Artikel

Erste Hilfe bei Jagdunfällen: So handeln Sie richtig

5. Dezember 2024 -
Erste Hilfe in Jagd & Forst - © privat
© privat

Erfahren Sie, wie Jäger Jagdunfälle vermeiden und in Notsituationen richtig reagieren können. Von Erste-Hilfe-Tipps bis zur Ausrüstung – Sicherheit im Revier hat oberste Priorität!

An einem nebeligen Herbstmorgen macht sich der erfahrene Jäger Hans wie gewohnt in sein Revier auf. Der Tag verspricht ruhig zu werden, doch ein unglücklicher Sturz von seinem Hochsitz ändert alles. Mit einer stark blutenden Riss-Quetsch-Wunde am Bein und inmitten des Waldes benötigt er dringend Hilfe. Aber was tun, wenn in einer solchen Situation der Rettungsdienst weit entfernt ist?
Jagdunfälle sind seltener als man denkt, doch wenn sie geschehen, ist das richtige Verhalten entscheidend. Von kleineren Schnittwunden bis hin zu lebensbedrohlichen Schussverletzungen – als Jäger muss man auf alles vor­bereitet sein. Der Reiz der Natur, das Abenteuer, das stille Warten auf das Wild – all das kann von einem Moment auf den anderen in einem Notfall enden. Doch wie kann man sich auf solche Extremsituationen vorbereiten?

Sicher jagen: Prävention und Schutz vor Unfällen

Jeder Jäger weiß, dass Prävention und Sicherheitsmaßnahmen oberste Priorität haben. Ein wichtiger Aspekt ist die Wahl der richtigen Ausrüstung: Festes Schuhwerk, Schutzkleidung, Arbeitshandschuhe und Schutzbrille bei Revier­arbeiten sollten zur Grundausstattung gehören. Eine regelmäßige Kontrolle von Reviereinrichtungen und Jagdausrüstung ist ebenso unerlässlich. Besonders im unwegsamen Gelände kann der kleinste Fehler zu einem folgenschweren Unfall führen.
Mehr als 50 % der Unfälle resultieren gemäß einer deutschen Studie aus Stürzen, sei es vom Hochsitz oder durch unebenes Terrain. Die Jagd kann Verletzungen mit sich bringen, die von Schnitt- und Schürfwunden über Augenverletzungen bis hin zu Knochenbrüchen reichen. Auch Schussver­letzungen kommen vor, sind jedoch glücklicherweise extrem selten, auch wenn es aufgrund der prominenten Medienberichterstattung, die solche Fälle häufig begleitet, meist anders wirkt.

Erste-Hilfe-Kurs
Informationen und Anmeldung zum Erste-­Hilfe-Kurs des NÖ Jagdverbandes:
Tel. +43 (0)1 405 16 36-18 bzw. 32 oder über die Seminarplattform des NÖ JV.

Notfallmanagement für Jäger: Erste Hilfe und Apps

Nicht jede Verletzung ist sofort sichtbar. Auch Insektenstiche, eine Unterkühlung oder ein Hitzschlag können lebensbedrohlich werden. Bei Revierarbeiten empfiehlt es sich, immer einen Helfer dabei zu haben. So ist man sowohl beim Bau von Reviereinrichtungen als auch im Notfall nicht alleine. Aber wie mit Verletzungen umgehen, wenn niemand zur Stelle und der nächste Arzt weit entfernt ist?
Der erste wichtige Schritt, um anderen, aber auch sich selbst im Notfall helfen zu können, ist der Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses. Dieser sollte alle paar Jahre aufgefrischt werden. Der NÖ Jagdverband bietet ein solches Seminar – speziell für Jäger – erstmals am 17. 3. 2025 in St. Pölten an. Außerdem kann ein Handy im Notfall Leben retten. Daher betreibt der NÖ Jagdverband seit Mai 2024 eine Kooperation mit der kostenlosen „Notruf-App 144“. Die App, welche auf das eigene Smartphone heruntergeladen wird, ermöglicht es, im Notfall der Notrufzentrale den exakten Standort zu übermitteln, um die Rettungskräfte schnellstmöglich zum Unfallort zu dirigieren.

Wichtige Grundausstattung: Erste-Hilfe-Set
Ein gut ausgestattetes Erste-Hilfe-Set ist das wichtigste Werkzeug für Jäger, um schnell auf Verletzungen reagieren zu können. Neben den Standardmaterialien gibt es einige spezielle Utensilien, die für Jagd­unfälle besonders sinnvoll sind:
  • sterile Kompressen und Druckverbände: unverzichtbar für die Wund­versorgung und zur Blutstillung bei tiefen Schnitt- oder Schusswunden
  • „Tourniquet“ (Abbinde-System): Besonders bei starken Blutungen an Armen oder Beinen kann ein Tourniquet lebensrettend sein, um den Blutfluss zu stoppen.
  • Wunddesinfektionsmittel: Essenziell, um Wunden schnell und gründlich zu reinigen.
  • Pflaster in verschiedenen Größen: Für kleinere Schnitte und Schürfwunden.
  • Rettungsdecke: Hält den Verletzten warm und hilft, einen Schock zu verhindern.
  • Adrenalin-Autoinjektor: Für Jäger mit bekannten Insektenallergien ein Muss.
  • Augenspüllösung: hilft bei Fremdkörpern im Auge oder Reizungen
  • Pinzette und Schere: Nützlich, um Splitter zu entfernen oder Verbände zuzuschneiden.
  • Zeckenzange: unverzichtbar für die schnelle und vollständige Entfernung von Zecken
  • Notfallkarte: Mit wichtigen medizinischen Informationen, wie Blutgruppe und Allergien. Alternativ kann man diese Informationen bereits im Mobiltelefon bei den Notfallinformationen (für Rettungskräfte) vermerken.

Perfekt vorbereitet: Must-Haves für die Jagd im Revier

Wie in jedem anderen Lebensbereich gilt auch bei der Jagd: Vorbereitung ist alles! Vor und während eines jeden Aufenthalts im Revier sollte auf Wetter­änderungen geachtet und das Revier bei extremen Wetterbedingungen gemieden oder verlassen werden. Besonders dann, wenn man in exponierten Revieren unterwegs ist, muss eine verlässliche Person über den genauen Aufenthaltsort (wo genau man im Revier unterwegs sein wird) und den geplanten Zeitpunkt der Rückkehr informiert werden. Auch der Jagdrucksack sollte vor jeder Jagd überprüft werden. So gehört neben einem Messer und einer Stirnlampe auch ein Erste-Hilfe-Set zur Grund­ausstattung eines fermen Jägers.

Tourniquet richtig anwenden: Leben retten im Notfall

Ein Tourniquet ist ein medizinisches Hilfsmittel, das verwendet wird, um starke Blutungen an Armen oder Beinen zu stoppen. Es handelt sich dabei um ein Band oder einen Gurt, das/der eng um die betroffene Extremität gelegt und festgezogen wird, um den Blutfluss zu unterbrechen. Das Ziel ist es, das Leben einer Person zu retten, wenn sie eine starke, lebensbedrohliche Blutung aufweist, die auf andere Weise nicht kontrolliert werden kann. Da es nur im absoluten Notfall eingesetzt wird, sollte es ausgepackt, einsatzbereit und leicht erreichbar am/im Rucksack angebracht/versorgt werden.
Eingesetzt wird das Tourniquet bei starken Blutungen, die nicht durch Druckverbände unter Kontrolle gebracht werden können: In Notsituationen, beispielsweise nach Unfällen, Stichverletzungen oder Amputationen, wenn der Blut­verlust schnell gestoppt werden muss, um das Leben der Person zu retten. Das Tourniquet wird oberhalb der Verletzung (zwischen der Wunde und dem Herzen) angebracht, idealerweise 5–10 cm über der Wunde. Es sollte nicht direkt auf einem Gelenk liegen, sondern auf einem festen, flachen Bereich. Das Band wird so fest wie möglich angezogen, um den Blutfluss in den betroffenen Bereich zu stoppen. Viele Tourniquets haben einen Drehmechanismus mit Knebel oder eine Schraube, mit der man die Spannung erhöhen kann. Nachdem das Tourniquet festgezogen worden ist, wird der Mechanismus fixiert, damit er sich nicht lockern kann. Es ist sehr wichtig, die Uhrzeit aufzuschreiben, zu der das Tourniquet angelegt worden ist. Dies hilft medizinischem Personal, die weitere Behandlung zu planen.
Ein Tourniquet sollte nur dann angewandt werden, wenn eine lebens­bedrohliche Blutung vorliegt, da es die Blutzufuhr zum Gewebe komplett unterbricht. Das kann, wenn dieser Zustand zu lange anhält, zu Gewebeschäden führen. Das Tourniquet darf nicht ohne Grund gelockert oder entfernt werden, bis professionelles medizinisches Personal eingetroffen ist. Es handelt sich dabei um ein lebensrettendes Hilfsmittel, das einfach zu verwenden ist, wenn man die Grundlagen kennt. Daher sollte man sich, wenn man ein Tourniquet anschafft, mit dem Gebrauch auseinandersetzen. Denn wenn das Tourniquet das erste Mal im Notfall angewendet wird, kann die Situation schnell überfordernd sein.

Erste Hilfe im Ernstfall: Grundlagen für schnelle Hilfe

Wenn der Ernstfall eintritt, zählt ein sicherer Umgang mit den Grundlagen der Ersten Hilfe. Als Erstes gilt: einen kühlen Kopf bewahren und stets darauf achten, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Eigenschutz ist wichtig. Sei es durch das Tragen von Einmalhandschuhen oder die Verbringung des Verletzten aus dem Gefahrenbereich. Es ist wichtig, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und die Rettungskette (Rettung: 144, Bergrettung: 140, Polizei: 133, Feuerwehr: 122) in Gang zu setzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Notrufdisponent bereits am Telefon wertvolle Tipps geben und den Erst­helfer leiten kann.
Befindet man sich in einem Revierteil ohne Mobilfunknetz, kann es helfen, das Mobiltelefon auszuschalten. Beim Neustart des Telefons, noch bevor der PIN eingegeben wird, besteht nun die Möglichkeit, einen Notruf (112) abzusetzen. Wenn diese Option genutzt wird, wählt sich das Mobiltelefon in das nächstmögliche Mobilfunknetz ein. So erhält man mit etwas Glück Zugang zu einem anderen Netz und kann den Notruf absetzen.
Als weitere wichtige Grundlage der Ersten Hilfe gilt die Bewusstseinskontrolle. Ist der Verletzte nicht ansprechbar, rüttelt man diesen an der Schulter. Erfolgt keine Reaktion, kann man von einer Bewusstlosigkeit ausgehen. Nun sollte man den Verletzten auf einem möglichst stabilen und harten Untergrund flach auf den Rücken legen (Vorsicht bei Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung!). Der Kopf des Verletzten wird nun nach hinten gelegt und das Kinn angehoben (Kopf wird nach hinten überstreckt). Nun sollte man die Atmung überprüfen. Hebt und senkt sich der Brustkorb, sind Atemgeräusche hörbar? Fühle ich an meiner Wange einen Atemstrom, wenn ich mich über den Verletzten beuge? Wenn diese Fragen alle mit „Nein“ beantwortet werden, kann man von einem Herz-Kreislauf-Stillstand ausgehen.
Liegt ein Herz-Kreislauf-Stillstand vor, ist sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung zu beginnen, um das Leben des Verletzten zu retten. Das heißt, es muss umgehend mit einer Herzdruckmassage in Kombination mit einer Beatmung (30:2) begonnen werden. Ist eine Atmung feststellbar, der Verletzte jedoch nicht bei Bewusstsein, sollte dieser in die stabile Seitenlage verbracht werden.
Um diese Grundlagen sicher zu beherrschen, ist es wie gesagt wichtig, alle paar Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen. Denn nur so ist man in einer Extremsituation auch in der Lage zu helfen. Jedoch gilt im Notfall immer: Jede Hilfe ist sinnvoll. Trauen Sie sich und helfen Sie. Das Schlimmste in einer solchen Situation wäre, aus Unsicherheit nichts zu tun!

Im zweiten Teil dieser Reihe wird es um verschiedene Verletzungsmuster bzw. Notfälle gehen, auf die man im Revier vorbereitet sein sollte und wie man darauf im Notfall reagieren muss. In weiterer Folge wird erklärt, wie man im Notfall einfach, aber effizient Erste Hilfe leisten kann. Einen Erste-Hilfe-Kurs kann dies jedoch nicht ersetzen.