmere Winter und verschobene Brunftzeiten könnten bedeuten, dass traditionelle Jagdperioden weniger effektiv sind oder nachteilig auf die Populationen wirken, wenn sie mit wichtigen biologischen Ereignissen kollidieren. Um den sich verändernden Bedingungen gerecht zu werden, könnten in weiterer Folge Schonzeiten angepasst werden.
Es wird sich weisen, wie sich der Gams durchsetzen kann. Eines ist allerdings jetzt schon klar: Mit Korridorbildung und nachhaltiger Bejagung kann die genetische Vielfalt des Gamswildes und somit eine hitzige Gamsbrunft auch in Zukunft bewahrt werden.