Test

Mit dem Seer mehr sehen

28. Februar 2022
Night Pearl Seer 50 Plus II - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser

Die Entwicklung der Wärmebildkameras schreitet mit Riesenschritten voran. Kaum ist ein Modell auf dem Markt, scheint auch schon dessen Nachfolger in den Startlöchern zu scharren. Das WEIDWERK hat einen solchen – das Night Pearl Seer 50 Plus II – im Revier getestet.

Die Hersteller überarbeiten ihre Geräte laufend, was für den Endkonsumenten nicht nur ein Segen, sondern in gewisser Weise auch ein Fluch ist, da er die Modelle kaum noch überblicken kann. – Wir haben daher, um uns einen Überblick über die technische Entwicklung auf diesem Sektor zu verschaffen, ein Wärmebild­vorsatzgerät, von dem wir schon 2020 ein Vorgängermodell im Test hatten, unter die Lupe genommen. Das Seer 50 des tschechischen Herstellers Night Pearl schnitt bereits vor zwei Jahren sehr gut ab. Diesem Modell folgte das Seer 50 Plus und diesem wiederum das Seer 50 Plus II.

Vorsatz-Vorteile

Ein Vorsatzgerät hat generell den Vorteil, dass es auf das herkömmliche (manchmal sehr teure) Zielfernrohr aufgesetzt wird und man somit stets die gewohnte Zieloptik mitverwendet. Wird also der Ansitz auf Sauen in die Nacht verlegt, muss lediglich das Vorsatzgerät auf das Zielfernrohr auf­gesetzt werden. Sitzt man am frühen Morgen an, kann das Vorsatzgerät für die Rehjagd abgenommen werden.
Die Wärmebildtechnik setzt sich immer mehr durch, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Man findet das Wild für gewöhnlich wesentlich rascher als mit Nachtsichtgeräten. Wie ein „Glühwürmchen“ kann man Wild selbst im Unterholz gut erkennen. Und: Wärmebildgeräte funktionieren auch bei Nebel, Regen oder Schneefall, zwar etwas leistungsreduziert, aber sie funktionieren. Mit Bildverstärkerröhren oder digitalen Nachtsichtgeräten ist bei schlechten Wetterbedingungen rasch Schluss mit der Jagd. Weiters kann die Treffpunktlage wie bei diesem Testgerät auf die Tageslichtoptik einjustiert werden. Bei Röhrengeräten ist dies grundsätzlich nicht möglich.

Night Pearl Seer 50 Plus II

Das Vorsatzgerät arbeitet weiter mit einem Keramik Asi 17 µm (Mikrometer) Lynred 384×288er-Sensor mit einer Displayauflösung 1.024×768 px. Den großen Wurf bringt aber die NETD-35 mK-Technik, denn damit wurde nicht nur die Landschaftszeichnung, sondern auch die Detailerkennung am Wild wesentlich besser. Das Gerät wiegt 511 g (ohne Adapter) und 707 g mit Adapter. Das Gewicht, die Abmessungen und die Form des Gehäuses sind gegenüber dem Vorgängermodell allerdings weitestgehend gleich geblieben. Selbst bei einem Blaser R8 Professional Success mit Semi-Weight-Lauf und tief montiertem Swarovski Z8 i konnte das Gerät zwar knapp über dem Lauf, aber dennoch schnell und unkompliziert montiert werden.

Handhabung

Das Gerät ist einfach zu bedienen, denn sämtliche Einstellungen werden mit einem einzigen, in rot gehaltenen Steuerknopf (ähnlich einem Joystick) vorgenommen. Nachdem das Gerät mit einem etwa drei Sekunden langen Druck auf den Steuerknopf eingeschaltet worden ist, braucht es etwa sieben Sekunden, um hochzufahren. Der Steuerknopf kann nach oben, unten, nach vorne und nach hinten bewegt bzw. gedrückt werden. Mit einem Druck nach oben wird das Menü im Bild eingespiegelt. Dort befinden sich auch die wichtigsten Einstellungen:

  • manuelle oder automatische Kalibrierung
  • Helligkeit
  • Farbpalette, Kontrast, Schärfe
  • Entfernungsmesser
  • Wi-Fi

Mit einem etwas längeren Druck nach unten geht das Gerät in den Stand-by-Modus, wodurch sich die Akkulaufzeit deutlich erhöht. Mit längerem Druck nach oben wird das Untermenü mit speziellen Einstellungen eingespiegelt, dort kann auch die Position zur Justierung zur Tageslichtoptik mittels einer X- bzw. Y-Achse vorgenommen werden. Selbst Handschuhe schränken die Handhabung nicht ein. Die Einstellung der Schärfe kann (entfernungsbedingt) mittels Justierung im Bereich des Objektivs vorgenommen werden. Dieser Justierring lässt sich relativ streng korrigieren, damit hat man aber den Vorteil, dass die Scharfeinstellung beim Transport oder beim Birschen nicht unabsichtlich verändert wird. Damit man die Schärfe einstellen kann, muss man sich allerdings, je nach Länge des Zielfernrohrs, strecken, um an den Justierring heranzukommen. Dazu sei aber gesagt, dass zwischen 50 m und 150 m eigentlich kaum nachjustiert werden muss.
Das Vorsatzgerät ist in der Lage, Fotos oder Videos der jeweiligen Szene aufzuzeichnen. Zuvor muss allerdings mit dem Druckknopf das Wi-Fi aktiviert werden, was ein paar Sekunden in Anspruch nimmt. Wenn es schnell gehen muss, wird sich die Aufnahme eines Fotos oder Videos wohl eher nicht ausgehen. Für die Aktivierung eines Videos muss der Druckknopf etwa drei Sekunden nach hinten gedrückt werden, und schon beginnt die Aufnahme. Um die Aufnahme zu stoppen, muss der Druckknopf nochmals nach hinten gedrückt werden. Für das Aufnehmen eines Fotos genügt ein kurzer Druck nach hinten.

Praxistest

Mittels des von uns etablierten WEIDWERK-Praxistests wurde auf einer Entfernung von 200 m eine Scheibe aufgestellt, an der vier Wärmepads, einander jeweils an den Ecken berührend, kreuzförmig montiert worden waren. Diese Anordnung der Wärmepads (Größe 6×5 cm) liefert damit eine Auflösung, die eine detaillierte Erkennung und damit Unterschiede verschiedener Nachtsichtgeräte ermöglicht.
Tatsächlich konnten wir selbst den Mittelpunkt der vier Wärmepads (welcher kalt erscheinen muss) auf 200 m noch ausmachen und erkennen. Die Detailerkennung ist tatsächlich noch besser als beim Vorgänger. Einen weiteren Bonus liefert die NETD-35 mK-Technik, womit Landschaft und Details des Wildkörpers besser zu erkennen sind.
Die Landschaft ist im mittleren Distanzbereich (150–200 m) sehr gut zu erkennen. Ab 400 m verschwimmt die Kupierung des Terrains aber immer mehr. Für die Einschätzung des Kugelfangs und der Kupierung im Einsatzbereich liefert die Kamera aber eine ausreichend detaillierte Auflösung.
Wir hatten die Möglichkeit, in einem Wildgehege Rotwild und Muffelwild und in freier Wildbahn Damwild auf mittlere Distanz zu beobachten. Das Erkennen der Geweihe war zwar ohne Weiteres möglich; nähere Details, wie die Enden­anzahl oder die Stärke des Geweihs, ließen sich mit diesem Gerät aber leider nicht mehr eruieren.
Auch beim Muffelwild waren die Schnecken der Widder sichtbar. Alter und Schneckenlänge ließen sich nicht mehr eindeutig feststellen. Die Detektion am Wildkörper hat sich im Vergleich zum Vorgängermodell ebenfalls verbessert, denn mittlerweile ist der 3D-Effekt wesentlich besser geworden. Der Wildkörper erscheint nicht mit einem „Glühwürmcheneffekt“, nein, die einzelnen Details zeichnen sich vom Haupt bis zu den Körperteilen in Schattierungen sehr gut ab.
Wir betonen ausdrücklich, dass Nachtzielhilfen gesetzlich ausschließlich für die Schwarzwildjagd erlaubt sind. Aber wir haben durch das Beobachten der vorhin angeführten Wildarten auch wesentlich mehr Details herausfinden können, vor allem haben wir dadurch die Zeit gehabt, die Stärken und Schwächen des Geräts in der Praxis genau definieren zu können.
Wie gut oder weniger gut auf verschiedenen Wildstücken abgekommen werden kann, hängt nicht zuletzt vom Absehen des Zielfernrohrs (ZF) ab. Je stärker das Abkommen des ZF ist, desto mehr verdeckt es den Haltepunkt. Wir hatten ein Swarovski Z8 i 2–16×50 P mit dem äußerst feinen Absehen 4A-IF im Test. Dadurch kann man auf 200 m auf einem Wärmepad einigermaßen genau abkommen. Diese Erkenntnis ist aber keinesfalls eine Einladung, auf 200 m zu jagen, sondern zeigt die Auflösung bzw. das Zusammenspiel von Zielfernrohrabkommen und Wärmebildgerät deutlich auf. Ein nicht unwesentliches Detail bei der Auswahl eines Nachtsichtgeräts – in unserem Fall eines Vorsatzgeräts. Die Treffpunktlage passte genau auf 100 m (mit leichtem Hochschuss) und stimmte somit mit dem Swarovski Zielfernrohr auf Anhieb überein. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte am Night Pearl Seer 50 Plus II die Treffpunktlage auch korrigiert werden können.
Mehrmaliges Abnehmen, Abschalten und Wiederaufschalten mit Schussabgabe lieferten eine gleichbleibende Treffpunktlage. Das heißt, das Gerät ist absolut schussfest (Testbüchse Blaser R8 im Kaliber 9,3×62), auch bei ver­änderter Vergrößerungswahl.
Apropos: Die Auflösung schwindet mit zunehmender Vergrößerung, bei etwa 5-, vielleicht 6-facher Vergrößerung ist das Limit erreicht, in dem noch ein halbwegs gutes Bild dargestellt werden kann. Wir haben im Test verschiedene Distanzen mit 2-facher Vergrößerung geschossen, und dies bis zu einer Schussentfernung von über 100 m – mit besten Trefferergebnissen. Wenn das Abkommen am Wildkörper genau platziert werden kann – das Abkommen also fein ist –, ist die Ver­größerung sekundär, auch auf Schuss­entfernungen von 150 m. Wir haben natürlich auch Videos und Fotos erstellt, welche einwandfrei im Gerät gespeichert wurden und über den Computer bzw. der Night-Pearl-App heruntergeladen werden konnten.
Der Objektivschutzdeckel ist beim Öffnen bzw. Schließen relativ laut. Wir haben diesen somit gleich nach Ankunft im Revier geöffnet; der Deckel lässt sich relativ streng bewegen und kann deshalb auch am Objektiv angelehnt werden.
Ein von Night Pearl neu konzipierter Adapter für das Aufsetzen am Zielfernrohr ließ sich einfach, mittels einer Schraube, auf den genauen Klemmdruck justieren, lediglich beim Schließen der Verschlusskappe muss man achtgeben, damit nicht ein lautes „Klack“ ertönt – am besten, man montiert das Vorsatzgerät bereits zu Hause. Der Computer-Kabelanschluss wird mit einem Gummideckel verschlossen. Leider hatten wir beim ersten Test das Problem, dass sich dieser Gummiteil beim Transport oder beim Birschen immer wieder öffnete, wodurch die Gefahr besteht, dass dieser verloren geht oder abreißt. Ein Mangel, der leider auch bei vielen anderen Geräten zu finden ist.

Stromversorgung

Das Night Pearl Seer Plus II wird aus zwei CR123-3V-Batterien gespeist, wobei die Stromversorgung bzw. das Management dafür ebenfalls optimiert wurde. Night Pearl gibt eine Betriebsdauer von bis zu fünf Stunden an. Bei unserem Test haben wir beinahe im Dauerbetrieb Wild beobachtet und hatten nach eineinhalb Stunden noch 20 % verfügbar.
Leider springt die Prozentangabe der Stromversorgung hin und her. Das heißt, im Dauerbetrieb geht die Akkuleistung relativ schnell zur Neige, nach einer Abschaltdauer von 15 Minuten erholte sich die Batterie allerdings wieder um 30 %. Daher sollte mit einer „normalen“ Beobachtungsdauer und größtenteils abgeschaltetem Display ein mehrstündiger Sauenansitz ohne Weiteres möglich sein.
Vorteilhaft ist, dass das Seer in Sekundenschnelle hochgefahren ist. In der Praxis dauert dies so lange, wie man benötigt, um sich für den Schuss vorzubereiten. Somit entsteht hier also kein Zeitverlust, und daher halten die Batterien auch verhältnismäßig lang. Der Einsatz und die Verwendung von Batterien wird oft bemängelt, was wir aber differenziert sehen. Denn wenn die Batterien leer sind, kann man rasch zwei neue einlegen, ohne gleich den Heimweg antreten zu müssen. Wenn ein fix verbauter Akku leer ist, weil man das Gerät zum Beispiel zu Hause geprüft und nicht ordnungsgemäß abgeschaltet hat (Stand-by-Modus) oder der Akku aus anderen Gründen leer ist, dann heißt es: „Hahn in Ruh’!“
Beim Einlegen der Batterien muss man übrigens nicht auf die Polarität achten; sie müssen lediglich gegengleich ins Gehäuse eingelegt werden. Wir haben in der Dunkelheit für den Test einige Male die Batterien gewechselt, was stets bestens gelang.
Wer die Beobachtungsdauer erhöhen möchte, kann auf einen Batterieadapter zurückgreifen, der den Einsatz von aufladbaren 16650er-Akkus ermöglicht, oder eine Powerbank von Night Pearl anhängen (beides Zubehör).

Fazit

Das Night Pearl Seer 50 Plus II ist ein sehr hochwertiges, rückstoßfestes und robustes Gerät, das gegenüber dem ersten Modell verbessert wurde. Das Seer 50 war etwa nicht in der Lage, Fotos und Videos aufzunehmen, weiters war die Auflösung ebenfalls noch nicht auf einem derart hohen Niveau.
Allerdings muss man festhalten, dass auch die erste Version bereits eine sehr gute, praxistaugliche Leistung bei Auflösung und Schussfestigkeit aufwies. Besitzer eines solchen Geräts sind sicherlich noch heute sehr zufrieden, weil es schon damals das bot, was man als Jäger braucht.
Die Landschaftszeichnung und die Wildkörperdetektion haben sich im Vergleich zu den Vorgängern verbessert. Das Seer 50 Plus II ist auch preislich interessant und liefert eine gute Performance in Sachen Auflösung, wiederholbarer Treffpunktlage und vor allem einfacher Bedienung!

Gewicht, Abmessungen und Form blieben gegenüber dem Vorgängermodell weitestgehend gleich.  - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser
Die Detektion am Wildkörper und der 3D-Effekt hat sich im Vergleich zum Vorgängermodell verbessert.  - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser
Zwei Batterien gewährleisten die Stromversorgung, diese wurde im Nachfolgermodell optimiert. - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser
Sämtliche Einstellungen werden mit einem roten Steuerknopf (ähnlich einem Joystick) vorgenommen.  - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser
28. Februar 2022