SafeGameMeat: Sicheres Wildfleisch in der EU
Die Initiative SafeGameMeat zielt darauf ab, die Lebensmittelsicherheit von Wildfleisch in der EU zu steigern. Erfahren Sie, wie unterschiedliche Jagdpraktiken berücksichtigt und Risiken minimiert werden, um hochwertiges, sicheres Wildfleisch zu gewährleisten.
Die Jagd wird weltweit ausgeübt und das erlegte Wild als Lebensmittel genutzt. Speziell in der Europäischen Union gibt es jedoch ein umfassendes Regelwerk, das die Vermarktung von Wildbret über zugelassene Lebensmittelbetriebe nicht nur national, sondern in der ganzen EU ermöglicht und außerdem eine direkte Abgabe kleiner Mengen von zerlegtem Wildfleisch an Einzelhändler und Endverbraucher erlaubt. Ergänzt wird dies durch die Möglichkeit der Abgabe von selbst erzeugten Wildfleischwaren (Würsten, Pasteten) an Endverbraucher.
Was nun etwas trocken klingt, macht die Jagd nicht nur für die rund sieben Millionen Jägerinnen und Jäger in der EU zu einem interessanten, mit Fachkenntnis und Leidenschaft ausgeübten Handwerk, sondern eröffnet auch für die nicht jagende Bevölkerung einen Zugang zu naturnahem und nachhaltig gewonnenem Fleisch. Aus der ernährungsphysiologischen Literatur ist bekannt, dass der regelmäßige Verzehr von Wildfleisch gesund ist und auch für viele Flexitarier und sogar Vegetarier eine Alternative darstellt. Andererseits kann Wildfleisch auch gesundheitliche Risiken bergen, und es gibt – wie auch bei anderen Lebensmitteln – Produktwarnungen im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel, das „Rapid Alert System for Food and Feed“ (RASFF).
Während die grundlegenden Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit in der gesamten EU gleich sind, unterscheidet sich die Jagd je nach Landschaft, Wildart und jagdlichen Traditionen. Aus lebensmittelhygienischer Sicht sind die Abläufe beim Wildbretgroßhändler („zugelassener Wildbearbeitungsbetrieb“) zwar in den EU-Staaten ziemlich gleich, aber der Bereich vom Erlegen bis zur Kühlung („Primärproduktion und damit zusammenhängende Tätigkeiten“), die Ausbildung der Jägerinnen und Jäger sowie der Kundigen Personen und schließlich die direkte Abgabe von Wildfleisch und -erzeugnissen von den Jägern („Direktvermarktung“) weist gewisse Unterschiede auf. Welche Unterschiede gibt es? Kann man hier voneinander lernen („Best Practice“)? Wie begehrt ist Wildbret in den EU-Staaten? Und wie können Gefahren für die Lebensmittelsicherheit zuverlässig vermieden werden? Dies sind nur einige der Fragestellungen eines EU-COST-Projekts zum Thema Sicherheit in der Wildfleischproduktion vom Wald bis zum Teller („Safety in the Game Meat Chain“).
Das COST-Programm: Förderung des Wissensaustauschs in der europäischen Forschung
Das Programm „European Cooperation in Science & Technology“ („COST“) dient der Förderung der Forschungszusammenarbeit in Europa und unterstützt die Verbreitung der Ergebnisse. Das bedeutet, dass nicht die Forschung direkt, sondern der Wissensaustausch – nicht nur zwischen Wissenschaftern, sondern auch allen anderen Beteiligten – in Form von wissenschaftlichen Veranstaltungen (Workshops, Konferenzen) und Veröffentlichungen gefördert wird. Wie bei anderen Projektförderschienen muss auch hier ein Antrag gestellt werden – und die Konkurrenz um die naturgemäß begrenzten Fördermittel ist erheblich.
Das Sammeln und Vermitteln von Wissen ist über eine Art „Leistungsvereinbarung“ geregelt, das heißt, in einer COST-Aktion werden Fristen für die Bearbeitung von Aufgaben („Tasks“) festgelegt. Das Ergebnis ist ein daraus resultierender Bericht, ein Workshop, eine Konferenz oder ein Artikel („Deliverable“). Das COST-Programm richtet sich ausdrücklich an alle relevanten Fachleute und Berufs- oder Interessengruppen.
SafeGameMeat: EU-weite Aktion zur Steigerung der Wildfleischsicherheit
Die COST-Aktion „SafeGameMeat“ besteht derzeit aus einem Netzwerk von 29 Staaten, darunter finden sich auch einige Nicht-EU-Staaten zum Beispiel aus dem Balkan oder die Türkei. Die Aktion startete im September 2023 und besteht im Kern aus fünf Arbeitsgruppen, die sich über einen Zeitraum von vier Jahren mit folgenden Themenbereichen beschäftigen: Jagdausübung und Wildbretverarbeitung, Vertriebswege, chemische Gefahren, biologische Gefahren und Wissensvermittlung.
Interessengruppen aus allen relevanten Bereichen der Warenkette Wild (Wissenschaft, Industrie, staatliche Institutionen sowie Verbraucher) werden regelmäßig über neue Erkenntnisse informiert. Das Netzwerk wird Daten über Jagd- und Ausbildungspraktiken in den Ländern, entsprechende Standards/Codes of Practice und gesetzliche Regelungen zur Wildfleischuntersuchung und -hygiene sowie zu chemischen und biologischen Gefahren sammeln und auswerten. Hinsichtlich der Interessengruppe der Verbraucher soll die Aufklärung über den sicheren Umgang mit Wildfleisch behandelt werden. Letztlich soll durch die Aktion das Niveau der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes über Ländergrenzen hinweg und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Jagdpraktiken gesteigert werden.
Die Aktion wurde vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) initiiert und gemeinsam mit mehreren Partnerinstitutionen erfolgreich eingereicht. Der Präsident des BfR, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, hat das Ziel der Aktion auf den Punkt gebracht: „Wir wollen erreichen, dass dieses wertvolle Lebensmittel vom Tier europa- und weltweit so sicher wie möglich wird. Es geht darum, sowohl die stofflichen als auch die mikrobiellen Risiken so weit wie möglich zu verringern.“ Genaueres zur Organisation der Aktion ist unter folgendem Link zu finden: www.cost.eu/actions/CA22166/.
Natürlich ist auch Österreich mit seiner mittlerweile 30-jährigen Tradition in der Ausbildung der „Kundigen Personen“ (bzw. früher der „fachlich besonders geschulten Hilfskräfte“) und in der Wildbretdirektvermarktung in dem Projekt vertreten und wird diese Expertise einbringen.
SafeGameMeat-Konferenz 2024: Erste Schritte zur Verbesserung der Wildfleisch-Kühlkette
Die erste Konferenz im Rahmen der SafeGameMeat-Aktion fand am 2. und 3. Mai 2024 in Österreich statt. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) stellte die Räumlichkeiten und Infrastruktur in professioneller Weise zur Verfügung. Die 85 Teilnehmenden organisierten sich in Arbeitsgruppen und begannen mit den ersten Arbeiten. Zu den ersten Zielen zählt ein Überblick über die „Kühlkette“ vom Wildfleisch vom Revier bis zum Teller. Hier werden nicht nur durch eine Auswertung von vorhandener Literatur, sondern auch über eine Fragebogenaktion Angaben zu den tatsächlichen Temperaturen, zur Dauer bis zum Beginn der Kühlung usw. erhoben. In Österreich wurde eine vergleichbare (aber naturgemäß kleinere) Studie übrigens schon 2015 durchgeführt. Weitere beginnende Aktivitäten sind eine Sammlung der Produktions- und Verzehrdaten für Wildbret in der EU und Workshops zum Thema „Schwermetalle“ mit einem Fokus auf Geschosse. Über Ergebnisse und Fortschritte wird im WEIDWERK in Zukunft regelmäßig berichtet werden.
Jagd als Handwerk: Lernen, Erfahrungsaustausch und Best Practices in Europa
Jagd ist Lernen. Der Austausch von Erfahrungen darf nicht auf die Jägerstammtische beschränkt bleiben, sondern muss letztlich europaweit bzw. weltweit erfolgen. In Österreich arbeiten Jagd und Wissenschaft eng und gut zusammen, was angesichts der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Europa (WEIDWERK 8/2024, Seite 20 ff.), aber auch der Fibropapillomatose (WEIDWERK 4/2024, Seite 16 ff.) und des Amerikanischen Riesenleberegels in Österreich auch notwendig ist.
Jagd ist Handwerk. Sich umzusehen, andere Methoden auszuprobieren und schließlich die „besten“ zu behalten, zählt letztlich auch zur Ausbildung im Handwerk. Das Kennenlernen von „Best Practices“ anderer Staaten oder Regionen kann wertvolle Anregungen liefern und steigert den Erfolg bzw. die Professionalität aller Beteiligten.
Jagd ist nämlich auch eine Aufgabe und nicht nur Freizeitvergnügen.
Ob nun die Wildtiergesundheit oder das Wildbret im Vordergrund steht: Wenn Wildbret in der gesamten EU in optimaler Qualität und als sicheres Lebensmittel zur Verfügung steht, nutzt das der Jagd in jedem einzelnen Mitgliedstaat – und damit auch in Österreich.
Netzwerken bei der Brettljause: Ideenfindung und Austausch bei der SafeGameMeat-Konferenz
Wissenschaft ist zwar eine Kopf- und keine Magenangelegenheit – und „plenum venter not studet libenter“ (ein voller Magen studiert nicht gern) –, aber ganz ohne kulinarische Grundlage geht es doch nicht. Bei Konferenzen ist neben dem offiziellen Teil auch der informelle Teil sehr wichtig – im zwanglosen Gespräch ergeben sich nicht selten die besten Ideen, und Kontakte lassen sich leichter knüpfen. Beim Treffen in Wien waren es nicht nur die Kaffeepausen, sondern auch eine gemeinsame Brettljause am Abend in typischer Wiener Heurigenkeller-Atmosphäre. Ermöglicht wurde dieser gesellige Gedankenaustausch abseits der Vorträge durch die großzügige Unterstützung zahlreicher „Stakeholder“ der „Warenkette Wild“ in Österreich: Dank gebührt dem Niederösterreichischen Jagdverband, dem WEIDWERK, dem Verein „Grünes Kreuz“ und der PANNATURA GmbH. Die hochzufriedene Tagungsgemeinschaft lobte im Anschluss an den Abend die österreichische Küche und wird als Nächstes, gleichsam gestärkt, zur Verbesserung der Wildbrethygiene und zum weiteren Erfolg der COST-Aktion beitragen.