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Künstliche Intelligenz: Die Zukunft der Jagdausrüstung

25. Juli 2024 -
Hikmicro - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger

Entdecken Sie die revolutionären Entwicklungen in der Jagdausrüstung durch künstliche Intelligenz. Von Wärmebild- und Nachtsichtgeräten bis hin zu multifunktionalen, intelligenten Zielgeräten – Ing. Martin Grasberger zeigt, wie fortschrittliche Technologien die Jagd prägen. Erfahren Sie mehr über legale Aspekte, technische Innovationen und den Einsatz von KI, um die Jagd sicherer und effizienter zu gestalten. Ein Blick in die Zukunft der Jagd mit neuesten Geräten und Technologien.

Langsam birsche ich durch den stockdunklen, nebelverhangenen Wald. Es nieselt leicht, die Sicht ist eingeschränkt, daher setze ich jeden Schritt mit Bedacht. Der Birschsteig ist frisch gekehrt und ­erlaubt eine nahezu geräuschlose Fortbewegung. Das erklärte Ziel ist ein Hochstand an einer mehrere Hektar großen Wiese, in deren Bereich der Jagdleiter vor Tagen einen Knöpfler ­bestätigt hat. Immer wieder bleibe ich stehen, um mit meinem kompakten Wärmebild-­Beobachtungsgerät die Umgebung abzuleuchten – damit kann ich in der Nähe lagerndes Wild früh ­erkennen und eventuell ausweichen. Ich komme gut voran und treffe alsbald bei der Reviereinrichtung ein; auch hier passt der Wind wie erwartet, daher klettere ich hinauf und bereite mich auf den bevorstehenden Morgen vor.
Langsam schälen sich einzelne Konturen aus der dunklen Nebelsuppe vor mir, und ich kann auf der anderen Seite der Wiese – der Waldrand istetwa dreihundert Meter entfernt – ein Reh entdecken. Es ist zu weit und zu dunkel, um das Geschlecht ansprechen zu können, daher hoffe ich, dass esin meine Richtung ziehen würde. Den ­Gefallen tut es mir allerdings nichtund verschwindet so schnell es zuvor erschienen ist. Wenige Minuten später zieht ein Reh links von mir auf die Wiese, nimmt Äsung auf und scheint sichtlich nervös zu sein. Ich bin ­gedanklich schon beim Knopfbock, der sich nach dem grantigen Platzbock, einem alten Sechser mit weißem Haupt und knorrigem Geweih, umsieht, doch kann ihn aufgrund der fahlen Licht­verhältnisse nicht hundertprozentigansprechen. Plötzlich macht das Reh wieder kehrt und nähert sich dem Waldrand, in dem es meinen fernglasbewehrten Blicken entschwindet. Ich nehme das Wärmebildgerät in dieHand und blicke in jene Richtung, in die der vermeintliche Knöpfler zuvor verschwunden ist. Ja, er steht mehrere Meter im Bestand und ist einwandfrei zu sehen. Das Wärmebildgerät erneut mit dem Fernglas getauscht: nichts. Es ist für das Fernglas einfach noch zu dunkel.
Durch das Wärmebildgerät kann ich beobachten, dass sich das knapp hundert Meter entfernte Reh niedertut und wiederkäut. Mittlerweile kann ich es auch mit dem 25 Jahre alten (aber immer noch ausgezeichneten) 8×56er-Fernglas sehen und lasse es fortan nicht mehr aus den Augen. Ich kann das zierliche, dunkle Haupt erkennen und ebenfalls zwei „Knöpfe“ auf der Stirn. Ja, es ist der erhoffte Knopfbock. Er liegt in seinem Bett, holt immer wieder Nahrungsbälle aus dem Netzmagen und käut wieder. Dabei fallen ihm immer wieder die Lichter zu – genau wie mir. Ich tausche das Fernglas mit dem Gewehr und warte, bis er hoch werden würde. Dies geschieht eine geschlagene Stunde später, der schallgedämpfte Schuss bricht, und der Jahrling bleibt in seinem Lager. Wieder einmal habe ich gesehen, wie mir der Einsatz eines Wärmebildgeräts zugutekommt, denn früher wäre ich un­verrichteter Dinge abgebaumt.

Rechtliche Lage und Marktübersicht: Künstliche Nachtzielhilfen in Österreich und Deutschland

Seit 1. Jänner 2020 ist es in Nieder­öster­reich erlaubt, bei der Wildschweinjagd sogenannte „künst­liche Nachtzielhilfen“ zu verwenden. Doch nicht nur hier, sondern auch im Burgenland, Kärnten, Oberösterreich, der Steiermark undin Wien sind derlei Gerätschaften – vielfach mit Einschränkungen – per Gesetz erlaubt. Während es in Teilen Österreichs faktisch egal ist, ob man ein Vorsatz-, Nachsatz- oder Zielgerät mit Nachtsicht- oder Wärmebild­technik verwendet, sind unsere deutschen Nachbarn an die Verwendung sogenannter „Clip-ons“, also Vorsatz- oder Nachsatzgeräten, gebunden. Allein schon der Besitz von elektronischen Zielgeräten ist in Deutschland per ­Waffengesetz verboten.

Hikmicro - In der Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt Hangzhou, China, befindet sich das Headquarter des bekannten Herstellers Hikmicro. - © Martin Grasberger
In der Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt Hangzhou, China, befindet sich das Headquarter des bekannten Herstellers Hikmicro. © Martin Grasberger
Hikmicro - Bei unserem Besuch kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. - © Martin Grasberger
Bei unserem Besuch kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. © Martin Grasberger

Während sogenannte „Röhrengeräte“, also Restlichtverstärker, in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung ­verlieren, haben zahlreiche Hersteller den Markt mit neuen digitalen Nachtsicht- oder Wärmebildgeräten überschwemmt. Heute ist nahezu für jede Geldbörse etwas dabei, die Vielfaltan Modellen scheint unerschöpflich. Während etablierte Nachtsicht-Produzenten, wie zum Beispiel Pulsar, ­zahlreiche Konkurrenz vor allem aus Fernost erhalten haben, sind auchdie renommierten Premium-Optikher­steller, wie etwa Swarovski, Leica oder Zeiss, in den Ring gestiegen, um einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Ein hart umkämpftes Pflaster also.

Ein Blick hinter die Kulissen: Hikmicro und seine innovativen Jagdgeräte

Kürzlich durfte das WEIDWERK als einer von etwa dreißig Medienvertretern aus Europa und Australien einen Blick in die Produktionsstätte des chinesischen Herstellers Hikmicro werfen. Während wir diesen Produzenten hierzulande nur in Bezug auf jagdlich interessante Nachtsicht- und Wärmebildgeräte kennen, steckt hinter diesem für österreichische Verhältnisse riesigen Konzern weit mehr: Er stellt nicht nur Überwachungskameras, technische Geräte für Flughäfen und Spitäler her, sondern auch Roboter mit künstlicher Intelligenz und vieles mehr. In der Zehn-Millionen-Stadt Hangzhou südwestlich der Metropole Shanghai gelegen, produzieren 1.300 Mitarbeiter, darunter 369 Master und PhDs, etwa 1,5 Mio. Geräte im Jahr – aktuell werden 115 Patente vom Unternehmen gehalten.
Seit 2018 bringt Hikmicro auch jagdlich relevante Geräte, etwa das digitale Nachtsicht-Zielfernrohr „Alpex“, das Wärmebild-Vorsatzgerät „Thunder“, das Wärmebild-Zielfernrohr „Stellar“ oder das Multispektrum-Bino­kular „Habrok“, auf den Markt. Derzeit sind Hikmicro-Produkte in 100 Ländern der Welt erhältlich, Tendenz steigend.
Bei Hikmicro setzt man aber nicht nur auf hochqualitative, praxistaug­liche Geräte, sondern auch auf einen guten Service für Kunden, die etwa eine Reparatur beanspruchen: Laut Hikmicro seien im Jahr 2023 81 % der schadhaften Geräte innerhalb von nur fünf Tagen repariert worden.

Technologische Innovationen aus China: Digitalisierung der Jagdausrüstung

Wussten Sie, dass die Jagd im Land der Mitte verboten ist? Oder dass in China der private Waffenbesitz verboten ist? Oder dass dort die Dichte an Über­wachungskameras im urbanen Umfeld so groß ist wie sonst nirgendwo? ­Angeblich soll weltweit jede zweite Überwachungskamera in China stehen. Nein? Macht nichts, denn das hält die fleißigen Chinesen nicht davon ab, allerlei Gerätschaften für den jagd­lichen Einsatz zu entwickeln, die zwar nicht im eigenen Land, aber dafür im Rest der Welt zum Einsatz kommen.
Die Entwicklung geht aktuell ­eindeutig in Richtung einer Voll­digitalisierung des jagdlichen Equipments; statt eines „gewöhnlichen“, ­optischen Zielfernrohrs, kombiniert mit einem Wärmebild-Vorsatz­gerät, einem Fernglas mit Laser-­Entfernungsmesser, wiederum kombiniert mit einem ­Wärmebild-Beobachtungsgerät, werde der Jäger künftig ein multi­funktio­nales, digitales und „smartes“, sprich intelligentes Zielgerät am Gewehr bzw. ein ebensolches Beobachtungsgerät für die Jagd verwenden und nebenbei sogar noch Geld sparen, ist die chinesische Konzernführung überzeugt.
Auch wenn die Verwendung digi­taler Ziel­geräte bei Tag unbestritten eine Reihe von Vorteilen bringt, eint sie dennoch eine für potenzielle Kunden weniger erfreuliche Gemeinsamkeit: Ihre Verwendung ist außerhalb der (Nacht-)Jagd auf Schwarzwild in Österreich verboten, und zwar in jedem Jagdgesetz. Nicht verboten ist das ­binokulare digitale Beobachtungsgerät Hikmicro Habrok, das zahlreiche ­Features in einem Gerät vereint:
Man kann damit sowohl via digitaler Nachtsichttechnik (auch bei Tageslicht) als auch via Wärmebild Wildtiere ­beobachten und gleichzeitig auch die Distanz messen sowie Bilder und Videos aufnehmen (siehe Test unten).

Fortschrittliche Nachtzielhilfen: Chancen und Herausforderungen durch KI

Künstliche Nachtzielhilfen, egal, ob als digitales Nachtsicht- oder als Wärmebildgerät ausgeformt, werden immer besser, und so ist es möglich, mit den neuesten Geräten bei einer Bache auf eine Entfernung von 300 m die Zitzen zu erkennen. Dies birgt selbstverständlich auch eine Gefahr in sich, nämlich den nächtlichen Weitschuss auf ein Stück Schwarzwild. Dies wäre grundsätzlich kein Problem, wenn sich der Jäger auf dem Schießstand mit weiten Schüssen auseinandersetzt, das außenballistische Verhalten seines Jagdgeschosses aus dem Effeff kennt und die Schützenstreuung auch unter suboptimalen Bedingungen entsprechend gering halten kann. Wenn er dies allerdings nicht tut, dann werden die Nachsuchengespanne, welche aktuell einen Mangel an Einsätzen beklagen, wieder mehr Arbeit bekommen.
Weil man in der Nacht oftmalsdie Entfernung unterschätzt, leistet ein eingebauter Laser-Entfernungsmesser gute Dienste. Und dass die Größe des Wildschweins in der Nacht nicht mehr unterschätzt wird, unterstützt uns hier künftig eine Art künstliche Intelligenz (KI). Apropos: Die Einführung vonKI bei den hier beschriebenen Geräten ist keineswegs Utopie, sondern bald ­Realität und soll dem Jäger künftig unter anderem das Ansprechen er­leichtern. Wir dürfen gespannt sein, welche Innovationen uns noch aus Hangzhou erreichen werden, eines aber ist klar: Sie werden den Fortschritt massiv vorantreiben.

Hikmicro - In Fertigungsstraßen werden die Geräte Schritt für Schritt zusammengesetzt. - © Martin Grasberger
In Fertigungsstraßen werden die Geräte Schritt für Schritt zusammengesetzt. © Martin Grasberger
Hikmicro - In der Produktionshalle trifft man immer wieder auf Roboter, die autonom Equipment von A nach B trans­portieren. - © Martin Grasberger
In der Produktionshalle trifft man immer wieder auf Roboter, die autonom Equipment von A nach B trans­portieren. © Martin Grasberger

Fachbegriffe aus der Wärmebildtechnik:

  • NETD: Die Leistungsfähigkeit einer Wärmebild­kamera wird unter anderem vom Detektor/Sensor bestimmt. Für die der Auflösung ist dabei die ­Temperatursensibilität des Detektors (NETD = Noise Equivalent Temperature Difference) maßgeblich. Der NETD-Wert wird in Millikelvin (mK) angegeben und bezieht sich nur auf den Sensor bei Verwendung einer f1.0-Optik (Linsendurchmesser = Brennweite). Je niedriger dieser Wert, desto besser der Detektor.
  • Sensorauflösung: Jedes Pixel steht für einen Bildpunkt. Bei einer Sensorauflösung von beispielsweise 640×480 px gibt es also 640 Bildpunkte je Zeile und 480 Bildpunkte pro Spalte. Ingesamt ­verfügt dieser Detektor über 307.200 Bildpunkte oder 0,3 Mega­pixel.
  • Sensorpitch: Die Größe der Zellen des Detektors, der sogenannte „Sensorpitch“, wird in Mikrometer pro Quadrat (µm) angegeben (zum Beispiel 25 μm, 17 μm, 12 μm usw.). Je geringer dieser Wert, desto desto feiner die Auflösung bei gleicher Brennweite.
All-in-One
Hikmicro Habrok HQ35LN
Das WEIDWERK hat das All-in-One-­Beobachtungsgerät Habrok HQ35LN des chinesischen Herstellers Hikmicro in der Praxis getestet.
Der Wärmedetektor dieses „Multispektrum-­Binokulars“ sorgt für eine einfache und klare Identifizierung von Wildtieren und Hintergründen bei verschiedensten Wetter- und Lichtverhältnissen auf Entfernungen von bis zu 1.800 m. Der große Vorteil liegt darin, beim Beobachten sowohl aus einem klaren, natürlichen Videobild im Tagmodus (farbig) bzw. im Nacht­modus (schwarz-weiß, Nachtsicht) als auch aus einem Wärmebild wählen zu können. Dies ist deshalb möglich, weil das Habrok mit einer Wärmebildkamera, einer digitalen Tag- und Nacht­kamera und einem Infrarotstrahler ausgestattet ist, obwohl es von außen wie ein „gewöhn­liches“, analoges Fernglas aussieht. Zudem können mittels eines eingebauten Laser-Entfernungsmessers Distanzen von bis zu 1.000 m gemessen werden. Das Habrok verfügt über einen hochempfind­lichen Infrarot-Wärmesensor (640×512 px, 12 µm, NETD <20mK), der ein kontrastreiches Bild mit vielen Details liefert. Die Stromversorgung erfolgt durch zwei aufladbare und herausnehmbare Akkus – im Lieferumfang sind sogar vier davon enthalten, ebenso ein Ladegerät, mit dem alle vier gleichzeitig aufgeladen werden können.
Die Vergrößerung kann im Tages- bzw. Nachtmodus stufenweise von 2,9- bis 23,2-fach gewählt werden, im Wärmebildmodus von 3- bis 24-fach. Die beiden OLED-Bildschirme in den Okularen verfügen über eine Auflösung von 1.920×1.080 px, es können per Knopfdruck Bilder oder Videos erstellt ­werden. An der Gehäuse-Oberseite sind sechs leichtgängige Druckknöpfe angebracht, die auch im Dunkeln gut fühlbar sind. Die Menüführung gibt keine Rätsel auf und geht nach mehrfacher Verwendung in Fleisch und Blut über. Apropos: Auch das Verbinden des Habrok mit dem Smartphone via App „HIKMICRO Sight“ bzw. das Übertragen von Bildern und Videos funktionierte im Test problemlos. Um diese jedoch mit Freunden teilen zu können, müssen sie erst am Handy ge­speichert werden. Gesehen bei drmair.at zum Preis von € 3.390,–.