Erste Hilfe für Jagdhunde im Notfall

Was tun, wenn ein Jagdhund verletzt wird? Erfahren Sie alles über Erste-Hilfe-Maßnahmen, Notfallausrüstung und Prävention für den Ernstfall.
Der Morgen ist bitterkalt, der Boden mit Raureif überzogen. Nebelschwaden ziehen durch den dichten Wald, in dem bereits reges Treiben herrscht. Aus der Ferne hallt das Geläut der Jagdhunde – wir sind auf Schwarzwildjagd. Die erfahrenen Hunde treiben die Sauen aus der Dickung, während wir ihnen durch das Unterholz folgen. Plötzlich verändert sich das Gebell, wird lauter, aufgeregter. Dann ein markerschütterndes Aufheulen – ein Hund ist verletzt! Jetzt zählt jede Sekunde.
Doch wie leistet man in einem solchen Moment schnell und richtig Erste Hilfe? Welche Ausrüstung ist notwendig, und wie reagiert der Hund in einer solchen Extremsituation?
Jagdhunde schützen: Vorsorge & Erste Hilfe
Jagdhunde sind unverzichtbare Helfer im Revier. Doch ihr Einsatz birgt Risiken, die von Schnittverletzungen bis hin zu schweren Wildunfällen reichen. Die beste Erste-Hilfe-Maßnahme ist es daher, Unfälle zu verhindern – durch gezielte Vorsorge, Vorbereitung und die richtige Ausrüstung.
Ein gesunder, trainierter Hund mit einer guten Kondition ist die Grundvoraussetzung für sicheres Arbeiten im Revier. Ein aktueller Impfschutz und effektives Parasitenmanagement (Fuchsbandwurm-, Räude-Erreger) sind ebenso essenziell, um Infektionen und Erkrankungen zu vermeiden. Gerade der enge Kontakt mit Wild erhöht das Risiko für Krankheiten, wie Staupe, die beispielsweise durch Kontakt mit Marderartigen übertragen werden können.
An zweiter Stelle kommt, auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. Hierzu muss die Ausrüstung mit Bedacht gewählt werden. Schutzwesten, Ortungsgeräte oder Signalwesten bieten Schutz – jedoch nur, wenn sie richtig passen. Eine schlecht sitzende Weste kann die Bewegungsfreiheit einschränken und im schlimmsten Fall sogar Unfälle verursachen.
Jagdhunde sicher im Einsatz
Vor der Jagd ist es sinnvoll, sich über tierärztliche Notfallkontakte vor Ort zu informieren. Wurde ein Tierarzt über die stattfindende Jagd informiert und gibt es eine Rufbereitschaft? Sollte dies nicht der Fall sein, muss man sich selbst einen Tierarzt vor Ort suchen und sich vorab über Ordinations- sowie Notdienstzeiten informieren. Ebenso wichtig sind die Kontrolle und das Auffüllen der Jagdhundeapotheke. Je nach Jagdart drohen unterschiedliche Verletzungen. Bei der Niederwildjagd oder der Wasserarbeit kommt es häufig zu Verletzungen durch die Vegetation, aber auch zu Schnitten an den Ballen oder zu Verletzung durch Fremdkörper, wie Grannen. Bei der Wasserarbeit können durch Überanstrengung auch Symptome einer „Wasserrute“ (Entzündung der Rücken- und Rutenmuskulatur) hervorgerufen werden. Bei Bau- oder Bewegungsjagden kann es wiederum zu direkten Verletzungen durch Wildtiere kommen.
Nun stellt sich die Frage, ob man eine „fertig“ zusammengestellte Apotheke aus dem Fachhandel nimmt, oder selbst ein passendes Erste-Hilfe-Set zusammenstellt. Zu bedenken ist, dass das Erste-Hilfe-Set, welches der Hundeführer bei sich trägt, leicht und gut mitzuführen sein muss. Dieses dient in erster Linie der schnellen Erstversorgung vor Ort . Ein größeres Erste-Hilfe-Set kann zusätzlich im (nahe gelegenen) Auto bereitstehen.

© Barbara Marko
Grundausstattung Erste-Hilfe-Set |
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Auf der Packliste jedes Hundeführers sollte auch ein gut ausgestattetes Erste-Hilfe-Set für den vierbeinigen Jagdkameraden stehen. Absolute Gundausstattung, um für den Ernstfall gerüstet zu sein, ist: |
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Erste Hilfe für Jagdhunde: Vitalwerte erkennen und richtig handeln
Wer Erste Hilfe leisten möchte, muss normale Vitalwerte von kritischen unterscheiden können und wissen, wo bzw. wie er diese erhebt. Ein kleiner Hund oder Welpe macht etwa 15–50 Atemzüge/Minute. Große Hunde hingegen machen rund 20–30 Atemzüge/Minute. Erhoben wird die Atmung anhand der Brustkorbbewegungen, die der Hund über eine Minute macht. Wenn der Hund stark hechelt, können die Atemzüge nicht gezählt werden. Normal ist die sogenannte „Brust-Bauch-Atmung“: stellt man eine vermehrte Bauchatmung, eine flache Atmung oder Geräusche bei der Atmung fest, gilt es, diese als Warnhinweise zu werten.Der Puls wird mittig an der Innenseite der Oberschenkel getastet und über eine Minute ausgezählt. Hier gilt bei kleinen Hunden: 80–120 Schläge/Minute, bei großen Hunden: 60–80 Schläge/Minute. Auch die Schleimhäute verraten uns einiges über den Gesundheitszustand des Hundes.

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Hier sollte man üben, die Lefze des Tieres anzuheben, um die Schleimhaut des Zahnfleisches beurteilen zu können . Eine blassrosa Schleimhaut ist normal. Ist diese jedoch bläulich, weist das auf Sauerstoffmangel hin, ist die Schleimhaut sehr blass, weist dies auf einen Schock oder Blutverlust hin. Eine grau verwaschene Färbung kann auf einen länger bestehenden Schock hinweisen, bei dem der Blutverlust bereits fortgeschritten ist.

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Im Zuge dessen kann auch die Kapillarfüllungszeit überprüft werden.Dazu wird mit dem Finger auf das Zahnfleisch gedrückt, sodass die Druckstelle weiß wird. Dann den Druck von der Stelle nehmen und die Sekunden, bis sie wieder rosa erscheint, zählen. Normalerweise sollte der Abdruck nach zwei Sekunden wieder rosa werden. Dauert es länger, deutet dies auf eine Durchblutungsstörung, beispielsweise einen Schock, oder auf Kreislaufprobleme hin.
Auch das Messen der Körpertemperatur gehört zu den Vitalparametern, die man selbst beim Hund kontrollieren kann. Diese wird mittels Fieberthermometer rektal gemessen. Der Normalbereich liegt bei großen Hunden bei 38,0 °C und bei kleinen Hunden oder Welpen bei 39,0 °C. Bei einer Körpertemperatur von unter 37,7 °C spricht man von einer Unterkühlung. Hier zeigen sich meist auch andere Symptome, wie etwa Schwäche, flache Atmung, Muskelsteifheit, schwacher Puls und erhöhte Herzfrequenz. Bei einem Hitzschlag zeigt der Hund zwar auch Schwäche, jedoch sind die Begleitsymptome beispielsweise starkes Hecheln, knallrote trockene Schleimhäute und eine erhöhte innere Körpertemperatur. Lebensbedrohlich wird es ab 41 °C.
Einfach zu überprüfen ist die Hautelastizität. Hierbei zieht man die Hautfalte über dem Auge des Hundes oder die Hautfalte im Nacken auf. Diese sollte im Normalfall sofort zurückgehen. Bleibt sie stehen, spricht dies für einen Flüssigkeitsmangel des Tieres.
Erste Hilfe für Jagdhunde: Leben retten durch Vorbereitung und schnelles Handeln
Retten bedeutet eine lebensbedrohliche Situation zu erkennen und alle Maßnahmen, die im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten liegen, zu ergreifen, um den Zustand des Tieres zu stabilisieren, bis dieses beim Tierarzt ist.
Der Grundgedanke eines jeden Tierhalters sollte sein: „Erste Hilfe leisten ist immer besser, als nichts zu tun!“ und „Vorbereitung ist alles!“. Dem erfahrenen Hundeführer dürfte bereits an dieser Stelle klar sein, dass sich das zuvor beschriebene Überprüfen der Vitalparameter im Notfall nicht ohne vorheriges Training bewerkstelligen lässt. Zumal man in einer Notsituation auch mit den eigenen Nerven zu kämpfen hat und möglichst ruhig bleiben sollte. Außerdem zeigen sich nur die wenigsten Hunde unter Schmerzen kooperativ.
Bewusstlosigkeit, Beatmung und Herzmassage richtig durchführen
Ist der Hund bewusstlos, muss er zunächst in die rechte Seitenlage gebracht werden. Der Kopf wird vorsichtig überstreckt, um die Atemwege freizuhalten, und die Zunge sollte aus dem Maul gezogen werden. Danach ist es wichtig, sofort Atmung und Puls zu kontrollieren.
Lässt sich keine Atmung feststellen, beginnt die Mund-zu-Nase-Beatmung. Dafür wird der Kopf des Hundes leicht gestreckt und gegebenenfalls die Zunge herausgezogen. Um die Atemwege freizuhalten, sollten Schleim, Blut oder Erbrochenes aus der Maulhöhle entfernt werden. Dann wird vorsichtig alle zwei bis drei Sekunden Luft in die Nase geblasen. Dabei ist es entscheidend, das Heben des Brustkorbs zu beobachten, um sicherzustellen, dass die Luft tatsächlich in die Lunge gelangt. Nach jeder Beatmung erhält der Hund eine kurze Pause zum „Ausatmen“. Anschließend muss überprüft werden, ob die Spontanatmung wieder einsetzt.
Bleibt der Herzschlag aus, ist eine sofortige Herzmassage erforderlich – jedoch nur, wenn wirklich keine Herztätigkeit mehr feststellbar ist! Dazu werden beide Hände übereinandergelegt und mit gestreckten Armen direkt hinter dem Ellenbogen des Hundes auf die linke Seite des Brustkorbs gedrückt.

© Barbara Marko
Der Druck sollte zwar kräftig, aber dennoch kontrolliert ausgeübt werden. Die Frequenz hängt von der Größe des Hundes ab: Während bei großen Hunden etwa eine Kompression pro Sekunde erforderlich ist, sind es bei kleineren Hunden bis zu zwei pro Sekunde.
Bei einer vollständigen Reanimation werden die Herzmassage und die Mund-zu-Nase-Beatmung kombiniert. Zunächst erfolgen 15 Herzmassagen, danach wird zwei- bis dreimal beatmet. Auch wenn der Hund eine Brustverletzung erlitten hat, haben die Wiederbelebungsmaßnahmen oberste Priorität. Währenddessen sollte regelmäßig überprüft werden, ob Puls oder Atmung wieder einsetzen.
Schockzustand bei Jagdhunden: Erkennen, richtig handeln und Erste Hilfe leisten
Ein Schockzustand ist eine lebensbedrohliche Situation, in der der Körper in eine art Notfallprogramm schaltet und nur noch die wichtigsten Organe, wie Hirn und Herz, durchblutet werden. Ein solcher Zustand ist nicht immer leicht zu erkennen, besonders dann, wenn äußere Verletzungen fehlen.
Um zu erkennen, ob sich ein Tier in einem Schockzustand befindet, helfen uns die Vitalparameter. Bei einem Schock hat der Hund blasse oder graue Schleimhäute, eine erhöhte Herzfrequenz und einen schwachen Puls. Ist der Schock erst einmal festgestellt, muss der Hund in die Seitenlage gebracht und das Becken des Tieres leicht hochgelagert werden. Liegt keine Überhitzung vor, sollte der Hund zum Beispiel mit einer Rettungsdecke gewärmt werden. Ohne schnelle Hilfe kann ein Schock tödlich enden. Der Hund sollte so rasch wie möglich zum Tierarzt gebracht werden.
Ist der Hund hingegen noch mobil und ansprechbar, muss er umgehend durch entsprechende Fixierungsgriffe und Lagerungstechniken gesichert werden. Selbstschutz ist hier das oberste Gebot. Die Techniken für das richtige Fixieren und Lagern sollten immer wieder spielerisch mit dem Tier geübt werden. Auch dies gehört zu einer Vorbereitungsarbeit. Bei starkem Abwehrverhalten sollte im ersten Schritt unbedingt ein passender Beißkorb oder eine Maulschlinge, beispielsweise mit Köpperband, angelegt werden.

© Barbara Marko
Spezielle Verbandtechniken für Jagdhunde: Erste Hilfe bei Verletzungen richtig anwenden
Je nach Art der Verletzung sind spezielle Verbandstechniken gefragt: Ob Pfotenverband, Kopf- oder Ohrenverband oder eine spezielle Technik für Verletzungen an Brust und Bauch. Auch diese gilt es vorab am eigenen Hund zu üben. Vor allem bei besonders stark blutenden Verletzungen kommt es darauf an, schnell einen Druckverband anlegen zu können. Das Abbinden von Extremitäten sollte hingegen nur in absoluten Ausnahmefällen angewendet werden, wenn der Blutfluss durch einen Druckverband nicht gestoppt werden kann.
Besonders dramatisch sind Verletzungen, bei denen innere Organe betroffen sind. Hervorquellende Darmschlingen, eine offene Fraktur oder ein herausgetretener Augapfel erfordern sofortiges Handeln. Doch Vorsicht: Niemals sollte versucht werden, die herausgetretenen Gewebe zurück in den Körper zu drücken. Stattdessen sollte man die betroffene Stelle mit befeuchteten Wundauflagen bedecken und mittels Verband schützen. Hier kommt ein überraschender Helfer ins Spiel – die Frischhaltefolie. Sie ist nicht nur vielseitig, sondern kann auch größere Wunden gut abdecken und den Verband zusätzlich abdichten.
Fremdkörper bei Jagdhunden: Erste Hilfe bei Verletzungen an Auge, Maul und Ohr
Ein Splitter im Auge, ein Stock im Maul oder ein Fremdkörper im Ohr – solche Verletzungen erfordern eine ruhige Hand und besonnenes Vorgehen.
Ein Fremdkörper im Auge sollte unbedingt darin belassen werden, um weitere Schäden zu vermeiden. Wichtig ist, das verletzte Auge vor Einwirkungen durch den Hund, wie Kratzen oder Scheuern, zu schützen. Hier kann eine Decke oder ein Mantel, der über den Kopf des Hundes gelegt wird, hilfreich sein, um den Hund zu stabilisieren.
Im Maulbereich hängt das Risiko vom Sitz des Fremdkörpers ab. Ist dieser oberflächlich oder weit vorne eingedrungen, kann er vorsichtig entfernt werden. Je weiter hinten der Fremdkörper steckt, desto größer ist die Gefahr für Atemprobleme oder die Möglichkeit, beim Entfernen des Fremdkörpers weitere sensible Bereiche zu verletzen. Auch im Ohr gilt: Fremdkörper sollten nur entfernt werden, wenn sie leicht zugänglich sind. Andernfalls ist es besser, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Nach der Jagd: Wichtige Pflegeroutine für Jagdhunde
Nach jedem Jagdeinsatz sollte der Hund gründlich untersucht werden. Ein Abstreifen oder Durchbürsten des Fells hilft, Grannen und Kletten auszumachen und zu entfernen. Bei langhaarigen Jagdhunden hat sich ein spezieller Pflegespray als äußerst nützlich erwiesen. Insbesondere Mähnensprays, die eigentlich für Pferde entwickelt wurden, leisten hier wertvolle Dienste. Wird der Spray bereits vor dem Jagdausflug auf das Fell aufgetragen, bleiben Kletten und andere Pflanzenteile deutlich weniger haften. Wodurch nicht nur das mühsame Entwirren danach, sondern auch das Bürsten erheblich erleichtert werden. So bleibt das Fell geschmeidig, und der Hund fühlt sich wohl – ein einfacher Trick mit großer Wirkung.
Ohren und Augen müssen ebenfalls auf Fremdkörper untersucht und kleinere Wunden umgehend desinfiziert werden.
Speziell nach der Baujagd empfiehlt sich ein ausgiebiges Bad – nicht nur, um versteckte Verletzungen sichtbar zu machen, sondern auch, um Schmutz und Parasiten zu entfernen.
Erste Hilfe für Jagdhunde: Vorbereitung auf Notfälle mit Kursen des NÖ Jagdverbands
Gute Vorbereitung und fundiertes Wissen über Erste-Hilfe-Maßnahmen können über Leben und Tod entscheiden. Allerdings bringt das beste Wissen nichts, kann man es nicht umsetzen.
Um auf Notfälle entsprechend vorbereitet zu sein, bietet der NÖ Jagdverband einen Erste-Hilfe-Kurs speziell für die Versorgung von Jagdhunden an. Denn Erste-Hilfe-Techniken, Vorsorgemaßnahmen und eine stets gut ausgestattete Notfallapotheke können dem vierbeinigen Jagdbegleiter im Ernstfall das Leben retten.
Zur Autorin: Dr. Jasmin Raubek ist Tierärztin. Die leidenschaftliche Jägerin und Hundeführerin vermittelt Hundeführern im Rahmen des Kurses „Erste Hilfe beim Jagdhund“ des NÖ Jagdverbandes, die wichtigsten Sofortmaßnahmen und Erste-Hilfe-Techniken, um den Vierbeiner im Ernstfall rasch und richtig helfen zu können.
Anmeldung und Informationen zum Kurs „Erste- Hilfe- beim Jagdhund“ des NÖ Jagdverbandes:
Tel. +43 (0)1 405 16 36-18 bzw. 32 oder über die Seminarplattform des NÖ JV.