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Bleifrei Angeln?

27. Juni 2022 -
Bleifrei Angeln - © Fishstone
© Fishstone

Aus der Jagd in Feuchtgebieten hat die EU bleihaltige Munition bereits verbannt. Auch beim Angeln soll darauf verzichtet werden. Doch wie schädlich ist Blei für unsere Gewässer? Welche Alternativen gibt es?

In der Europäischen Union ist das Thema bleifreies Angeln seit rund einem Jahrzehnt immer wieder am Verhandlungstisch. Die Ideen reichen von einem EU-weiten Verbot bis hin zu verschiedenen Einschränkungen. Aktuell gibt es in Mitteleuropa nur ­wenige Gewässer, die zu Angelblei Vorgaben machen. Aber auch in deutschen und österreichischen Gewässern mehren sich langsam und stetig die Reviere, die ohne Blei auskommen wollen.
Großbritannien führte sein Bleiverbot bereits 1986 ein – allerdings nur für Bleie, die weniger als umgerechnet 23 g wiegen. Hintergrund: Gerade kleine Bleie und Schrotblei werden von Wasservögeln immer wieder für Nahrung ­gehalten oder als Mahlsteine für ihre Verdauung verschluckt – mit unmittelbaren Gesundheitsschäden, die bis hin zum Tod reichen.
Auch in Dänemark ist es seit 2002 untersagt, bleihaltiges Angelzubehör zu verkaufen. Deutsche Touristen, die ihr Blei aus der Heimat mitbringen, stellen einen gewissen Graubereich dar: Der dänische Sportfischerverband schlägt deshalb einen freiwilligen ­Bleiverzicht vor. Ähnliches gilt in Schweden.
Den Weg der Bleialternativen schlagen auch die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ein: Eines der ­letzten Dekrete von Präsident Barack Obama sieht ein generelles Bleiverbot ab 2022 vor. Die American Sportfishing Association wehrt sich nach wie vor gegen das Gesetz. Noch ist die Sache nicht entschieden.

Toxische Gefahr?

Doch wie sieht es tatsächlich mit dem Schaden aus, den Blei im Wasser verursacht? Das weiß eigentlich niemand so genau. Im Grunde besteht wohl Einig­keit darüber, dass weitere Schwermetalle im Wasser keinen Platz haben. Die Meinungen von Umweltschützern, Anglern, Wissenschaft oder Politik gehen jedoch weit darüber auseinander, für wie drastisch die Problematik ­eigentlich anzusehen ist. Daraus folgt natürlich auch, welche Maßnahmen dementsprechend zu ergreifen seien. „Prinzipiell halte ich das Verbot von Blei-Angelgewichten mit der Begründung einer drohenden toxischen Gefahr für Fische und Wasservögel für überzogen! Dem Angelblei ein ‚höchst gefährliches‘ toxisches Potenzial an­zudichten, scheint dabei leichter, als sich den wirklichen Umweltgefahren zu stellen“, meint Wissenschafter ­Thomas Meinelt, der auch den DAFV (Deutscher Angelfischerverband) berät. Der Fischpathologe und Ökotoxikologe, der am Leibniz-Institut für Ökologie und Binnenfischerei arbeitet, sieht als Ursachen für die Wasserverschmutzung ganz andere, wichtigere Faktoren: „Es gibt extrem gefährliche Verschmutzungen in unseren Gewässern. Diese sind bekannt, werden jedoch ungenügend angegangen. Chlorierte organische Verbindungen, hormonaktive Substanzen, Pestizide, Lösungsmittel, Hormone über Verhütungsmittel oder Arzneimittelrückstände u. v. m. passieren die ­Klärwerke beinahe unverändert und schädigen unsere Gewässer und Wasser­lebewesen nachhaltig. Dies ist an ­Geschlechtsveränderungen, Tumoren oder Anreicherung im Gewebe nachweisbar“, so Meinelt. Bleiverbindungen sind in Wasser schwer löslich und ­jedenfalls bei Weitem nicht der Hauptfaktor für die Gewässerverschmutzung. Dennoch macht die Dosis das Gift: Große Mengen an Blei können durch Reibung kleine Partikel ablösen. Ebenso ist davon auszugehen, dass die Masse der durch die Anglerschaft verursachten Bleizuführung in unsere Gewässer jedes Jahr in die Tonnen geht. Plus: Gerade die kleinen Bleie sind für Wasservögel eine Gefahr: Jedes Jahr sterben über eine Million Wasservögel in der EU daran – auch die ­sollten uns als aktive Gewässerschützer am Herzen liegen.

Qual der Wahl

Welche Alternativen hat der Angler von heute also? Mittlerweile bietet der Markt einiges an. Tungsten, auch als Wolfram bekannt, ist das einzige ­Metall, das eine noch höhere Dichte (19,26 g/cm³) als Blei aufweist (11,34 g/cm³). Es weist damit sogar noch ­bessere Eigenschaften als Blei auf. Beim Fliegenfischen ist es bereits weit verbreitet, jedoch empfindlich teurer als Blei. Ein Nachteil, vor allem bei schweren „Bleien“.
Da andere Alternativen eine geringere Dichte als Blei haben, bedeutet das Folgendes: Die Produkte sind größer. Durch die größere Auflage am Grund kann das aber bei Selbsthakmontagen auch ein Vorteil sein. Solche schweren Gewichte zum Wels- oder Karpfen­angeln findet man bereits bei Anaconda mit der „Pro Nature Casting Bomb“, die aus Zink gefertigt ist.
Wer Stahl aus Österreich bevorzugt, ist mit den Gewichten von Steel­angler gut beraten: Stahl sinkt schnell zu Boden und bringt Vorteile in schnell fließenden Flüssen. Bei schlammigem Untergrund empfehlen sich andere Blei­alternativen. Für Karpfencracks dürften die Stahlbeton-Bleie von Imperial Baits sowie Ufosinker ideal sein. Ihre Oberfläche nimmt Aromastoffe gut auf, dabei kommen diese Gewichte ganz ohne Beschichtung aus, die ebenfalls umweltschädlich sein kann.

"Ein Stein ist nachhaltig, kostet nichts und ist leicht zu fischen."
– Karsten Jaszkowiak, Fishstone

Beton, Stein & Stahl

Häufige Anwendung findet auch eine Mischung aus Aluminium, Kupfer und Magnesium, kurz „Zamak“ genannt. Wohin hier die Reise genau geht, ist heute noch nicht absehbar. Denkbar ist, dass sich verschiedene Metalle für spezifische Angelanwendungen durchsetzen werden. Bei Jighaken und Dropshot finden sich vermehrt Stahl­gewichte, bei Karpfen Zink, Zement oder Stein. Spinnfischer haben es hier nicht immer leicht: Bleifreie Jighaken sind noch nicht allzu weit verbreitet: Ufosinker bietet hier eine gute Auswahl mit hochwertigen Haken. Auch bei Fisherino findet sich ein Sortiment von Jighaken aus Tungsten. Und natür­lich gibt es da noch eine, an vielen Ufern, naheliegende Alternative: den Stein.
„Ein Stein hat viele Vorteile. Er ist verfügbar, nachhaltig, kostet nichts und ist leicht zu fischen“, schwärmt Karsten Jaszkowiak. Der Berliner gründete 2016 ein Unternehmen, und seither bietet er verschiedene Systeme mit „Straps“ aus Gummi an, mit denen Steine fix oder als Laufblei montiert werden können. „Ich habe immer gern gebastelt und dann begonnen, mit Steinmontagen zu experimentieren. Das hat mich in der Anwendung so überzeugt, dass ich damit aufs Ganze gehen wollte“, erzählt uns Karsten.
Mit seinem Betrieb erfüllt er auch einen guten Zweck in der Region und beschäftigt in der Verpackung regionale Behindertenwerkstätten. Auch der Gummi für die Halteriemen besteht ausschließlich aus Naturkautschuk, der regional verarbeitet wird. „Das Problem an Blei ist ja bei Weitem nicht nur der mögliche Schaden an unseren ­Gewässern hier. Sondern vor allem auch die Erzeugungskette in den ­produzierenden Dritte-Welt-Ländern. Dort ist der Großteil der Schmutz­abwässer in der Entstehung zu verzeichnen“, so Karsten. Die Produkte von Fishstone und wie sie funktionieren, kann man sich auf YouTube auch vorab in gutgemachten Videos ansehen – genauso wie eine Reihe weiterer Ideen. So lassen sich auch übergroße Schraubenmuttern nutzen: In der Größe M24 wiegt so eine Mutter 95 g und bietet in der Mitte auch noch genügend Platz, um Futterteig einzukneten.

Zeit für Veränderung

Was auch immer man zur Beschwerung an die Schnur hängt, klemmt oder ­knotet, Alternativen gibt es zuhauf. „Wo immer wir schädliche Einträge in die Umwelt vermeiden können, werden wir das tun“, bringt es Olivier Portrat, Präsident der European Tackle and Trade Organization (EFTTA), auf den Punkt. Wichtig wäre dabei, dass es ­vernünftige Übergangslösungen gibt und sich die Anglerschaft nicht per se gegen Neuerungen verwehrt.

Bleifrei Angeln - Wechselt man von beihaltigen Materialien auf bleifreie Alter­nativen, landet man nicht selten bei Steinen. - © Fishstone
Wechselt man von beihaltigen Materialien auf bleifreie Alter­nativen, landet man nicht selten bei Steinen. © Fishstone
Bleifrei Angeln - Bei Fishstone halten zum Beispiel Bänder aus Naturkautschuk diverse Steine fest. - © Fishstone
Bei Fishstone halten zum Beispiel Bänder aus Naturkautschuk diverse Steine fest. © Fishstone
Bleifrei Angeln - Ebenso gibt es für Welsangler ein schweres „Geschirr“, um mehrere Kilo schwere Steine für die U-Posen-Montage zu befestigen. - © Fishstone
Ebenso gibt es für Welsangler ein schweres „Geschirr“, um mehrere Kilo schwere Steine für die U-Posen-Montage zu befestigen. © Fishstone