Risikogruppe Schwarzwild
Die Afrikanische Schweinepest bedroht Österreich: Dr. Michael Dünser erklärt die Ausbreitungswege, Risiken und Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche bei Schwarzwild. Erfahren Sie, wie die Früherkennung und Reduktion der Wildschweindichte zur Eindämmung beitragen können.
Die Entwicklungen betreffend Afrikanischer Schweinepest (ASP) in Europa, insbesondere aber in unseren Nachbarländern, geben weiterhin keinen Anlass zur Entspannung. Dies verdeutlichen die Ausbruchszahlen beim Schwarzwild in unseren östlichen Nachbarländern, so wurden in diesem Jahr bereits 2.513 Ausbrüche in Ungarn und 1.588 Ausbrüche in der Slowakei gemeldet (Stand: 13. Dezember 2021).
Der nächstgelegene gemeldete Seuchenfall bei Wildschweinen befindet sich in Ungarn und ist derzeit nur noch 87 km von der österreichischen Staatsgrenze entfernt. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation inEuropa bleibt das Risiko einer Einschleppung nach Österreich sehr hoch. Ein Ausbruch der ASP bei Haus-, aber auch bei Wildschweinen hätte enorme wirtschaftliche Schäden zur Folge.
Land | Region | Erstnachweis ASP beim WS | Eintragsweg |
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Litauen | 1/2014 | WS-Bewegungen aus Weißrussland | |
Polen | Osten | 2/2014 | WS-Bewegungen aus Weißrussland |
Warschau | 11/2017 | menschliche Aktivitäten | |
Norden | 12/2017 | WS-Bewegungen aus der Exklave Kalinigrad; Russische Föderation | |
Westen (Grenzgebiet BRD) | 11/2019 | menschliche Aktivitäten | |
Lettland | Ost | 6/2014 | WS-Bewegungen aus Weißrussland |
Nord | 7/2014 | menschliche Aktivitäten | |
Estland | Süd | 9/2014 | WS-Bewegungen aus Lettland |
Nord | 9/2014 | WS-Bewegungen aus Russ. Föderation | |
Tschechien | Zlín | 6/2017 | illegale Entsorgung von Lebensmitteln |
Ungarn | 4/2018 | illegale Entsorgung von Lebensmitteln | |
Rumänien | 5/2018 | menschliche Aktivitäten | |
Bulgarien | 8/2018 | WS-Bewegungen aus Rumänien (?) | |
Belgien | Süd: Wallonien | 9/2018 | illegale Entsorgung von Lebensmitteln |
Slowakei | 8/2019 | WS-Bewegungen aus Ungarn | |
Serbien | 7/2019 | WS-Bewegungen aus Rumänien/Bulgarien | |
Deutschland | Brandenburg, Sachsen | 9/2020 | WS-Bewegungen aus Polen |
Mecklenburg-Vorpommern | 11/2021 | menschliche Aktivitäten |
Infektionswege
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es für die Primärausbrüche zwei unterschiedliche Szenarien gibt. Bei kontinuierlicher Ausbreitung in der Schwarzwildpopulation und fehlenden Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen wird die Seuche durch die Wildschweine in die Nachbarländer eingeschleppt. Dieser Verlauf war für die meisten Länder in Europa ausschlaggebend (siehe Tabelle oben). Zuletzt war dieser Flächeneintrag für die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest nach Deutschland verantwortlich, bei der die Seuche aus einem Ausbruchsgebiet in Westpolen an verschiedenen Stellen den Sprung über die Oder geschafft hat.
Seit dem erstmaligen Nachweis im September 2020 fielen in der BRD mit Stand 10. 12. 2021 bereits 2.947 Wildschweine der ASP zum Opfer. ImGegensatz zur langsamen, kontinuierlichen Ausbreitung in der Schwarzwildpopulation sind menschliche Aktivitäten bzw. die illegale Entsorgung von ASP-kontaminierten Lebensmitteln für punktuelle Ausbrüche verantwortlich. Diese Eintragsformen treten meist in größerer Entfernung zu den ursprünglichen Seuchengebieten auf und waren ursächlich für die punktuellen Ausbrüche in Tschechien (2017) und Belgien (2018). In beiden Ländern erfolgte der Viruseintrag ausschließlich über den Menschen bzw. die illegale Entsorgung ASP-kontaminierter Lebensmittel. Durch rasches Erkennen des Infektionsgeschehens beim Schwarzwild und umfassende Tilgungsmaßnahmen ist es mit erheblichen Anstrengungen in beiden Ländern gelungen, die Seuche wieder auszurotten.
Früherkennung
In der Tierseuchenbekämpfung kennt man den Begriff der Hochrisikophase, das ist der Zeitraum vom Eintrag bis zur labordiagnostischen Feststellung der Seuche. Je kürzer die Hochrisikophase, desto Erfolg versprechender können entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen verlaufen.
Um einen Eintrag der ASP in die Wildschweinpopulation frühzeitig zu erkennen, ist die Unterstützung der Jägerschaft unerlässlich. Jeder aufgefundene Kadaver muss auf ASP untersucht werden, gehäuftes Auffinden von verendeten Tieren war in allen Ländern der entscheidende Hinweis für den Eintrag von ASP und das darauffolgende Seuchengeschehen. Im Straßenverkehr verunfalltes Wild zählt ebenfalls zur ASP-Risikogruppe und sollte im Rahmen der Früherkennung unbedingt zur Untersuchung eingesandt werden. Auffällige Verhaltensweisen der Tiere geben bereits beim Ansprechen Hinweise auf eine mögliche Infektion mit dem Virus der ASP.
Die ersten Anzeichen treten etwa vier Tage nach der Infektion auf. Typisch für diese hoch fieberhaft verlaufende Infektion – die innere Körpertemperatur liegt meist über 41 °C – sind das Zusammenliegen der Tiere in Haufen, die Fressunlust sowie gerötete Augen- und Maulschleimhäute mit Augenausfluss. Erkrankte Tiere zeigen im weiteren Verlauf eine gekrümmte Körperhaltung, ein aufgezogenes Abdomen sowie ein Fehlen des Ohrenspiels. Die Losung kann entweder sehr hart sein oder als Durchfall auftreten. Häufig zeigen die Tiere Atemnot, welche sich durch eine erhöhte Atemfrequenz sowie vermehrte und vertiefte Bewegungen des Brustkorbs und Abdomens manifestiert. Orientierungslosigkeit, taumelnder Gang und fehlender Fluchtreflex vor Menschen und Hunden gehören ebenfalls zu den Anzeichen einer Infektion mit dem ASP-Virus. Tiere einer Rotte können unterschiedliche klinische Phasen des Krankheitsverlaufs aufweisen. Im Endstadium kommt es zum Festliegen in Seitenlage, Blut kann über die Körperöffnungen austreten, Schaum vor Rüsselscheibe und Maul sind Zeichen eines Lungenödems.
Die für ASP typischen pathologisch-anatomischen Veränderungen sind Blutungen – von punktförmig bis flächig – in den Organen und Lymphknoten sowie Milzschwellungen. Zum diagnostischen Nachweis der ASP eignen sich besonders Blutproben bzw. Bluttupfer, Milz und Lymphknoten, da sich das Virus primär in den Zellen des Blutes vermehrt. Bei Kadavern in fortgeschrittenem Verwesungszustand ist der Erregernachweis auch noch aus dem Knochenmark von Röhrenknochen möglich.
Bei ASP-Verdacht ist umgehend die Veterinärbehörde der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zu verständigen. Nur wenige Tiere überleben die Infektion und entwickeln meist Antikörper, die ab dem 11. bis 20. Tag nach der Ansteckung nachweisbar sind.
Maßnahmen im Seuchenfall
Wird die ASP „nur“ im Wildtierbestand festgestellt, legt die Veterinärbehörde unter Berücksichtigung der Wildschweinhabitate entsprechende Sperrzonen fest, in denen Maßnahmen zur Eindämmung und Tilgung der Seuche erfolgen. Als eine der ersten Maßnahmen wird ein intensives Absuchen des Gebietes nach verendeten Wildschweinen durchgeführt.
Dem Entfernen von Kadavern kommt erhebliche Bedeutung zu, da diese über Wochen bzw. Monate alsInfektionsquelle für Wildschweine dienen können. Aktuelle Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass speziell für das Auffinden von Schwarzwildkadavern ausgebildete Suchhunde eine wertvolle Unterstützung bei der Bergung der Kadaver darstellen, da sich erkrankte Wildschweine oft ins Unterholz zurückziehen und ihre Kadaver nur schwer aufzufinden sind. Aufgrund des fieberhaften Verlaufs suchen die Tiere zur Abkühlung oft Wasserläufe bzw. Suhlen auf, in diesen Bereichen findet man häufig Kadaver. In schwer zugänglichen Gebieten hat sich auch der Einsatz von Drohnen, die mit Wärmebildkameras versehen sind, bewährt.
Um die weitere Ausbreitung einzudämmen, können je nach Gegebenheiten Maßnahmen, wie Einzäunung des Seuchengebiets und Betretungsverbote für bestimmte Personengruppen, hilfreich sein. Ziel ist es jedenfalls, eine Weiterverbreitung der Seuche in der Wildschweinpopulation und ein Übergreifen auf Hausschweinebestände zu verhindern sowie eine weitere Ausbreitung aus dem Seuchengebiet zu unterbinden. Um das eigentliche Seuchengebiet wird von der Veterinärbehörde zusätzlich eine Pufferzone („gefährdetes Gebiet“) eingerichtet, in der eine verstärkte Überwachung erfolgt. Da auch auf den ersten Blick gesunderlegte Wildschweine Virusträger sein können, wird auch im gefährdetenGebiet eine umfangreiche Untersuchung der Schwarzwildstrecke auf Afrikanische Schweinepest erforderlich sein.
Da die Ausbreitung maßgeblich von der Wildschweindichte abhängig ist, kommt der Reduktion der Schwarzwildbestände ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Während in Tschechien Scharfschützen der Polizei mit Schalldämpfern sowie Nachtsicht-Wärmebildgeräten zur Reduktion des Schwarzwildes im Seuchengebiet eingesetzt wurden, haben in BelgienSaufänge wesentlich dazu beigetragen, die Wildschweindichte rascher effektiv zu reduzieren und damit einen entscheidenden Beitrag zur Tilgung der Seuche zu leisten. Diese Maßnahmen entsprechen zwar nicht den üblichen jagdlichen Gepflogenheiten, sind aber zur Seuchenbekämpfung oft unumgänglich.
Impfstoffentwicklung
Für die Bekämpfung der ASP beim Wildschwein wäre eine Köderimpfung über orale Aufnahme hilfreich, so wie sich das in der Ausrottung der Tollwut beim Fuchs bewährt hat. Derzeitstehen allerdings keine zugelassenen und sicheren Vakzine für Haus- und Wildschweine zur Verfügung. Mit einer baldigen Zulassung ist auch nicht zu rechnen.
Zusammenfassung
Aufenthalte bzw. Jagdreisen in ASP-Risikogebiete sollten unbedingt vermieden werden, dies gilt insbesondere für Personen, die selbst Schweine halten oder in Schweinebetrieben tätig sind. Der Jägerschaft kommt in der Früherkennung eine Schlüsselrolle zu.
Melden Sie verendete bzw. verdächtige Stücke bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, um diese auf ASP untersuchen zu lassen. Im Seuchenfall spielen drei Maßnahmen eine entscheidende Rolle: das rasche Auffinden und Entfernen der Kadaver im Seuchengebiet, die Reduktion der Schwarzwilddichte sowie die Einschränkung von Wildschweinbewegungen durch die Errichtung von Zäunen.
Co-Autorin: Dr. med. vet. Jutta Pikalo