Lebensraum-Serie: Schwarzwld
Serie

Wie haben sich die Abschussdichten der heimischen Wildarten in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Wir geben Antworten in dieser aufschlussreichen Serie! – 10. Teil: Schwarzwild.

Schwarzwild war in Österreich, wie auch in vielen anderen ­Teilen Europas, wegen der ­ehemaligen Schäden in der Landwirtschaft lange Zeit weitgehend ausgerottet. Kaiserin Maria Theresia erklärte 1740 das Wildschwein per ­Dekret für vogelfrei. Jeder sollte es ­bekämpfen. Es wurde großflächig zum Verschwinden gebracht. Restvorkommen gab es im Leithagebirge und in Jagdgattern wie dem Lainzer Tiergarten. Die letzten Rückzugsgebiete waren weit­gehend undurchdringliche Eichen-, Hain­buchen-, Mittel- und -Nieder­wälder mit guter Nahrung, die eine erfolg­reiche Bejagung sehr erschwerten.

Die Zeit des Ersten Weltkriegs und der folgenden Wirren ermöglichte eine Vergrößerung dieses Restbestandes. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg ­nahmen Bestand und Verbreitungs­gebiet weiter zu. Im Jahr 1954 gab es einen wahrscheinlich von Hausschweinen aus­gehenden Schweinepest-Seuchen­zug im Schwarzwild-Kerngebiet Leithagebirge/­Neusiedlersee, der zu erheb­lichen Verlusten führte (K. Bauer, Bonner Zoologische Beiträge, 11, 1960).

Schwarzwild statt Niederwild

Um 1990 (vierte Periode, Abbildungen 1 und 2) war die Zeit des reichlichen Niederwildvorkommens (Feldhase, Reb­huhn, Fasan) mit hohen Niederwildstrecken endgültig vorbei, bedingt vor allem durch die veränderte Land­wirt­schaft. Davor war Schwarzwild als Gefahr für Niederwild meist un­erwünscht. Auch wurden Wildschäden in der Landwirtschaft von den Grund­eigentümern beziehungsweise den Jagdverpächtern weniger toleriert. Das Wildschwein wurde als Schädling oft schonungslos bejagt. Aber nach dem Niedergang von Hase, Rebhuhn und Fasan wurde Schwarzwild als „Ersatzwildart“ für Niederwild jagdlich immer attraktiver.

Bestandeserhöhungen waren nun vielerorts erwünscht, und schonende Bejagungsformen nahmen zu (zum Beispiel Verzicht auf Abschuss von ­Bachen). Schwarzwild, das zuvor durch oft radikale jagdliche Maßnahmen sehr kurz gehalten und an seiner Ausbreitung gehindert werden konnte, breitete sich nun, ausgehend vor allem von den ­ehemaligen Niederwildzentren, rasch aus und konnte in der Folge mit den nun angewandten jagdlichen Methoden einschließlich Futtervorlage (Kirrung etc.) in seiner Zunahme vielerorts nicht mehr kontrolliert werden. Vermehrter Mais­anbau, mildere Winter und häufigere Samenmastjahre von Eiche und Buche haben die Zunahme des Schwarzwildes zusätzlich begünstigt. Allerdings sind auch deutliche Zunahmen in Regionen ohne vermehrten Mais­anbau seit den 1960er-Jahren sowie in Tieflagen mit schon damals milden Wintern und in Gebieten ohne nennenswerte Eichen- und Buchenvorkommen zu verzeichnen.

Maßgeblich für die ehemals geringen und jetzt hohen Schwarzwildbestände ist wahrscheinlich primär die ver­änderte jagdliche Einstellung zu dieser Wildart. Außerdem werden ehemalige Bekämpfungsmaßnahmen aus Tierschutzgründen heute nicht mehr ­angewandt. Eine effektive Regulierung der Schwarzwildbestände ist sehr zeitaufwendig. In Tschechien und mehreren Ländern Deutschlands werden deshalb nun, aus Sorge vor einer Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP), Aufwandsentschädigungen für Schwarz­wildabschüsse von den Ministerien aus­bezahlt.

Streckendichte

Schwarzwildbestand und -abschuss haben seit 1955 stark zugenommen. Ausgehend von den Hauptlebensräumen in Gebieten mit milden Wintern und wenig Schnee im Osten Österreichs breiteten sich die Sauen weiter aus und kommen nun auch immer häufiger in Gebirgslagen vor.

In der ersten 10-Jahres-Periode (1955–­1964) war die Abschussdichte noch sehr gering. Nur in drei Bezirken wurden über 0,1 Stück pro 100 ha ­erreicht (Wien mit Lainzer Tiergarten, Bruck/Leitha, Eisenstadt-Umgebung). Der Hauptlebensraum des Schwarz­wildes sind die Laubwaldgebiete im vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Osten Österreichs. Interessant ist jedoch, dass in dieser frühen Periode in zahlreichen Bezirken quer durch Öster­reich mindestens eine Sau pro Jahrzehnt erlegt worden ist, Schwarzwild also relativ großflächig sporadisch vorkam. Dabei ist nicht aus­zu­schließen, dass auch aus Gattern ­entsprungene Wildschweine mit zur ­Strecke kamen.

In der zweiten Periode (1965–1974) begannen die Abschüsse vor allem im Burgenland sowie im Wein- und Waldviertel zuzunehmen. In der dritten und vierten Periode setzte sich dieser Trend fort. Auch im Wienerwald nahm die Schwarzwildstrecke nun deutlich zu. Die westlichen Bundesländer zeigten im Vergleich zur ersten Periode hingegen eher einen rückläufigen Abschuss.

In der fünften Periode (1995–2004) wurden im Hauptverbreitungsgebiet im Osten und Nordosten Österreichs bereits überwiegend Abschussdichten über 1 Stück je 100 ha erreicht. Über 2 Stück je 100 ha wurden in Eisenstadt-­Umgebung und in Wien erlegt. In den bisherigen Randzonen Richtung Westen und Süden nahm das Schwarzwild nun stark zu. Betroffen sind davon vor allem Oberösterreich, die Steiermark und Kärnten.

In der sechsten Periode setzte sich diese Entwicklung fort, und im Westen (Tirol, Vorarlberg) breitete sich Schwarz­wild weiter aus. Strecken von über 2 Stück je 100 ha gab es bereits in acht Bezirken.

In der siebten Periode (2015–2019) ­wurden dann in zehn Bezirken mehr als durchschnittlich 2 Stück je 100 ha zur Strecke gebracht: Oberpullendorf (3,5), Wien (2,8), Tulln (2,6), Güssing, Oberwart, Krems-Stadt und Eisen­stadt-­Stadt (jeweils 2,5) sowie Mattersburg, Eisenstadt-Umgebung und Gänserndorf (2,1). Diese Bezirke liegen alle ganz im Osten Österreichs (Abbildung 1).

Anmerkung: In den Bezirksflächen sind alle von Schwarzwild unbesiedelten Flächen, deren genaues Ausmaß un­bekannt ist, inkludiert. Es ist also davon auszugehen, dass die tatsächlich von Wildschweinen bewohnte Fläche kleiner als die Bezirksfläche ist, wodurch Abschuss­dichten, bezogen auf die besiedelte Fläche, etwas höher ausfallen würden. Dies stört aber nicht den ­Vergleich der Abschussentwicklung auf identen Bezirksflächen über die Zeit. Lokale, revierweise Abschussdichten können von diesem durchschnittlichen Bezirkswert deutlich abweichen. Die unterste Stufe der Abschussdichte (0,001–0,1) wird bereits erreicht, sobald im Bezirk 1 Stück in 10 Jahren erlegt wurde.

Lebensraum-Serie: Schwarzwld

Abbildung 1.
Durchschnittliche jährliche Abschussdichten pro 100 ha Bezirksfläche für Schwarzwild (Wien wird als ein Bezirk geführt).
1. 1955–1964, 2. 1965–1974, 3. 1975–1984, 4. 1985–1994, 5. 1995–2004, 6. 2005–2014, 7. 2015–2019.

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Abbildung 2.
Jährlicher Schwarzwildabschuss in Österreich von 1955–2019. Auffällig ist der rasch zunehmende Abschusstrend, vor allem in der fünften Periode (1995–2004), der sich aus der hohen Zuwachsrate dieser Tierart erklärt. Starke jähr­liche Unterschiede in der Abschusshöhe ergeben sich vor allem aus stark variierenden Bejagungsbedingungen ­infolge von Samenmastjahren bei Rotbuche und Eiche sowie der Winterhärte. Abschussgipfelungen ergeben sich für die Jahre 1978, 1990, 2004, 2012, 2017 und 2019, Abschusssenken in den Jahren 1982, 2006, 2011 und 2018. Der Maximalabschuss mit 49.734 Stück erfolgte im Jahr 2012. Die Anzahl des in der Österreichischen Abschuss­statistik ­erfassten Fallwildes erreichte den Spitzenwert im Jahr 2012 (1.424 Stück, davon 60 % Straßenfallwild). Langfristig gesehen nahmen die jährlichen Fallwildzahlen zu, zuletzt stagnierten sie. Diese Entwicklung lässt darauf schließen, dass mit den zuletzt in einigen Jahren sehr hohen Abschüssen österreichweit keine Reduktion des Schwarzwildbestandes erfolgte, der Abgang also nicht über dem Zuwachs lag. Mit zunehmender Schwarzwilddichte wird es immer schwieriger, den Bestand durch ausreichende Bejagung auf einem für die Landwirtschaft tragbaren Niveau zu stabilisieren. Wenn man eine Zunahme verhindern will, müssen Schwarzwildbestände, vor allem auch in Neuverbreitungsgebieten, rasch und dauerhaft reguliert werden – eine schwierige Herausforderung für die Jagd.

Lebensraum-Serie: Schwarzwld

Abbildung 3.
Jährlicher Schwarzwildabschuss in den österreichischen Bundesländern von 1955–2019. Wildschweine werden in ­Österreich in allen neun Bundesländern erlegt. Gemessen an den absoluten Abschusszahlen lag und liegt Nieder­österreich an der Spitze, gefolgt vom Burgenland. Gemessen an der mittleren Abschussdichte je km² lag im Jahr 2019 Wien (3,0 Stück je 100 ha) vor dem Burgenland (2,7) und Niederösterreich (1,5). Der Maximalabschuss in ­Niederösterreich betrug 31.593 Stück (2012), im Burgenland 12.566 (2012), in Wien 2.268 (2005), in der Steiermark 2.585 (2019), in Oberösterreich 2.251 (2012), in Kärnten 737 (2019), in Salzburg 529 (2000), in Vorarlberg 32 (2011) und in Tirol 20 Stück (2019). In Salzburg waren von 1998 bis 2002 Strecken von mehreren Hundert Stück aus einem ­Sauengatter in der Abschussstatistik dabei; diese fielen ab 2003 weg, wodurch die Strecke auf etwa 10 Stück sank (freie Wildbahn); danach erfolgte ein Anstieg bis 49 Stück (2019).