Gesichter der Jagd: Försterin und Jägerin Køleen
Ihre Lieder gehen ins Ohr, vermitteln eine Message und heben die Stimmung. Wir haben die junge österreichische Sängerin, Songwriterin und Försterin zum Interview gebeten.
Wie passt Indie-Pop mit Forst und Jagd zusammen? Diese Frage wollen wir beantwortet wissen und begleiten die 27-jährige Steirerin Nicole F., die unter dem Künstlernamen Køleen vor wenigen Tagen ihre erste EP („Extended Play“, Tonträger zwischen Single und Album, Anm.) veröffentlicht hat, ein Stück in ihrem natürlichen Lebensraum, dem Forst. Sie setzt sich auf einen bemoosten Baumstock, schließt die Augen und füllt ihre Lungen mit Waldluft. In der Natur fühlt sich die rothaarige Försterin am wohlsten; dort tankt sie Energie und holt sich Inspiration für ihre große Leidenschaft, das Singen. Im Gespräch mit ihr stoßen wir jedoch nicht auf die Unbeschwertheit der Jugend, sondern auf viel, viel mehr . . .
WEIDWERK: Køleen, du hast vor Kurzem eine Karriere als Sängerin gestartet; Musik, die, wenn ich so sagen darf, absolut ins Ohr geht und äußerst facettenreich ist. Kannst du uns etwas über deine Inspiration erzählen?
Køleen: Danke für das Kompliment (lacht)! Meine Inspiration ist es in erster Linie, Kunst zu schaffen. Ich liebe es, etwas entstehen zu lassen, das vorher noch nicht da war, etwa Melodien mit Texten zu versehen und in den Menschen Gefühle zu entfachen. Ins Schwarze treffe ich, wenn sie die Songs mit Themen aus ihrem eigenen Leben verbinden können, weil Musik extrem tiefgreifend ist und Menschen auf einer ganz anderen Ebene berührt. Ich höre ebenfalls sehr gerne Musik und habe zu meinem Lieblingssong eine enge Verbindung. Ich höre ihn etwa, wenn es mir schlecht geht, aber auch, wenn es mir gut geht. Der Song sorgt jedes Mal dafür, dass sich meine Stimmung hebt. Und wenn ich traurig bin, dann höre ich ihn vielleicht zehnmal, um meine Gefühlswelt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das ist meine Inspiration: Ich möchte bei anderen Menschen etwas bewirken und sie motivieren, egal, wie schwierig eine Situation oder wie aussichtslos das Leben auch sein mag. Die Welt dreht sich weiter, daher darf man den Fokus nicht verlieren. Man sollte einfach versuchen, glücklich zu sein.
WEIDWERK: Was bedeuten deine Songs? Was soll deren Aussage sein?
Køleen: Mir ist es extrem wichtig, dass meine Songs nicht nur melodisch sind, sondern auch etwas zu sagen haben. Großteils haben sie mit meinem Leben zu tun, sind also autobiografisch. Meine Songs sind generell sehr melancholisch, obwohl es zum Schluss immer eine positive Message gibt – egal, wie schlimm es ist, es gibt immer einen Funken Hoffnung! Meine Single „World Keeps Turning“ habe ich geschrieben, nachdem ein nahes Familienmitglied schwer erkrankt ist – ein Schicksalsschlag, der die gesamte Familie und auch mich persönlich schwer getroffen hat. Wenn ich den (in Englisch verfassten) Songtext ins Deutsche übersetze, beschreibt er genau das Gefühl in diesem Moment, als mir der Boden unter den Füßen weggerissen wurde und ich nicht wusste, wie es weitergeht. Die Ironie hinter dem Songtext: Manchmal würde man sich wünschen, die Zeit anzuhalten, doch die Welt dreht sich weiter. Und es stimmt: Ich habe in dieser schwierigen Zeit tatsächlich mein Leben nicht auf die Reihe gebracht: Alles, was ich angepackt habe, ist schiefgelaufen, viele Dinge habe ich vergessen, und ich bin tatsächlich wie erstarrt gewesen. Im Beruf habe ich aber trotzdem funktionieren müssen. Der Song ist im Grunde aber sehr positiv, weil ich es liebe, Kontraste zu schaffen. Daher wollte ich diese sehr tiefgründige Message in einen positiven Rhythmus kleiden. Im Refrain geht es darum, alles abzuschütteln und aufzuwachen, weil sich die Welt weiterdreht.
Im Song „Remedy“ geht es genau darum, was nach dem Schicksalsschlag passiert ist. Ich habe lernen müssen, stark zu sein. Auch wenn dir andere Menschen helfen und dir viele Sachen abnehmen, hilft dir das nicht, denn jeder muss sein Leben selbst leben. Alles, was ich in meinem Leben durchgemacht habe, hat mir die Augen geöffnet: Jetzt sehe ich klarer. Ich bin draufgekommen, dass man eigentlich allein leben muss. Jeder von uns ist im Grunde allein, muss sein Leben selbst leben; das ist auch die Botschaft dahinter. Man muss sich zuerst selbst lieben, bevor man andere lieben kann. Es geht darum, etwas zu finden, das einen glücklich macht, sei es ein Hobby, Musik, Tanzen oder dergleichen. Irgendetwas, das ein Heilmittel ist, wenn es einem schlecht geht.
Am Song „What I Am Waiting For“ habe ich lang gearbeitet, und er ist erst nach zwei Jahren veröffentlicht worden. Dieses Lied passt im Nachhinein auch zu meinem Schicksalsschlag und zu meiner jetzigen Lebenssituation: Vor lauter Regen sieht man nicht mehr, wo das Leben hingeht. Man ist – bildlich gesprochen – in einem Strudel gefangen und findet den Weg nicht raus. Meine innere Stimme sagt aber: „Du musst weitermachen! Dein ganzes Leben wird schön sein, weil die Sonne jeden Tag neu aufgeht. Worauf wartest du noch? Lebe dein Leben!“
Die Natur und auch mein Werdegang können mir Kraft und Hoffnung geben. Auch der Tod bringt mental etwas, um über sich selbst hinauszuwachsen und größer zu werden. Wie ein Baum, der die Energie mit seinen Wurzeln aus dem Boden zieht, kann man aus schlimmen, aussichtslosen Situationen Hoffnung schöpfen. In solchen Momenten kann man also lernen und wachsen. Leben und Tod sind Teil des großen Ganzen, und es hängt immer davon ab, wie man mit diesen Themen umgeht. Ich habe durch die Natur gelernt, wie schön das Leben sein kann, weil die Sonne jeden Tag neu aufgeht. Sie führt mir vor Augen, wie das zwischen Leben und Tod funktioniert. Wenn ein Baum stirbt, wird er zu Humus und bietet den Nährboden für neues Leben. Ich verpacke genau diese wichtige Botschaft: Das Leben ist ein Kreislauf und beginnt immer wieder von Neuem!
WEIDWERK: Woher kommt dein Künstlername und was bedeutet er?
Køleen: Mein Künstlername ist eine Kombination aus meinem Vornamen Nicole, meinem Spitznamen „Collie“ und dem forstwirtschaftlichen Begriff „Kollin“ – eine Höhenstufe im Mittelgebirge, auf der Laubhölzer, ganz besonders Eichenwälder, gut gedeihen. Mir war es wichtig, dass mein Künstlername eine Kombination mit etwas Forstlichem ist und mit meinem Vornamen zu tun hat – so ist der Künstlername „Køleen“ entstanden. Damit er etwas cooler aussieht und ein bisschen aus der Masse herausragt, habe ich das „O“ durchgestrichen. (Lacht!)
WEIDWERK: Wie und wann bist du zum Singen gekommen?
Køleen: Ich habe im Kindesalter in Schulchören gesungen und später, im Alter von 14 Jahren, Gitarre gelernt und damit begonnen, Songtexte bzw. Songtextfragmente zu verfassen. Während meiner Ausbildung zur Försterin bin ich in der Schulband gelandet, mit der ich öfters bei Adventsingen oder sonst auch vor mehreren Menschen gesungen und entdeckt habe, dass es mir extrem viel Freude bereitet, vor Leuten zu musizieren. In weiterer Folge habe ich Gesangsunterricht in Popular- und Jazzmusik genommen und in Cafés und bei kleineren Veranstaltungen gespielt. Als ich nach Absolvierung der Forstschule nach Niederösterreich bzw. in die Nähe Wiens gekommen bin, habe ich einen meiner jetzigen Produzenten kennengelernt, mit dem ich Songs professionell erarbeite. Ich habe mir viel Zeit damit gelassen, das Projekt „Køleen“ die letzten Jahre so heranreifen zu lassen, dass das Ergebnis für mich stimmig ist und ich stolz darauf sein kann.
Wie ein Baum, der die Energie mit seinen Wurzeln aus dem Boden zieht, kann man aus schlimmen, aussichtslosen Situationen Hoffnung schöpfen. – Nicole F., Försterin & Sängerin „Køleen“
WEIDWERK: Was hat dich dazu bewogen, den Beruf der Försterin zu ergreifen?
Køleen: Für mich war durch den familiären Hintergrund das Thema Wald in meiner Kindheit immer schon sehr präsent. Mein Vater war Forstwart und hat selbst Holz geerntet. Ich habe schon in jungen Jahren mit ihm im Wald gearbeitet, Holz gehackt, später mit der Motorsäge geschnitten und so die Liebe zur Forstwirtschaft und generell zur Waldbewirtschaftung entdeckt. Durch den familiären Bezug war das also immer ein zentrales Thema, daher war die Forstschule in Bruck/Mur das Einzige, was für mich infrage gekommen ist. Nach der Matura und der Forstadjunktenzeit habe ich die Staatsprüfung zur Försterin abgelegt.
WEIDWERK: Was fasziniert dich an der Forstwirtschaft und allem, was damit zusammenhängt, am meisten?
Køleen: An der Forstwirtschaft interessiert mich insbesondere die Vielfalt der Natur und dass man aus der Natur einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg generieren kann, etwa durch die Holzernte. Man entnimmt der Natur, wenn man sie nachhaltig bewirtschaftet, immer weniger als nachwächst. Es ist für mich wichtig, diesen Wirtschaftszweig nicht außer Acht zu lassen. Mich fasziniert generell die Arbeit in der Natur, den ganzen Tag draußen zu verbringen und den Kreislauf des Lebens hautnah mitzuerleben. Dazu zählt selbstverständlich auch das Thema Jagd, mit dem die wenigsten Menschen Berührungspunkte haben. Aber: Wildfleisch aus nachhaltiger, heimischer Jagd ist nicht nur regional, sondern in der Regel auch stressfrei gewonnen. Wenn man zum Beispiel ein Schnitzel im Supermarkt kauft, weiß man nicht, wie das Nutztier – Rind, Schwein, Huhn, Pute usw. – gelebt hat. Selbst wenn es das schönste Leben auf der Weide gehabt hat, spätestens ab dem Zeitpunkt, wenn es zum Schlachthof kommt, hat es Stress, Todesangst und oft kein schönes Ende. Gerade beim Jagen ist es so, dass man genau weiß, wo das erlegte Stück in freier Wildbahn bei freier Nahrungswahl gelebt hat. Der Jäger hat das Privileg, das Wild zu entnehmen, zu verwerten und es zum Beispiel als Schnitzel, Burger o. dgl. zu verzehren oder in Verkehr zu bringen. Wildbret ist das beste Fleisch, das man sich vorstellen kann – ohne medikamentöse Behandlung, ohne Massentierhaltung und ohne Schlachtstress. Noch dazu hat man, wenn man das Stück selbst erlegt hat, einen Bezug zum Tier. Es ist etwas ganz Besonderes und eine Ehre, seine Nahrung selbst beschaffen zu können.
WEIDWERK: Wie siehst du generell die Jagd im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft?
Køleen: Durch meine Ausbildung zur Försterin habe ich in den vergangenen Jahren sehr viele verschiedene Blickwinkel zu beiden Themen und generell zur Wald- und Wildbewirtschaftung erhalten. Als Försterin habe ich möglicherweise einen anderen Zugang, weil ich Wald und Wild als untrennbare Einheit sehe. Es ist in Bezug auf die Forstwirtschaft wichtig, dass der Wildstand reguliert wird, weil sonst die Naturverjüngung keine Chance hat; wir müssen, um den Wald von morgen schaffen zu können, ihm auch die Möglichkeit geben, gedeihen zu können. Wenn der Wildstand zu hoch ist, hat der Wald in manchen Gebieten ohne menschlichen Einfluss kaum eine Chance, in einem gewissen Zeitraum groß zu werden. Durch die Erfahrungen, die ich gemacht habe, ist es essenziell, Wild zu bewirtschaften und den Wildbestand zu regulieren. Der Lebensraum des Wildes schrumpft bei zunehmender Bebauung, die Wildbestände steigen. Dadurch ist es extrem wichtig, dass Förster und Jäger in unserer heutigen Kulturlandschaft eingreifen, um ein Gleichgewicht zwischen Wald und Wild zu schaffen. Wird nicht gejagt, werden die steigenden Bestände durch Wildkrankheiten gedrosselt – die Natur greift ein. Jagd ist in unserer heutigen Kulturlandschaft essenziell, um Forstwirtschaft betreiben zu können. Das zusätzliche Privileg ist die Verwertung des Wildfleischs, das dabei anfällt – eines der besten Lebensmittel, das die Natur zu bieten hat.
WEIDWERK: Wir haben deine Songs zuletzt immer wieder auf Kronehit gehört. Wo kann man sie sonst noch hören?
Køleen: Wer Interesse hat, meine Musikvideos zu sehen, die teilweise in der Natur und mit vielen abstrakten und künstlerischen Akzenten aufgenommen worden sind, kann diese gerne auf YouTube unter dem Namen Køleen, aber auch auf allen möglichen Plattformen, wie Spotify, iTunes usw. sowie auch auf weidwerk.at genießen. Mehr zu meiner Person gibt es auf meiner Website koleenmusic.com
Fotos: Køleen (2), Lukas Plöchl, Martin Grasberger, Adrian Bidron
Produktplatzierung: Swarovski Optik, Jagdhund
KØLEEN - World Keeps Turning