Reportage

Jagd auf die Murmelen – 2. Teil

1. September 2020 -
Jagd auf die Murmelen - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer

Das Gesamterlebnis Murmeljagd hat nach erfolgreicher Birsch auf zwei Murmelkatzen gerade erst begonnen. Ein Blick auf Kulinarik, Gesundheit und konservierte Erinnerungen. – 2. und letzter Teil: die Verwertung.

Nach der Jagd ist vor dem Essen! Was für aufregende Stunden hinter uns liegen! Nach der ereignisreichen Bergjagd im Tiroler Gleirschtal, bei der Heilpflanzen- und Wildtierfettexpertin Barbara Hoflacher und Kürschnerin Erika Roehr erfolgreich auf je ein Murmel­tier weidwerken konnten, finden wir uns zu einem kulinarischen Tagesausklang bei dem mit Barbara befreundeten Jägerpärchen Judith und Josef und ihrem Sohn Leo ein. Judith stellt ihre Küche zur Verfügung, um uns die lukullische Komponente der Murmeljagd schmackhaft zu machen.

Zur Vorspeise gibt es in geselliger Jägerrunde die beiden Lebern und ­Herzen von Erikas und Barbaras ­Murmelkatzen. „Murmelleber ,leberlet‘ nicht“, so Barbara. „Sie ist, im Gegensatz zur Leber anderer Tiere, sehr mild und angenehm im Geschmack.“ Schon öfter habe sie erlebt, dass selbst Leute, die keine Leber-Fans sind, von Murmelleber begeistert waren. „Es ist übrigens nicht nötig, das Häutchen abzuziehen“, ergänzt Judith, während sie die Lebern in etwa 0,5 cm dicke Scheiben schneidet, die Herzen entsprechend feiner; sie kommen nach der Leber separat in die Pfanne. – Hochkonzentriert lässt Leo hierfür je einen Esslöffel Butterschmalz und Olivenöl in die von Judith erhitzte Pfanne gleiten. Kurz und scharf werden die Innereien darin ­angebraten. Gewürzt wird erst auf dem Teller, mit Salz und geriebenem Meisterwurz – als Pfefferersatz aus den Tiroler Bergen. Judith platziert die heiße, gusseiserne Pfanne in der Mitte des Esstischs und reicht allen eine Gabel. Dazu serviert sie einige Scheiben saftiges Bauernbrot, und so genießen wir demütig die kostbaren, schmackhaften und tatsächlich überraschend milden Bissen.

Zeit zum Reifen

Im Backrohr schmort indes der Murmel­braten. Da auch Wildbret vom Murmeltier Zeit zum Reifen braucht – drei Tage sollte das Fleisch im Kühlschrank verweilen, bevor es eingefroren wird; sofortiges Einfrieren stoppt den Reifeprozess! –, stellt Barbara für den Schmorbraten Murmelfleisch von einer ihrer Bergjagden aus dem Ötztal im ver­gangenen Jahr zur Verfügung. Das Wildbret hat sie am Vortag unserer Jagd aus dem Tiefkühlschrank ge­nommen und 24 Stunden in Rotwein und Wildgewürzen ziehen lassen. „Ein Murmeltier wird nach dem Abbalgen nur grob zerwirkt“, erklärt sie. „Es ist übrigens ein Irrglaube, dass man Murmeltiere auf Trichinen unter­suchen lassen müsse. Diese Mär hält sich nach wie vor, sie ist aber schlicht falsch!“, erklärt die Tirolerin. „Schließlich sind Murmeltiere Pflanzenfresser, die sich nur von den feinsten Alm­kräutern und -gräsern ernähren.“

Von ihrer heute erlegten Murmelkatze plant Barbara, das Schwartl gerben zu lassen. Während Judith in der Küche die Zuspeisen für den Murmelbraten vorbereitet, balgt Barbara auf dem ­Balkon ihr Murmel mit gekonnten Schnitten ab. Zunächst bis zu den ­Vorderbranten. Sie stoppt und deutet auf den Wildkörper. „Seht ihr das? Das sind die Achseldrüsen. Murmeltiere haben je eine pro Flanke. Die Drüsen sind unbedingt großflächig zu ent­fernen, sonst erhält das Fleisch einen strengen, harzigen Geschmack, der sich von keiner Beize überdecken lässt! Durch ihre typische hellbraune Farbe und fettartige Konsistenz sind die länglichen Achseldrüsen optisch aber gut vom Wildbret zu unterscheiden.“

Jagd auf die Murmelen - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer
Jagd auf die Murmelen - © Oliver Deck
© Oliver Deck
Jagd auf die Murmelen - © Oliver Deck
© Oliver Deck
Jagd auf die Murmelen - © Oliver Deck
© Oliver Deck
Jagd auf die Murmelen - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer
Jagd auf die Murmelen - © Oliver Deck
© Oliver Deck
Jagd auf die Murmelen - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer
Jagd auf die Murmelen - © Oliver Deck
© Oliver Deck
Jagd auf die Murmelen - © Oliver Deck
© Oliver Deck

Verführerischer Duft

Aus Judiths Küche kommend, entfaltet sich in der Jägerwohnung ein ver­führerischer Duft aus geschmortem Wildfleisch, Gewürzen und Rotwein. Ein bisschen dauert es noch, bis der Braten fertig ist. Die Knochen würden sich dann wie von selbst vom zarten Murmelfleisch lösen, steigert Barbara unseren Gusto auf das bevorstehende Festmahl beinahe ins Unermessliche.

Ihr Murmel hat sie mittlerweile fertig abgebalgt. Das unter höchster Sorgfalt vom Wildbret getrennte Häutl kann Barbara nun zum Gerber ihres Vertrauens schicken. Das weiße Fett, das die Tirolerin beim Abbalgen von Schwartl und Wildbret akribisch entfernt hat, sammelt sie – wie bereits das Innereienfett beim Aufbrechen – in einem Extrabeutel zur späteren ­Weiterverarbeitung.

Heilende Wirkung

Aus dem Fett von Murmeltier, aber auch Hirsch und Gams, stellt Barbara mit Leidenschaft und großem Wissen diverse Naturkosmetika und -heilmittel her. Sie reicht uns einige Gläschen Murmelbalsam. Dieser wirke schmerzstillend und entzündungshemmend, sei zudem durchblutungsfördernd und könne bei rheumatischen Beschwerden, ebenso Gelenks- und Rückenschmerzen, weiters Problemen mit dem Ischias, außerdem bei Beschwerden, wie einem „Tennisellbogen“ oder einer Kalk­schulter, sowie bei Erkältungen als Brust- und ­Hustenbalsam verwendet werden. Neben Murmeltieröl, das ­Barbara durch vorsichtiges Auslassen des Fetts gewinnt, enthalte der Balsam Olivenöl, Bienenwachs und ätherisches Zirbenöl, alles bio, verrät sie. „Ihr seht, alle Inhaltsstoffe sind auf rein pflanzlicher Basis.“ Auch Seife aus Wildtierfett hat sie mitgebracht. „Man darf sich nicht vorstellen, die Seife schäumt wie Produkte aus der Drogerie“, erklärt sie. Selbst gemachte Seife ist frei von jeder Chemie und eignet sich zum Hände­waschen ebenso wie als voll- und vor allem hochwertiger Duschgelersatz. „Ratet einmal, was das ist!“, hält sie uns zwei kleine Kerzen entgegen und erklärt: „Das sind Teelichter aus reinem Gamsfett. Die brennen für ganze vier Stunden, und da ist nichts drinnen als der Docht und das Gamsfett!“

Konservierte Erinnerungen

Um Erinnerungen an einen Jagdtag zu konservieren, lassen sich aus Murmeltieren zahlreiche außergewöhnliche Trophäen herstellen. Bekannt sind vor allem Vollpräparate, die sich gerne in Jagdstuben wiederfinden, stehend oder liegend, oder auch mit einigen Steinen drapiert als „Szene aus dem Berg­revier“. Ein beliebter Blickfang an Wänden in Jägerstuben ist auch das ­gegerbte Schwartl auf grünem Filz.

Murmeltrophäen müssen ihr Dasein aber nicht ausschließlich im ­Stüberl fristen. Mit etwas Kreativität lassen sich etwa Kleidungsstücke und Accessoires aus Murmeltierschwartl und -nagern herstellen. Kürschnerin Erika fertigte in liebevoller Handarbeit aus jeweils drei Murmelschwarten die Murmelwesten, die Barbara und sie bei unserer Bergjagd trugen. Auch in Form eines abnehmbaren Kragens für Westen, Pullover oder Jacken bzw. als Puls­wärmer oder Muff aus Murmelfell lassen sich Erinnerungen ans Murmeljagern schaffen.

Ein weiteres beliebtes Andenken ist der Murmelbart. Barbara trägt einen besonders eindrucksvollen an ihrem Jagdhut. So ein Murmelbart weckt ­Assoziationen an das Fell eines ­Geparden! Der Bartbinder verwendete Murmelhaar unterschiedlicher Farbe von verschiedenen Stellen des Wild­körpers („Des Jägers Bart“, siehe WEIDWERK 8/2020, Seite 10).

Aus den Murmelnagern lassen sich Schmuckstücke, wie Anhänger für Halsketten, Applikationen für den Jagdhut, Broschen oder auch Haarspangen, etwa aus Holz und Metall, mit den Nagern als Blickfang herstellen. Barbara trug bei unserer Jagd zudem einen Gürtel, dessen Schnalle die Malerei eines Schweizer Malers ziert – als Vorlage diente ein stimmungsvolles Erlegerbild einer ihrer vorangegangenen Murmeljagden; das Murmeltier, respektvoll drapiert auf einem Felsen inmitten eines Bergpanoramas. Umrahmt ist die Jagdszene von Barbaras Initialen: „B“ und „H“. Eine Trophäe, die zur Gänze ohne tatsächliche tierische Bestandteile des Murmeltiers auskommt und die Jägerin dennoch in der Sekunde wieder ins Erlebnis zurückzuversetzen vermag.

Mahlzeit und Weidmannsheil!

Endlich ist der Braten fertig. Die Fleischteile durften gut zweieinhalb Stunden im Rohr schmoren. Zusammen mit Spätzle, die durch die Zugabe von Rote-Rüben-Saft mit ihrer rosa Farbe begeistern, und frischem, saftigem ­Rotkraut sowie dem Wurzelgemüse, das mit dem Braten schmoren durfte, genießen wir nun das ungewöhnliche alpenländische Festmahl. Bevor Schöpfer voller Köstlichkeiten den Weg auf ­unsere Teller finden, füllt Barbara kleine Schnapsgläschen mit selbst­gemachtem Zirbenschnaps. Die Zirbenzapfen stammen, wie die Murmelen, aus dem Alpenraum. – Regionaler geht es nicht! Weidmannsheil auf das erfolg­reiche und unvergessliche Jagdwochenende!

Das Fleisch fällt bei der kleinsten Berührung mit der Gabel vom Knochen; Barbara hat nicht zu viel versprochen. Das Geschmorte ist mürbe und von mildem Wildgeschmack. Krautig und nährstoffreich war die Kost des Murmel­tiers. Versuche, geschmack­liche Vergleiche zum Fleisch anderer Wildarten zu ziehen, bleiben lediglich Versuche. Während des Essens lassen wir das Erlebnis, das Weidmannsheil zur Mittagsrast und bald darauf am frühen Nachmittag bis hin zum Aufbrechen, Revue passieren. Die kost­baren Innereien finden ihren Weg auf die Speisetafel und auch das ­Wildbret des heutigen Tages ist, nach seiner Reifung, für den Verzehr vorgesehen. Das ­Murmeltier als Haupt­akteur des Tages. Mehr kann man Tiere, die ihr Leben für uns gaben, wohl gar nicht ehren!

Danksagung: Wir bedanken uns bei Barbara Hoflacher, Hegemeister Christian Schwaiger, Kürschnerin Erika Roehr und den Jägern Hannes, Judith und Josef für die lehrreiche Zeit und grenzenlose Gastfreundschaft! Weidmannsheil!

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