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Eins mit der Natur

2. Dezember 2021 -
mit Abwurfstangen verkleideter Hirschhaupt - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer

Aktuelle jagdliche Themen, die hierzulande von Jagdmedien und -verbänden bereits seit einiger Zeit transportiert werden, wurden bei der Weltjagdausstellung in Budapest auf eine internationale Stufe gestellt. Die Jagd will sich als Natur- und Tierschützer Nummer eins etablieren und ihre Rolle in der Zukunft definieren.

Bereits zum fünften Mal fand vom 25. September bis 14. Oktober 2021 die Weltjagdausstellung statt, die unter dem Titel „One with Nature“, zu Deutsch „Eins mit der Natur“, Zigtausende Besucher in die frisch ausgebaute Hung­expo nach Budapest, Ungarn, lockte. Die Kosten der Weltjagdausstellung beliefen sich auf mehr als hundert Millionen Euro, was im Angesicht des betriebenen Aufwandes als durchaus realistisch erscheint.
Mit den Vorbereitungen, die bereits 2017 begannen, wurde Graf József Károlyi betraut, der mehrere Jahre lang für den CIC (Internationaler Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd) im Bereich Kultur tätig war. Das CIC-Hauptquartier befindet sich übrigens in Budapest, daher ist es nicht verwunderlich, dass die 67. CIC-Generalversammlung im Rahmen der Weltjagdausstellung abgehalten wurde. Bei ebendieser Generalversammlung wurde der Österreicher Dr. Philipp Harmer LL.M. zum neuen CIC-­Präsidenten gewählt und folgt dem Schweizer George Aman nach.

Lange Geschichte

Die Weltjagdausstellung kann auf eine lange Geschichte zurückblicken und fand 1910 in Wien, 1937 in Berlin, 1971 in Budapest und 1981 in Plovdiv (Bulgarien) statt. Als sie 1971 in Budapest über die Bühne ging, schrieb sie, erstmals auf ungarischem Boden, mit 1,9 Mio. Besuchern als größte jagdliche Veranstaltung Geschichte. Damals präsentierte sich auch Österreich mit einem Pavillon, zu dem die Besucher vom damaligen WEIDWERK-Chef­redakteur, Fritz Dobschova, in der September-Ausgabe 1971 folgendermaßen gelotst wurden: „ ... eine zünftige Jagdhütte und der ,Haflinger‘ weisen Ihnen den Weg in das etwa 400 m² große ,Nationalheiligtum‘, dessen Inneres zweigeschossig ist.“ Im heurigen Jahr hat sich Österreich offiziell nicht beteiligt.
Der feierlichen Eröffnung am 25. September wohnten unter anderem George Aman, Karl Habsburg-Lothringen, Zsolt Semjén (stellvertretender Minister­prä­sident) und Zoltán Kovács (Regierungsbeauftragter für die Weltjagdausstellung) bei.
Die Erwartungen an diese drei­wöchige Weltausstellung mit etwa 1.500 Programmpunkten – Veranstaltungen fanden nicht nur in Budapest, sondern an verschiedensten Schauplätzen Ungarns statt – waren bei den Organisatoren groß: Man rechnete im Vorfeld mit mindestens 1 Mio. Besuchern aus 100 Ländern. Das Rahmenprogramm sorgte vom Bogenschießen über Hunde- und Pferdeshows, Jagdhornbläserkonzerten und Falknerei-Vorführungen bis hin zu Jagdausstellungen für reichlich Abwechslung. Die One With Nature 2021 fand auf einer Fläche von 75.000 m2 in sechs Hallen statt, Aussteller aus etwa 50 Ländern präsentierten ihre Heimat.

Die dynamische Rehbrunft-­Szene  und der Löwe – kurz vor dem  Angriff – waren ein Blickfang der  Präparatoren-Europameisterschaft. - © Michaela Landbauer

© Michaela Landbauer

Unsere Eindrücke

Als wir an unserem ersten Tag, dem 28. September, das Gelände der Hungexpo betraten, bekamen wir bereits das erste Highlight in Anblick: Vor dem Haupteingang begrüßte uns die Skulptur eines röhrenden Hirschhauptes, die uns mit einer Höhe von 15 m, einer Länge von 20 m und einer Breite von 22 m schwer beeindruckte. Dieser 30 t schwere Koloss bildete, verkleidet mit 10 t Abwurfstangen von Damhirschen, Rothirschen und Rehböcken, sozusagen die Pforte zu den Ausstellungshallen der Hungexpo.
Auch wenn die Erwartungen nach dem ersten Tag etwas gedämpft waren – wir waren an einem der ersten Tage der Weltjagdausstellung vor Ort, alles schien erst „anzulaufen“, und auch die FeHoVa hatte noch nicht begonnen –, konnten wir unsere vorschnelle Meinung spätestens am Vormittag des zweiten Tages revidieren. Grund dafür waren die höchst spannenden Vorträge der internationalen Konferenz, bei der ein jagdlicher Bogen über mehrere Kontinente gespannt wurde. Unser nächstes Highlight war die „Circle-of-Life“-Installation, eine digitale Arena, die das Werden und Vergehen sämtlicher Lebewesen auf unserem Planeten imposant vor Augen führte. (Bitte werfen Sie einen Blick auf unseren Film!)
Es fiel uns auf, dass sehr viele Schulen und Kinder die Ausstellung besuchten. Ein Grund bestand sicherlich darin, dass man nirgendwo auf der Welt eine derartige Vielfalt an Wild­tieren in Lebensgröße sehen kann. In einer Halle hatte der österreichische Präparator Helmut Raith im Vorfeld atemberaubende Dioramen aufgebaut. Jedes ­Diorama war einem Kontinent zugeordnet und stellte die darauf vorkommenden Wildtiere zur Schau. Vom afrikanischen Steinböckchen bis zum arktischen Eisbären gab es in dieser „Safari“ eine Fülle zu entdecken, sodass man aus dem Staunen kaum noch herauskam. Apropos Präparate: Ein Bestandteil der Weltjagdausstellung war auch die Europameisterschaft der Präparatoren, bei der wiederum, in verschiedenen Kategorien – die besten Präparate prämiert wurden. Österreich war u. a. mit dem Niederösterreicher Daniel Schwarz und einem Vorschlagpräparat eines Damhirsches mit angedeuteten Vorderläufen vertreten. Eindrucksvoll in Erinnerung bleiben auch die Vollpräparate, etwa eine dynamische Rehbrunft-Szene, in der ein Rehbock einen Rivalen vertreibt. Zwei kämpfende Wölfe schinden Eindruck, ebenso ein Löwe – kurz vor einem Angriff. Auch gefiel das Präparat mit zwei Waschbären, die einen randvollen Mistkübel ausräumen wollen und die Flucht ergreifen, da sie dabei an einen amerikanischen Schwarzbären geraten – der sich ebenso zu erschrecken scheint wie die beiden „maskierten“ Gauner.
Noch mehr Besucher zogen die Hungexpo-Hallen an, als die FeHoVa Plusz, Ungarns beliebte Jagdmesse, die üblicherweise im Frühjahr stattfindet, im Zuge der Jagdausstellung ihre Pforten öffnete.

Hunderte Trophäen und ein „Trophäenwald“ ließen die kundigen Besucher staunen. - © Michaela Landbauer
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In der Halle mit Ausrichtung auf die Jagd in Ungarn konnten unter anderem kämpfende Hirsche bewundert werden. - © Michaela Landbauer
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Erkennen Sie die Schädel? Diese waren auf dem rumänischen Messestand zu sehen und stammen von Braunbären. - © Michaela Landbauer
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Einzelne „Inseln“, arrangiert vom österreichischen Präparator Helmut Raith, zeigten die tierischen Bewohner der Kontinente. Hier zu sehen: Asien (Vordergrund, rechts) und Europa (hinten, links). - © Michaela Landbauer
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In einem 500.000 l fassenden Aqua­rium gab es etliche Fisch­arten zu bestaunen. - © Michaela Landbauer
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Durch ein Flussbett konnte man trockenen ­Fußes ­wandern. - © Michaela Landbauer
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Trophäenkult?

Auch wenn man bei der Weltjagdausstellung 1971 den Jagdtrophäen und deren Zurschaustellung offenbar noch einen höheren Stellenwert einräumte – diesen Eindruck gewinnt man zwangsläufig, wenn man die damaligen, recht umfangreichen Berichte in „Österreichs Weidwerk“ durchstöbert –, wollte man die „Knochenschauen“ im 21. Jahrhundert scheinbar etwas dezenter gestalten. Kein leichtes Unterfangen, denn auch wenn das völlige Verstecken von Trophäen unehrlich wäre, würde eine übertriebene Präsentation bei Nichtjägern wohl kaum auf Verständnis stoßen. Wir meinen: Man kann zu Trophäen stehen, wie man will, letztlich bilden sie einen Bestandteil der Jagd. Und jene Jäger, die nach Trophäen suchten, kamen auf ihre Kosten, denn in einer Halle waren Hunderte Hirschgeweihe in einer Art „Trophäenwald“ versammelt.
Dass die Jagd sehr viel mehr bedeutet als bloß das Erbeuten von Trophäen, zeigte die Darstellung von altertümlichen Jagdwaffen und -ausrüstungsgegenständen, die das jahrtausendealte Kulturgut Jagd und deren Entwicklung bis in die heutige Zeit skizzierte. So sah man etwa einen lebensechten berittenen Bogenjäger, der einen Rothirsch anvisiert, und einen ins Horn blasenden Jäger aus der Zeit der Árpáden-Dynastie im 1. Jahrtausend n. Chr. Rücken an Rücken stand ein mit Camouflage getarnter moderner Bogenjäger mit Compoundbogen und Entfernungsmesser.
Was ein ausgebildeter Büchsenmacher zu leisten imstande ist, sah man am Stand der Ferlacher Büchsenmacherschule, wo man einzelne Arbeitsschritte live mitverfolgen konnte. Auch die Falknerei bekam einen würdigen Rahmen, untermalt von Vorträgen, Präsentationen und Flugshows.
Auch für Fischer gab es einiges zu sehen: In einem riesigen Aquarium mit einem Fassungsvermögen von 500.000 l konnte man Exemplare fünfzig verschiedener Fischarten in unterschiedlichen Farben und Größen bestaunen. Eindrucksvoll präsentierte sich zudem ein Flussdiorama mit zahlreichen Fischpräparaten, durch das die Besucher hindurchmarschieren konnten.

Verschiedene, teils altertümliche Jagd­arten wurden auf der OWN dargestellt. - © Michaela Landbauer
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Welche Bekleidung und Ausrüstung  kamen vor langer Zeit zum jagdlichen Einsatz ... - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger
... und wie sieht diese heute aus? - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger
Hier das Beispiel der Bogenjagd.  - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger
Die Dioramen waren höchst informativ und anspruchsvoll gemacht.  - © Michaela Landbauer
© Michaela Landbauer
Ein Highlight: kämpfende Wölfe. - © Martin Grasberger
© Martin Grasberger

Internationale Konferenzen

Einen wichtigen Bestandteil bildeten die internationalen Konferenzen, bei denen die aktuellsten jagdlichen Themen von hochrangigen Vortragenden in den Fokus gerückt wurden. Wir waren bei einigen spannenden Präsentationen dabei und unternahmen etwa eine virtuelle (Jagd-)Reise nach Namibia. NAPHA-Präsidentin Danene van der Westhuyzen (NAPHA = Namibia Professional Hunting Association) hält eindringlich fest, dass eine nachhaltige Jagd das Fundament für den Fortbestand der jagdlich genutzten Tierpopulationen bilde. Dies unterstreicht sie mit fundiertem Zahlenmaterial. So sei etwa die Löwenpopulation von 20 Stück (1995) im Nordwesten Namibias auf über 150 Stück (2017) angestiegen. Auch bei den Elefanten habe es einen enormen Zuwachs gegeben: 1980 hätten im „Land der roten Erde“ nur 5.000 Stück gelebt, 2018 seien es bereits mehr als 23.000 Stück gewesen. Die Wildtierbestände haben sich im vergangenen Dezennium mit nachhaltiger jagdlicher Bewirtschaftung verzehnfacht. Einen spannenden Aspekt brachte sie aus dem Tourismusland Namibia: Ein Jäger bringe aus wirtschaftlicher Sicht für das Land etwa das 1.600-Fache eines Foto­touristen. Somit hinterlasse ein Jäger einen wesentlich günstigeren ökologischen Fußabdruck. „Wenn die Jagd in Namibia verboten wäre, wäre ein Naturschutz nicht mehr möglich“, ist sich die Berufsjägerpräsidentin sicher.

Niels Holger Hahn von der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) berichtet über die Situation der Grauwölfe in Deutschland, die vor 150 Jahren ausgestorben und in den späten 1990er-Jahren wieder zurückgekehrt sind. „Das Monitoring spielt eine Schlüsselrolle“, erklärt Hahn, da es „alles andere als einfach ist, zu berechnen, wie viele Wölfe es in Deutschland gibt.“ In Deutschland würden aktuell 113 Wolfsrudel, ein Wolfspaar, neun territoriale Einzelwölfe und 360 Welpen ihre Fährten ziehen, so Hahn. „Bei steigender Wolfspopulation geht auch die Mortalität (Sterblichkeit, Anm.) nach oben; 2021 sind bei Verkehrsunfällen in Deutschland 63 Wölfe getötet worden. 75 % aller seit 1990 getöteten Wölfe sind dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen“, erklärt der Experte. Die Hauptbeute des Wolfes stellen mit einem Wert von 89 % Schafe und Ziegen dar, und im Vorjahr seien dem DBBW deutschlandweit 942 Wolfsattacken auf Nutztiere gemeldet worden, ergänzt Hahn. Die Kompensations­zahlungen beliefen sich 2020 auf € 802.294,–, die Maßnahmen für den Herdenschutz schlugen gar mit € 9.504.702,– zu Buche. Beim Schalenwild spezialisiere sich der Wolf auf Rehwild (55,3 %), Rotwild (20,8 %) und Wildschwein (17,7 %), erklärt Hahn. „Es stellt sich nicht die Frage, ob der Wolf bejagt werden soll, sondern nur von wem, wann und wie intensiv!“, stellt Hahn fest und tritt dafür ein, das emotionale Thema nüchtern zu betrachten und einem Management zuzuführen.

"Es stellt sich nicht die Frage, ob der Wolf bejagt werden soll, sondern nur von wem, wann und wie intensiv!" Niels Holger Hahn, Dokumentations- und Beratungs­stelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) Deutschland

FACE-Präsident Torbjörn Larsson stellt die FACE (European Federation for Hunting and Conservation) als Nichtregierungsorganisation vor, die Jagdverbände aus 37 Mitgliedstaaten vereine und die Interessen von insgesamt 7 Mio. Jägerinnen und Jägern vertrete. Die FACE sei seit 1987 auch Mitglied der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature). Larsson beziffert die Wirtschaftsleistung der Jagd in Europa auf 16 Mrd. Euro. Die Menschen verlören aber den Bezug zur Natur. Larsson betont, dass sich die Jagd positiv auf die Natur auswirke und immer ein wichtiger Teil der Gesellschaft gewesen sei. Die Gesellschaft habe sich verändert, die Welt werde immer städtischer, und viele Menschen hätten den Bezug zu tierischen Nahrungsmitteln verloren – Larsson verweist auf eine englische Studie, die zeigt, dass es Menschen gibt, denen nicht bewusst ist, dass Milch von Kühen stammt. Viele Menschen würden denken, die Nahrungsmittel kämen aus den Regalen der Supermärkte. Im Jahr 2050 würden 66 % der Menschen in Städten leben, was ein enormes Konfliktpotenzial in sich berge. „Die Jagd wird von vielen nicht als das gesehen, was sie ist, nämlich die Produktion von wertvollen Lebensmitteln!“, stellt Larsson fest. Mit einem Biodiversitätsmanifest wolle man zeigen, was die Jagd leiste (www.biodiver
sitymanifesto.com). Jäger hätten nun die Möglichkeit, die Vorzüge des Wildbrets aufzuzeigen! Wichtig sei eine effiziente Kommunikation, führt Larsson aus, um Halbwahrheiten und Gerüchte aus dem Weg zu räumen und Fakten zu zeigen. Bildung sei daher von größter Wichtigkeit, betont Larsson.

Der Amerikaner Laird Hamberlin, CEO des SCI (Safari Club International), geht mit den „Antijägern“, wie er die Jagdgegner bezeichnet, hart ins Gericht, denn „sie nützen technische Medien, um die Uninformierten zu manipulieren, tragen aber selbst nichts dazu bei, den Wildtieren in irgendeiner Weise zu helfen.“ Hamberlin verdeutlicht, dass die fehlenden bzw. irreführenden Informationen die größte Herausforderung der heutigen Zeit darstellten. Nicht die etwa 20 % umfassende Gruppe der Jagdgegner könne man für sich gewinnen, sondern müsse sich auf die etwa 60 % große Gruppe der „Neutralen“ konzentrieren; auf jene Menschen, denen die Jagd egal sei bzw. die nichts darüber wissen.

Resümee

Wie schon Fritz Dobschova in „Österreichs Weidwerk“ 10/1971 kritisierte, hätte man fünfzig Jahre später die Sprachbarriere – vieles war nur in ungarischer Sprache angegeben – beheben können, immerhin trifft man auf einer Weltjagdausstellung auf internationales Publikum, das großteils englisch spricht. Dennoch wurde der Besucher – so er sich mehrere Tage dafür Zeit genommen hat – mit einer Fülle an Eindrücken überhäuft, gewürzt mit zahlreichen hochinteressanten Vorträgen und vielen wirklich sehenswerten Exponaten und Trophäen. Wir sind jedenfalls froh, dabei gewesen zu sein!