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Neozoen: Herausforderung für die Jagd

30. September 2024 -
Goldschakal - © Jaroslav Pap
© Jaroslav Pap

Neozoen beeinflussen die Jagd in Mitteleuropa zunehmend. Erfahren Sie mehr über invasive Arten, ihre Auswirkungen auf heimische Ökosysteme und wie Jäger auf die neuen Herausforderungen reagieren.

Das Schlagwort der Arten­vielfalt ist in aller Munde, wenn es um den Schutz der Umwelt geht. Und auch jagdlich weiß man eine Vielfalt der Arten als „bunte Strecke“ durchaus zu schätzen. Allerdings gehören nicht alle Arten, die in unseren heimischen ­Revieren leben und teilweise bejagt werden, auch wirklich dorthin. Welche Zuwanderer hierbei zu begrüßen und welche am besten wieder schnell zu entfernen sind, da­rüber herrschen teilweise Unstimmigkeiten, abhängig von den eigenen Interessen. Gerade die Jagd hat zur Ein­bürgerung und Bewahrung von Tierbeständen ein besonderes Verhältnis, das kritisch zu betrachten ist. Auch wenn Österreich hiervon (noch nicht) so stark betroffen ist, ist es lohnend, sich frühzeitig mit dem Thema aus­einanderzusetzen.

Begriffsdefinition

In der Fachsprache werden tierische Neubürger als Neozoen bezeichnet, vom griechischen Wort „neo“ für „neu“ und „zoon“ für „Tier“. Zusammen mit den Neophyten (neue Pflanzen) und Neo­myceten (neue Pilze) werden diese unter dem Oberbegriff Neobionten oder Neobiota (neue Lebewesen) zusammengefasst. In diesem Sinne sind alle Arten „neu“, die ursprünglich nicht in einem Gebiet beheimatet (endemisch) waren. Hierbei entstehen die ersten Streitpunkte. Manche Definitionen ver­weisen auf das Jahr 1492, in dem der Kontinent Amerika entdeckt wurde, als Schwelle und erkennen nur solche Arten als „echte“ Neobiota an, die nach diesem Datum in ein Gebiet eingeführt wurden. Die Verschleppung von Arten vor dieser Zeit soll so von der transkontinentalen Ausbreitung von Arten in der Neuzeit abgegrenzt werden.
Grundsätzlich ist es für die Defi­nition egal, auf welchem Weg eine Art in ein neues Gebiet gelangt ist. Aber die zeitliche Fokussierung auf die Neuzeit konzentriert sich automatisch ­besonders auf die Verschleppung durch den Menschen, da eine natürliche Ausbreitung zwischen „Alter“ und „Neuer Welt“ nicht möglich gewesen wäre. Die Frage nach der menschlichen Beteiligung an einer Artenausbreitung kann aber durchaus ent­scheidend für die Bewertung der Ausbreitung als harmlos oder kritisch sein.
Ein besonders wichtiger Faktor für die Risikobewertung von Neobiota, der immer wieder begrifflich nicht ­sauber von diesen getrennt wird, ist der Begriff der „invasiven Arten“. Zwar müssen Invasoren logischerweise neu in Gebiete vordringen – was sie zu ­Neobiota macht –, jedoch sind bei ­Weitem nicht alle Neobiota auch ­invasiv. Diese Bezeichnung haben sich nur Arten verdient, die auch ein ausreichendes natürliches Ausbreitungspotenzial mitbringen und damit einheimische Arten verdrängen können. Dieses Potenzial macht die tatsächlich invasiven Arten zu einem Problem, weshalb auch diverse rechtliche Regelungen gegen die Ausbreitung dieser Arten verabschiedet wurden.
Weitere Unschärfen der Definition betreffen Aspekte wie die Eigenständig­keit der eingeführten Arten vom ­Menschen und die genaue Festlegung des Verbreitungsgebietes. Wie frei müssen etwa Tiere leben, um als angesiedelt zu gelten? Frei fliegende Zoo- und Park­vögel sowie Gatterwild stellen ­hierbei durchaus Grauzonen dar. Und sorgt der Nachweis einer historisch ­bereits etablierten Population in einer ­bestimmten Region gleich dafür, dass die Art für das ganze Land – oder ­zumindest das Bundesland – als ein­heimisch anerkannt wird? Mit diesen Fragen sollte man sich zunächst ­auseinandersetzen, wenn man sich mit dem Thema Neozoen be­schäftigt.

Neue Arten sind nichts Neues

Zwar sind eine Vielzahl der Neobiota Pflanzen und Wirbellose, darunter etwa die aus Amerika stammende Kartoffel und der mit ihr eingeschleppte Kar­toffel­käfer als prominente Beispiele. Im ­Folgenden konzentrieren wir uns aber auf die Neozoen aus den Gattungen der jagdbaren Säuge­tiere und Vögel. Diese sind zwar in Mitteleuropa im Vergleich nicht allzu zahlreich, haben aber teilweise schon eine lange Tradition, in der die Jagd eine wichtige Rolle spielt. Der Import von exotischen Tieren ist bereits seit der Antike nachgewiesen. Dass einige dieser Tiere auch lokal ­angesiedelt wurden, um unabhängig von diesen Importen zu werden, ist nur eine logische Konsequenz. Auf die Möglichkeit der Ansiedelung wirkten sich die Umweltansprüche der Arten ebenso beschränkend aus wie die ­Motivation, warum eine Art besonders gefrag­­­t war.
Grundsätzlich können drei Gründe für den Import exotischer Tiere unterschieden werden, aus denen sich dann auch unterschiedliche Formen der ­Ansiedelung herausbildeten: Wissenschaft, Prunk und Nutzungsinteressen.
Alexander der Große schickte ­bereits diverse Tiere, die ihm auf seinen Feldzügen durch Asien begegneten, in die Heimat, wo sie von seinem Lehrmeister Aristoteles für dessen natur­wissenschaftliche Werke beobachtet und dokumentiert wurden. Ein Anliegen, das sich über die Jahrhunderte der Menager­ien und Tierschauen bis zu den wissen­schaftlichen und volksbildenden Bemühungen moderner Zoos weiterentwickelte.
Der Bedarf an exotischen Tieren zu Prunkzwecken umfasste die Tiere, die in den Amphitheatern der römischen Antike Teil eines blutigen Spektakels wurden, solche, die zu kultischen Opferzwecken besonderer Gott­­heiten dienten, aber auch die repräsentativen „Haustiere“ diverser Herrscher im Verlauf der Geschichte. Die meisten Tiergärten, die von Adeligen eingerichtet wurden, dienten primär der Zurschaustellung deren Macht und Reichtums. Wildparks zum Abhalten herr­schaftlicher Jagden waren vor allen Dingen Statussymbole.
Besonders das kulinarische Nutzungsinteresse kam selten ohne eine gewisse Überschneidung mit dem Prunk­faktor aus: Viele exotische Tiere waren nicht unbedingt ihres Geschmacks wegen, sondern aufgrund ihrer Seltenheit beliebte Tafelspeisen. Bilder von in ihrem prächtigen Gefieder zur Tafel getragenen Pfauen, Fasanen und Schwänen sind ebenso bekannt wie die Erwähnung exotischer Delikatessen, wie etwa Flamingo­zungen in den Aufzeichnungen römischer Gourmands wie etwa Lucullus. Bei der Nutzung anderer Aspekte von Tieren ist insbesondere die Pelzgewinnung zu erwähnen, die besonders viele Neozoen nach Europa gebracht hat.
Während die besonders exotischen Tierarten, die zu repräsentativen und wissenschaftlichen Zwecken importiert wurden, noch heute mehr oder minder auf zoologische Gärten beschränkt sind und damit nicht als angesiedelte Neozoen gelten, sind es insbesondere die genutzten Arten, die gerne auch frei angesiedelt wurden oder aus Farmhaltung entkamen und heute als Neozoen in Europa leben.

Rückkehrer und erste Welle

Weitgehend einig scheinen sich die ­Definitionen über die Frage, ob eine ­ursprünglich einheimische Art nach Abwesenheit als Neozoon wiederkehrt. War eine Art in den vergangenen Jahrhunderten einmal heimisch, wird sie auch als solche angesehen. Zwischenzeitlich vom Menschen ausgerottete und nun wieder angesiedelte oder von selbst zurückkehrende Arten, wie Steinbock, Luchs, Elch, Wolf oder Biber, sind demnach keine Neozoen – auch wenn sie für ihre „neue alte Heimat“ nach teilweise Jahrhunderten der Abwesenheit durchaus eine Neuerung dar­stellen, die sich dort merklich auf die etablierten Systeme auswirken kann. Allerdings sind hierbei die ­Verbreitungsgebiete zu historischen Zeiten entscheidend: Arten, die vor der letzten Eiszeit in Mitteleuropa ­lebten und von dieser dort vertrieben wurden, wie das Damwild, oder aufgrund ihrer Kältetoleranz während der Eiszeit hier lebten, wie Rentier und Moschusochse, werden heute nicht mehr als endemisch bezeichnet. Während es für die Eiszeitarten in der momentanen Warmzeit ohnehin nicht besonders lebenswert in Zentraleuropa wäre, wurde das Damwild ­bereits früh in der Geschichte durch den Menschen verbreitet und gelangte so auch (wieder) nach Mitteleuropa. Zusammen mit Wild­kaninchen und Fasan kann man das Damwild zur Gruppe der historisch etablierten Neozoen zusammenfassen.
Alle drei Arten stammen aus Gebieten, die bereits in der Antike für Europäer gut erreichbar waren. Sie wurden insbesondere von den Römern an vielen Orten im Imperium Romanum ange­siedelt. Durch die bereits erwähnten Unklarheiten bezüglich der Gültigkeit der Gatterhaltung für die Anerkennung als heimisch und die daher für manche Regionen unklar ausfallende Datierung historischer Vorkommen vor oder nach 1492, ist der Neozoenstatus dieser Arten nicht immer ganz eindeutig. Durch die bei diesen Arten sehr häufige Haltung in Gefangenschaft heben sie sich im historischen Verlauf auch von anderen Neozoen ab, deren Geschichte nicht so lang und eng mit dem Menschen verknüpft ist. Aus dem Wildkaninchen entstanden alle unsere heutigen Hauskaninchenrassen. Damwild wird auch heute noch gern in Gattern gehalten, und unnatürliche Farbtypen (vor allem Weiß und Schwarz) sind bei dieser Hirschart ungemein häufig. Und auch unser typischer „Jagdfasan“ ist durch die Kreuzung verschiedener Arten in den Fasanerien sehr variantenreich ­geworden. Da alle drei Arten nicht nur kulinarisch, sondern auch jagdlich sehr geschätzt waren, wurden schon früh Bestände zu diesem Zweck in Wildparks oder frei lebend angesiedelt. Sie sind seither auch fester Bestandteil der jagdlichen Kultur in Europa. In den folgenden Jahrhunderten wurden sie auch in anderen Länder weltweit als eindeutige Neozoen eingeführt.
Im Gegensatz zu Ländern, wie etwa Australien, wo Wildkaninchen zu einer wahren Landplage wurden, verhalten sich diese Arten in Mitteleuropa nicht invasiv und könnten dort, wo sie sich auf natürlichem Wege überhaupt selbst erhalten können, durchaus ­geduldet werden.

Kritische Neubürger

Eine bedeutende Anzahl der Neozoen in Europa ist als Pelztiere eingeführt worden und stammt von entflohenen Farmtieren ab. Bisam, Nutria, Mink, Marderhund und Waschbär sind uns als Überbleibsel aus einer Zeit erhalten ge­blieben, in der mit ihren Bälgen noch ein gutes Geschäft zu machen war. ­Dieser wirtschaftliche Anreiz gehört großteils der Vergangenheit an; dennoch werden die genannten Arten allesamt stark bejagt. Sie werden alle als invasiv eingestuft und bergen ein hohes Problempotenzial. Während die zum Raubwild zählenden Arten als Fressfeinde der ein­heimischen Fauna bedrohlich werden können, sind die beiden ge­wässer­­bewohnenden Nager vor allem durch ihre Grabungstätigkeiten an Infra­struktur im Uferbereich schädlich. Zur Eindämmung der Ausbreitung dieser Arten wurden diverse rechtliche Erleichterungen ihrer Bekämpfung zugelassen: So genießen sie in vielen ­Regionen keine Schonzeit, sondern nur aus Tierschutzgründen einen Elternschutz der Alttiere zur Zeit der Jungen­aufzucht. Vor allem die Bisam­ratte wird zusätzlich auch nicht jagdlich bekämpft, sondern darf vielerorts von Grund­besitzern – analog zu Ratte­­­n und ­Mäusen – mit Fallen ge­fangen werden. Trotz dieser Maß­nah­men ist kaum zu erwarten, die Ausbreit­­ung dieser Arten langfristig aufzuhalten.
Weitere neozoe Wildarten sind im Kontext der herrschaftlichen Wildparks erst deutlich nach 1492 nach Zentraleuropa gelangt. Ende des 19. Jahrhunderts waren sogenannte Akklimatisierungsvereine stark in Mode, die sich mit der Einbürgerung fremder Wildarten zu Jagdzwecken beschäftigten. Neben diversen gescheiterten Versuchen war die Einbürgerung insbesondere des Sika- und Muffelwildes langfristig erfolgreich. Beim Europäischen Mufflon, das in ­dieser Form auf Sardinien und Korsika beheimatet ist, kann nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden, ob es sich dabei überhaupt um ein Wildtier oder um die verwilderten Nachkommen ursprünglicher Hausschafe aus Vorderasien handelt, die erst mit dem Menschen dorthin gelangten. Das asiatische Sikawild ist mit unserem heimischen Rotwild nah genug verwandt, um sich mit diesem zu kreuzen; dies wurde in manchen Überschneidungsgebieten der beiden Arten auch bereits beobachtet. Im Gegensatz zum größeren nordamerikanischen Wapiti wurden die kleineren Sikahirsche nicht gezielt zur „Auf­artung“ in Rotwildbestände ein­gekreuzt. Aus heutiger Sicht ist es klar, dass eine menschgemachte genetische Vermischung von Arten keineswegs ­anzustreben ist. Das Vorkommen von Sika­wild in Mitteleuropa, das zumindest theoretisch komplett im Lebensraum des Rotwildes liegt, muss von daher kritisch gesehen werden.
Es gibt allerdings auch eigen­ständig einwandernde Wildarten, die sich ohne menschliche Hilfe nach Mittel­europa ausbreiten. Gerade in den letzten Jahren haben die Sichtungen des Goldschakals zugenommen, dessen ursprüngliche Verbreitung in Europa auf dem Balkan endete. Von dort aus dringen vermehrt Exemplare zu uns vor und werden sich vermutlich auf lange Sicht auch etablieren. Welche Konsequenzen dies für die ein­heimischen Arten haben wird, ist noch unklar. In Österreich wurde der Goldschakal bereits teilweise in das Jagdrecht auf­genommen, in Deutschland und der Schweiz ist dies noch ­ausständig.
Beim Federwild können einige ähnliche Fälle entdeckt werden wie beim Haarwild. Als Beispiel für eigenständige Einwanderung ist die Türkentaube zu nennen, die über den Verlauf des letzten Jahrhunderts von der ­Türkei aus ganz Europa zu ihrem ­asiatischen Verbreitungsgebiet eroberte. Als Kulturfolger konnte sie sich gut etablieren und die Bestände werden auch zahlreich bejagt.
Besonders Wasservögel, die halb- wild in Parkanlagen gehalten wurden, legten den Grundstein für die Mehrheit der neozoen Vögel in Mitteleuropa. Mandarinente, Rostgans, Kanada­gans, Schwarzkopfruderente und Nilgans stellen hierbei die erfolgreichsten Arten dar; die letzten beiden werden sogar als invasiv eingestuft, da sie sich besonders stark ausbreiten und dabei andere einheimische Arten verdrängen.
Der wohl markanteste neozoe Vogel in Mitteleuropa ist ohne Zweifel der südamerikanische Nandu. Nachdem im Jahr 2000 einige Tiere aus einem ­Gehege in Norddeutschland entkommen konnten, etablierte sich über die Jahre ein Bestand von mehreren Hundert Tieren im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Im Jahr 2020 wurde die zuvor geschützte Art schließlich in das Jagdrecht aufgenommen, um die Bestände effektiver regulieren zu ­können. Der exotische Laufvogel, der in etwa das Gewicht eines Stückes ­Rehwild erreicht, erfreut sich seither großen jagdlichen Interesses.

Zuwanderung erwünscht?

Nachdem nun die generellen Informationen über Definition und Geschichte der Neozoen zusammengefasst und die für Mitteleuropa bedeutsamsten Arten vorgestellt wurden, sollte man sich aufgrund dieser eine Meinung zu den ­tierischen Neubürgern bilden. Lokal sind Neozoen bisher (noch!) nicht überall ein großes Thema. Betrachtet man jedoch die Jagdstrecken und Ausbreitungs­tendenzen, wird uns das Thema eher früher als später flächendeckend betreffen. Es lohnt sich außerdem, sich rechtzeitig für oder gegen eine Art zu entscheiden, um gegen deren Ansiedelung eventuell noch ­vorgehen zu können, bevor sie sich ­etabliert. Manche Arten sind schon seit Jahrhunderten Bestandteil der europäischen Jagdkultur, andere erst seit Kurzem, und sie haben es auch nicht überall zur gleichen Bedeutung gebracht.
Mit rund 50.000 erlegten Exemplaren pro Jahr ist der Fasan Österreichs ­bedeutendste neozoe Wildart. Besonders deutlich wird dies im Vergleich mit dem großen Nachbarn Deutschland, wo auf vierfacher Fläche dreimal so viele Jäger nur 88.000 der bunten Vögel erlegten; in der Schweiz spielt er mit gerade einmal rund 20 Stück jährlich quasi keine Rolle. Andere Arten sind in Österreich weniger bedeutend, etwa die rund tausend Stück Dam- und 500 Stück Sikawild. Während sich das Damwild in Deutschland mit 65.000 Stück jährlich eine deutlich etabliertere Position gesichert hat, konnte das Sikawild mit lediglich 2.500 Exemplaren auch dort nicht wirklich Fuß fassen. In der Schweiz ist interessanterweise das Sikawild mit gut 100 Stück jährlich von größerer ­Bedeutung als das Damwild mit einstelligen Streckenzahlen. Beim Muffelwild ist die Bedeutung mit 2.000 Stück in Österreich gegenüb­­er 8.000 in Deutschland in etwa gleichermaßen niedrig, in der Schweiz wurden zuletzt 2001 zwei Stück erlegt. Die Strecken der Wild­kaninchen schwank­ten in Öster­reich zuletzt mit 5.000–10.000 Exemplaren jährlich stark; die deutsche Jahres­strecke ist mit 50.000–60.000 solide höher, in der Schweiz dagegen meist einstellig, wie bei einer typischen Flachlandart zu erwarten.
Die beiden neozoen Raubwildarten Marderhund und Waschbär sind in Öster­reich mit 50–60 bzw. 10–20 Tieren jährlich noch eine Randerscheinung. Ähnlich ist dies in der Schweiz, wo aller­dings der Waschbär mit jährlich 1–17 Stück (Tendenz steigend) häufiger erlegt wird als der Marderhund mit drei Stück in den letzten 20 Jahren. In Deutschland ist ebenfalls der Waschbär die häufigere Beute, die Dimensione­­­n sind jedoch andere – hier stehen etwa 27.000 Marderhunde über 200.000 Waschbären pro Jahr gegenüber. Angesichts dieser Zahlen kann man sich ein Bild machen, was auch Österreich und die Schweiz zukünftig erwarten könnte.
Für andere Neozoen liegt weder für Öster­reich noch für Deutschland eine brauchbare Jagdstatistik vor, da die Arten entweder gar nicht oder etwa als „Wildgänse“ (hiervon werden etwa in der Schweiz nur die neozoen Arten ­bejagt) nicht artenrein erfasst werden. Zum fundierten Umgang mit Neozoen sind belastbare Daten unabdingbar. ­Abseits von Daten und Fakten ist es auch immer eine Frage des Willens in der Jägerschaft, wie mit Neozoen umgegangen wird.
Kaum war der Nandu in Deutschland jagdbar, wurde bereits ein Jagdhornsignal „Nandu tot“ komponiert, um diesen als vollwertige Wildart willkommen zu heißen; auch Waschbär und Marderhund wurden bereits mit solchen Noten geehrt. Mehr Arten bejagen zu können, ist sicherlich eine jagdliche Freude – aber sollte man deshalb gezielt fremde Arten ausbringen? Oder müsste die Jägerschaft in ihrer Funktion als Naturschützer nicht eigentlich gegen das Einbringen fremder Arten und ­insbesondere solcher, die als invasiv ­beurteilt werden, vorgehen? Kann man es verantworten, ein komplett etabliertes Vorkommen auszulöschen, weil man zuvor Tiere angesiedelt hatte, die dort nicht heimisch waren? Die Fragen sind nicht so einfach zu beantworten, wie es scheint. Deshalb sollte sich jeder ­Gedanken machen, wie mit welchen Neozoen umgegangen werden sollte, um den Zielen von Jagd, Naturschutz und Ethik am besten gerecht zu werden.