Steinbock: König der Alpen kehrt zurück
Erfahren Sie alles über die faszinierende Geschichte des Alpensteinbocks – von seiner fast vollständigen Ausrottung bis hin zur erfolgreichen Wiederansiedelung und den heutigen Herausforderungen.
Einst thronten sie majestätisch auf den Gebirgskämmen der Alpen. Ihre mystische Ausstrahlung zog die Menschen in ihren Bann und wurde den Königen der Alpen letztendlich zum Verhängnis. War der Steinbock um 1450 noch über den gesamten europäischen Alpenbogen verbreitet, verschwand er nach und nach aus immer mehr Gebieten. Sein sagenumwobener Ruf und die Gier nach einem wundersamen Heilmittel führten zur gnadenlosen Verfolgung durch den Menschen. Steinwild galt zu dieser Zeit als eine Art Wundermittel gegen eine Vielzahl von Erkrankungen und Gebrechen. In den Apotheken gab es ganze Bereiche, in denen Produkte, hergestellt aus verschiedensten Teilen der Tiere, angepriesen wurden. Geschichtliche Quellen weisen außerdem darauf hin, dass diese intensive Nachstellung auch mit dem Aufkommen der Feuerwaffe gegen Ende des 15. Jahrhunderts zusammenfällt. Durch diesen technologischen Fortschritt war nun jeder in der Lage, nahe genug an die Tiere heranzukommen und sie zu erlegen. In Kombination mit dem lukrativen Geschäft mit dem Aberglauben und dem Fakt, dass zu dieser Zeit in vielen Regionen eine Hungersnot herrschte, war der Steinbock Anfang des 19. Jahrhunderts, bis auf wenige Tiere in Italien, im gesamten Alpenraum verschwunden. Auch die letzten Bemühungen, die Ausrottung in der Schweiz und in Österreich noch zu verhindern, kamen deutlich zu spät.
Der Schutz des Alpensteinbocks: Vom königlichen Jagdrevier zum Nationalpark
Im Gebiet des Gipfels Gran Paradiso, im Grenzgebiet zwischen Piemont und dem Aostatal, überlebte eine letzte Kolonie des Alpensteinbockes. Wie groß das letzte Rudel war und wo es sich zu jener Zeit genau aufhielt, ist nicht überliefert. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass es sich um einige Dutzend bis zu einigen Hundert Tieren handelte.
Der Forstdirektor des Herzogtums Aosta, Guiseppe Delapierre, erkannte die Notwendigkeit des Schutzes der Tiere. Er überzeugte den Grafen von Torino, Thaon di Revel, Conte die Pralungo, ein Gesetz zum Schutz des Steinwildes zu erlassen. Als später auch Vittorio Emmanuele II. Interesse zeigte, das Steinwild zu schützen, wenn auch mit dem Hintergedanken, es später zu bejagen, wurden die Maßnahmen umgesetzt. So pachtete er das Gebiet, in dem das Steinwild lebte, und ergriff die ersten Schutzmaßnahmen. Später, im Jahr 1861, als er zum König gekrönt wurde, erklärte er dieses zum königlichen Jagdrevier und engagierte über 50 Wildhüter, die für den Schutz des Steinwildes verantwortlich waren. 1922 wurde das königliche Jagdrevier dann zum noch heute bestehenden und damit ältesten Nationalpark Italiens erklärt – der Parco Nazionale Gran Paradiso. Durch die Schutzmaßnahmen stieg der Bestand, und die Kolonie umfasste Ende des 19. Jahrhunderts bereits 3.000 Stück. So hatte das jagdliche Interesse des Königs schlussendlich die letzte Steinwildkolonie gerettet. Gleichzeitig war damit wohl das erste Projekt nach dem Prinzip „Schutz durch Nutzung“ erfolgreich.
Wiederansiedlung des Alpensteinbocks: Von Schmuggel zu Erfolg
Aufgrund der Tatsache, dass die einzige frei lebende Kolonie im Nationalpark Gran Paradiso angesiedelt war, war die legale Beschaffung von reinblütigen Steinböcken äußerst schwierig. Vor allem, weil die italienischen Könige dieser Zeit nur sehr selten Tiere abgaben und wenn, dann meist nur an Adelige oder Gehege. Es wird davon ausgegangen, dass diese Zurückhaltung wohl aus Eitelkeit geschah, denn so waren sie noch immer die Einzigen, die freilebende Steinböcke hatten und auch bejagen konnten.
Im Rahmen der Wiederansiedelung des Alpensteinbockes übernahm die Schweiz eine Schlüsselrolle. Wobei auch deren erste offizielle Anfragen, Tiere für die Nachzucht zum Zweck der Auswilderung zu erhalten, erfolglos blieben. Folglich mussten all jene Gebiete, die weiter an dem Traum festhielten, das Steinwild wieder zurückzubringen, auf Tiere in Gehegehaltung zurückgreifen. Dies, obwohl ihnen bewusst war, dass sie für die Wiederbesiedelung in Freiheit nicht die beste Wahl waren, denn aus Mangel an reinblütigen Steinböcken wurden für die Nachzucht in den Gehegen oft Ziegen eingekreuzt. Bei diesen Nachkommen handelte es sich um Hybriden, die für das Leben im Hochgebirge nicht gleich geeignet waren.
Aus der Not heraus führte man im 19. Jahrhundert dennoch die ersten Wiederansiedelungsversuche mit Hybriden durch. Sämtliche Versuche in der Schweiz und in Österreich scheiterten. Lediglich die Koloniegründung im Gebiet der Karawanken war erfolgreich. Es ist jedoch nicht belegt, ob hier nebst den Hybriden nicht auch reinblütige Steinböcke aus dem Gran Paradiso zur Verfügung standen. Dennoch gaben die Schweizer Steinwildförderer nicht auf, und es wurde beschlossen, die illegalen Angebote von Wilderern, frisch gesetzte Steinkitze einzuschmuggeln, anzunehmen. Damit begann ein weiteres lukratives Geschäft rund um das Steinwild.
Die Kitze wurden direkt nach dem Setzen eingefangen und über verschiedene Wege in die Schweiz, Österreich und weitere Länder gebracht. Die Aufzucht der ersten Kitze scheiterte jedoch, vermutlich am mangelnden Wissen um die Aufzucht und Haltung von Steinwild. Erst als die Kitze in die Schweizer Wildparks Peter und Paul in St. Gallen sowie später Harder bei Interlaken gebracht wurden, gelang es, die Tiere großzuziehen. Im Wildpark Peter und Paul war man sogar so zuversichtlich, dass, noch bevor überhaupt eine Lieferung von Tieren in Aussicht stand, ein Steinwildgehege mit einer Felsgruppe errichtet wurde.
Angespornt von diesem Elan, setzte sich auch die Schweizer Regierung beim König Vittorio Emmanuele III. für die Lieferung von Steinwild ein, wieder ohne Erfolg. Darum setzte man weiterhin auf den illegalen Handel. Die Wilderer und Schmuggler verstanden ihr Handwerk, denn es wurden von 1906 bis 1935 etwa 100 Tiere in die Schweiz geliefert. Damit war der Grundstein für ein erfolgreiches Nachzuchtprogramm gelegt. In den darauffolgenden Jahren wurde gezüchtet, und die Nachkommen wurden ausgewildert. Dadurch konnten mehrere Steinwildkolonien in der Schweiz etabliert werden. Diese dienten später auch als Quelle für weitere Steinwildkolonien im In- und Ausland. Vor allem der Kanton Graubünden war sehr aktiv bei Fang und Umsiedelung.
Herausforderungen für das Steinwild: Genetische Flaschenhälse und Klimawandel
Mittlerweile leben im gesamten Alpenbogen wieder über 50.000 Tiere in 150 bis 160 Kolonien. Allein der Bestand in der Schweiz zählt mehr als 20.000 Stück. Dieses beeindruckende Wiederansiedelungsprojekt zählt zu den erfolgreichsten seiner Art. Aber dieser Erfolg birgt auch seine Tücken.
Die Tatsache, dass der Bestand auf eine sehr geringe Zahl reduziert wurde, die Nachzucht mit nur relativ wenigen Tieren durchgeführt wurde, gefolgt von der Verteilung in verschiedene, isolierte Kolonien, hat dazu geführt, dass das Steinwild mehrere genetische Flaschenhälse hinter sich hat. Wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben, hat das Steinwild Probleme mit hoher Inzucht und niedriger genetischer Diversität. Resultierend darin, dass Steinwild weniger anpassungsfähig an sich verändernde Umweltbedingungen, anfälliger für Krankheiten ist, und auch in der Kondition und Konstitution ist dieser Fakt erkennbar. So gibt es bereits einige Regionen, die darüber klagen, dass die Trophäe, das Gewicht und der Gesundheitszustand des Steinwildes rückläufig sind. Aktuell wird in einigen Regionen untersucht, wie diese Effekte mit Tieren aus anderen Kolonien bzw. anderen genetischen Gruppen langfristig reduziert werden können. Wichtig ist jedoch, dass solche Umsiedelungen nicht willkürlich durchgeführt werden, sondern von Fachexperten aus der Genetik, Wildbiologie und Veterinärmedizin geplant und begleitet werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es zur Verschleppung von Krankheiten wie beispielsweise der Räude kommt. Es gibt aber auch andere Herausforderungen für diese Hochgebirgsart, zum Beispiel den steigenden Druck durch die zunehmende Zahl an Naturnutzern. Vor allem im Winter kann eine Störung der Ruhe dazu führen, dass die Tiere die Flucht ergreifen und dabei wertvolle Energiereserven verschwenden, die sie zum Überleben unter den widrigen Bedingungen der kalten Jahreszeit dringend benötigen würden. Ebenso können sie in suboptimale Wintereinstände einziehen, wo sie häufiger Lawinen zum Opfer fallen oder mit noch spärlicherem Nahrungsangebot konfrontiert sind.
Aber auch der laufende Klimawandel mit den damit einhergehenden Veränderungen der Vegetation wirkt sich auf das Steinwild aus. Ebenso die Tatsache, dass verschiedene Krankheitserreger vom Klimawandel profitieren und immer häufiger werden bzw. auch in höheren Lagen vorkommen. Auch die steigenden Temperaturen stellen das Steinwild vor eine weitere Herausforderung. Dem Steinwild, wie auch anderen Hochgebirgsbewohnern, reichen bereits Temperaturen von über 15 °C, um Hitzestress hervorzurufen – und Hitzetage dieser Art treten immer häufiger auf.
Zukunft des Steinwilds: Herausforderungen und Chancen für das Überleben
Das Steinwild sieht sich mit vielen Problemen konfrontiert, und die Zukunft wird zeigen, wie gut es mit diesen umgehen kann.
Viele Kolonien wachsen stetig an und stellen eher das Management vor Herausforderungen. Nicht zuletzt, weil das Steinwild auch andere Arten, vor allem das Gamswild, beeinflusst. Entsteht beispielsweise ein Konkurrenzkampf um gute Winterlebensräume, ist das Steinwild dominant, und das Gamswild muss in schlechtere Gebiete ausweichen. Entsprechend benötigen große Steinwildkolonien ein fundiertes Management und eine Regulation durch die Jagd. Vorsicht ist jedoch bei kleineren Kolonien, die weniger als 200 Tiere umfassen, geboten, denn damit eine Steinwildkolonie langfristig überleben kann, sollte sie mehr als 200 Individuen zählen. Ansonsten ist diese anfällig gegenüber Extremereignissen, wie Krankheiten – zum Beispiel der Gamsräude oder -blindheit (IKK) – oder mehreren strengen Wintern bzw. nasskalten Frühlingen. Im Bundesland Tirol hat die Gamsräude bereits zwei kleinere Steinwildkolonien ausgelöscht, eine große Kolonie könnte diese teils massiven Ausfälle besser kompensieren.
Diese Aussichten könnten den Anschein erwecken, dass die hochgelobte Erfolgsgeschichte doch nicht so erfolgreich war. Dem ist aber nicht so; auch wenn neue Herausforderungen dazugekommen sind bzw. dazukommen werden, steht es gut um den König der Alpen.
Herausforderungen für das Steinwild: Genetische Flaschenhälse und Klimawandel
Mittlerweile leben im gesamten Alpenbogen wieder über 50.000 Tiere in 150 bis 160 Kolonien. Allein der Bestand in der Schweiz zählt mehr als 20.000 Stück. Dieses beeindruckende Wiederansiedelungsprojekt zählt zu den erfolgreichsten seiner Art. Aber dieser Erfolg birgt auch seine Tücken.
Die Tatsache, dass der Bestand auf eine sehr geringe Zahl reduziert wurde, die Nachzucht mit nur relativ wenigen Tieren durchgeführt wurde, gefolgt von der Verteilung in verschiedene, isolierte Kolonien, hat dazu geführt, dass das Steinwild mehrere genetische Flaschenhälse hinter sich hat. Wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben, hat das Steinwild Probleme mit hoher Inzucht und niedriger genetischer Diversität. Resultierend darin, dass Steinwild weniger anpassungsfähig an sich verändernde Umweltbedingungen, anfälliger für Krankheiten ist, und auch in der Kondition und Konstitution ist dieser Fakt erkennbar. So gibt es bereits einige Regionen, die darüber klagen, dass die Trophäe, das Gewicht und der Gesundheitszustand des Steinwildes rückläufig sind. Aktuell wird in einigen Regionen untersucht, wie diese Effekte mit Tieren aus anderen Kolonien bzw. anderen genetischen Gruppen langfristig reduziert werden können. Wichtig ist jedoch, dass solche Umsiedelungen nicht willkürlich durchgeführt werden, sondern von Fachexperten aus der Genetik, Wildbiologie und Veterinärmedizin geplant und begleitet werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es zur Verschleppung von Krankheiten wie beispielsweise der Räude kommt. Es gibt aber auch andere Herausforderungen für diese Hochgebirgsart, zum Beispiel den steigenden Druck durch die zunehmende Zahl an Naturnutzern. Vor allem im Winter kann eine Störung der Ruhe dazu führen, dass die Tiere die Flucht ergreifen und dabei wertvolle Energiereserven verschwenden, die sie zum Überleben unter den widrigen Bedingungen der kalten Jahreszeit dringend benötigen würden. Ebenso können sie in suboptimale Wintereinstände einziehen, wo sie häufiger Lawinen zum Opfer fallen oder mit noch spärlicherem Nahrungsangebot konfrontiert sind.
Aber auch der laufende Klimawandel mit den damit einhergehenden Veränderungen der Vegetation wirkt sich auf das Steinwild aus. Ebenso die Tatsache, dass verschiedene Krankheitserreger vom Klimawandel profitieren und immer häufiger werden bzw. auch in höheren Lagen vorkommen. Auch die steigenden Temperaturen stellen das Steinwild vor eine weitere Herausforderung. Dem Steinwild, wie auch anderen Hochgebirgsbewohnern, reichen bereits Temperaturen von über 15 °C, um Hitzestress hervorzurufen – und Hitzetage dieser Art treten immer häufiger auf.
Zukunft des Steinwilds: Herausforderungen und Chancen für das Überleben
Das Steinwild sieht sich mit vielen Problemen konfrontiert, und die Zukunft wird zeigen, wie gut es mit diesen umgehen kann.
Viele Kolonien wachsen stetig an und stellen eher das Management vor Herausforderungen. Nicht zuletzt, weil das Steinwild auch andere Arten, vor allem das Gamswild, beeinflusst. Entsteht beispielsweise ein Konkurrenzkampf um gute Winterlebensräume, ist das Steinwild dominant, und das Gamswild muss in schlechtere Gebiete ausweichen. Entsprechend benötigen große Steinwildkolonien ein fundiertes Management und eine Regulation durch die Jagd. Vorsicht ist jedoch bei kleineren Kolonien, die weniger als 200 Tiere umfassen, geboten, denn damit eine Steinwildkolonie langfristig überleben kann, sollte sie mehr als 200 Individuen zählen. Ansonsten ist diese anfällig gegenüber Extremereignissen, wie Krankheiten – zum Beispiel der Gamsräude oder -blindheit (IKK) – oder mehreren strengen Wintern bzw. nasskalten Frühlingen. Im Bundesland Tirol hat die Gamsräude bereits zwei kleinere Steinwildkolonien ausgelöscht, eine große Kolonie könnte diese teils massiven Ausfälle besser kompensieren.
Diese Aussichten könnten den Anschein erwecken, dass die hochgelobte Erfolgsgeschichte doch nicht so erfolgreich war. Dem ist aber nicht so; auch wenn neue Herausforderungen dazugekommen sind bzw. dazukommen werden, steht es gut um den König der Alpen.