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Risikogruppe Schwarzwild

10. Januar 2022 -
Risikogruppe Schwarzwild - © Stefan Meyers
© Stefan Meyers

Die Afrikanische Schweinepest steht vor den Toren Österreichs. Menschliche Aktivitäten und illegale Entsorgung kontaminierter Lebensmittel haben die Ausbreitung beschleunigt, die Seuchenbekämpfung gestaltet sich schwierig – ein Zwischenstand.

Die Entwicklungen betreffend Afrikanischer Schweinepest (ASP) in Europa, insbesondere aber in unseren Nachbarländern, geben weiterhin keinen Anlass zur Entspannung. Dies verdeutlichen die Ausbruchszahlen beim Schwarzwild in unseren östlichen Nachbarländern, so wurden in diesem Jahr bereits 2.513 Ausbrüche in Ungarn und 1.588 Ausbrüche in der Slowakei gemeldet (Stand: 13. Dezember 2021).
Der nächstgelegene gemeldete Seuchenfall bei Wildschweinen befindet sich in Ungarn und ist derzeit nur noch 87 km von der österreichischen Staatsgrenze entfernt. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation inEuropa bleibt das Risiko einer Einschleppung nach Österreich sehr hoch. Ein Ausbruch der ASP bei Haus-, aber auch bei Wildschweinen hätte enorme wirtschaftliche Schäden zur Folge.

Infektionswege der ASP beim Wildschwein (WS) in Europa seit 2014. [Sauter-Louis et al., 2021]

Land Region Erstnachweis ASP beim WS Eintragsweg
Litauen 1/2014 WS-Bewegungen aus Weißrussland
Polen Osten 2/2014 WS-Bewegungen aus Weißrussland
Warschau 11/2017 menschliche Aktivitäten
Norden 12/2017 WS-Bewegungen aus der Exklave Kalinigrad; Russische Föderation
Westen (Grenz­gebiet BRD) 11/2019 menschliche Aktivitäten
Lettland Ost 6/2014 WS-Bewegungen aus Weißrussland
Nord 7/2014 menschliche Aktivitäten
Estland Süd 9/2014 WS-Bewegungen aus Lettland
Nord 9/2014 WS-Bewegungen aus Russ. Föderation
Tschechien Zlín 6/2017 illegale Entsorgung von Lebensmitteln
Ungarn 4/2018 illegale Entsorgung von Lebensmitteln
Rumänien 5/2018 menschliche Aktivitäten
Bulgarien 8/2018 WS-Bewegungen aus Rumänien (?)
Belgien Süd: Wallonien 9/2018 illegale Entsorgung von Lebensmitteln
Slowakei 8/2019 WS-Bewegungen aus Ungarn
Serbien 7/2019 WS-Bewegungen aus Rumänien/Bulgarien
Deutsch­land Brandenburg, Sachsen 9/2020 WS-Bewegungen aus Polen
Mecklenburg-Vorpommern 11/2021 menschliche Aktivitäten

Infektionswege

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es für die Primärausbrüche zwei unterschiedliche Szenarien gibt. Bei kontinuierlicher Ausbreitung in der Schwarzwildpopulation und fehlenden Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen wird die Seuche durch die Wildschweine in die Nachbarländer ein­geschleppt. Dieser Verlauf war für die meisten Länder in Europa ausschlaggebend (siehe Tabelle oben). Zuletzt war dieser Flächeneintrag für die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest nach Deutschland verantwortlich, bei der die Seuche aus einem Ausbruchsgebiet in Westpolen an verschiedenen Stellen den Sprung über die Oder geschafft hat.
Seit dem erstmaligen Nachweis im September 2020 fielen in der BRD mit Stand 10. 12. 2021 bereits 2.947 Wildschweine der ASP zum Opfer. ImGegensatz zur langsamen, kontinuierlichen Ausbreitung in der Schwarzwildpopulation sind menschliche Aktivi­täten bzw. die illegale Entsorgung von ASP-kontaminierten Lebensmitteln für punktuelle Ausbrüche verantwortlich. Diese Eintragsformen treten meist in größerer Entfernung zu den ursprünglichen Seuchengebieten auf und waren ursächlich für die punktuellen Ausbrüche in Tschechien (2017) und Belgien (2018). In beiden Ländern erfolgte der Viruseintrag ausschließlich über den Menschen bzw. die illegale Entsorgung ASP-kontaminierter Lebensmittel. Durch rasches Erkennen des Infektionsgeschehens beim Schwarzwild und umfassende Tilgungsmaßnahmen ist es mit erheblichen Anstrengungen in beiden Ländern gelungen, die Seuche wieder auszurotten.

Früherkennung

In der Tierseuchenbekämpfung kennt man den Begriff der Hochrisikophase, das ist der Zeitraum vom Eintrag bis zur labordiagnostischen Feststellung der Seuche. Je kürzer die Hochrisikophase, desto Erfolg versprechender können entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen verlaufen.
Um einen Eintrag der ASP in die Wildschweinpopulation frühzeitig zu erkennen, ist die Unterstützung der Jägerschaft unerlässlich. Jeder aufgefundene Kadaver muss auf ASP untersucht werden, gehäuftes Auffinden von verendeten Tieren war in allen Ländern der entscheidende Hinweis für den Eintrag von ASP und das darauffolgende Seuchengeschehen. Im Straßenverkehr verunfalltes Wild zählt ebenfalls zur ASP-Risikogruppe und sollte im Rahmen der Früherkennung unbedingt zur Untersuchung eingesandt werden. Auffällige Verhaltensweisen der Tiere geben bereits beim Ansprechen Hinweise auf eine mögliche Infektion mit dem Virus der ASP.
Die ersten Anzeichen treten etwa vier Tage nach der Infektion auf. ­Typisch für diese hoch fieberhaft ver­laufende Infektion – die innere Körpertemperatur liegt meist über 41 °C – sind das Zusammenliegen der Tiere in Haufen, die Fressunlust sowie gerötete Augen- und Maulschleimhäute mit Augen­ausfluss. Erkrankte Tiere zeigen im weiteren Verlauf eine gekrümmte Körperhaltung, ein aufgezogenes Abdomen sowie ein Fehlen des Ohrenspiels. Die Losung kann entweder sehr hart sein oder als Durchfall auftreten. Häufig zeigen die Tiere Atemnot, welche sich durch eine erhöhte Atem­frequenz sowie vermehrte und vertiefte Bewegungen des Brustkorbs und Abdomens manifestiert. Orientierungslosigkeit, taumelnder Gang und fehlender Fluchtreflex vor Menschen und Hunden gehören ebenfalls zu den Anzeichen einer Infektion mit dem ASP-Virus. Tiere einer Rotte können unterschiedliche klinische Phasen des Krankheitsverlaufs aufweisen. Im Endstadium kommt es zum Festliegen in Seitenlage, Blut kann über die Körperöffnungen austreten, Schaum vor Rüsselscheibe und Maul sind Zeichen eines Lungenödems.
Die für ASP typischen pathologisch-anatomischen Veränderungen sind Blutungen – von punktförmig bis flächig – in den Organen und Lymphknoten sowie Milzschwellungen. Zum diagnostischen Nachweis der ASP eignen sich besonders Blutproben bzw. Bluttupfer, Milz und Lymphknoten, da sich das Virus primär in den Zellen des Blutes vermehrt. Bei Kadavern in fortgeschrittenem Verwesungszustand ist der Erregernachweis auch noch aus dem Knochenmark von Röhren­knochen möglich.
Bei ASP-Verdacht ist umgehend die Veterinärbehörde der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zu verständigen. Nur wenige Tiere überleben die Infektion und entwickeln meist Antikörper, die ab dem 11. bis 20. Tag nach der Ansteckung nachweisbar sind.

Lungenödem mit Schaum. - © Pikalo/Blome
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Im Endstadium kommt es zum Festliegen in Seitenlage. - © Pikalo/Blome
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Schaum vor Rüsselscheibe und Maul sind Zeichen eines Lungenödems. - © Pikalo/Blome
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Verendetes Schwarzwild. - © Pikalo/Blome
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Bei Kadavern ist der Erregernachweis auch noch aus dem Knochenmark von Röhren­knochen möglich. - © Pikalo/Blome
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Die für ASP typischen pathologisch-anatomischen Veränderungen sind Blutungen in den Organen - © Pikalo/Blome
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Maßnahmen im Seuchenfall

Wird die ASP „nur“ im Wildtierbestand festgestellt, legt die Veterinärbehörde unter Berücksichtigung der Wildschweinhabitate entsprechende Sperrzonen fest, in denen Maßnahmen zur Eindämmung und Tilgung der Seuche erfolgen. Als eine der ersten Maßnahmen wird ein intensives Absuchen des Gebietes nach verendeten Wildschweinen durchgeführt.
Dem Entfernen von Kadavern kommt erhebliche Bedeutung zu, da diese über Wochen bzw. Monate alsInfektionsquelle für Wildschweine dienen können. Aktuelle Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass speziell für das Auffinden von Schwarzwild­kadavern ausgebildete Suchhunde eine wertvolle Unterstützung bei der Bergung der Kadaver darstellen, da sich erkrankte Wildschweine oft ins Unterholz zurückziehen und ihre Kadaver nur schwer aufzufinden sind. Aufgrund des fieberhaften Verlaufs suchen die Tiere zur Abkühlung oft Wasserläufe bzw. Suhlen auf, in diesen Bereichen findet man häufig Kadaver. In schwer zugänglichen Gebieten hat sich auch der Einsatz von Drohnen, die mit Wärmebildkameras versehen sind, bewährt.
Um die weitere Ausbreitung einzudämmen, können je nach Gegebenheiten Maßnahmen, wie Einzäunung des Seuchengebiets und Betretungsverbote für bestimmte Personengruppen, hilfreich sein. Ziel ist es jedenfalls, eine Weiterverbreitung der Seuche in der Wildschweinpopulation und ein Über­greifen auf Hausschweinebestände zu verhindern sowie eine weitere Ausbreitung aus dem Seuchengebiet zu unterbinden. Um das eigentliche Seuchengebiet wird von der Veterinärbehörde zusätzlich eine Pufferzone („gefähr­detes Gebiet“) eingerichtet, in der eine verstärkte Überwachung erfolgt. Da auch auf den ersten Blick gesunderlegte Wildschweine Virusträger sein können, wird auch im gefährdetenGebiet eine umfangreiche Unter­suchung der Schwarzwildstrecke auf Afrikanische Schweinepest erforderlich sein.
Da die Ausbreitung maßgeblich von der Wildschweindichte abhängig ist, kommt der Reduktion der Schwarzwildbestände ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Während in Tschechien Scharfschützen der Polizei mit Schalldämpfern sowie Nachtsicht-Wärmebildgeräten zur Reduktion des Schwarzwildes im Seuchengebiet eingesetzt wurden, haben in BelgienSaufänge wesentlich dazu beigetragen, die Wildschweindichte rascher effektiv zu reduzieren und damit einen entscheidenden Beitrag zur Tilgung der Seuche zu leisten. Diese Maßnahmen entsprechen zwar nicht den üblichen jagdlichen Gepflogenheiten, sind aber zur Seuchenbekämpfung oft unumgänglich.

Impfstoffentwicklung

Für die Bekämpfung der ASP beim Wildschwein wäre eine Köderimpfung über orale Aufnahme hilfreich, so wie sich das in der Ausrottung der Tollwut beim Fuchs bewährt hat. Derzeitstehen allerdings keine zugelassenen und sicheren Vakzine für Haus- und Wildschweine zur Verfügung. Mit einer baldigen Zulassung ist auch nicht zu rechnen.

Zusammenfassung

Aufenthalte bzw. Jagdreisen in ASP-Risikogebiete sollten unbedingt vermieden werden, dies gilt insbesondere für Personen, die selbst Schweine halten oder in Schweinebetrieben tätig sind. Der Jägerschaft kommt in der Früherkennung eine Schlüsselrolle zu.
Melden Sie verendete bzw. verdächtige Stücke bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, um diese auf ASP untersuchen zu lassen. Im Seuchenfall spielen drei Maßnahmen eine entscheidende Rolle: das rasche Auffinden und Entfernen der Kadaver im Seuchengebiet, die Reduktion der Schwarzwilddichte sowie die Einschränkung von Wildschweinbewegungen durch die Errichtung von Zäunen.

Co-Autorin: Dr. med. vet. Jutta Pikalo