Erste Hilfe bei Jagdunfällen – 2. Teil
Sturz vom Hochstand, Schnitt- und Schussverletzungen, Tierbisse oder Unterkühlung – der richtige Umgang mit Jagdunfällen kann Leben retten. Erfahren Sie, wie Sie sich optimal vorbereiten und im Ernstfall richtig reagieren.
Ein falscher Tritt und schon ist es passiert: Ein Sturz vom Hochstand kann schwere Folgen nach sich ziehen. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn man sich alleine nicht mehr helfen kann und Hilfe weit entfernt ist. Daher haben wir uns im ersten Teil dieser Reihe (WEIDWERK 1/25 Seite 16 ff.) mit den Grundlagen der Ersten Hilfe beschäftigt, um bei Jagdunfällen sicher und effektiv handeln zu können. Mit der richtigen Vorbereitung, dem passenden Erste-Hilfe-Set und grundlegenden Kenntnissen kann bereits viel erreicht werden. Doch wie verhält man sich bei spezifischen Verletzungen, die im Revier auftreten können?
Der zweite Teil dieser Serie widmet sich typischen Verletzungsmustern und Notfällen, die von Schnitt- und Schürfwunden und Tierbissen über Stürze, Augenverletzungen und bis hin zu Schussverletzungen reichen. Neben praktischen Sofortmaßnahmen steht dabei auch die richtige Einschätzung der Situation im Fokus: Wann reichen eigene Hilfsmittel aus, und wann ist professionelle Hilfe notwendig?
Ziel ist es, jedem Jäger die Werkzeuge an die Hand zu geben, um auch in Extremsituationen rasch handeln zu können. Jedoch sollten Sie nie vergessen, dass dies einen Erste-Hilfe-Kurs und regelmäßige Auffrischungskurse unter keinen Umständen ersetzt!
Schnitt- und Schürfwunden im Revier: Erste Hilfe leicht gemacht
Zu den häufigsten Verletzungen im Revier zählen Schnitt- und Schürfwunden. Um Infektionen zu vermeiden ist es wichtig, die Wunde rasch mit sauberem Wasser (Trinkwasser) zu spülen und, wenn möglich, zu desinfizieren. Kleinere Schnitte werden mit Pflastern versorgt, größere Wunden nach der Reinigung mit einem sterilen Verband abgedeckt. Schürfwunden sind weniger gefährlich, bergen jedoch ein Infektionsrisiko. Daher gilt auch hier: Die Wunde gründlich reinigen, um Fremdkörper, wie Erde oder Holzsplitter, zu entfernen. Handelt es sich um einen tiefen Schnitt, der stark blutet, ist ein Druckverband anzulegen, um die Blutung zu kontrollieren. Bleibt die Blutung bestehen, muss umgehend der Rettungsdienst alarmiert werden.
Erste Hilfe bei Bisswunden und Schlangenbissen im Revier
Bisswunden (egal, ob Wildtier oder Jagdhund) verursachen häufig Komplikationen. Bakterien, die sich im Maul des Tieres befinden, können rasch schwerwiegende Infektionen auslösen. Daher sollte eine solche Verletzung umgehend gereinigt, steril verbunden und in weiterer Folge ein Arzt aufgesucht werden. Auch ein aktiver Tetanus-Schutz ist entscheidend und sollte für jeden Jäger selbstverständlich sein. Bei Schlangenbissen müssen die verletzten Gliedmaßen ruhiggestellt werden. Es ist in jedem Fall ein Arzt aufzusuchen. Wenn möglich, ist die Schlange zu fotografieren, um dem Arzt die Feststellung der Schlangenart und somit die Entscheidung über die weitere Behandlung zu erleichtern.
Augenverletzungen bei der Jagd: Sofortmaßnahmen und Schutzmaßnahmen
Führen Reviergänge oder die Birsch durch dichte Vegetation, kann es leicht zu Augenverletzungen durch Äste oder das Eindringen von hartnäckigen Staubpartikeln kommen. Hier gilt: Das Auge sofort mit sauberem Wasser ausspülen. Bei Fremdkörpern darf niemals versucht werden, den Fremdkörper im Auge selbst zu entfernen, da dies zu weiteren Schäden führen könnte.
Augen bewegen sich gemeinsam, daher nach Möglichkeit beide Augen abdecken, um die Bewegung des verletzten Auges zu minimieren. Im Anschluss muss schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden.
Insektenstiche bei der Jagd: Erste Hilfe und Allergieschutz
Ein Insektenstich kann bei Allergikern schnell lebensbedrohlich werden. Jäger, die eine solche Allergie haben, müssen darauf vorbereitet sein. Bei Stichen ohne allergische Reaktionen genügt es, ein kühlendes Gel aufzutragen oder eine kalte Kompresse aufzulegen, um die Schwellung und den Juckreiz zu lindern. Bei einer bekannten Insektenstichallergie ist jedoch immer ein Adrenalin-Autoinjektor (beispielsweise ein EpiPen) mitzuführen. Auch die Jagdkollegen müssen über die Allergie, den Aufbewahrungsort des EpiPen sowie dessen Benutzung informiert werden. Sobald Symptome, wie Atemnot, Schwellungen im Gesicht oder Herzrasen, auftreten, muss umgehend der Autoinjektor verwendet und ein Notarzt verständigt werden.
Stürze und Knochenbrüche bei der Jagd: Erste Hilfe richtig anwenden
Stürze, beispielsweise vom Hochsitz oder im unwegsamen Gelände, können zu Prellungen, Verstauchungen oder im schlimmsten Fall zu Knochenbrüchen führen. Bei Prellungen und Verstauchungen gilt es, die betroffene Stelle mit einer kalten Kompresse zu kühlen, um ein Anschwellen zu minimieren. Bei starken Schmerzen oder wenn die Schwellungen nicht nachlassen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei Verdacht auf einen Bruch ist der betroffene Körperteil ruhigzustellen. Um eine solche Verletzung im Revier zu fixieren, kann auch aus Einmalbandagen sowie Stöcken eine provisorische Schiene hergestellt werden. Besondere Vorsicht ist bei Verdacht auf Rückenverletzungen geboten. Hier darf der Verletzte unter keinen Umständen bewegt werden. Die umgehende Alarmierung der Rettungskräfte ist unumgänglich. Außerdem soll der Verunfallte warm gehalten werden, um einer Unterkühlung vorzubeugen.
Unterkühlung bei der Jagd: So leisten Sie Erste Hilfe effektiv
Gerade in den kalten Monaten, bei schlechtem Wetter oder bei langem Aufenthalt im Freien kann es rasch zu einer Unterkühlung kommen. Besonders wenn die verunfallte Person nach einem Sturz oder Unfall nicht rasch geborgen wird, kann es bei dementsprechenden Wetterlagen schnell bedrohlich werden. Die betroffene Person soll, wenn möglich, umgehend in eine warme Umgebung gebracht werden. Eine Rettungsdecke kann dabei helfen, den Körper zu wärmen. Wenn Anzeichen einer Unterkühlung, wie Zittern, Kältegefühl, Blässe, kalte Haut, Müdigkeit, Verwirrtheit etc., auftreten, muss rasch der Rettungsdienst verständigt werden. Wichtig dabei: Den Verletzten nicht plötzlich – etwa mit einer Wärmeflasche oder einer heißen Dusche – aufwärmen, da dies zu massiven Kreislaufproblemen führen kann. Vermeiden Sie unnötige Bewegungen, besonders bei mäßiger bis schwerer Unterkühlung, da dies zu Herzrhythmusstörungen führen kann.
Hitzschlag bei der Jagd: Warnzeichen erkennen und Erste Hilfe leisten
Im Sommer können Hitze und Flüssigkeitsmangel zu ernsten Problemen führen. Ein Hitzschlag darf niemals unterschätzt werden. Dabei überhitzt der Körper und die Temperaturregulation versagt. Eine schnelle Abkühlung ist entscheidend, um lebensbedrohliche Schäden zu verhindern. Zu den ersten Anzeichen von Hitzschlag gehören Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, trockene, heiße Haut, Verwirrtheit, Krämpfe, Bewusstlosigkeit, schneller, flacher Puls oder Erbrechen. Hier sollte man rasch handeln, um eine Verschlimmerung des Zustandes zu verhindern. Es ist wichtig, viel Wasser zu trinken, um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen. Den Verletzten nach Möglichkeit aus der heißen Umgebung, beispielsweise ins Innere eines Gebäudes oder in den Schatten bringen. Überschüssige Kleidung gehört entfernt, um die Wärmeabgabe zu fördern. Es kann auch mittels feuchter, kalter Tücher oder Umschläge (Stirn, Nacken, Leistenregion) für Abkühlung gesorgt werden. Achtung: Kein abruptes Abkühlen durch Eiswasser bei älteren oder geschwächten Personen. Dies kann zu Kreislaufproblemen führen.
Zeckenbisse: Schutzmaßnahmen und Erste Hilfe für Jäger
In vielen Jagdgebieten sind Zecken eine ernsthafte Bedrohung, da sie Krankheiten, wie Borreliose oder FSME, übertragen. Zecken müssen so früh wie möglich mit einer speziellen Zeckenzange oder -karte entfernt werden, indem man sie dicht an der Haut greift und vorsichtig herauszieht. Die Stichstelle muss desinfiziert und beobachtet werden. Treten in den folgenden Tagen Rötungen (ein roter Ring um die Stichstelle, der sich langsam vergrößert) oder grippeähnliche Symptome auf, muss sofort ein Arzt aufgesucht werden. Eine aufrechte Zeckenschutzimpfung ist für jeden verantwortungsbewussten Jäger selbstverständlich.
Motorsägenverletzungen: Schutzmaßnahmen und Erste Hilfe im Notfall
Beim Freischneiden von Wegen oder beim Aufstellen von Ansitzen kann es zu schwerwiegenden Verletzungen mit einer Motorsäge kommen. Um solche Unfälle bereits im Vorfeld zu vermeiden, sollte unbedingt angemessene Schutzkleidung (Schnittschutzhose, Schutzbrille und ggf. ein Helm) getragen werden. Bei einer derartigen Verletzung muss sofort Druck auf die Wunde ausgeübt werden, um die Blutung zu stoppen. Informieren Sie auch umgehend die Rettungskräfte – hier zählt meist jede Minute! Bei tiefen Schnitten oder abgetrennten Gliedmaßen muss unbedingt ein Tourniquet angelegt werden (siehe Info Tourniquet – WEIDWERK 1/25, Seite 16 ff.).
Blitzschlag im Revier: Erste Hilfe bei Unwettern und Gefahrensituationen
Blitzeinschläge stellen eine häufig unterschätzte Gefahr im Revier dar, besonders im Gebirge, bei der Jagd in offenem Gelände oder auf dem Hochsitz.
Wenn man nicht ohnehin die Jagd bei aufziehendem Gewitter abbricht und sich zum Auto oder in die schützende Unterkunft begibt, was das Beste wäre, sollte man flache, geschützte Bereiche aufsuchen. Hochsitze und frei stehende Bäume sind während eines Unwetters unbedingt zu meiden. Nach einem Blitzschlag kann die betroffene Person bewusstlos sein oder einen Herz- und Atemstillstand erleiden. Hier gilt es, die Grundlagen der Ersten Hilfe anzuwenden. Es muss überprüft werden, ob der Verletze ansprechbar ist und noch atmet. Ist dem nicht so, ist umgehend mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung zu beginnen. Allerdings sollte davor – beziehungsweise zumindest zeitgleich (via Freisprecheinrichtung am Telefon) – die Rettung alarmiert werden.
Schussverletzungen bei der Jagd: Sofortmaßnahmen zur Blutstillung und Schockbehandlung
Obwohl Schussverletzungen äußerst selten sind, stellen sie die gravierendsten Unfälle bei der Jagd dar. Die richtigen Sofortmaßnahmen können über Leben und Tod entscheiden. Bei stark blutenden Wunden ist die oberste Priorität, die Blutung mithilfe eines Druckverbandes zu kontrollieren. Reicht das nicht aus, kann ein Tourniquet die Blutzufuhr zu einer solchen Verletzung an Extremitäten unterbrechen und somit Leben retten. Falls die Wunde trotz Tourniquet weiter blutet, unbedingt mit der Hand Druck auf die Wunde ausüben (Achtung Eigenschutz: Handschuhe). Diese muss so rasch als möglich steril abgedeckt werden, um Infektionen zu verhindern. Fremdkörper oder Geschossteile dürfen auf keinen Fall entfernt werden, da dies die Blutung verstärken könnte.
Durch starken Blutverlust oder heftige Schmerzen kann es zu einem Schock kommen. Der Verletzte sollte beruhigt und in eine stabile Lage gebracht werden, um den Kreislauf zu stabilisieren. Zeigt der Verletzte Anzeichen eines Schocks (kalte, feuchte Haut, blasse Gesichtsfarbe, schneller Puls), muss er in flache Rückenlage mit leicht hochgelagerten Beinen (ca. 20–30 cm) gebracht werden. Nicht zu empfehlen wäre diese Lagerung, wenn es sich um eine Brust-, Kopf- oder Bauchverletzung handelt oder wenn eine Wirbelsäulenverletzung vermutet wird. Befindet sich die Verletzung an Armen oder Beinen, sollte die betroffene Extremität möglichst ruhig gestellt werden, um die Blutung zu minimieren. Weiteres empfiehlt es sich, bei starken Blutungen die Extremität leicht anzuheben, um den Blutfluss zu verlangsamen. Eine Rettungsdecke oder Jacke hilft dabei, den Verletzten warmzuhalten und einen Schock zu vermeiden.
Erste-Hilfe-Kurs für Jäger in St. Pölten: Lebensrettendes Wissen auffrischen
Egal, ob man Erste-Hilfe leisten muss oder selbst verletzt ist, es handelt sich immer um eine Ausnahmesituation, in der man unter großem Druck rasch handeln muss. Um dies in einer solchen Situation auch wirklich bewerkstelligen zu können, wäre es nur verantwortungsbewusst, in regelmäßigen Abständen einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen. Somit bleibt das lebensrettende Wissen aufgefrischt und ist in einer Extremsituation schnell abrufbar.
Aus diesem Grund bietet der NÖ Jagdverband erstmals am 17. 3. 2025 einen speziellen Erste-Hilfe-Kurs für die Jagd in St. Pölten an. Aber egal, ob der letzte Erste-Hilfe-Kurs fünf Jahre oder nur wenige Monate her ist, die Devise lautet „Hilfe kann nicht falsch sein – Untätigkeit schon“. Präventionsmaßnahmen, wie die richtige Einschätzung möglicher Gefahren, eine angemessene Schutzausrüstung und ein gut gefülltes Erste-Hilfe-Set im Gepäck, sind dabei bereits der erste Schritt, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein.
Erste-Hilfe-Kurs |
---|
Informationen und Anmeldung zum Erste-Hilfe-Kurs des NÖ Jagdverbandes: Tel. +43 (0)1 405 16 36-18 bzw. 32 oder über die Seminarplattform des NÖ JV. |