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Heraus­forderungen für die Jagd in Mitteleuropa

29. September 2023 -
Heraus­forderungen für die Jagd in Mitteleuropa - Hochrangige Jagdfunktionäre, Wissenschafter und Jagd­medien­vertreter diskutierten im tschechischen Židlochovice über die Herausforderungen, die sich der Jagd aktuell stellen. - © Martin Grasberger
Hochrangige Jagdfunktionäre, Wissenschafter und Jagd­medien­vertreter diskutierten im tschechischen Židlochovice über die Herausforderungen, die sich der Jagd aktuell stellen. © Martin Grasberger

Hochrangige Jagdfunktionäre, Wissenschafter und Jagd­medien­vertreter diskutierten im tschechischen Židlochovice über die Herausforderungen, die sich der Jagd aktuell stellen. „Jagd Österreich“ sorgte dabei für Aufsehen. – 1. Teil.

Der Jagd weht in einigen Nachbarländern Österreichs, etwa der Slowakei oder auch Deutschland, aktuell ein richtig rauer Wind entgegen. Wie wichtig eine fundierte Information der (nicht jagenden) Gesellschaft in einer Zeit ist, in der die menschliche Aufmerksamkeitsspanne nur wenige Sekunden beträgt, hat „Jagd Österreich“ mit einem bemerkenswerten Beitrag gezeigt und damit international für Aufsehen gesorgt.

Das ist Jagd

Der Startschuss der immer noch ­laufenden Kampagne „Das ist Jagd“ ist im Juli 2023 gefallen – es wurde in allen Tages­medien Österreichs darüber berichtet. Um etwas über den Zwischenstand zu erfahren, haben wir uns mit den Verantwortlichen von Jagd ­Österreich, Lutz Molter Bakk.-Phil., Mag. Jörg Binder und Präs. LJM ­Herbert Sieghartsleitner, unterhalten.

Lutz Molter, Bakk.-Phil., stellv. Geschäftsführer „Jagd Österreich“ - © Martin Grasberger

© Martin Grasberger

"Wir haben da etwas losgetreten, was viel größer ist, als wir uns erhofft hätten. Auch der europäische Verband FACE sieht die Kampagne ,Das ist Jagd‘ als Musterbeispiel für gute Öffentlichkeitsarbeit." – Lutz Molter, Bakk.-Phil., stellv. Geschäftsführer „Jagd Österreich“

WEIDWERK: Was hat die Kampagne „Das ist Jagd“ bisher erreicht?
Lutz Molter, Bakk.-Phil.: Mit bereits über 3,2 Mio. erreichten Personen und über 10 Mio. aus­gespielten Anzeigen in Social Media erzielt der erste von vier „Flights“ bisher sensationelle ­Zwischenwerte. Der große Vorteil von Social Media ist, dass wir zielgerichtet arbeiten und insbesondere die junge, urbane Gesellschaft in Österreich erreichen können. Und es ist genau die junge, urbane Gesellschaft, die den Themen und Praktiken der Jagd ­vermehrt kritisch gegenübersteht. Hier wollen wir mit der Kampagne ansetzen und gezielt für mehr Wissen und ­Verständnis werben. Viel Aufmerksamkeit hat uns dabei auch das Ansuchen in Berlin und Wien gebracht, als wir jeweils mit einem Plakatwagen vor den Verlagshäusern der großen Wörter­bücher die Änderung der Definition des Jagdbegriffes gefordert haben. Neben allen großen Tageszeitungen haben besonders deutsche Influencer unseren Kampagnenstart aufgegriffen und ebenso wohlwollend berichtet. Auch andere nationale Jagdverbände denken bereits an, auf den Zug auf­zuspringen. Wir haben da etwas los­getreten, was viel größer ist, als wir uns erhofft ­hätten. Auch der europäische Verband FACE sieht die Kampagne „Das ist Jagd“ als Musterbeispiel für gute ­Öffentlichkeitsarbeit.

WEIDWERK: Warum hört man aus Jägerkreisen immer wieder, dass es keine Plakate bzw. Inserate in großen Printmedien gebe?
Molter: Auch ich bekomme diese Frage immer wieder gestellt; Kommunikation nach innen an die eigenen Mitglieder ist ohne Frage wichtig, aber das wären viele verlorene Meter. Denn eine Jägerin oder einen Jäger müssen wir nicht von der Jagd überzeugen. Wir wollen mit der Kampagne die große Mehrheit ­erreichen, die noch nicht mit der Jagd in Berührung gekommen ist. Diese ­Genauigkeit ermöglicht Social Media. Plakate beispielsweise erreichen zwar viele Personen, haben aber österreichweit einen gewissen Streuverlust und sind zudem ungleich teurer, wenn man eine wirklich durchschlagende Wirkung erzielen möchte. Für manche Bundesländer sind Plakate mit Sicherheit ein gutes Instrument, aber auf Bundesebene verpufft darin schnell viel ­Energie, die an anderer Stelle sinn­voller eingesetzt werden könnte. Um die Jäger aktiv einzubinden, bitten wir aktuell um Einsendungen „Dein Spruch zur Kampagne“, der mit „das ist Jagd“ enden kann. Vorschläge gerne per E-Mail an office@jagd-oesterreich.at. Ein Beispiel: „Sozusagen der regionalste Nahversorger – das ist Jagd“. Weiters werden wir im nächsten Schritt Infomaterial und Broschüren erarbeiten, die bei sämtlichen Ver­anstaltungen ausgeteilt werden können. Hierzu wird es noch eine separate ­Ankündigung geben.

Mag. Jörg Binder, Geschäftsführer „Jagd Österreich“ - © Martin Grasberger

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"Wir haben uns ­gemeinsam mit dem CIC bis zur letzten Sekunde dafür eingesetzt, um das mit Fallstricken durchzogene ,Nature Restoration Law‘ zu optimieren." – Mag. Jörg Binder, Geschäftsführer „Jagd Österreich“

WEIDWERK: Was waren die letzten Aktivitäten von Jagd Österreich?
Mag. Jörg Binder: Den Sommer haben wir genutzt, um verstärkt unserer Kernaufgabe, der nationalen und internationalen Interessenvertretung nachzugehen. Ausgelöst vom hervorragenden Start unserer Kampagne waren wir ­gefragte Gesprächspartner. Höhepunkt war sicher die Möglichkeit, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen ganz persönlichen Überblick über die Herausforderungen, vor denen Land-, Forst-, Alm- und Jagdwirtschaft im ­Zusammenhang mit dem Wolf stehen, zu verschaffen. Zudem haben wir uns gemeinsam mit dem CIC bis zur letzten Sekunde dafür eingesetzt, jagdliche Mehrheiten in Europa zu schaffen, um das mit Fallstricken durchzogene „Nature Restoration Law“ zu optimieren. Hierbei hat unsere jagende Abgeordnete in Brüssel, Simone Schmiedtbauer, ­einmal mehr bewiesen, dass Jägerblut kein Himbeerkracherl ist, und hier wirklich hart für sinnvollen Artenschutz gekämpft.
In enger Abstimmung mit dem ­zuständigen Ministerium haben wir in den letzten Wochen eine praxisnahe und für den Jäger verständliche Handreichung zur Umsetzung des Bleiverbots in Feuchtgebieten schaffen können. Praxistaugliche Rechtssicherheit für die Jäger zu schaffen ist, wenn ich mich in den Nachbarstaaten umschaue, leider nicht mehr selbstverständlich.
Die Artenschutztage im Zoo Schönbrunn waren ein weiteres Mosaik­stück unserer Informationskampagne. Mit Unterstützung aus Salzburg, Niederösterreich, Tirol und Oberösterreich haben wir drei Tage im Zoo Schönbrunn Unterlagen an etwa 30.000 ­interessierte Besucher und Kinder ­verteilen können. Dabei haben wir rund 6.000 Info­broschüren in Form von Kinder­kalendern, Wildtiermemorys, Malbüchern und Flyern ausgeteilt. Der Wildtieranhänger der Salzburger Jägerschaft, die VR-Brillen der Steirischen Landesjägerschaft und das Wilde Revier des NÖ Jagdverbandes haben zahl­reiche Besucher begeistert. Erstmals haben wir auch unser neues Buch „Jagen für Nichtjäger“ ausgeteilt. Das Buch räumt mit Vorurteilen gegenüber der Jägerschaft auf und beantwortet unter anderem die Frage, warum in der Kulturlandschaft gejagt wird. Die Infokampagne und die gemeinsamen Aktionen rund um die Kampagne ­zeigen uns deutlich, wie stark Jagd ­Österreich als Verbindung der Landesjagdverbände wirken kann.
Die letzten Tage haben wir unter anderem damit verbracht, uns mit den Spitzen der Verbände der Nachbar­staaten für die kommende Versammlung der FACE in Prag inhaltlich abzu­stimmen, um gemeinsamen Positionen noch mehr Gewicht zu verleihen.
So stark wie zurzeit war die österreichische Jagd international noch nie aufgestellt. Mit Simone Schmiedtbauer stellen wir die Vorsitzende der Intergroup Biodiversität, Jagd, ländlicher Raum im Europäischen Parlament. Der Österreicher Dr. Philipp Harmer LL.M. als Präsident des CIC ist ganz vorn mit dabei, wenn es darum geht, auf ­völkerrechtlicher Ebene internationale Artenschutzabkommen zu gestalten, und auch Bundesminister Norbert ­Totschnig hat als echter Motor in ­Sachen zeitgemäßer Auslegung der FFH-Richtlinie seine jagdlichen Wurzeln nicht vergessen.

WEIDWERK: Was ist das Nature ­Restoration Law, und warum müssen hier harte Bretter gebohrt werden?
Binder: Das Gesetz zur Wiederher­stellung der Natur verfolgt das Ziel, Lebensräume in der Natur wieder­herzustellen und die Biodiversität zu ­erhalten. Ziele, die wir Jäger voll und ganz unterstützen. Leider wird beim Gesetz, wie es von der EU-Kommission vorgeschlagen wird, auf die falschen Mittel und Wege gesetzt, um dieses Ziel zu erreichen. Einerseits drohen durch das Gesetz Einschränkungen für die Land- und Forstwirtschaft, was insbesondere für die heimischen Jäger, die in der Land- und Forstwirtschaft aktiv sind, eine völlig falsche Richtung darstellt. Wir Jäger sind es gewohnt, in und mit der Natur zu leben und zu arbeiten. Unser Zugang lautet „Schützen durch Nützen“. Das sollte genauso für die Land- und Forstwirtschaft gelten. Andererseits setzt das Gesetz zur ­Wiederherstellung der Natur auf ­massive ­Eingriffe in Eigentumsrechte, was für uns der falsche Weg ist. Unsere ­heimische Jagd beruht auf privaten Eigentumsrechten, die über Generationen hinweg entwickelt wurden. Diese Rechte erlauben es Landbesitzern, die Jagd auf ihren Ländereien zu regulieren und ­sicherzustellen, dass sie nachhaltig und verantwortungsbewusst betrieben wird. Der Entzug von Flächen aus der ­wirtschaftlichen Nutzung könnte die Jagdmöglichkeiten beschränken und würde die Freiheit der Landbesitzer ­erheblich einschränken. Es ist wichtig, eine ausgewogene Lösung zu finden, die den Schutz der Natur und die ­Wahrung von Eigentumsrechten in Einklang bringt. Die Beteiligung der Jäger an der euro­päischen Gesetz­gebung kann dazu beitragen, die ­Bedenken zu berücksich­tigen und sicher­zustellen, dass die Gesetze fair und vernünftig sind. Die Präsidentin der überparteilichen Arbeitsgruppe für die Jagd im Europa­parlament, Simone Schmiedtbauer, setzt sich in den ­aktuell laufenden Verhandlungen zum finalen Gesetz dafür ein, noch Ver­besserungen im Sinne der Boden­bewirtschafter und der Jäger zu erreichen. Diese laufenden Verhandlungen werden darüber entscheiden, ob wir einen finalen Text ­erreichen, der den Anforderungen der Praxis genügt.

LJM Herbert Sieghartsleitner, Präsident „Jagd Österreich“ - © Martin Grasberger

© Martin Grasberger

"Jetzt endlich konnte die EU-Kommission durch Druck von Österreich und Schweden dazu angeregt werden, ihre Haltung zum Wolf zu überdenken." – LJM Herbert Sieghartsleitner, Präsident „Jagd Österreich“

WEIDWERK: Welche Neuigkeiten gibt es zum Großraubtier Wolf aus der EU?
Präs. LJM Herbert Sieghartsleitner: Seit sechs Jahren warnen wir als Jagd Österreich vor der unkontrollierten Ausbreitung des Wolfes. Seit sechs ­Jahren sehen wir sämtliche Herdenschutzmaßnahmen – insbesondere in unserem alpinen Gelände – krachend scheitern. Sowohl Zäunungen als auch die ständige Anwesenheit des Menschen durch Behirtung bzw. Schutzhunde sind massive Eingriffe und Veränderungen in sensiblen Ökosystemen. Jetzt endlich konnte die EU-Kommission durch Druck von Österreich und Schweden dazu angeregt werden, ihre Haltung zum Wolf zu überdenken und eine tiefgehende Datenerhebung in Europa zu veranlassen. EU-Kommissionspräsiden­tin von der Leyen hat Anfang ­September in einer Aussendung alle betroffenen Organisationen angehalten, der Kommission binnen drei Wochen Unterlagen, Zahlen, Daten und Fakten zu liefern. Koordiniert mit Land­wirtschaftsvertretern haben wir der Kommission die entsprechenden Daten, wie auch unsere eindeutige Haltung zu diesem Thema übermittelt. Eine ­Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes ist unmittelbar notwendig, um das Problem in Zukunft lösen zu ­können. Der Wolf muss lernen, dass eine Annäherung an den Menschen, an menschliche Konstruktionen und Weidetiere unmittelbare Konsequenzen bedeutet. Bedenkt man, dass rund 80 % der abwandernden Jungwölfe aus einem Rudel von anderen Wölfen gerissen werden und die Wolfspopulation ­dennoch stark steigt, ist klar, dass die Wolfspopulation in ihrer Gesamtheit entsprechend belehrende Eingriffe verträgt. Die vorgeschobene Angst mancher Wolfsbefürworter, dass man dieses Raubtier wieder ausrotten könne oder wolle, ist schlicht falsch und ­verunmöglicht eine sachlich nüchterne Debatte. Nichtsdestotrotz werden wir weiter für ein entsprechendes Management des Wolfes und für Wolfs­freizonen analog zur Rotwild­bewirtschaftung einstehen.

Fortsetzung im Printmedium folgt.