Nachdem wir ein Stück Schwarzwild und auch eine Rehgeiß zerwirkt und präzise analysiert haben, möchten wir uns auch dem Gamswild widmen. – Hierzu haben wir einen Gamsbockjahrling zerwirkt und penibel genau verwogen.
Es ist uns Jägern naturgemäß ein äußerst großes Anliegen, das maximal Mögliche aus den erbeuteten Stücken herauszuholen – egal, ob man als Direktvermarkter Wild in Verkehr bringt oder für die eigene Familie zerwirkt. Und daher ist es wichtig zu wissen, welche Ausbeute zu erreichen ist, denn diese ist nicht zuletzt auch maßgeblich für den zu erzielenden Erlös. Um das Wild bestmöglich zu verwerten, ist es zudem unabdingbar, von Anfang an sauber zu arbeiten und die „Gute Hygienepraxis“ während des gesamten Verarbeitungsprozesses – von der Decke auf den Teller – lückenlos einzuhalten. Und diese beginnt bereits beim Ansprechen des Wildes („Lebendbeschau“) und reicht über einen gut platzierten Blattschuss, das Aufbrechen, den Transport, die Kühlung bis hin zum Zerwirken und Verpacken.
Selbstverständlich wird durch den weidgerechten Schuss Wildbret in Mitleidenschaft gezogen, und je nach Trefferlage, Kaliber und Geschosswahl (Deformations- oder Teilzerlegungsgeschoss, bleihaltig oder bleifrei) bzw. weiteren Faktoren ist die Wildbretentwertung größer oder kleiner. Der hier beschriebene Gamsbockjahrling wurde mit Kal. .308 Win. (iBEX Tornado, 9 g/139 gr, bleifrei) erlegt.
Kletterkünstler
Gamswild ist zwar nicht in jedem heimischen Revier zu finden, belegt aber in der österreichischen Jagdstatistik mit etwa 20.000 Stück pro Jahr nach Reh-, Rot- und Schwarzwild Platz vier im Ranking der heimischen Schalenwildarten. Ein Gams ist auch nicht eins zu eins mit anderen Schalenwildarten vergleichbar, da sein alpiner Lebensraum einige körperliche Anpassungen einfordert – so könnte man den Gamskörper grob als „hinten überbaut“ beschreiben, da gerade die Muskulatur der Hinterläufe und auch deren Sehnen sehr ausgeprägt sein müssen, um die Fortbewegung im felsigen, steilen Terrain zu gewährleisten. Sie wissen: Gamswild ist ein wahrer Kletterkünstler. Deshalb unterscheidet sich auch die Form der Fleischteile des Schlögels zum Beispiel von jenen eines Rehes – äußerst interessant, wie wir finden.
Der einjährige Gamsbock kann vom Gewicht her etwa mit einem Schmalreh verglichen werden – er wog ohne Haupt 13,15 kg. Die Kugel traf den Bock zwar nicht hart am Blatt, aber im Bereich der vorderen Rippen, wodurch der Bereich des Ein- und Ausschusses nicht verwertbar war und großzügig weggeschärft wurde.
Üblicherweise wird das Wildbretgewicht in der Decke, aber ohne Haupt angegeben, weswegen wir die Ausbeute mit diesem Wert in Verbindung bringen. Aufgebrochen, ohne Haupt, wog der Gamsbock wie erwähnt 13,15 kg, und die Fleischausbeute (entbeint, küchenfertig zugeputzt) betrug 6,13 kg, was 46,6 % entspricht. Für gewöhnlich versuchen wir, einen Wert um die 50 % zu erreichen, was aber bei kleineren Wildstücken bekanntermaßen schwieriger ist, da ihre Körperoberfläche im Vergleich zum Körpervolumen in einem ungünstigeren Verhältnis steht als bei schwererem Wild, wie etwa dem ebenfalls in dieser Serie beschriebenen 94 kg-Keiler.
Beim Aufbrechen wurde übrigens die Methode des „Ringelns“ angewandt, wodurch ein Austrocknen des Schlögels im Bereich der Schale verhindert wird, da – wenn das Schloss nicht geöffnet wird – der Schnitt zur Schlossnaht entfällt und somit wertvolle Teile der Schale erhalten bleiben. Es sind zwar nur ein paar Gramm, die im Zuge der Kühlung austrocknen und beim Zerwirken weggeschärft werden müssen, aber immerhin. Als Nachteil muss an dieser Stelle die Gefahr einer möglichen, nicht sichtbaren Kontamination durch Darminhalt oder Schweiß angeführt werden, das heißt, es könnte nach dem Aufbrechen eine allfällige Reinigung mit sauberem Trinkwasser notwendig sein.
Wie üblich beginnen wir mit dem Aus-der-Decke-Schlagen. Im Anschluss wird der Schlachtkörper grob zerwirkt, das heißt, der Lungenbraten wird entnommen, die Vorder- und Hinterläufe werden abgesetzt, die Seitenwände abgeschnitten und der Hals vom Rücken getrennt. Im Anschluss werden die grob zerwirkten Teile in die Kühlung verbracht und mit dem Auslösen der Knochen begonnen.
Ausbeute
Noch ein Wort zur Ausbeute: Nimmt man den Schlögel als Beispiel, verliert dieser beim Auslösen und Zuputzen – das Ziel ist küchenfertiges Fleisch, das ohne Umschweife zubereitet werden kann – etwa 25 %. Während der rechte Hinterlauf dieses Jahrlings mit Knochen 1,94 kg wiegt, beträgt die Summe seiner ausgelösten Fleischteile 1,44 kg. Aber Knochen sind nicht immer gleichbedeutend mit Abfall – etwa eignen sich die Halswirbelsäule, Teile der Karkasse und andere Knochen, aber auch Parüren oder nicht wursttaugliche Abschnitte perfekt für die Zubereitung eines Wildfonds oder -jus. Tut man dies, kommt man einer „Vollverwertung“ schon recht nah.
Wie schwer war was?
- Wildbretgewicht (aufgebrochen, ohne Haupt): 13,15 kg
- Haupt: 1,19 kg
- Decke mit Schalen: 2,60 kg
- Wildkörper ohne Decke bzw. ohne Haupt: 10,55 kg
Gewichte, grob zerwirkt
- Hals inkl. Knochen: 0,96 kg
- Rücken inkl. Knochen: 1,73 kg
- Vorderläufe inkl. Knochen: 1,24 kg (l.) bzw. 1,31 kg (r.)
- Hinterläufe inkl. Knochen: 1,91 kg (l.) bzw. 1,94 kg (r.)
- Rippenbögen inkl. Bauchlappen: 0,62 kg (l.) bzw. 0,67 kg (r.)
- Lungenbraten: je 0,17 kg
Gewichte, fein zugeputzt
- Rückenstrang inkl. Silberhaut: 0,47 kg (l.) bzw. 0,47 kg (r.)
- Rückenstrang ohne Silberhaut: 0,32 kg (l.) bzw. 0,32 kg (r.)
- Lungenbraten: 0,12 kg (beide)
- Hals ohne Knochen: 0,29 kg
- linker Hinterlauf: gesamt (ohne Knochen): 1,47 kg, Frikandeau (Unterschale): 0,23 kg, falscher Lungenbraten: 0,08 kg, Schale: 0,34 kg, Deckel: 0,04 kg, Nuss: 0,33 kg, Schlussbraten: 0,19 kg
- Unterschenkel: 0,26 kg
- rechter Hinterlauf: gesamt (ohne Knochen): 1,44 kg, Frikandeau (Unterschale): 0,23 kg, falscher Lungenbraten: 0,08 kg, Schale: 0,31 kg, Deckel: 0,04 kg, Nuss: 0,35 kg, Schlussbraten: 0,17 kg
- Unterschenkel: 0,26 kg
- Vorderlauf ohne Knochen: 0,79 kg (l.) bzw. 0,72 kg (r.)
Ausbeute
- gesamt: 6,13 kg
- Rücken bzw. Lungenbraten: 0,76 kg
- Schnitzel- bzw. Bratenfleisch (Teile der Schlögel): 1,95 kg
- Gulaschfleisch, küchenfertig geschnitten: 1,63 kg
- für Wurst verwertbare Abschnitte: 1,79 kg