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Satellitendaten im Wildtierschutz: Rebhuhn-Studie

26. November 2024 -
Rebhuhn - © Horst Jegen
© Horst Jegen

Erfahren Sie, wie Satellitendaten und der NDVI helfen, Lebensräume von Rebhühnern und Hasen zu bewerten und Nestprädation zu reduzieren. Unsere Studie zeigt neue Ansätze für den Wildtierschutz.

Die moderne Technik hält immer weiter Einzug in unser Leben. Am FIWI suchen wir nach Wegen, um zum Beispiel Satellitendaten effizient für den Wildtierschutz einzusetzen. Dazu haben wir in einer Studie untersucht, ob uns der durch Satellitenaufnahmen generierte NDVI (Normalisierter Diversitätsindex der Vegetation) dabei helfen kann, Lebensraumstrukturen sinnvoll zu bewerten. Dies ist essenziell, um zu erfahren, wo Bodenbrüter besonders gefährdet sind. Im Optimalfall könnten wir diese Daten nutzen, um großflächig – aber auch personen- und damit kostenreduziert – Habitatbewertungen vorzunehmen.

Rückgang der Rebhühner: Ursachen und Schutzfaktoren

Die Zahl der bodenbrütenden Vogel­arten nimmt in den letzten Jahrzehnten europaweit immer weiter ab. Auch das Rebhuhn zählt zu den betroffenen Arten. Es lebt monogam und verpaart sich im Frühling zwischen Ende Februar und Ende April. Ab Ende April, Anfang Mai wird meist täglich ein Ei – insgesamt bis zu 22 – in das Nest gelegt, bevor die Henne diese für 23–25 Tage lang ausbrütet. Wird das Gelege zerstört, gibt es oft ein kleineres Nachgelege. Die Zerstörung der Gelege durch Prädatoren wird als einer der Gründe für den Rückgang dieser Art angeführt. Weitere Faktoren sind der Verlust von Habitatstrukturen, wie beispielsweise Hecken oder Blühstreifen, sowie auch die Futterverfügbarkeit, vor allem im Küken-Stadium, sowie die Prädation von Küken und adulten Vögeln. Als jagdrelevante Art und, ganz wesentlich, für den Erhalt der Biodiversität in Österreich, sollten die Ursachen des Rückganges untersucht werden. Dazu ist es unter anderem notwendig herauszufinden, welche Faktoren einen Einfluss darauf haben, ob ein Gelege erfolgreich schlüpft oder wieso es von Räubern zerstört wird. Dazu wurden in einer Studie vom FIWI über drei Jahre lang künstliche Nester in den Revieren Teesdorf, Traiskirchen, Kottingbrunn, Oberwaltersdorf und Trumau, Bezirk Baden, Niederösterreich, ausgebracht. Insgesamt waren es 128 Nester, für welche Wachteleier an unterschiedlichen Standorten im Revier ausgelegt wurden. Die Wahl fiel auf Wachteleier, da diese von der Größe und Beschaffenheit denen der Rebhühner ähnlich sind. Es wurde über je drei Wochen kontrolliert, ob die Gelege zerstört wurden oder nicht. Es wurden unterschiedliche Faktoren im Umfeld des Geleges erhoben, dazu zählten beispielsweise die Bodenbedeckung, die Vegetationshöhe sowie die Distanz zur nächsten höheren Struktur und zur nächsten Grenzlinie. Dies alles mit mühsamer Karteiarbeit durch die Wissenschafter. Die Ergebnisse dieses ersten Teils unserer Studie, basierend auf Erhebungen der Vegetation durch die Wissenschafter, haben gezeigt, dass Nester eher zerstört werden, wenn die Höhe der Bodenbedeckung abnimmt. Eine weitere Distanz zur nächst höheren Struktur, wie beispielsweise einem Baum oder Mast, hat einen positiven Effekt auf die Unversehrtheit eines Geleges. Auch die Distanz zur nächsten Grenzlinie, also der Übergang von einer Struktur in eine andere, beispielsweise einem Feldweg, hat laut unserer Studie einen Einfluss. Je weiter das Gelege von einer solchen linearen Grenze entfernt war, desto öfter gab es eine Zerstörung durch Prädatoren.

Zerstörtes Kunst­gelege - Zerstörtes Kunst­gelege (Teesdorf). - © Larissa Bosseler, FIWI
Zerstörtes Kunst­gelege (Teesdorf). © Larissa Bosseler, FIWI
Kunstgelege - Kunstgelege, welches nach 21 Tagen völlig intakt vorgefunden wurde (Kottingbrunn). - © Larissa Bosseler, FIWI
Kunstgelege, welches nach 21 Tagen völlig intakt vorgefunden wurde (Kottingbrunn). © Larissa Bosseler, FIWI

NDVI: Satellitengestützte Vorhersage der Nestprädation

Die Bewertung des Lebensraumes im Feld in weitläufigen Bereichen sowie die Auswertung bei höheren Stichprobengrößen ist jedoch oft wegen des zeitlichen, finanziellen und logistischen Aufwandes schwierig. Daher wollten wir im zweiten Teil unserer Studie herausfinden, ob Methoden für „Fernmessungen“ diesen Problemen entgegenwirken können und ob man damit die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nest zerstört wird, genauso gut vorhersagen kann wie mit den Messungen vor Ort. Eine Möglichkeit hierfür ist der NDVI. Dabei wird die „Grünheit“ eines Bereiches mithilfe von Satelliten sichtbar gemacht.

Rotfuchs mit erbeutetem Feldhasen - Neben den beiden Arten Rebhuhn und Feldhase sollen auch die potenziellen Räuber­arten Fuchs und Marder besendert werden. - © Manfred Danegger

Neben den beiden Arten Rebhuhn und Feldhase sollen auch die potenziellen Räuber­arten Fuchs und Marder besendert werden. © Manfred Danegger

Es hat sich gezeigt, dass in unserer Studie der NDVI die Nestprädation genauso gut vorhersagen kann wie die von uns im Feld aufgenommenen Variablen. Die Prädation nimmt in Bereichen mit hohem NDVI, also höherer Bodenbedeckung, ab. Unsere Studie zeigt also, dass von Satelliten abgeleitete Messungen eine Möglichkeit für zukünftige Untersuchungen darstellen und es dadurch möglich ist, größere Areale zu untersuchen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Anpassung bzw. Verbesserung des Lebensraumes vor­zunehmen. Vor allem kann man durch die Satelliten größere Bereiche um die Nester herum mit einbeziehen, was bei der Feldarbeit oft logistisch nicht möglich ist. Jedoch muss man bei dieser Methode beachten, dass die Aussage immer sehr stark von der Spezies, der Habitatgröße und den möglichen Prädatoren abhängt. In anderen Studien, mit anderen Arten und bzw. oder anderen Habitaten konnte nicht immer nachgewiesen werden, dass ein hoher NDVI weniger Nestprädation bedeutet. Unsere Studie hat hier, indem wir NDVIs aus verschiedenen Saisonen übereinanderlegten, einen neuen Input in die Diskussion der Auswertung dieser Art von Daten gebracht. So erlaubten die saisonalen Änderungen in den Wachstumsphasen (verschiedene Grüntöne des NDVI) von Feldern, Wiesen und Hecken bessere Aufschlüsse und Interpretationen als lediglich der NDVI zur Brutsaison. Damit leistet unsere Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Auswertung von NDVI-Daten.
In den nächsten Jahren werden neue Satelliten unsere Welt noch genauer ins Visier nehmen. Unsere Forschung bereitet uns auf diese neuen Möglichkeiten vor.

Standort der Nester - Standort der Nester (schwarze Punkte, n=128) für drei Jahre (2019, 2020, 2023) in Baden, Niederösterreich. Der Hintergrund zeigt den normalisierten Differenzvegetationsindex (NDVI) von niedrigen (weiß) bis hohe Werten (dunkelgrün). Der dargestellte NDVI ist der Medianwert für unseren Untersuchungszeitraum (15. Juni 2019 bis 12. Juli 2023). - © Shane Morris, FIWI

Standort der Nester (schwarze Punkte, n=128) für drei Jahre (2019, 2020, 2023) in Baden, Niederösterreich. Der Hintergrund zeigt den normalisierten Differenzvegetationsindex (NDVI) von niedrigen (weiß) bis hohe Werten (dunkelgrün). Der dargestellte NDVI ist der Medianwert für unseren Untersuchungszeitraum (15. Juni 2019 bis 12. Juli 2023). © Shane Morris, FIWI

Niederwildprojekt: Rebhuhn und Feldhase im Fokus des Artenschutzes

Das Niederwildprojekt läuft in den Revieren im Bezirk Baden weiter. Zusätzlich wurden auch die europäischen Feldhasen in die Studie aufgenommen, um neben weiteren Erkenntnissen zum Rückgang der Rebhühner auch Aus­sagen über den Populationsrückgang der Feldhasen zu bekommen.
Neben diesen beiden Arten sollen auch die potenziellen Räuberarten Fuchs und Marder besendert werden. Rebhühner wurden bereits im Frühjahr 2023 besendert, bei Hasen geschieht dies seit Anfang August 2024. Die Daten, welche wir mithilfe der GPS-Sender an den Tieren erhalten, sollen Aufschluss über die Habitatnutzung und die Bewegungsstrategien dieser Arten in den Revieren geben, was zukünftige Lebensraumanpassungen ermöglichen könnte.
Ohne die genauen Gründe des Rückganges vom Rebhuhn und anderen ­Niederwildarten zu kennen, ist es schwierig, dieser Entwicklung wirkungsvoll entgegenzutreten. Wir erhoffen uns, durch dieses Projekt weitere Resultate zu erhalten, um den Artenschutz zu unterstützen und damit das vollständige Schwinden dieses Glattfußhuhns aus unserer Kulturlandschaft zu verhindern.