Židlochovicer Gespräche 2024: Jagd im Wandel
Bei den 17. Židlochovicer Gesprächen diskutierten Experten aus Mitteleuropa die Zukunft der Jagd im gesellschaftlichen Wandel. Themen wie Naturschutz, Jagdrecht, Herausforderungen durch Wildtiere und die Bedeutung transparenter Öffentlichkeitsarbeit standen im Fokus.
Wie wird zeitgemäße Jagd definiert? Welche wichtigen Themen begleitet die Jagd in Mitteleuropa? Wie ließe sich das Bild des Jägers in der breiten nicht jagdlichen Bevölkerung positiv formen? Vertreter aus Medien, Wissenschaft und Jagdverbänden trafen einander am 5. September 2024 im geschichtsträchtigen Jagdschloss Židlochovice, um die Jagd in Mitteleuropa in den Fokus zu rücken.
Vertreten waren das Gastgeberland Tschechien, die Slowakei, Österreich, Deutschland und Polen. Die Jagd in Mitteleuropa fußt auf gemeinsamen Wurzeln der Vergangenheit, gegenwärtig wird über ähnliche Thematiken und Probleme gesprochen – man denke etwa an den Wolf, der keine Landesgrenzen kennt und grenzüberschreitend seit Jahren eine immer größere Herausforderung darstellt, oder auch an die Freizeitnutzer, die in Wäldern und Feldern mittlerweile Tag und Nacht anzutreffen sind, weiters an Tierrechtler, die sich von Sachlichkeiten nicht beeindrucken lassen. Die Sozialen Medien sind als kritisch zu betrachten, zumal Falschmeldungen und -behauptungen ihre Kreise ziehen.
Eine entscheidende Aufgabe wird sein, die Jagd für Nichtjäger transparenter und verständlicher zu machen. Eine positive Darstellung der Jagd sollte sich auf ihre Rolle im Naturschutz, in der Wildtierregulierung und in der nachhaltigen Landnutzung konzentrieren. Durch Öffentlichkeitskampagnen, die die Jagd als eine Tätigkeit im Dienste der Natur und der Allgemeinheit präsentieren, können Vorurteile abgebaut werden (positives Beispiel ist die Kampagne „Das ist Jagd“ von Jagd Österreich). Durch mediale Aufklärungsarbeit könnten Nichtjäger darüber informiert werden, wie die Jagd zur Pflege von Landschaften, zur Artenvielfalt und zur Vermeidung von Wildschäden beiträgt.
Nach einführenden Worten von Dr. Miroslav Vodnansky (Mitteleuropäisches Institut für Wildtierökologie, Vizepräs. Verein „Grünes Kreuz“) sprachen Ing. Pavel Sekáč (Sektionsdirektor im Ministerium für Landwirtschaft der Tschechischen Republik), Dr. Christa Kummer-Hofbauer (Präsidentin des Vereins „Grünes Kreuz“) und LJM Maximilian Mayr-Melnhof (Präsident Jagd Österreich). Kummer-Hofbauer: „Die Herausforderungen der heutigen Zeit und der Blick in die Zukunft sind unabdinglich. Wir entwickeln uns zu einer ,Rechte-Gesellschaft‘. Unsere Gesellschaft fordert in allen Bereichen Rechte ein: ,Ich habe das Recht, den Wald zu nutzen!‘ oder ,Ich habe das Recht, alles zu tun, was ich will, immer und überall, zu jeder Zeit!‘ Aber unsere Gesellschaft vergisst in den letzten Jahren, dass es eine Balance zwischen Rechten und Pflichten geben muss. Wo haben wir die Pflicht, ein Recht zu haben? Und wo haben wir ein Recht, ohne Pflichten zu haben? Das sind die Punkte, die in allen Bereichen unseres Lebens von Bedeutung sein sollten, und gerade in der Jagd spüren wir diese Rechte-Gesellschaft. Wir müssen unsere Wälder so gestalten, dass sie ,tourismusfit‘ sind, dass keinem Freizeitnutzer ein Ast auf den Kopf fällt.“ – Die Eigenverantwortung der Menschen, die die Natur nutzen, sei nicht mehr gegeben, so Kummer-Hofbauer, die es als eine große Herausforderung und Aufgabe der Politik, Landesjagdverbände, Landwirte, Wissenschaft und Forschung sieht, mit dieser Veränderung der Gesellschaft umzugehen.
LJM Max Mayr-Melnhof, Präsident Jagd Österreich, sieht es in Hinblick auf den Umgang mit Jagd und Forst in Brüssel umso mehr als Aufgabe der Jäger, „Multiplikatoren zu sein, unser Wissen, unsere Überzeugung und unsere Passion hinauszutragen“. Zumal sich in der heutigen Zeit auf die Inhalte des Internets verlassen werde, doch hier sei Vorsicht geboten, so Mayr-Melnhof. „Ich weiß, dass wir die Argumente auf unserer Seite haben. Wir haben das Wissen und das Tun, wir sind die, die Dreck unter den Fingernägeln haben. Sehr viele haben das nicht. Der Wind, der uns entgegenweht, ist ein großer Wirtschafts- und Spendenfaktor. Es ist wichtig, dass wir aufstehen, uns austauschen und unser Wissen bis zum letzten Hochstand hinaustragen“, ist der Salzburger Landesjägermeister überzeugt und ergänzt: „Der stete Tropfen höhlt den Stein, und wir nutzen alle Möglichkeiten, um in Brüssel gehört zu werden. Wir waren die letzten Jahrzehnte viel zu leise, und das muss sich ändern.“
Positiv erwähnt Mayr-Melnhof, dass vom Radiosender Ö3 einmal im Monat ein jagdliches Thema aufgegriffen werde – aber nur deswegen, weil er im Hintergrund Überzeugungsarbeit geleistet habe.
In Hinblick auf das Thema Raufußhühner gibt er ein Beispiel: 1995 sei das Haselhuhn aus dem Sbg. Jagdrecht herausgenommen worden. Nach sachlichen Argumenten von ihm sei es schließlich wieder ins Jagdrecht aufgenommen worden. Es gab Biotopverbesserungen durch die Jäger, als ihnen die Verantwortung für die Wildart zurückgegeben wurde, und man wisse nun auch wieder, wo und wie viele Haselhühner es im Land Salzburg gebe.
Herausforderungen und Zukunft der Jagd in Europa
„Wir versuchen, uns dafür einzusetzen, dass das, woran wir glauben, Teil des Gesetzes bleibt“, so Dr. Philipp Harmer LL.M., Präsident des CIC. „Aber das bedarf viel Arbeit von unserer Seite. Wir müssen uns an die Gegebenheiten der Zeit anpassen. Wir müssen verstehen, dass vieles, was wir bisher getan haben, heute nicht mehr wirkt. Wir müssen unsere Methoden ändern.“
Harmer sieht vier Themen, mit denen die Jagd auf europäischer Ebene konfrontiert ist und die man ihr von Brüssel aus oktroyieren könnte:
- Es sei eine immer größere Bewegung, „Hobbyjägern“ das Jagen zu verbieten und bezahlten „Rangern“ die Aufgabe der Jagd zu übertragen.
- Die Abschaffung der Jagd in der Paarungszeit. In den skandinavischen Ländern ist es jetzt schon so, dass während der Brunft nicht gejagt wird.
- Ein Trophäen-Importverbot
- Verbot der Raufußhuhn-Bejagung
Corona habe die Menschen dazu bewogen, zurück zur Natur zu wollen. Dass die Jagd als Teil davon gesehen werde, sieht Harmer positiv. Der jährliche Fleischkonsum eines Österreichers belaufe sich auf 68 kg, wovon nur 0,8 kg auf Wildbret entfielen. Viele würden mehr Wildbret und weniger Schwein essen, wenn es verfügbar wäre, schätzt Harmer. Daher gelte es, die Delikatesse Wildbret weiter zu verbreiten.
Viele würden heute die Jagdprüfung ablegen, um sich selbst ein Bild von der Jagd zu machen. Hier sei das Biodiversitätsthema zu nutzen, um zu zeigen, was alles zur Jagd dazugehört, etwa das Anlegen von Wildäckern. „Wir Jäger sorgen für Biodiversität, es wird uns nur nicht geglaubt“, weiß Harmer.
Social Media sei kritisch zu betrachten, zumal sich Fake News verbreiten und online bleiben, „was der Jagd unglaublich schadet“, ist Harmer überzeugt.
Eine weitere Herausforderung sei, dass die Jäger nicht geeint seien: „In Europa, vor allem auch Skandinavien, geht es um das Fleisch, während die Engländer einen sportlichen Zugang haben. In Mitteleuropa ist Jagd Kultur, Trophäe und Wildstandsmanagement. Deutschland erlegt 2 Mio. Stück Schalenwild, Österreich 450.000 Stück.“
Ein Beispiel dafür, dass Emotionen stärker als Sachargumente wiegen: Der Präsident von Botswana (Masisi) hielt eine Rede vor der UNO, um darauf hinzuweisen, dass die westliche Welt das Management der Elefantenpopulation unterbinden wolle, diese aber zahllose Schäden in der Landwirtschaft verursachen würden. Durch eine vom CIC mit dem Präsidenten veranlasste Kampagne, die medial Wellen schlug und einen humoristischen Angriff auf Deutschland darstellte, indem man 20.000 Elefanten ebendort hinschicken wollte (innerhalb von zwei Wochen generierte die Story mehr als 2 Mio. Klicks), fand Anklang bei hochrangigen deutschen Politikern, was zu einem Treffen und (vorerst) sinnbildenden Gesprächen führte und die Problematik in den Fokus stellte, nicht nur in Deutschland.
Harmer ruft dazu auf, Allianzen zu bilden, mit Grundeigentümern (in Europa kommt das Jagdrecht zu 85 % aus dem Grundeigentum), Fischern, Reitern, mit der „Country Side Alliance“, mit dem Tourismus. „Allianzen machen uns stärker und glaubwürdiger. Wir müssen die nicht jagende Bevölkerung davon überzeugen, dass das, was wir tun, ein Service an der Gesellschaft und der Natur ist.“
„Wir, die wir hier sitzen, sind dafür verantwortlich, wie die Jagd in Zukunft sein wird“, ergänzt Dr. Vodnansky. „Es darf nicht in Vergessenheit geraten, dass wir die heutige Jagd jenen verdanken, die sich vor Generationen dafür eingesetzt haben – eine große Mahnung und Verantwortung für uns.“
Problematiken der slawischen Länder wurden durch Vertreter aus Tschechien, Polen und der Slowakei dargelegt. Wo die großen Raubtiere ebenso ein Thema sind, wo der Wolf etwa allmählich Tschechien besetze und in Orte vordringe und größere Haushunde töte. In der Slowakei sind neben problematischen Braunbären auch Wildtauben ein Thema, die sich in der Landwirtschaft in einem sehr großen Ausmaß etwa über ausgebrachte Sonnenblumenkerne hermachen würden. In Tschechien stehe eine Novelle des Jagdgesetzes an – die Abschaffung der Schonzeiten auf Schalenwild unter zwei Jahren stehe im Raum, dieses solle ganzjährig freigegeben werden. Auch die Naturnutzer seien ein Thema, genauso wie hierzulande.
In Polen sei die Jagd preisgünstig, bei höherem Jagdzins hätte der Mitgliedsbeitrag erhöht werden sollen, heute wolle niemand mehr das System ändern. Jagdgesellschaften hätten oft mehr als hundert Mitglieder, die sich untereinander nicht gut kennen, was unweigerlich oft zu Konflikten führe. Die Mitgliedschaft bei der einzigen (nicht demokratischen) Jagdorganisation Polens sei verpflichtend. Jäger haben keine Organisation, die ihre Interessen vertrete. In Polen sei es sogar verboten, unter 18 Jahren an einer Jagd teilzunehmen. Der für die Jagd zuständige Minister sympathisiere mit jagdfeindlichen Organisationen. Im Raum stehe, die Hochwildjagd während der Brunft zu verbieten und Gesellschaftsjagden einzuschränken. In Polen sei ein Drittel der Bevölkerung gegen die Jagd, es sei eine andere Situation als in anderen Ländern.
Jagd in Österreich
Mag. Jörg Binder (Geschäftsführer von Jagd Österreich) sprach die bekannte Initiative rund um das Bundesjagdgesetz an, bei dem ein Volksbegehren angestrebt werde. Es gehe darum, die Jagd abzuschaffen, die Jagd aus der Länder- in die Bundeskompetenz zu überführen. „Jagd Österreich arbeitet mit der Taktik des gezielten Informierens und scheut die Debatte nicht.“
Beim legistischen Projekt aus den 1990er-Jahren zum Landwirtschafts-Berufsausbildungsgesetz wurde in den letzten Wochen errungen, dieses um ein fünftes Berufsbild zu ergänzen, nämlich um die Ausbildung zum Berufsjäger, bei dem die Mitsprache an der Ausbildung durch die Landesjagdverbände stark abgesichert sei, so Binder.Auf Social Media habe Jagd Österreich ein starkes Auftreten etabliert, das künftig durch TikTok erweitert werde. Die Website jagdfakten.at sei weiter ausgebaut worden. In Zusammenarbeit mit der FACE habe es eine europaweite Erhebung der sozialen Akkzeptanz der Jagd gegeben, die etwa österreichweit mit 80 % erstaunlich hoch ausgefallen sei.
Eine Herausforderung für die Jagd in Österreich aus europäischer Sicht: 2027 solle es, so Binder, in Österreich zum Verbot von bleihaltiger Büchsenmunition kommen.
Zum Schluss führt Binder etwas Positives aus: „Es wurde kürzlich die Österreichische Wildtierstiftung ins Leben gerufen, die das Ziel hat, freiwillige Spender rund um die Jagd
für Maßnahmen, wie Biodiversitätssteigerung, Wissensteilung, aber auch zur sozialen Akzeptanz, mit Spendenmitteln beizutragen“, so Binder.
DI Matthias Grün, Geschäftsführer der Esterhazy Privatstiftungen, sprach über die Jagd im Einklang mit der Forst- und Landwirtschaft in der integrierten Landnutzung, mit der Frage, ob die Bejagung in der Nacht notwendig sei oder nicht. Auf den Esterhazy-Flächen werde ohne Nachtzielhilfen gejagt, was entsprechende Hege möglich mache.
Jagd in Deutschland
Wolfgang Heins, Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes, sprach über die aktuelle Situation in Deutschland: „Wir sehen uns als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, dazu zählen der Ukraine-Krieg, der Klimawandel, die stark anhaltende Entfremdung der Natur mit der Illusion eines Garten Edens.“ Große Teile wären unzufrieden mit der gegenwärtigen Regierung, Stichwort Bauernproteste im Frühjahr, was politische Randgruppen nutzten, um Stimmung für sich und ihre Interessen zu machen. Heins sprach von der Zerstörung jagdlicher Einrichtungen und Attacken auf Jäger. – Wo bleiben Respekt und Toleranz?
Maßnahmen wie Windkraft und Photovoltaik würden das allseits bekannte Artensterben beeinflussen und das natürliche Wanderverhalten des Rotwildes einschränken, was einen notwendigen genetischen Austausch unmöglich mache. So habe man seit Jahrzehnten „Stücke mit verkürztem Unterkiefer, schiefen Schädeln oder Kälber, die ohne Lichter geboren werden, was eine bereits eintretende genetische Verarmung aufzeigt“, betont Heins. So werde gefordert, dass künftig Wanderkorridore freigehalten werden, kleine Erfolge gab es bereits.
Zuletzt
Unterschiedliche Regionen und kulturlandschaftliche Gegebenheiten bringen differenzierte Herausforderungen mit sich. So waren elektronische Nachtzielhilfen ein Thema, die vielerorts nicht wegzudenken sind, andernorts aber durchaus kritisch gesehen werden. Die Zusammenarbeit zwischen Jagd, Forst und Landwirtschaft ist dabei nicht außer Acht zu lassen.
Durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wissenschaftlich fundierte Praktiken, transparente Öffentlichkeitsarbeit und die Betonung von Nachhaltigkeit und Ethik kann die Jagd in Mitteleuropa für Nichtjäger besser zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise können Vorurteile abgebaut und das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Jagd im ökologischen Gleichgewicht gestärkt werden.
Die Jagd ist Teil unserer Kultur und wesentlich mehr als nur ein Hobby. Die Jagd ist eine Lebenseinstellung. Und: Die Jagd ist eine Dienstleistung an der Gemeinschaft.
Nachhaltigkeit, Ethik und Zusammenarbeit stärken
Unterschiedliche Regionen und kulturlandschaftliche Gegebenheiten bringen differenzierte Herausforderungen mit sich. So waren elektronische Nachtzielhilfen ein Thema, die vielerorts nicht wegzudenken sind, andernorts aber durchaus kritisch gesehen werden. Die Zusammenarbeit zwischen Jagd, Forst und Landwirtschaft ist dabei nicht außer Acht zu lassen.
Durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wissenschaftlich fundierte Praktiken, transparente Öffentlichkeitsarbeit und die Betonung von Nachhaltigkeit und Ethik kann die Jagd in Mitteleuropa für Nichtjäger besser zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise können Vorurteile abgebaut und das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Jagd im ökologischen Gleichgewicht gestärkt werden.
Die Jagd ist Teil unserer Kultur und wesentlich mehr als nur ein Hobby. Die Jagd ist eine Lebenseinstellung. Und: Die Jagd ist eine Dienstleistung an der Gemeinschaft.