PTBS bei Jagdhunden: Ursachen und Hilfe
Erfahren Sie, wie Jagdhunde durch traumatische Erlebnisse wie Angriffe von Wild oder Verletzungen PTBS entwickeln können. Jürgen Rosenkranz erklärt, wie man diese Hunde unterstützt und wie der Einsatz eines „Assistenten“ helfen kann.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass unsere Jagdhunde in der rauen Praxis gewissen Gefahren ausgesetzt sind. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch Verhaltensstrukturen stark beeinflusst werden können.
In der Humanmedizin spricht man hierbei von einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Die Symptome können im Verlauf stark variieren und zu manchen Zeiten stärker und zu anderen Zeiten geringer ausgeprägt sein. Häufig besteht jedoch das Risiko, dass die Störung chronisch bestehen bleibt.
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass der Krankheitsverlauf stets von der Wahrnehmung des Ereignisses und dem Wesen der jeweiligen Individuen abhängig ist. Besonders bei der Bau- und Stöberjagd oder bei Nachsucheneinsätzen ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass es bei diesen Einsätzen zu einem direkten Kontakt mit wehrhaftem Wild kommen kann.
Anhand der im Folgenden dargestellten Beispiele soll verdeutlicht werden, welche Folgen bestimmte „Negativerlebnisse“ haben können und wie unseren Jagdhunden geholfen werden kann, das jeweilige Trauma zu überwinden.
Phobie nach Widder-Attacke: Die Folgen für meinen Jagdhund
Auf einer Nachsuche auf einen Widder mit Hohlschuss wurde mein auf vielen Hatzen bewährter Brandlbrackenrüde nachweislich frontal von dem kapitalen Widder attackiert. Infolgedessen ließ er vom Widder ab und war zu keiner Fortführung der Hatz mehr zu bewegen. Auch als es meinem nachgeführten Bayerischen Gebirgsschweißhund gelang, den Widder bis zum erlösenden Fangschuss zu stellen, hielt er merklichen Abstand vom erlegten Stück. Diese Phobie zeigte sich auch in der Form, dass der Rüde die unter anderem mit Muffeltrophäen dekorierte Diele unseres Hauses über mehrere Wochen nur mit großem Respekt betrat.
Auf zwei nachfolgenden Widdernachsuchen mit anschließender Hatz leistete er zwar eine verlässliche Riemenarbeit, vom zu stande gehetzten Widder ließ er allerdings schnell ab. Daraus schlussfolgernd setze ich seither speziell bei Widdernachsuchen, die eine Hetze erwarten lassen, stets einen anderen Hund ein. Anzumerken wäre noch, dass die Phobie, wenn auch in abgeschwächter Form, seit nunmehr fünf Jahren zu beobachten ist.
Verletzung durch Fangschuss: Die Phobie meines Jagdhundes nach Rotwildbegegnung
Nach einer längeren Riemenarbeit und Hatz auf ein laufkrankes Rotwildkalb gelang es meinem BGS, dieses zu stande zu hetzen. Vor dem Antragen des finalen Fangschusses stand der BGS etwa 10 m schräg hinter dem sich stellenden Kalb. Das Kalb quittierte den Fangschuss mit einem sofortigen Zusammenbrechen. Zu meinem Erstaunen ging auch der BGS zeitgleich laut klagend ab. Eine zeitnah durchgeführte Nachsuche auf den angeschweißten Hund verlief erfolglos. Erst am nächsten Morgen wurde der verletzte Rüde am abgelegten Rucksack aufgefunden. Das offensichtlich schräg aus dem Wildkörper ausgetretene Geschoss hatte den Hund mit der Restenergie Hochblatt getroffen und blieb oberhalb im hinteren Teil über der Wirbelsäule stecken. Dank einer professionellen tierärztlichenTherapie war der Hund nach etwa einem halben Jahr wieder voll einsatzfähig. Aber auch hier musste ich feststellen, dass der Rüde bei zwei in Folge durchgeführten Rotwildnachsuchen mit anschließender Hatz nach kurzem Stellen vom Stück abließ. Dieses Verhalten war nur beim Rotwild festzustellen. Im Interesse einer weidgerechten Nachsuche stellte ich auch hier meinem BGS einen „Assistenten“ zur Seite. Am erlegten Stück machte ich dann beide Hunde genossen. Eine deutliche Abschwächung der anfänglich starken Phobie war erst nach einigen Jahren festzustellen.
Keilerjagd und Verletzung: Wie ein Jagdhund ohne PTSD auf den Vorfall reagierte
Um zu verhindern, dass ein Keiler mit tiefem Laufschuss eine stark befahrene Bundesstraße überquert, schnallte ich ausnahmsweise zur Unterstützung einen zweiten Hund. Tatsächlich ging die Rechnung auf und der von beiden Hunden stark bedrängte Keiler konnte rechtzeitig zur Strecke gebracht werden. So groß die Freude über die Erlegung war, so sehr waren mein Begleiter und ich über die starke Verletzung des zugeschnallten Alpenländischen Dachsbrackenrüdens erstaunt. Trotz Schutzweste hing ein Großteil seines Gescheides heraus. Hinzu kam der unglückliche Umstand, dass wir –6 °C hatten und mir noch etwa 3 km Rückweg bis zum Fahrzeug bevorstanden. Entgegen aller Befürchtungen hat der Rüde die Notoperation gut überstanden und war bereits nach etwa zwei Monaten wieder stabil.
Erstaunlicherweise habe ich bei diesem Hund im Vergleich zu den zuvor geschilderten Fällen keine traumatischen Symptome festgestellt. Bereits die erste nach seinem „Unfall“ durchgeführte Nachsuche auf einen weich geschossenen Überläufer hat er in gewohnter Bravour und Kompromisslosigkeit gemeistert. In diesem Fall ist zu vermuten, dass die Wahrnehmung der Verletzung durch die Anwesenheit seines Zwingergenossen und des erhöhten Adrenalinspiegels nicht so deutlich empfunden wurde. Hinzu kommt die Tatsache, dass dem Rüden ein Genpotenzial für ein starkes Wesen mit in die Wiege gelegt wurde.
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Umgang mit PTBS bei Jagdhunden: Strategien für die Rehabilitation
Sollten sich bei unseren Jagdhunden akute oder posttraumatische Symptome andeuten bzw. bestätigen, besteht kein Grund, die Flinte gleich ins Korn zu werfen. Sofern die Ursachen dafür bekannt sind, sollten die künftigen Einsätze speziell darauf ausgerichtet sein. Das jeweilige Ereignis und die damit im Zusammenhang stehende Wildart sind hierbei immer im Kontext zu sehen.
Durch die Unterstützung eines anderen geeigneten Hundes im Sinne einer Arbeitsteilung könnte das behutsame Heranführen an das entsprechende Arbeitsfeld gefördert werden. Wenn zum Beispiel die posttraumatischen Symptome durch die „Negativwahrnehmung“ während einer Hatz hervorgerufen wurden, sollte bei einer Nachsuche dieser Teil auf einen „Assistenten“ übertragen werden. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass nach einem solchen Einsatz auch ein gemeinsames Genossenmachen am erlegten Stück zur Wiederherstellung der psychischen Stabilität führen kann.
Dabei ist allerdings stets das entsprechende Konkurrenzgehabe der Beteiligten zu beachten. Für den Fall, dass der betroffene Hund noch nicht vollumfänglich einsetzbar ist, sollte nach alternativen Lösungen gesucht und gegebenenfalls die anstehende Arbeit weitervermittelt werden. Im Interesse des Tierschutzes und der Weidgerechtigkeit wäre jegliches „Herumexperimentieren“ inakzeptabel.
Zum Autor:Jürgen Rosenkranz ist ein Nachsuchenführer in Deutschland und Autor zahlreicher Jagdpraxisartikel und Jagderzählungen in deutschsprachigen Jagdmagazinen.