Test

Wärmstens zu empfehlen

28. November 2022 -
Night Pearl Marten 650 - Das Night Pearl Marten 650 bietet eine Vergrößerung von 2,8- bis 22,4-fach und ein digitales Zoom von 1× bis 8×. - © Norbert Steinhauser
Das Night Pearl Marten 650 bietet eine Vergrößerung von 2,8- bis 22,4-fach und ein digitales Zoom von 1× bis 8×. © Norbert Steinhauser

Das Wärmebildzielgerät Night Pearl Marten 650 besticht gleich mit mehreren Features. Welche das sind, wurde im ausführlichen WEIDWERK-Praxistest eruiert.

Die Entwicklung der Wärmebildtechnik wird immer weiter verfeinert und optimiert. Wir verfolgen diese Entwicklung und testen das neueste Wärmebild­zielgerät von Night Pearl: das ­Marten 650. Was diese Nachtziel­hilfe neuester Bauart zu leisten imstande ist, hat das WEIDWERK auf dem Schießstand und im Revier ausführlich getestet.
Ich bin gerade auf einer Kanzel aufgebaumt und richte mich für einen nächtlichen Ansitz ein, denn auf diese Hutweide haben es die Schwarzkittel in letzter Zeit öfters abgesehen. Ich habe das neue Night Pearl Marten 650 auf meiner kürzlich erworbenen Rössler Carbon montiert und mache mich in völliger Dunkelheit mit dem Wärmebildzielgerät vertraut. Nachdem ich es in Betrieb genommen habe, kann ich die Geländestruktur perfekt erkennen und abschätzen. Damit den Kugelfang einzuschätzen, um einen sicheren Schuss abgeben zu können, ist wirklich unglaublich real, beinahe wie bei Tages­licht. Nach zwei Stunden tut sich etwas. Ich höre Sauen, und schon kann ich sie durch die Wärmebildtechnik von Weitem im Unterholz erkennen. Sie nehmen Kurs auf „meine“ Wiese. Nach zwanzig Minuten stehen sie auf der Waldkante und verhoffen. Ich kann genau erkennen, wie die eine Sau den Wurf hebt und den Wind prüft. Obwohl es Ende Oktober ist, habe ich es nicht auf die starke Bache abgesehen, sondern auf eine „Halbstarke“. Ich bin bereits im Anschlag und für den Schuss bereit. Am rechten Justierturm drehe ich die Vergrößerung noch höher, 5,5-fach zeigt das Marten an. Das Gerät offeriert eine außergewöhnlich gute Bildauflösung. Nachdem sich die Bache breitgedreht hat, erkenne ich sogar ihr Gesäuge. Langsam schälen sich die anderen Sauen aus dem Bewuchs. Aus verschiedenen Abkommen habe ich bereits zuvor ein für mich perfektes Fadenkreuz ausgewählt. Jetzt stellt sich die Sau, auf die ich es ab­gesehen habe, breit. Das Abkommen steht hart am Blatt. Der Schuss ist keine große Kunst, denn bis zur Waldkante sind es keine hundert Meter. Der schall­gedämpfte Büchsenknall unterbricht die Stille der Nacht und bannt die Sau an den Anschuss. Nach einer Weile ist wieder alles ruhig.

Marder

Der tschechische Hersteller Night Pearl produziert schon seit Jahren Wärmebildgeräte in verschiedensten Bauarten. Das neue Marten 650 (Marten = Marder) markiert das obere Ende im Produktportfolio der Night-­Pearl-Wärme­bild­zielgeräte, stellt sozusagen hausintern das „Flaggschiff“ dar.
Die Wärmebildtechnik hat im ­Vergleich zu Restlichtverstärkern oder ­digitalen Nachtsichtgeräten bekanntlich einige Vorteile. Durch die Messung der Temperatur von Umgebung und Wildkörper ergibt sich eine Wärme­signatur, die den Wildkörper sehr effektvoll vom Hintergrund abhebt. Dadurch ist das Auffinden eines Wildkörpers im Unterholz sehr einfach. Wie bei allen Tests dieser modernen Geräte nutzen wir die Möglichkeit, im freien Gelände Rehwild und in einem abgesperrten ­Bereich Muffelwild – vom Lamm bis zum Widder –, aber auch Rotwild ­beobachten zu können. Es soll an ­dieser Stelle nicht der Eindruck ent­stehen, dass die angeführten Wildarten auch bejagt werden, denn in Nieder­österreich ist der Einsatz von künstlichen Nachtzielhilfen (zum Beispiel Infra­rotgeräten, elektronischen Zielgeräten, Visiereinrichtungen für das Schießen bei Nacht mit elektronischem Bildverstärker oder Bildumwandlern, wie etwa Restlicht­verstärkern) ausschließlich auf Schwarz­wild erlaubt.
Gleich vorweg: Ein großes Problem bei Nachtzielhilfen ist immer wieder die Stromversorgung. Bei diesem Wärme­bildzielgerät hat Night Pearl jedoch ausreichend Vorsorge getroffen. Das „Ziel­fernrohr“ verfügt über einen austauschbaren und einen fix verbauten Akku. Die Umschaltung erfolgt automatisch oder kann auch manuell ­aktiviert werden. Das gesamte Akkupaket reicht laut Hersteller für zehn Stunden Betrieb bei einer günstigen Außentemperatur von 22 °C. Der austauschbare Akku ließ sich in unserem Test in der Dunkelheit einfach wechseln, was wichtig ist, wenn ein Reserveakku mitgeführt wird – beim Marten 650 ist ein solcher im Lieferumfang enthalten. Nach vier Stunden bei 0 °C im Stand-by-­Modus steht die Anzeige immer noch bei 50 %. Für ein Wärmebildzielgerät, mit dem man eher wenig beobachtet, ist dies eine wirklich mehr als aus­reichende Kapazität. Die Bedienung des Marten 650 ist sehr einfach, wobei man sich alle Funktionen bei Tageslicht verinnerlichen sollte, um in der Dunkelheit gut zurechtzukommen. Viele Einstellungen und Justierungen sind selbsterklärend. Zunächst gibt es zwei Tipptasten am Okulartubus. Eine mit Funktion On/Off, die andere als Aktivierungstaste für Fotos und Videos. Nach elf Sekunden ist das System hochgefahren. Mit einem kurzen Druck auf die On/Off-Tipptaste wechselt das System in den Stand-by-Modus. Das heißt, das Gerät bleibt aktiv, der ­Bildschirm ist jedoch abgeschaltet.
Mit einem weiteren Druck auf diese Taste ist das Gerät sofort wieder einsatz­bereit. Daher macht es Sinn, es im Stand-by-Modus zu belassen, wenn man für eine Schussvorbereitung wenig Zeit hat.
Das Klicken der Kalibrierung („Shutter“) ist zwar nicht ganz leise, das Wild bekam es bei unserem Test auf 50 m Entfernung jedoch nicht mit. Jede Situation kann, wenn gewünscht, mitgefilmt oder mit einzelnen Fotos festgehalten werden. Bei eingeschaltetem Gerät genügt ein kurzer Druck auf die Aktivierungstaste, um ein Foto zu schießen. Bei langem Druck auf die Taste startet die Aufzeichnung des ­Videos, die mit einem neuerlichen ­langen Druck beendet wird. In der ­Praxis funktionierte dies einwandfrei und tatsächlich einfach. Das rasche Finden dieser Taste ist wichtig, denn oft hat man neben der Vorbereitung für den Schuss wenig Zeit zum Suchen von Tas­ten und Einstellungen.
Auch das Herunterladen der Videos und Fotos auf den Computer zu Hause funktionierte per Kabel wie bei einem USB-Stick einfach und problemlos. Das Wärmebildzielgerät verfügt über drei Justiertürme, wovon der linke nur der Aufnahme des Akkus dient. Durch Drehen an dem oberen Justierturm (Menüschalter) ändert sich die Farbauswahl in sechs verschiedenen Wärme­bilddarstellungen. Weiters kann durch Drehen am rechten Justierturm die Vergrößerung direkt an die Bedürfnisse des Schützen angepasst werden. Aber: Je höher die Vergrößerung, desto mehr rauscht das Bild. Wir fanden bis zu einer 8-fachen Vergrößerung eine gute Auflösung vor, wobei in der Praxis eine 5- bis 6-fache vollkommen ausreichend ist.
Im Revier bei Dunkelheit sind diese beiden Justiertürme einfach zu bedienen. Der Drehwiderstand könnte allerdings etwas höher sein, denn wenn man versehentlich ankommt, hat man die Einstellungen auch schon geringfügig verändert. Mit kurzem Druck auf den oberen Justierturm, der Menütaste, öffnet sich ein Shortcut-Menü, welches die Auswahl des Bildes in Bildmodus, -helligkeit, (stadiametrischer) Entfernungs­messung und Hotspot­verfolgung, Super-Energiesparmodus und Ein­schieß­entfernung ermöglicht. Nach zehn Sekunden oder durch ­zusätzlichen Druck auf die Taste wird dieses Menü wieder ausgeblendet. Ein längerer Druck auf die Menütaste ­eröffnet das umfangreiche Hauptmenü. Aus acht Einstellungsgruppen kann das Zielfernrohr „personalisiert“ werden. Aus verschiedenen Absehen, Absehenfarben, -helligkeit u. v. m. kann das Marten 650 an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden.

Night Pearl Marten 650 - Sogar beim Muffel­widder konnten wir die Schnecken auf über 150 m noch relativ genau ­erkennen. - © Norbert Steinhauser

Sogar beim Muffel­widder konnten wir die Schnecken auf über 150 m noch relativ genau ­erkennen. © Norbert Steinhauser

Auf dem Schießstand

Wer nicht technisch affin ist, kann das Einschießen dieses Wärmebildzielgeräts dem Fachmann überlassen. Wenn die Einstellungen am Hauptmenü abgeschlossen sind, müssen prinzipiell nur noch die wichtigsten Dinge, wie Farbmodus (oberer Justierturm) und Vergrößerung (rechter Justierturm), angewählt werden – und das geht wie gesagt einfach und schnell. Somit findet der Anwender einerseits zahlreiche Ein­stellungsmöglichkeiten vor, hat aber andererseits ein Gerät, das in der Praxis äußerst einfach zu bedienen ist.
Auseinandersetzen muss sich der Anwender mit derlei Geräten immer, denn in der Nacht müssen die wichtigsten Bedienelemente „blind“ gefunden werden können. Das Gerät ist mit der Büchse auf fünf einzelne Treffpunktlagen justierbar. Es eröffnet die Möglich­keit, die Treffpunktlage auf 50, 100, 200, 300 und 500 m zu wählen. Wir sind der Meinung, dass eine jagdliche Handlung bei Nacht bei maximal 150 m enden sollte. Daher justieren wir das Gerät auf die 100 m-Marke, die dann auch im Display abgelesen werden kann, mit wenigen Zentimetern Hochschuss. Somit bekommen wir mit dem 9 g-Geschoss iBEX Tornado durch die relativ hohe Montagehöhe einen Fleckschuss auf 160 m.
Das Gerät selbst ist relativ schwer (1.080 g inkl. Akku), daher sollte eine gute Montage verwendet werden. Eine stabile Montage, passend auf Picatinny- oder Weaverprofilschienen, ist im Liefer­umfang enthalten. Wir haben das Gerät mit ebendieser Montage auf den ­Repetierer Rössler Carbon im Kaliber .308 Win. montiert. Als Zielobjekt haben wir ein Wärmepad mit 5×5 cm gewählt. Die hervorragende Schuss­leistung der Büchse kennen wir aus vorherigen Tests (siehe auch WEIDWERK 10/2022), und ein ähnliches Ergebnis liefert auch das Night Pearl Marten 650 Wärmebild­zielgerät, obwohl wir nur mit 5-facher Vergrößerung geschossen haben. Nach einigen Schüssen im Revier wurden vor dem Testende zwei Kontroll­schüsse auf ein Wärmepad ab­gegeben. Tat­sächlich saßen auch diese Schüsse in der von uns „vor­programmierten“ Treffer­zone. Damit liefert das Night Pearl Marten 650 eine sehr gute ­Performance in Sachen Schussfestigkeit und Schussleistung.

Im Revier

Wir konnten im Revier Rehe bis auf 700 m als solche identifizieren. Bis 250 m sind bei den Rehen selbst schwache und starke Stücke gut auseinander­zuhalten. Die Wärmebildstruktur am Wildkörper ist als erstklassig zu bezeichnen. Eine sehr gute Bildauflösung sorgt dafür, dass der Wildkörper effektiv dargestellt wird, sogar beim Muffel­widder konnten wir die Schnecken auf über 150 m noch relativ genau ­erkennen. Um die Detailgenauigkeit zu unterstreichen: Das Gesäuge einer Bache ist auf knapp 100 m gut ­erkennbar. Beim Rotwild sind selbst auf 350 m Kälber, Tiere und Hirsche eindeutig voneinander zu unter­scheiden. Das Wärme­pad mit 5×5 cm Größe ließ sich bis auf 200 m mit dem Fadenkreuz vierteln. Daher ist ein ­exaktes Abkommen auf dem Testpad und natürlich in weiterer Folge auf dem Wildkörper innerhalb von 3- bis 6-­facher Vergrößerung selbst auf diese Distanz kein Problem. Dies soll die gute Bildauflösung des Geräts unterstreichen, aber keine Motivation dafür sein, auf eine solch große Entfernung – noch dazu in der Nacht – zu jagen.
Die Absehenbeleuchtung sollte aller­dings gering gehalten werden, sonst überstrahlt das Absehen auf 200 m das Wärmepad. Ein Fuchs schnürte auf 220 m im Zuge des Ansitzes über das Feld, die Erkennung desselben war einwandfrei und tatsächlich von guter Detailgenauigkeit – von der Lunte bis zum Fang.
Am Tubus kurz vor dem Objektiv befindet sich die Scharfstellung, die auf die jeweilige Entfernung eingestellt werden muss. Bei 5-facher Vergrößerung mussten wir gegebenenfalls etwas nachjustieren, damit das Bild scharf blieb. Im Einsatz heißt das, mit der linken Hand das Gerät bezüglich Schärfe manchmal nachstellen zu müssen, ­sofern das Wild in Bewegung ist.
Die Handhabung des Geräts war in der Praxis auch im Dunkeln gut zu bewältigen, selbst mit engen Handschuhen waren die Bedien­elemente noch gut greif- bzw. bedienbar. Über WIFI können mit der Night-Pearl-App Videos oder Fotos in Echtzeit auf das Smartphone übertragen werden. Wie schon angeführt, erfolgte das ­Herunterladen der Videos und Fotos einfach und rasch. Videos können bei einer eventuellen Analyse der Schussabgabe zielführende Hinweise geben, wohin das Stück letztlich geflüchtet ist, sollte es nicht am Anschuss liegen.

Fazit

Das Night Pearl Marten 650 ist ein Wärmebildzielgerät im Premium­segment. Es ist sehr gut verarbeitet und liefert eine ebenso gute Bildauf­lösung. Das Konzept der Akkuleis­tung ist überdacht und versorgt das Gerät für viele Stunden mit Strom. Zudem wird ein Reserveakku mitgeliefert, ­weswegen man für den nächtlichen Sauen­ansitz im Winter gut gerüstet ist. Wer ein Wärmebildzielgerät sucht, das viele Funktionen bietet, keine Wünsche offen lässt und dennoch einfach zu bedienen ist, ist beim Night Pearl Marten 650 jedenfalls gut aufgehoben.

Night Pearl Marten 650 - Als Highlights des Wärmebildziel­geräts Night Pearl Marten 650 können die ­Detailgenauigkeit, die einfache Bedienung und die Akkulösung genannt werden. - © Norbert Steinhauser
Als Highlights des Wärmebildziel­geräts Night Pearl Marten 650 können die ­Detailgenauigkeit, die einfache Bedienung und die Akkulösung genannt werden. © Norbert Steinhauser
Night Pearl Marten 650 - Bis 250 m sind bei den Rehen selbst schwache und starke Stücke gut auseinander­zuhalten. - © Norbert Steinhauser
Bis 250 m sind bei den Rehen selbst schwache und starke Stücke gut auseinander­zuhalten. © Norbert Steinhauser
Night Pearl Marten 650 - Zwei Akkus und ein Ladegerät sind im Lieferumfang enthalten. - © Norbert Steinhauser
Zwei Akkus und ein Ladegerät sind im Lieferumfang enthalten. © Norbert Steinhauser