Kitzrettung mit Drohne: So retten Jäger und Helfer Jungwild vor dem Mähtod

Drohne im Einsatz zur Rehkitzrettung über einer Wiese
Moderne Drohnentechnologie unterstützt Jäger bei der Kitzrettung während der Frühjahrsmahd © Martin Grasberger

Im Mai startet die Kitzrettung in Niederösterreich: Mit Drohne, Wärmebildkamera und viel Herzblut schützen Jäger und Helfer Rehkitze vor dem sicheren Mähtod – ein berührender Einsatz für den aktiven Tierschutz.

„Ich hab‘ was!“, dröhnt es aus dem Funkgerät, begleitet von einem kurzen Rauschen. Alex, der Drohnenpilot, hat eine Wärmesignatur auf seinem Monitor entdeckt und lässt den mit einer Wärmebildkamera ausgestatteten Quadrocopter eine Wendung vollführen, ehe er in der Luft stehen bleibt. In achtzig Metern Höhe ist die Drohne kaum zu hören und bei einem schnellen Blick gen Himmel nur als kleines Pünktchen zu erkennen. Nach einer Minute ertönt ein weiterer Funkspruch: „Es ist ein Kitz, macht euch bereit!“
Der Adrenalinspiegel schnellt in die Höhe, und bei der ersten Kitzrettungsaktion des Jahres – es ist der 10. Mai – ist das Team, bestehend aus einem Drohnenpiloten, dem Jagdaufseher und mehreren Helfern (allesamt Nichtjäger) bereits fündig geworden.
Florians Kinder, welche das Helferteam unterstützen, sind wohl noch aufgeregter, als sie ihrem Vater zum Kitzversteck folgen. Florian streckt seinen Arm nach vorne, sodass Alex ihm – er sieht seinen Kollegen aus der Vogelperspektive – per Funk genaue Anweisungen zu Richtung und Entfernung geben kann. Mensch und Tier trennen nur noch wenige Schritte.

Effiziente Kitzrettung mit Drohne: Einsatzplanung und Technik im Überblick

Beim Treffpunkt um 5.30 Uhr haben die Helfer armlange Tierarzthandschuhe, Funkgeräte und Kitzrettungsboxen des NÖ Jagdverbandes ausgehändigt bekommen. Die Handschuhe sorgen dafür, dass keine menschlichen Gerüche auf das Kitz übertragen werden, sodass dieses nicht von seiner Mutter abgestoßen wird. Das Funkgerät dient der Verständigung im Feld, die Box – sie ist mit Luftlöchern versehen – dem Austragen der Kitze. In der Früh ist es noch recht kühl, sodass der Temperaturunterschied zwischen Boden und Jungtieren signifikant ist; da die Umgebungstemperatur mit jeder Minute steigt und die Chance, ein Kitz zu finden, entsprechend sinkt, ist Eile geboten. Dennoch ist von allen Beteiligten ein kühler Kopf zu bewahren, vor allem vom Drohnenpiloten. Alexander Wipplinger von spektakulAIR lässt sich ohnehin nicht aus der Ruhe bringen. Einem selbst definierten Prozedere folgend, baut er auf der Rückseite seines Pick-ups die „Bodenstation“ auf, die einen zusätzlichen Monitor beinhaltet, auf dem man sämtliche Bilder mit­verfolgen kann. Auf der Fernsteuerung seiner Drohne programmiert er die „Missionsplanung“, das heißt, er markiert die abzufliegende, mehrere Hektar große Wiese auf einem Satellitenbild und gibt der Drohne sämtliche Parameter vor, die für eine erfolgreiche Mission notwendig sind: Startpunkt, Flughöhe, Route – die Fläche wird mäanderförmig abgesucht –, Geschwindigkeit usw.
Nach wenigen Minuten ist die Drohne – eine DJI Matrice 4T – startbereit; sie hebt ab und begibt sich zum Ausgangspunkt. „Die Drohne ist in der Luft, die Mission hat begonnen“, tönt es bei den Helfern, die sich bereits gleichmäßig am Rand der Wiese verteilt haben, aus dem Funkgerät.

Zwillingskitze gerettet: Erfolgreiche Kitzsuche vor der Mahd in Weißenbach/Triesting

Florian ist ganz nah beim Kitz, kann es aber immer noch nicht sehen. „Es muss unmittelbar vor dir sein!“, weist ihn Alex über Funk an. Vorsichtig schiebt Florian das feuchte Gras beiseite, und darunter liegt tatsächlich ein erst wenige Tage altes Rehkitz! Seinem natürlichen Instinkt folgend, drückt sich das kleine Geschöpf zu Boden. Es hat Angst, weiß nicht, dass ihm nicht der Tod, sondern die Rettung bevorsteht. Zuerst reißt Florian ein paar Grasbüschel ab, polstert den Karton innen aus und und achtet darauf, dass zwischen seinen Handschuhen und dem Kitz ebenfalls Grashalme sind, als er das Kitz sanft in die Box legt. „Vorsicht, da liegt noch eines“, rauscht es aus dem Funk, „nur ein paar Meter daneben!“ Auch das zweite Kitz wird mühelos gefunden und zum ersten in die Box gelegt. „Es sind Zwillinge“, weiß Jagdaufseher Stefan, der die Kitze, nachdem gemäht worden ist, wieder in die Freiheit entlässt. „Gott sei Dank haben wir in unserem Revier in Weißenbach/Triesting einen guten Draht zu den Landwirten, sodass wir diese Aktionen gut planen und durchführen können. Meist stehen die Traktoren schon in der ,Pole Position‘, und nachdem wir alles gefunden und ausgetragen haben, wird sofort gemäht.“ Auch diesmal ist es so: Während wir zusammenpacken und zu einer anderen Wiese fahren, drehen die mit Scheibenmähwerken bestückten Traktoren bereits ihre Runden.

Kitzrettung mit Herz: Warum auch Nichtjäger für den Tierschutz im Einsatz sind

„Nach einer erfolgreichen Rettungsmission begleitet mich den ganzen Tag über ein nicht zu beschreibendes Gefühl“, gibt Vroni zu, die diese Aktion als proaktiven Beitrag zum Tierschutz sieht, „auch wenn man früh aufstehen muss, es oft kalt ist und man nicht jedes Mal Kitze findet.“ Sie ist zwar selbst keine Jägerin, aber eine Helferin, die immer wieder mitarbeitet und großes Interesse an den Kreisläufen der Natur hat.
„Dass wir Nichtjäger in diese Rettungsaktionen einbinden, ist Kalkül und ein Teil unserer Öffentlichkeitsarbeit. Solche Aktionen kommen extrem gut an und verdeutlichen, dass die Jäger keine Bambimörder, sondern vielmehr -retter sind!“, lacht Alex.
„An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Jägerinnen und Jägern bedanken, die sich in der Kitzrettung engagieren und damit einen wertvollen Beitrag zum Tierschutz leisten“, freut sich auch Leopold Obermair MSc., Geschäftsführer des NÖ Jagdverbandes, der die engagierten Reviere Niederösterreichs mit neuen Kitz­rettungsboxen unterstützt. Übrigens: Die Verwendung von Drohnen der CE-Klassifizierung C0, C1 und C2 (bis 31. 12. 2025 auch Drohnen ohne CE-Kennzeichnung) ist durch die Haftpflicht­versicherung für Mitglieder des NÖ Jagdverbandes abgedeckt. Zu beachten ist, dass die Versicherung jedoch nur Flüge im Zusammenhang mit der Jagdausübung, wie beispielsweise die Kitzrettung, abdeckt.
Infos, Beratung & Kitzrettung buchen: www.rettet-kitze.at

Hier geht’s zum ersten Teil des Videos zur Drohnenkitzrettung.

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