Artikel

Jagd ohne Zukunft?

27. April 2022 -
Jagdsymposium: Dachs, MSc., Dr. Vodnansky, Moderatorin Dr. Kummer, Univ.-Prof. i. R. DI Dr. Reimoser, Dr. Erlacher, DI Grün (v. l. n. r.). - © Maria Hollunder
© Maria Hollunder

Wie muss sich die Jagd entwickeln, um fit für die Zukunft zu sein? Beim Jagdsymposium im Schloss Esterházy hat man sich mit dieser und weiteren Fragen befasst. – Ein Überblick.

Am 17. März 2022 lud die Esterházy Betriebe GmbH zum jährlichen Jagdsymposium in die Orangerie des Schlosses Esterházy. Themenschwerpunkt der diesjährigen Edition war: „Welche Zukunft gehört der Jagd?“. Interessierte Teilnehmer konnten der Veranstaltung vor Ort oder via Live­stream beiwohnen.
Nach einleitenden Worten durch ORF-Wettermoderatorin Dr. Christa Kummer, Präsidentin des Vereins „Grünes Kreuz“, welche auch die Podiums­diskussion moderierte, folgte die Begrüßung von DI Matthias Grün, Vorstand der Esterházy Privatstiftungen und Geschäftsführer der Esterházy ­Betriebe GmbH. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von den ­Esterházy Jagdhornbläsern.

Einzigartige Region

Den Auftakt des Programms machte Prof. DDr. Antal Festetics mit einem Impuls­referat über die Pannonische Tief­ebene. Der Wildbiologe, Verhaltens­forscher und Zoologe gab einen historisch-­ökologischen Abriss über die Entstehung und die Artenvielfalt der Flora und Fauna der Region Neusiedler See – Seewinkel.
Dabei rief er auch die geschichtlichen Meilensteine auf dem Weg zum ­Nationalpark sowie fortlaufende Schutzbemühungen erneut in Erinnerung. Am Beispiel von Silberreiher, Großtrappe, Graugans, Nachtigall sowie Rohrhirsch und -wolf (Goldschakal) und der Nordi­schen Wühlmaus beleuchtete er das ­einzigartige Habitat rund um den Neusiedler See. Kurzweilig und informativ führte er die Zuhörer durch diesen besonderen Lebensraum.

Verständnis verankern

Nach der Eröffnungsrede folgte nach kurzer musikalischer Darbietung die Diskussionsrunde. Zu Gast waren ­Dominik Dachs, MSc. (Geschäftsführer des ­Inge­nieurbüros „Meles Wildbiologie“), Dr. Eva Erlacher (Rechtsanwältin, Universitäts-Lektorin für Jagd- und Waffen­recht, Ausbilderin für Jungjäger in Wien), Univ.-Prof. i. R. DI Dr. Friedrich Reimoser (Wildökologe, Jäger und Forstwirt), Dr. Miroslav Vodnansky (Mitteleuropäisches Institut für Wild­tier­ökologie und Vizepräsident des Vereins „Grünes Kreuz“) sowie DI Matthias Grün.
Ausgehend vom Hauptthema „Welche Zukunft gehört der Jagd?“ führte die Diskussion eingangs in Richtung der verschiedenen Gesellschaftswahr­nehmungen der Jagd, etwa zwischen Jung und Alt sowie zwischen Stadt- und Landbevölkerung. In diesem Zusammen­hang verwies Dominik Dachs auf die demografischen Veränderungen, etwa, dass künftig mehr Menschen in Ballungs­räumen leben und diesen ­gewisse Möglichkeiten zur Jagd­ausübung fehlen würden. Diese würden auf ­Privatanbieter von Jagdmöglichkeiten zurückgreifen müssen, und durch die damit einhergehende Preisentwicklung würde die Jagd wieder exklusiver ­werden. Jedoch müsse man gerade diesen ­Personen die Möglichkeit geben, hinaus­zugehen, um das Verständnis für die Jagd nachhaltig zu stärken, so Dachs. Darauf basierend wurde in Richtung der Bewusstseinsbildung, vorrangig im ­urbanen Bereich, und die dabei vor­herrschenden Probleme geschwenkt. Dr. Eva Erlacher veranschaulichte die überraschenden Wissenslücken zu heimischen Wildtieren und ein mangelndes Grundverständnis in Österreich – auch im aka­demischen Bereich. Dahin­gehend solle die Auf­klärungsarbeit ­bereits von klein auf in den Schulen beginnen, z. B. durch Exkursionen in Wälder, erklärte Er­lacher.
DI Dr. Friedrich Reimoser betrachtete daraufhin den Wert der Jagd im landes­kulturellen Interesse und verwies darauf, dass auch Gegner der Jagd für Argumente zugänglich seien. Hier vor allem in Bezug auf unsere Kulturlandschaft, denn große Wildtiere möglichst schadenfrei darin zu integrieren, sei eine äußerst schwierige Herausforderung. Dies insbesondere durch die unter­schiedlichen Interessengruppen, denn ob Landwirt, Förster oder Freizeit­nutzer – sie alle würden den Lebensraum der Wildtiere nutzen, gab Reimoser zu ­bedenken. In diesem Zusammenhang müsse auch geklärt werden, so der Wildökologe weiter, welche Aufgaben der Jägerschaft zukommen und welche nicht, da die Lebensraumgestaltung nicht primär in den Händen der Jäger liege. Dr. Miroslav Vodnansky be­leuchtete das Wesen der Jagdgegner. Diese würden nicht die Mehrheit der Be­völkerung darstellen, sondern eher laut und sichtbar sein. Die positiven ­Argumente der Jäger, allen voran das Wildbret, würden jedoch oftmals nicht genutzt, so Vodnansky. Vor allem die tierethischen Aspekte und die bessere Umweltbilanz im Vergleich zu kommerziellem Fleisch seien Top-Argumente. Auch würden Vegetarier und Veganer dazu beitragen, die Argumente für die Jagd zu fördern, da sie die Öffentlichkeit anregen, sich damit zu befassen, „wo ihr Essen herkomme“.
In diesem Zusammenhang wurde auf ein Projekt der Esterházy Betriebe verwiesen, bei dem Kochlehrlinge eingeladen wurden, um sich ein Bild von der Jagd bzw. dem Weg vom Reh bis zum Endprodukt zu machen. Matthias Grün verdeutlichte dabei, dass es das Credo sei, mit echten Bildern zu arbeiten, da sich damit ein Grundverständnis und der Respekt wieder im Bewusstsein verankern ließen.

Problemzonen

Abseits der Bewusstseinsbildung wurden auch das breite Tätigkeitsfeld der Jagd und die eigenen Problemzonen angesprochen. So auch, dass das Netzwerk Natur zu wenig Beachtung finde. Beispielsweise die mögliche Gemeinsamkeit in der Beunruhigung nachtaktiver Wildtiere – einerseits durch die Jagd mit Nachtzielhilfen und der folgenden Bringung, andererseits durch „Mondlichtwanderer“. Einen weiteren Aspekt bildete die Wildbrethygiene. Dabei führte Dominik Dachs aus, dass es in diesem Zusammenhang mancherorts noch Nachholbedarf gäbe. Miroslav Vodnansky verwies in weiterer Folge auf die sichtbaren, positiven Entwicklungen innerhalb der Jägerschaft und die künftigen Herausforderungen, wie den Einfluss der Umweltbedingungen auf die Wildbestände und damit gleichermaßen auf die Jagd. Dabei würden durch ­Hege­maßnahmen für das Niederwild eine Vielzahl anderer, jagdlich nicht ­rele­vanter Arten mitprofitieren. Auch die Wichtigkeit der Jäger im Kontext der Hintanhaltung der Afrikanischen Schweinepest wurde hervorgehoben.

Anwalt des Wildes

Als drittes Thema bildeten die Öffentlichkeitsarbeit und die Kommunikation nach außen gleichsam einen roten Faden durch den Abend. In diesem Kontext merkte Eva Erlacher an, dass es das Bild des Jägers in den Köpfen der Gesellschaft zu ändern gelte. Dies ließe sich nur damit erreichen, wenn man der Gesellschaft zeige, was die Jägerschaft alles leiste.
Aus dem Publikum wurde angemerkt, dass dafür ein größeres Maß an Geldmitteln in die Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise Inserate in Tageszeitungen oder Kampagnen in Schulen, investiert werden müsse. Als allgemeines Sprachrohr könnten die Verbände bzw. der Dachverband Jagd Österreich fungieren. Christa Kummer verwies weiters auf die Wichtigkeit der Präsentation nach außen und die Möglichkeit, diese durch Kommunikationstrainings weiter zu verbessern. Friedrich Reimoser hob hervor, dass die Kommunikation nach außen mit der inneren gelebten Realität übereinstimmen müsse – die Authentizität sei ein wesentlicher ­Faktor. Dafür müsse auch eine „Selbstreinigung“ innerhalb der Jägerschaft erfolgen, ­weshalb gewisse Handlungen einiger weniger nicht mehr toleriert werden dürften.
Auch das Handwerk Jagd wurde in der regen Diskussion angesprochen. ­Dominik Dachs führte dazu aus, dass wir uns mehr mit der Natur auseinander­setzen müssen, um wirklicher Teil ­dieses Kreislaufs zu werden. Klimawandel, Flächen­versiegelung und Agrarpolitik hätten wesentliche Auswirkungen auf die Jagd, so Dachs. Auch Miroslav ­Vodnansky befürwortete diese Rück­besinnung, da die technischen Fortschritte nicht zwangsläufig das Fachwissen über Natur und Wild ersetzen könnten. Insbesondere im Kontext der Weidgerechtigkeit und dem Respekt ­gegenüber dem Wild – damit der Slogan „Anwalt des Wildes“, den sich die Jäger gern auf ihre Fahnen heften, nicht zur leeren Floskel werde.
Abschließend fasste Matthias Grün zusammen, dass sich die Jagd nur gemein­sam weiterentwickeln könne. Dabei könnten Perspektivenwechsel, beispielsweise in die Rolle des Wild­tieres oder Freizeitnutzers, einen positiven Mehrwert darstellen. Denn nur wenn sich die Jagd auf Spannungen und ­Änderungen im Umfeld einlässt, kann sie erfolgreich in die Zukunft gehen.