Rotwildbejagung: Am besten miteinander
Die Jagd auf den „König der Wälder“ erfordert nicht nur fundamentales Wissen zur Biologie dieser Schalenwildart, sondern auch ein Miteinander von Grundeigentümern, Jägern und Behörden. Eine neue Bejagungsrichtlinie soll helfen, einen gesunden und dem jeweiligen Lebensraum angepassten, „zukunftsfitten“ Wildstand zu erhalten.
In Niederösterreich kommen jährlich etwa 8.000 Stück Rotwild zur Strecke. Auch wenn die Rotwildsituation in den letzten Jahren eine positive Tendenz zeigt, steht das Wild vor Herausforderungen. Der Lebensraum hat sich verändert. Der Nutzungsanspruch und die Auswirkungen von klimatischen Veränderungen machen deutlich, dass es mehr denn
je darum geht, die vielfältigen Interessen unter einen Hut zu bringen, um einen „zukunftsfitten“ Rotwildbestand zu sichern.
Die niederösterreichische Rotwildbejagungsrichtlinie ist in Zusammenarbeit mit Jagd, Grundeigentümern und Behörde erneuert worden. Ab 2025 ist sie Basis und Leitlinie für die regionale Abschussplanung. Wir haben kürzlich mit Vertretern aus dem Fachausschuss für Rotwild des NÖ Jagdverbandes – LJM-Stellv. Ing. Franz Hochholzer, Ing. Rudolf Buchner, GF Leo Obermair MSc. und BJM Martin Schacherl (Lilienfeld) – gesprochen.
Wichtig ist die Ist-Situation
Um die Frage einer guten Rotwildbewirtschaftung zu beantworten, lohnt es sich, zunächst den Blick auf die Ist-Situation zu richten. Passt der Wildstand? Wie sieht die Wildschadenssituation aus? Wie entwickeln sich das Geschlechterverhältnis und die Altersstrukur? Wie steht es um das Wildbretgewicht und die Gesundheit der Tiere? Diese und weitere Aspekte sind die Eingangsparameter für Abschussplanung und Abschussdurchführung. Die Rotwildbejagungsrichtlinie unterstützt damit diesen sich wiederholenden, gesetzlich geregelten Kreislauf der Abschussplanung.
Die gute Nachricht ist, dass es in vielen Revieren eine gut strukturierte Rotwildpopulation nach Anzahl, Geschlecht und Alter gibt. Dennoch lohnt der Blick über den Tellerrand.
Im Vorfeld haben sich die Verantwortlichen die Abschussstrukturen in den einzelnen Bundesländern angesehen und evaluiert, wo in Niederösterreich noch Verbesserungsbedarf besteht. Diese hat man versucht, bei den Vorgaben der Abschussgliederung einzuflechten, um naturnah strukturierte Rotwildbestände zu erreichen bzw. zu erhalten.
Franz Hochholzer ist sehr dankbar, dass sich viele Jägerinnen und Jäger mit Leidenschaft um die Rotwildbestände kümmern und stellt das Miteinander in den Vordergrund: „Grundbesitzer, Jägerschaft und Behörde haben die Rotwildbejagungsrichtlinie gemeinsam ausgearbeitet, und auch die Umsetzung derselben soll gemeinsam erfolgen. Mit der Rotwildbejagungsrichtlinie setzen wir das Motto des NÖ Jagdverbandes ,Dem Wild verpflichtet‘ konsequent um. Der Weg ist das Ziel und führt die Betroffenen zusammen – es soll eine zukunftsfitte Rotwildpopulation erhalten und diese an die nächsten Generationen übergeben werden können. Wirtschaftlich tragfähige Rotwildbestände mit naturnaher Struktur nach Alter und Geschlechterverhältnis sind dazu notwendig. Das Erreichen eines klimafitten Waldes als Teil eines intakten Rotwildlebensraumes steht damit ebenfalls im Mittelpunkt. Der Rotwild-Fachausschuss des NÖ Jagdverbandes wird die Umsetzung dieser Richtlinie begleiten, Erfahrungen bündeln, die Ergebnisse kommunizieren und die sukzessive Weiterentwicklung fördern.“
Lilienfelds Bezirksbauernkammerobmann Rudolf Buchner, selbst Grundeigentümer und Landwirt, liegt das Rotwild und auch der Wald am Herzen. Ihm ist einerseits eine gute Altersstruktur beim Rotwild wichtig, andererseits die Erhaltung eines wirtschaftlich tragfähigen Rotwildbestandes zur Schaffung eines zukunftsfitten Waldes. Das Rotwild benötige einen intakten Lebensraum, und die Richtlinie sei ein wichtiges Instrumentarium dazu, weil sie praxistauglich und flexibel sei, um sie in den einzelnen Regionen gut anpassen zu können – und derer gebe es viele in Niederösterreich, weiß Buchner. „Die Richtlinie bietet verschiedene Möglichkeiten für unterschiedliche Ausgangssituationen, was Wildbestand und Wildschadenssituation anbelangt. Je nach vorliegender Ausgangssituation kann angepasst reagiert werden, um Wald und Wild fit für die Zukunft zu halten“, betont Buchner. Vorteil sei, dass man aufgrund verschiedener Voraussetzungen flexibel agieren könne.
Über Reviergrenzen hinweg
Rotwild nutzt große Lebensräume, daher ist ein abgestimmtes Vorgehen über die Reviergrenzen hinweg erforderlich, was diese Richtlinie gewährleisten soll.
Leo Obermair macht klar, dass dort, wo man Rotwild haben wolle, eine professionelle Richtlinie zu dessen Bewirtschaftung sinnvoll sei. Die bestehende Bejagungsrichtlinie habe gute Dienste geleistet, aber nach über 20 Jahren sei es an der Zeit gewesen, diese in manchen Punkten zu überarbeiten. „Wir Jägerinnen und Jäger wollen gesunde Wildbestände erhalten. Daher wurden wildbiologische Grundsätze in die Richtlinie eingearbeitet“, argumentiert der neue Geschäftsführer des NÖ Jagdverbandes.
Das heißt, dass die Richtlinie auf einen gesunden, tragfähigen, nach Geschlecht und Alter naturnah strukturierten Rotwildbestand abzielt. „Ein naturnahes Geschlechterverhältnis (nahe 1:1), eine naturnahe Altersstruktur (hohe, schlanke Alterspyramide) sowie ein ausgewogener Wildbestand wirken sich positiv auf die Abläufe innerhalb der Rotwildpopulation und das Wohlbefinden des Wildes aus. Denn dies kann wiederum Einfluss auf Zeitpunkt und Dauer der Brunft, Setzzeitpunkt, Geschlechterverhältnis der Nachwuchsstücke, innerartliche Konkurrenz sowie Stress, Auftreten von Krankheiten und weitere wildbiologische Parameter haben“, weiß Obermair. Diese Punkte seien daher in der Richtlinie berücksichtigt worden.
Martin Schacherl sprach als Vorsitzender des Fachausschusses dessen grundlegende Arbeit an, bei der von Anfang an sachlich und fair diskutiert worden sei. „Aus allen Reviergrößen und auch Regionen haben wir gute Vertreter, die sich in die Richtlinie aktiv eingebracht haben. Es hat sich bei dieser Arbeit das Motto ,Wir jagen nach Alter und nicht nach Trophäe‘ etabliert, weil das Alter gute Trophäen durchaus ermöglicht und nicht kategorisch ausschließt. Jedes männliche Stück, das ein gewisses Alter erreicht hat, zeigt auch eine interessante Trophäe und diese stellt gewissermaßen den Lohn des Jägers dar.
Den Hauptanteil der jagdlichen Arbeit leisten aber die, die das Kahlwild erlegen – sie sind als die wahren Helden anzusehen. Letztlich hat der Fachausschusss diese Punkte, welche eine solide Grundlage bilden, in eineinhalb Jahren gut ausgearbeitet. Daher bin ich sehr stolz auf ,meinen‘ Fachausschuss“, freut sich Schacherl.
Kronenhirschregelung wird ausgesetzt
Die Kronenhirschregelung war eine Art Hilfsmittel, um eine naturnahe Altersstruktur zu schaffen und mehr Hirsche durch die Mittelklasse durchwachsen und somit alt werden zu lassen.
Die Ziele, die mit der Kronenhirschregelung verfolgt worden sind, können auch mit anderen Mitteln erreicht werden. Letztlich kann man auch in Richtung der nicht jagenden Bevölkerung schwerlich den Blick auf die Trophäe richten, sondern muss sich auf Anforderungen der Wildbiologie stützen. Das Augenmerk weg von der Kronenausformung und hin aufs Ganze ist sozusagen das Argument der Zukunft.
Ausblick
Welche konkreten Schritte sind nun in Bezug auf die Umsetzung der Rotwildbejagungsrichtlinie in den nächsten Jahren geplant?
- 2025: §26a Abs. 2 der NÖ Jagdverordnung (Kronenhirschregelung) wird außer Kraft gesetzt
- 2025: revierübergreifender Abschussplan (Poolabschüsse) wird erstmals mit Blick auf die neue Richtlinie erstellt
- 2026–2028: Berücksichtigung der Richtlinie in den revierbezogenen Abschussplänen
- 2028: Evaluierung und Einfließenlassen der Erfahrungen in die nächste Jagdperiode und Periodenplanung
Weitere Infos & Details:
Für Beratungen und weitere Auskünfte zur Handhabung der Rotwildbejagungsrichtlinie kontaktieren Sie gerne Ihren Bezirksjägermeister oder den
NÖ Jagdverband: Tel. 01/405 16 36-14, E-Mail: jagd@noejagdverband.at.