Artikel

Mit Selbstvertrauen zur Hatz

29. September 2023 -
Mit Selbstvertrauen zur Hatz - © Jürgen Rosenkranz
© Jürgen Rosenkranz

Jungen, unerfahrenen Jagdhunden fehlt bei der ersten Hatz oftmals das Selbstvertrauen. Wie man diese Jungspunde zum Erfolg führt. – Ein Erfahrungsbericht.

Nach einer Riegeljagd galt es, am nächsten Tag ein Rotkalb mit einem Laufschuss nachzusuchen. Hierfür beabsichtigte ich, meinen vorgeprüften zwei­jährigen Bayerischen Gebirgsschweiß­hund (BGS) die Führungsrolle zu übergeben. Zur eventuellen Unterstützung hielt ich meinen auf der Wundfährte bewährten Brandlbrackenrüden in der Hinterhand. Der am vermeintlichen Anschuss gefundene Röhrenknochensplitter ließ einen tiefen Laufschuss vermuten.

Kreuz und quer

Der zur Fährte gelegte BGS nahm die Suche ohne langes Zögern an, und wir tauchten schon bald in eine Fichten­dickung ein. Etwa eine Viertelstunde zog mich der Rüde kreuz und quer durch die Dickung, bis es ihm doch schließlich gelang, den Knoten zum Platzen zu bringen: Am Rand eines Wirtschaftsweges verwies er ein kleines Tröpfchen Schweiß. Weitere Birsch­zeichen fanden wir allerdings nicht. Dennoch folgte der Rüde der scheinbaren Wundfährte mit seinem eigenen Finderwillen, und wenig später standen wir in einem ­größeren Buchenjung­wald.
Der Jagdaufseher erwähnte, dass sich hier mehrere Schützenstände ­befänden, von denen aus am Vortag auch einige Stück Rotwild erlegt ­worden seien. Ob sich darunter ein Kalb mit Laufschuss befunden hatte, konnte er allerdings nicht sagen.Der bis hierher souverän arbeitende Hund verlor hier jedoch den Faden und begann zu faseln. Durch ständiges Kreisen versuchte er, den Anschlusszu finden.

Nur Geduld

Gerade in solchen Momenten ist es wichtig, den Hund gewähren zu lassen, nicht die Geduld zu verlieren undden Hund voreilig abzutragen. Nach einer gefühlten Ewigkeit blieb der Rüde plötzlich stehen und verwies ­einige Schweißtropfen. Die Vermutung lag nahe, dass es sich hier um ein Tropfbett handelte. Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, nahm ich etwa fünfzig Meter vormir ein Stück Rotwild wahr, das scheinbar hoch wurde und sich durcheine ­sofortige Flucht unseren Blicken ­entzog. Während des Hochwerdens glaubte ich, eine gewisse Schwerfälligkeit erkannt zu haben. Außerdem ­erschien es mir sehr ungewöhnlich, dass ein gesundes Stück so lange aushält, zumal wir uns schon über eine Viertelstunde in diesem Bestand aufhielten: Ja, es musste das kranke Kalb sein! Die Hoffnung, diese Nachsuche erfolgreich zu beenden, stieg wieder.

Keine falsche Entscheidung

In Anbetracht dieser Umstände entschloss ich mich, nur meiner Intuition folgend und entgegen aller Lehrbuchweisheiten, den Hund zu schnallen.
Von der genauen Analyse des letzten Wundbetts kann meines Erachtens nur dann abgewichen werden, wenn ein hatzerfahrener Hund zur Verfügung steht. Einen jungen Hund hingegen lasse ich nach dem Wundbett nochein Stück am Riemen weiterarbeiten. So kann er sich von der bisher kalten Fährte auf die warme Krankfährte ­umstellen und bekommt so vom Hunde­führer die „Genehmigung“, der individuellen Wittrung des kranken Stückes zu folgen. Schon nach kurzer Zeit war der Verlauf der Hatz nicht mehr zu orten.
Da ich am Morgen vergessen hatte, mein Ortungsgerät einzupacken, wollte ich mit der Brandlbracke der Wundfährte folgen. Noch während ich dabei war, sie aus dem Auto zu holen und ­anzuhalsen, stand plötzlich der vonder Hatz sichtlich gezeichnete BGS neben mir. Durch sein Zurückkommen irritiert, entschied ich mich, die Fluchtfährte zunächst mit der Bracke am ­Riemen weiter auszuarbeiten. Den BGS ließ ich von meinem Begleiter nachführen.
Nach einiger Zeit zweifelte ich ­allerdings an meiner zuvor getroffenen Entscheidung. Gemäß dem Motto „Wer die Suppe eingebrockt hat, soll sieauch auslöffeln“, schnallte ich den ­bereits protestierenden BGS erneut. Mit einem kurzen Aufjauchzen wischte er an uns vorbei und war in wenigen Augen­blicken unseren Blicken entschwunden.
Die energisch im Riemen liegende Bracke führte uns nach etwa einem Kilo­meter an den Rand eines Buchenaltholzes. Hier glaubte ich, in der Ferne den deutlichen Standlaut des BGS zu hören. Augenblicklich übergab ich die Bracke meinem Begleiter, um laufend an die Bail heranzukommen.Nach etwa hundert Metern blieb ich stehen und versuchte erneut, den Standlaut zu lokalisieren. Doch statt des erhofften Lautes kam mir erneutder BGS entgegen. Da ich hinter einer starken Buche stand und der Wind passte, konnte mich der Rüde nicht wahrnehmen. Etwa fünfzig Meter schoss er an mir vorbei ins Hinterland. Nach hundert Metern schmiss es ihn förmlich herum, als er vermutlich auf meine Fährte stieß. Ohne jegliche Notiz von mir zu nehmen – offensichtlich reichte meine Wittrung, um ihm zu ­signalisieren, dass der Rudelführer in der Nähe war –, hetzte er erneut in ­Richtung der Fichtendickung. Schon bald vernahm ich den ersehnten tiefen Standlaut. Im Uferbereich eines angrenzenden Teichs bedrängte er das Kalb so energisch, dass es mir gelang, auf Schussentfernung heranzukommen, um den Fangschuss anzutragen.

Die erste Hatz:Was ist zu beachten?

Es sollte ein erfahrener Hund als „Reserve“ oder zur Unterstützung bereitgehalten werden.
Wenn der junge Hund das gestellte Stück verlässt und zurückkehrt, sollte er erneut angerüdet oder ein erfahrener Hund bei­geschnallt werden (aus Sicherheitsgründen allerdings nur im ­Ausnahmefall).
Die erste Hatz sollte möglichst erfolgreich sein.
Bei Krell- oder Gebrechschüssen sollte unbedingt nur mit ­erfahrenen Hunden ­gearbeitet werden.
Junge Hunde erst am letzten Wundbett schnallen, um Fehlhetzen zu vermeiden.
Mit Selbstvertrauen zur Hatz - Erfahrungsgemäß kommen junge Hunde zum „Rudelführer“ zurück, um die Beute anzuzeigen. Hier heißt es, sich in Geduld zu üben, den Hund nochmals an den Riemen zu nehmen und an der Fährte weiterzuarbeiten. Die erste Hatz bzw. Nach­suche sollte möglichst positiv enden, sodass dem Junghund ein Erfolgserlebnis zuteil wird. - © Sven-Erik Arndt

Erfahrungsgemäß kommen junge Hunde zum „Rudelführer“ zurück, um die Beute anzuzeigen. Hier heißt es, sich in Geduld zu üben, den Hund nochmals an den Riemen zu nehmen und an der Fährte weiterzuarbeiten. Die erste Hatz bzw. Nach­suche sollte möglichst positiv enden, sodass dem Junghund ein Erfolgserlebnis zuteil wird. © Sven-Erik Arndt

Verstärkung holen

Das Verhalten dieses Bayerischen er­innerte mich an die Einarbeitungs­phasen meiner bisher auf Schweiß ­geführten Hunde: Die meisten ließen bei der ersten Wildbegegnung nach einer gewissen Zeit vom zunächst ­gestellten Wild ab und kehrten zum „Rudel­führer“ zurück, um „Verstärkung“ zu holen. Dennoch hatten sich ausnahmslos alle im Lauf ihres praxisreichen Daseins zu verlässlichen Hetzern ent­wickelt. Deshalb kann ich nur vor voreiliger ­Resignation bei anfänglichen Miss­erfolgen warnen: Gerade bei den ersten Hetzen sollte man, nachdem der Hund geschnallt ist, auf der Fluchtfährte bleiben. Nur so kann man den eventuell zurückkommenden Hund sogleich wieder an den Riemen nehmen und mit ihm die Fährte weiter ausarbeiten, bis man abermals an das kranke Stück herankommt, um den Hund zu schnallen und zur Hatz anzurüden.

Selbstvertrauen stärken

Meist kommen die Hunde nicht wegen mangelnder Wildschärfe zum Führer zurück, es scheint ihnen eher noch das erforderliche Selbstvertrauen zu fehlen. Sie sind dann instinktiv bestrebt, den Hundeführer zur potenziellen Beute hinzuzuziehen, um sie gemeinsam zur Strecke zu bringen. Daher sollte man nicht gleich verzweifeln, wenn der noch „unreife“ Hund erst nach mehrmaligem Anrüden zustandehetzt.
Wichtig ist, stets darauf bedacht zu sein, den jungen Hund die erste Hetze bis zum Fangschuss durchstehen zu lassen. Schließlich muss er es erst ­lernen, dass eben nur ausdauernder Standlaut zum Beutemachen führt. Zielführend für diese Weiterentwicklung ist immer das Erfolgserlebnis. Daher sollte stets beachtet werden, dass unsere Hunde Lebewesen aus Fleisch und Blut sind und keine Roboter.
Sollte sich allerdings herausstellen, dass der fehlende Durchhaltewille sowie die mangelnde Wildschärfe genetisch bedingt sind, sollte aus Tierschutzgründen jegliches Herumexperimentieren unterbleiben. Eine Nachsuche mit einem Hund ohne wohldosierte Wildschärfe wäre nur dann zu akzeptieren, wenn unmittelbar ein wildscharfer und hetzfreudiger Beihund zur Verfügung steht.