Reportage

Gesichter der Jagd: „Jägetarier“ Peter Zinter

19. August 2021 -
Peter Zinter mit Hund "Buddy"

In loser Folge stellen wir interessante Jäger vor. Den Auftakt macht Haubenkoch und Gastronom, Jäger, Fischer und „Jägetarier“ Peter Zinter. So facettenreich die Jagd ist, so vielseitig ist auch der Niederösterreicher. Ein Jägerporträt.

Wenn man jung ist, möchte man zeigen, was man alles kann. Und wenn man älter ist, möchte man zeigen, was man alles weglassen kann“, so der begnadete Koch, Direktvermarkter, Jäger und Fischer Peter Zinter. Er selbst bezeichnet sich als „Jägetarier“, worauf er im Folgenden noch eingehen wird.
Etwa zwei Jahrzehnte lang war der Niederösterreicher in der Spitzengastronomie tätig, die Liebe zum Wild wohnt ihm seit jeher inne. „Wild wird bei mir, damals wie heute, nie mit vielen Gewürzen verfälscht. Salz und Pfeffer, mehr nicht, mehr ist bei gutem Fleisch auch nicht notwendig. Für mich war nie ein Steak die Königsklasse beim Fleisch, nie ein domestiziertes Tier. Wild aus freier Wildbahn ist das Beste, was die Natur zu bieten hat. Das Wichtigste ist für mich immer noch, niemals die ,Edelteile‘ in den Vordergrund zu stellen, denn das gesamte Tier ist ein Edelteil.“
Kürzlich haben wir Peter Zinter für eine Revierrunde mit anschließender Jägerjause besucht. Wer ist der Mensch Peter Zinter? Was bedeutet ihm die Jagd, und welche Aspekte involviert die Ausübung des Weidwerks für ihn?


Auf der Jagd

Peter Zinter übt die Jagd in einem ­Revier in Hernstein, Bezirk Baden, Niederösterreich, aus. Das Revier ist 590 ha groß, bejagt wird es von acht Weidmännern. Die Anzahl der Hochstände sei – um den Jagddruck gering zu halten – überschaubar, so Peter, aber gut verteilt. Als ersten Punkt unseres Reviertags geht’s erst einmal per pedes einen Hang zu einer Wildwiese hinauf. Wir suchen die hüfthoch und bunt bewachsene Fläche ab, um etwaige abgelegte Rehkitze vor dem Mähtod zu bewahren, da die Mahd nachmittags geplant ist. Mit dabei ist Labrador Retriever „Buddy“, Peters Jagd- und Familienhund.
„Zweimal wöchentlich bin ich im Revier“, so Peter, der mit seiner Frau und den vier Kindern etwa dreißig Minuten entfernt lebt. „Ich komme aber nicht nur zur Jagd. Sehr viel Zeit beanspruchen etwa auch die Revierhege und -pflege, das Einzäunen diverser Maisäcker, der Hochstandbau und die -instandhaltung, das Predatorenmanagement, das Monitoring unserer Wild­arten, die Müllentsorgung diverser Plastikflaschen usw. von uneinsichtigen Mitmenschen, positive Gespräche mit Spaziergängern und, im Zuge dessen, Aufklärung über Flora und Fauna.“
Auch in Kärnten geht Peter jedes Jahr zur Jagd, ein guter Freund bejagt dort ein Bergrevier. „Am 1. August erlege ich immer meinen Sommergams oder versuche es zumindest.“ Aber auch im Winter ist Peter zum Gamsjagern in Kärnten. Und die Gams sind erarbeitet. „Bis ich meinen ersten Gams erlegt habe, bin ich achtmal hinaufgegangen. Achtmal drei Stunden hinaufgehen, umziehen und die warmen Sachen anziehen, und dann wieder zwei Stunden hinunter. Die Erleichterung und die Dankbarkeit waren denkbar groß, als es dann gepasst hat“, freut er sich.
„Wenn wir nichts erlegt haben, dann gehen wir Fliegenfischen. Wenn das alles nichts wird, gehen wir eine Runde ausreiten. Auch wenn du als Schneider heimfährst, du hast immer was erlebt“, lächelt er. „Letztes Mal haben wir ­Fische gefangen und selbst Saiblings­kaviar gemacht.“


Ausgezeichnet

Lange Zeit war Peter in der Spitzengastronomie tätig, erntete Auszeichnungen, wie Sterne, Hauben und Gabeln. Zuletzt sorgte er im bekannten Weinlokal Heunisch & Erben (1030 Wien) für kulinarische Erlebnisse. Es folgte eine gesundheitsbedingte Auszeit, in der der Niederösterreicher einige Gänge zurückschaltete, um sich nach langer Zeit und noch längeren Tagen einmal auf sich selbst, seine Familie und das Jagen zu konzentrieren. „Die Jagd hat mir sehr geholfen, mich auf das Wesentliche zu besinnen. Auf das, was für mich wirklich wichtig ist. Wenn ich draußen bin, kann ich am besten meine Gedanken sortieren. Schnell war für mich klar, dass ich keine 14 Stunden mehr pro Tag arbeiten möchte, wie ich es die letzten zwanzig Jahre gemacht habe.“ Ende 2020 eröffnete er gemeinsam mit Eishken Estate das Geschäft Lieblingsfisch mit kleiner Gastronomie am Karmelitermarkt (1020 Wien). „Da ich mich gerne mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln befasse, war für mich ein Feinkostgeschäft der logische Fortschritt, auch andere Menschen mit tollen Produkten zu versorgen. Schon vor 15 Jahren begann mit Eishken eine wertvolle Qualitätspartnerschaft mit Handschlagqualität; Eishken lieferte in alle Restaurants, in denen ich kochte.“ Das Lieblingsfisch sollten sich übrigens nicht nur Fischliebhaber merken. Im Spezialitätenregal reihen sich feine Biere (zum Teil selbst gebraut!) an Kaviar und vieles mehr. Das Sortiment soll künftig um einige Wildschmankerln erweitert werden, wie Peter verrät. Es ist auch schon das ein oder andere Mal vorgekommen, dass er ein Stück Wild fein zerwirkt und küchenfertig vakuumiert in einer der Theken feilbot, und noch am selben Tag war das ganze Stück verkauft – jedes einzelne Fleischpäckchen. Die Nachfrage sei definitiv auch in der Stadt vorhanden, so der Koch und Jäger.

Peter ZInter beim Anrichten der Jägerjause
Peter beim Zubereiten der Jägerjause mit Jahrlingsleber, Zwiebel und Apfel
Schwedenfeuer
Jägerjause mit Jahrlingsleber, Zwiebel und Apfel
Jägerjause mit Jahrlingsleber, Zwiebel und Apfel
Peter Zinter mit Hund "Buddy"
Traditionelles und Modernes gehen bei Peter Zinter Hand in
Trachtige Bekleidung für die ganze Familie, Peter mit seiner Frau Maria und den Kindern
Auch für das Fischen nimmt sich Peter des Öfteren Zeit
Krähenbrüstchen – ein „Arme-Leute-Essen“, modern interpretiert
Roastbeef vom Reh mit Orangen­tagetes-Senf, Kapuzinerkresse und Borretsch
Krähenbrüstchen, roh, fein ausgelöst
Tafelspitz vom Wildkalb
Ringeltaube mit geschmortem Gemüse

Jägetarier

Was bedeutet nun das Wort ,Jäge­tarier‘? – „In der Marke ,Jägetarier‘ ist ja auch das Wort Vegetarier versteckt. Ich bin der Meinung, es ist nicht notwendig oder sinnvoll, täglich Fleisch zu essen. Man bringt dem Fleisch mehr Wertschätzung entgegen, wenn es als etwas Besonderes und nicht als etwas Alltägliches gesehen wird. Früher war es doch auch so, da gab es nur am Sonntag Fleisch. Dieses wurde regelrecht zelebriert, und es wurde „mehr“ daraus gemacht. Da hat man, in meinen Kindheitserinnerungen, ein ganzes Henderl vorsichtig gekocht, um eine Suppe zu erhalten, und anschließend wurde es noch als Grillhenderl gebraten“, berichtet er. „Warum ich Jäger geworden bin,
ist einfach erklärt. Meine Familie ernährt sich recht autark. Wir bauen unser ­eigenes Obst und Gemüse an, halten Hühner und Fleischhasen, backen unser eigenes Brot. Aber
irgendwann sind diese Ressourcen erschöpft. Ich wollte für unsere Familie nachhaltig für die Fleischbeschaffung sorgen, somit war es für mich eine
logische Schlussfolgerung, zur Jagd zu gehen.“

Auch auf der Social-Media-Plattform Facebook ist Peter als „Jägetarier“ aktiv. „Mit der Marke ,Jägetarier‘ möchte ich natürlich positiv auf die Jagd aufmerksam machen und die User sensibilisieren, um zu verstehen, dass Jagd mehr als das bloße Erlegen ist. Diese Seite richtet sich an Jäger, aber auch an jagdfremde Personen, um zu zeigen, was man alles aus Wildbret machen kann. Und wie man so viel wie möglich verwerten kann.“

Auch der Tod und die Ethik der Jagd sind ein großes Thema – der Prozess vom Lebewesen zum Lebensmittel. Peter veröffentlicht ab und zu ein Bild eines erlegten und respektvoll drapierten Stückes Wild. Etwa eine Krähe, die er u. a. zum Schutz der Bodenbrüter erlegt hat. Die fein zugeputzten Krähenbrüstchen zeigt er ebenso wie die fertig zubereitete Speise, den „Krah“ mit Ysop (Gewürz- und Heilpflanze, in vielen Revieren zu finden, Anm.), Baharat (traditionelle, arabische Gewürzmischung, Anm.) und Liebstöckel. „Nichts ist für mich schlimmer als Supermarktfleisch, wo alles in Massen anonymisiert wird“, meint er. „Der Konsument muss endlich verstehen, dass ein Supermarkthendl für drei Euro nicht artgerecht gefüttert, gehalten und geschlachtet werden kann. Das geht sich einfach nicht aus.“


Alles für die Hühner

„Im Revier haben wir recht viel Reh-, Rot- und Schwarzwild“, erzählt Peter. „Obwohl der Niederwildbesatz leider äußerst niedrig ist, sieht man immer wieder ein paar Waldhasen, welche in der Dämmerung aufs Feld wechseln.“ Die Bejagung von Fuchs, Dachs und Marder sei daher wichtig, so Zinter, um den Druck auf das Niederwild zu verringern. Eine Schütte für das Niederwild und einen Kübel mit Körnern zeigt er uns an einer Stelle fernab jeglicher Feldwege. Abseits vom Freizeitdruck soll das Niederwild seine Ruhe haben.
An mehreren Plätzen im Revier entdecken wir Schilder des NÖ Jagdverbandes, die Naturnutzern Regeln für einen respektvollen Naturgenuss vermitteln sollen.


Zeit für die Jägerjause

Es ist nun Zeit für die Jägerjause, unsere Mägen melden sich. Am Rande einer Wiese, mehr auf der Erde als auf dem Gras, sägt Peter in einen mitgebrachten Rundling mit wenigen Schnitten ein Schwedenfeuer. Dieses ist behördlich genehmigt, auch Feuerlöscher haben wir dabei! Die Heckklappe seines Pick-ups funktioniert der Jäger zur mobilen Arbeits­fläche um und bereitet eine zarte Jahrlingsleber mit Zwiebel, Apfel und köstlichem Wildschwein-Lardo (gereifter, fetter Speck, Anm.) zu. Das Gericht serviert er auf Brot, das er großzügig mit Preiselbeersenf der österreichischen Senferei Annamax bestreicht. Das harmoniert ganz wunderbar, wie wir feststellen! Darüber frischer Schnittlauch, genossen im Schneidersitz auf der Wiese sitzend. – Ein würdiger Abschluss unseres Reviertages.

Das ist des Jägers Ehrenschild, daß er beschützt und hegt sein Wild, waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt. – So heißt es in Oskar von Riesenthals Gedicht „Waidmannsheil“ (1880), das die meisten sicherlich kennen. Peter nimmt die Worte sehr ernst und jagt, hegt und ehrt das Wild, egal, wie groß oder klein es auch sein mag.