5. Teil | Lebensraum-Serie: Auerhuhn
Abschussdichten verschiedener Wildarten in den österreichischen Bezirken seit 1955.
In den Jahren 2005/06 erschien im WEIDWERK zum Jubiläum „50 Jahre Staatsvertrag“ eine 19-teilige Serie mit einem Rückblick auf die Veränderung der Jagdstrecke in Österreich in Abhängigkeit von Lebensraumtyp und Wildart. Nun erfolgt für einige Wildarten ein Update mit den weiteren Entwicklungen in den letzten 15 Jahren. Diese WEIDWERK-Serie bietet einen Überblick über die oft interessanten Veränderungen während der letzten 64 Jahre.
Lebensraum
Das Auerhuhn ist ein Waldbewohner, gelegentlich ist es auch auf waldnahen Grünflächen anzutreffen. Als Lebensraum ist jedoch nicht jeder Wald geeignet, es braucht einen speziellen, abwechslungsreichen Waldaufbau. Wenn es sich am Boden aufhält (vorwiegend im Sommer), benötigt es neben guten Verstecken und Nistplätzen, etwa in Zwergsträuchern, Jungwaldgruppen, Wurzeltellern von Windwürfen, auch leicht begehbare, nicht zu steile Waldbereiche ohne dichtes Astwerk oder zu hohe Bodenvegetation.
In den Baumkronen lebend (vorwiegend im Winter) braucht es als nicht besonders guter Flieger leicht befliegbare Waldteile. Es braucht Waldblößen und kleinere Freiflächen mit reichlich Sonne und Insektennahrung (v. a. für die Küken). Wälder, die auf großer Fläche sehr dicht werden, meidet das Auerwild. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden Österreichs Wälder vielerorts immer dichter, und das Auerwild ist dort verschwunden oder zumindest nur noch in geringer Anzahl vorhanden. Ein Hauptproblem für den Auerwildlebensraum ist somit die zunehmende Dichte der Vegetation im Wald, bedingt durch die verminderte Beweidung sowie die mangelnde Durchforstung und Auflichtung des Waldes.
Vor 60 Jahren profitierte das Auerwild noch von der ehemals häufigen Landwirtschaft im Wald, der Waldweide und der Streunutzung, außerdem von der damals günstigen Struktur der Moorrandwälder (vor allem im Wald- und Mühlviertel). Es bestanden großflächige, eher lichte, alte Wälder, Weidewaldstrukturen mit Waldlücken und Ameisenvölkern, Bodenfreiheit, viele Zwergsträucher mit Heidelbeere als beliebter Nahrungsquelle.
Ansprüche an Wald & Klima
Bedingt durch die stark veränderte Waldstruktur ist das Auerhuhn nun in seiner Existenz mehr denn je auf einen auerwildfreundlichen Waldbau durch die Forstwirtschaft angewiesen. Günstig sind die Belassung und gezielte Gestaltung von Altholzkomplexen mit lückigem, weidewaldähnlichem Aufbau, einem Mosaik von kahlen Bodenflächen, Zwergsträuchern, Waldjungwuchs sowie die Rücksichtnahme auf Balzgebiete, auf Nist- und Aufzuchtgebiete sowie Winterlebensräume (Erhaltung und Förderung von Kiefern, auch Tannen, deren Nadeln und Knospen im Winter bevorzugt geäst werden). Auch eine trockene und warme Frühjahrs- und Sommerwitterung ist für das Überleben der Jungen wichtig, ebenso eine geringe Raubfeinddichte – das gilt auch für das Schwarzwild!
Ebenso wie Birk- und Haselwild kommt auch das Auerwild mit kontinental beeinflusstem Klima besser zurecht als mit einem niederschlagsreicheren ozeanischen Klimacharakter, wie er im Westen und Norden Österreichs durch die globale Klimaerwärmung nun häufiger auftritt. Vorteilhaft für das Auerwild dürften sich hingegen, zumindest vorübergehend, die häufigeren Auflichtungen geschlossener Wälder durch Sturmereignisse, klimabedingtes Baumsterben und Borkenkäferbefall auswirken, solange die bodennahe Vegetation und der nachwachsende Wald nicht wieder zu dicht für die Auerhühner werden.
Frühjahrsjagd
Seit 2008 gilt in Österreich für die Auer- und Birkhuhnbejagung die Ausnahmeregelung der EU-Vogelschutzrichtlinie, die zwar eine Bejagung im Frühjahr weiterhin ermöglicht, aber nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Werfen wir einen Blick über die Grenzen hinweg, sehen wir, dass in unseren Nachbarstaaten Auerwild nur noch im Herbst oder gar nicht mehr bejagt werden darf. Grundlage für diese Ausnahmeregelung ist ein vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vet.-Med. Universität Wien (FIWI) erstelltes Fachgutachten, in dem geklärt wurde, wie die Bejagung von Auer- und Birkhuhn in Österreich ohne Gefährdung der heimischen Brutbestände durchgeführt werden und die Jagd zum Fortbestehen dieser Arten beitragen kann:
„Insgesamt ergeben sich bei einer Bejagung von ausschließlich Hähnen im Frühjahr unter kontrollierten Bedingungen günstige Voraussetzungen für die Erreichung des EU-Schutzzieles. Deshalb wird für Auer- und Birkhahn eine Bejagung im Frühjahr unter den genannten Bedingungen empfohlen. Die Jagd im Herbst/Winter oder ein Bejagungsverzicht sind bei der Ausgangslage Österreichs hingegen keine zufriedenstellenden Lösungen, um die Schutzziele nachhaltig zu erreichen. Eine Bejagung im Frühjahr ist lediglich über Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie selektiv unter streng überwachten Bedingungen in geringen Mengen möglich.“
Es waren unter anderem folgende Regelungen erforderlich:
- systematisches Monitoring zur Erfassung der Bestände und deren Entwicklungstrends
- selektiver Abschuss (keine dominanten Hahnen, die für die Fortpflanzung primär maßgeblich sind!)
- Schusszeitlimitierungen (räumlich-zeitlich flexibel, Abschuss erst nach Hauptbalz, Berücksichtigung von Wetter, Bestandesentwicklungen u. a.)
Im Hinblick auf die geringen Mengen der Entnahme, die maximal 1% der Gesamtmortalität ausmachen dürfen, bedeutet dies, dass in einem zusammenhängenden Gebiet mindestens 16 Hahnen bestätigt werden müssen, um dort maximal einen Hahn pro Jahr erlegen zu dürfen (bei 32 Hahnen zwei Abschüsse und so weiter).
Ein starkes Argument für die Erreichung dieser Ausnahmeregelung für Österreich war auch, dass in den anderen Ländern des Alpenraums, in denen die Jagd auf Auerwild ganz eingestellt oder in den Herbst verlegt wurde, die Bestände danach stärker abnahmen als in Österreich mit seinem Konzept einer maßvollen und nachhaltigen Frühjahrsbejagung (einschließlich Bestandesmonitoring und Lebensraumgestaltung).
Abschussdichte
Das Vorkommensgebiet des Auerwildes hat während der letzten 60 Jahre sehr stark abgenommen (Abbildung 1). Die Tieflagenvorkommen im Wald- und Mühlviertel sind fast gänzlich erloschen. Auch in den Alpen ist der Lebensraum des Auerwildes stark geschrumpft. Während vor 60 Jahren noch in allen Bundesländern mit Ausnahme von Wien Auerhahnen erlegt wurden, ist eine regelmäßige Bejagung heute nur noch auf relativ kleiner Fläche möglich. In nur noch 10 Bezirken wurden Abschussdichten über 0,01 Stück je 100 Hektar Bezirksfläche erreicht, konzentriert vor allem im Kontaktbereich der Bundesländer Kärnten, Steiermark und Salzburg. Vor 60 Jahren wurde diese Dichte noch in 41 Bezirken erreicht. Ganzjährige Schonung des Auerwildes besteht nun in Vorarlberg und im Burgenland, und jedes zweite Jahr in Tirol, Oberösterreich und Niederösterreich.
In den Bezirksflächen sind alle vom Auerwild unbesiedelten Flächen, deren genaues Ausmaß unbekannt ist, inkludiert. Es ist also davon auszugehen, dass die tatsächlich vom Auerwild bewohnte Fläche deutlich kleiner als die Bezirksfläche ist, wodurch Abschussdichten, bezogen lediglich auf die besiedelte Fläche, höher ausfallen würden.
Dies stört aber nicht den Vergleich der Abschussentwicklung auf identen Bezirksflächen über die Zeit. Lokale, revierweise Abschussdichten können von diesem durchschnittlichen Bezirkswert stärker abweichen. Die unterste Stufe der Abschussdichte (0,001–0,1) wird bereits erreicht, sobald im Bezirk ein Stück in 10 Jahren erlegt wurde.
Foto Sven-Erik Arndt