Aggression bei Jagdhunden: Ursachen und Prävention
Erfahren Sie, warum Aggressionsverhalten bei Jagdhunden auf Gesellschaftsjagden auftreten kann und wie Hundeführer durch verantwortungsvolle Aufzucht, Prägung und Haltung präventiv handeln können, um Konflikte zu minimieren.
Im alltäglichen Leben ist aggressives Auftreten eigentlich nicht erwünscht und verpönt. Aus verhaltensbiologischer Sicht haben Aggressionen jedoch verschiedene, teils überlebensnotwendige Aufgaben im Leben eines Tieres zu erfüllen. Die Bereitstellung entsprechender Hormone dient in erster Linie der Regulierung des Organismus und stellt somit eine Reaktion auf individuell als störend empfundene Umwelteinflüsse dar.
Die Ausprägung der Aggressionsbereitschaft inklusive Reizschwelle, aber auch der Aggressionsstärke sind je nach Hund verschieden. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, beispielsweise pränatale Einflüsse, Erfahrungen in diversen Lebensabschnitten, hormonelle Vorgänge, Erkrankungen – vor allem, wenn sie mit Schmerzen verbunden sind –, aber auch das Alter und rassespezifische, genetische Dispositionen. Weil aggressives Verhalten immer situationsabhängig gezeigt wird, kann sich die Motivation hierfür rasch ändern. Aggressives Verhalten folgt somit keinem festen Muster, sondern ist vielmehr ein individuell angepasster und ausgeprägter Mechanismus zur Lösung von Konflikten. Ist der Jagdhund damit erfolgreich, wird er aus dieser Bestätigung heraus in ähnlichen Situationen wieder genauso vorgehen. Kommt der Vierläufer hingegen in eine lebensbedrohliche Lage, in der er sich aus Notwehr verteidigen muss, läuft diese Art der Aggression in der Regel schlagartig instinktiv nach einem festen Schema ab.
Sozialkompetenz bei Jagdhunden: Herausforderungen und Aggressionspotenzial auf Gesellschaftsjagden
Bei Gesellschaftsjagden sind Hunde auf relativ engem Raum den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt. Dabei wird von jedem Einzelnen eine hohe Sozialkompetenz verlangt. Dies beginnt bereits am Treffpunkt der Jagd, wenn alle Teilnehmer mit ihren Hunden eng beieinanderstehen. Schon hier können sich manche Vierläufer im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen. Geht es schließlich nach der Einteilung der einzelnen Gruppen daran, in Fahrgemeinschaften die diversen Stände aufzusuchen, wird für einige Hunde deren Individualdistanz komplett unterschritten, wenn sie nun auch noch mit Artgenossen das Auto teilen müssen. Eine wichtige Übung für den vierläufigen Jagdkameraden von klein auf kann daher sein, den eigenen fahrbaren Untersatz mit immer wieder wechselnden Artgenossen zu teilen. Schließlich kommt hier auch noch eine andere Motivation für eventuell aggressives Verhalten zum Tragen, nämlich ein Territorialverhalten im Sinne von „mein Auto“. Nach Beginn der Jagd tauchen bald die ersten Wettbewerbsaggressionen aufgrund von Ressourcenverteidigung auf, denn früher oder später kommen die Hunde in irgendeiner Weise auch an Beute. Die Stimmung unter den Vierläufern kann sich weiter aufheizen, wenn die Hundeführer auf die Entfernung hin versuchen, ihre Hunde durch Geschrei und wildes Gestikulieren wieder unter Kontrolle zu bringen. Immerhin bedeutet dies für die sich sowieso schon in Rage befindenden Vierläufer eher ein Anfeuern und somit einen Ansporn, weiterzumachen. Die Folgen sind oft nicht nur verletzte Hunde, sondern auch völlig zerfleddertes und somit wertlos gewordenes Wildbret.
Aggression bei Jagdhunden: Ursachen, Prävention und die richtige Welpenerziehung
Es gibt auch Hunde, die ihre Aufgabe eher darin sehen, den Stand ihres Hundeführers gegen Artgenossen zu verteidigen, als Wild aufzustöbern. Auch hormonelle Ursachen können Auslöser von Aggressionen sein. So neigen beispielsweise manche Hündinnen in der Phase der Scheinmutterschaft dazu, aus einer vermeintlichen Jungtierverteidigung heraus, sich oder auch ihren Menschen im Umkreis eines bestimmten Radius abzugrenzen. Bei Rüden zeigt sich eine hormonell bedingte Aggression oft schon während der Pubertät und noch einmal verstärkt nach Eintritt der sozialen Reife. Eine Gesellschaftsjagd bietet den teilnehmenden Hunden also genug Potenzial für das Ausleben diverser Aggressionen. Aber wie kann man sinnvoll gegensteuern bzw. was sollte man zum besseren Verständnis der Vierläufer schon vorab wissen, damit es am besten erst gar nicht zu solchen Szenen kommt? Eigentlich beginnt es bereits bei der Auswahl eines Welpen. Da der Hund nicht nur zuverlässiger Jagdgehilfe, sondern auch alltagstaugliches Familienmitglied sein wird, empfiehlt es sich generell, einen seriösen Züchter auszusuchen, der mit einer verantwortungsvollen Zuchtauswahl und optimalen Kinderstube der Welpen bereits eine wichtige Basis für das Hervorbringen von gesunden, wesensfesten Vierläufern schafft. Anschließend liegt es in den Händen des Hundeführers, die Prägung und Sozialisierung des Jungspunds optimal fortzuführen, damit sich der Kleine auch langfristig gesehen zu einem souverän gelassenen, sozialverträglichen Zeitgenossen entwickelt. In diese Zeitspanne fällt ebenso die schrittweise Gewöhnung an diverse Umweltreize und jagdliche Situationen wie viele verschiedene Sozialkontakte zu Artgenossen. Außerdem ist es unerlässlich, bereits an der Frustrationstoleranz des Welpen zu arbeiten und zu üben, dass Beute nicht gesichert werden darf, sondern auf Kommando auch wieder auszugeben ist. Ein verantwortungsvoller Züchter sollte schon gegensteuern, wenn die Welpen „ihre“ mütterliche Zitze verteidigen oder gar Raufereien beim Zufüttern entstehen. Hier kann bereits eigentliches Instinktverhalten entsprechend kultiviert werden. Ein Verteidigen von Ressourcen, zu denen neben Futter auch Spielzeug, Sozialpartner oder territoriale Ansprüche zählen, muss generell schon frühzeitig unterbunden werden; natürlich stets angemessen fair und nicht mit übertriebener Härte. Andernfalls kann sich beim Hund wiederum eine heikle, unterschwellig brodelnde Frustrationsaggression entwickeln, die sich eventuell irgendwann einmal unkontrolliert entlädt.
Führung und Struktur: Warum klare Regeln für Jagdhunde unverzichtbar sind
Klare Strukturen und eine konsequente Erziehung mit festen Regeln sind grundsätzlich Pflicht, denn dies wirkt sich ebenfalls auf eine gute Sozialverträglichkeit aus. So bekommt der Hund die für ihn unbedingt notwendige Orientierung und Sicherheit im alltäglichen Leben, die er braucht, um den Menschen als berechenbar zu erleben. Nie darf vergessen werden, dass der Vierläufer die Führung normalerweise gar nicht übernehmen möchte, ist es für ihn doch deutlich angenehmer, sich um nichts kümmern und auch keine grundlegenden Entscheidungen für das „Rudel“ treffen zu müssen. Natürlich sollten wir unseren Hunden so viele Freiheiten wie möglich lassen. Aber dennoch braucht jeder Vierläufer einen festen Rahmen, der ihm eine geordnete Struktur im Alltag vorgibt. Findet der Hund diese Bedingungen nicht vor, übernimmt er schnell selbst die Führung, um für uns, die wir in seinen Augen mit der Gesamtsituation heillos überfordert sind, Klarheit in das vermeintliche Chaos zu bringen – im Grunde ist der Hund ein Ordnungsfanatiker. Und genau daraus ergeben sich rasch massive Probleme im Zusammenleben mit dem Hund, die sich auch auf seinen Einsatz im Jagdrevier auswirken können. Dann treten möglicherweise eine übertriebene Selbstständigkeit mit Verweigerung jeglichen Gehorsams sowie ein An-sich-Reißen diverser Privilegien inklusive Besitzansprüchen und Ressourcenverteidigung notfalls mithilfe der Zähne auf. Der Mensch zeigt hier in den Augen des Hundes eines: Führungsschwäche.
Zwingerhaltung vs. Familienanschluss: Wie die Bindung das Verhalten von Jagdhunden beeinflusst
Vierläufer, die überwiegend im Zwinger gehalten werden oder generell nicht genügend ausgelastet und somit nicht ausgeglichen sind, können sich, wenn sie dann wieder jagen dürfen, vermehrt aggressiv gegenüber Artgenossen, sprich Konkurrenz, zeigen. Während früher die reine Zwingerhaltung von Jagdgebrauchshunden durchaus üblich war, weiß man heute, dass ein enger Familienanschluss wichtig für die Bindung zwischen Mensch und Hund ist; vorausgesetzt natürlich, der Umgang mit dem Vierläufer läuft innerhalb der Familie in geordneten Bahnen ab. Hat der Jagdgebrauchshund also eine enge Bindung zu seinen Leuten, wird er auch im Revier besser im Team mit dem Hundeführer zusammenarbeiten als ein Vierläufer, der nur zum Arbeiten aus dem Zwinger geholt und gleich anschließend dort wieder verwahrt wird. Generell lernt der Hund durch eine artgerechte Haltung im Haus, sich anzupassen, Regeln einzuhalten und den ordentlichen Umgang mit Besuch, sprich fremden Personen oder Artgenossen. Dies ist auch für den Einsatz auf Riegeljagden nützlich oder wenn der Hund einmal von einem anderen Rüdemann geführt wird. Fehler im Rahmen der Ausbildung des Vierläufers beispielsweise durch unfaire Reglementierungen, zu viel Druck, aber auch ständigen Stress können beim Hund ebenfalls in unterschiedlichsten Situationen zu Aggressionen führen, ähnlich einem Ventil. Für sehr viele Hunde ist die Aggression auch nichts weiter als eine Tarnung für Angstzustände, die ebenfalls aus Konfliktverhalten hervorgehen.
Herausfordernde Jagdhunderassen: Schärfe, Selbstständigkeit und die richtige Führung von Anfang an
Diese bedeutenden Voraussetzungen bezüglich Zuchtauswahl, Kinderstube, Prägung, Haltung und Führung gelten umso mehr für Rassen, die aufgrund ihres Einsatzgebiets (Jagd auf wehrhaftes Wild) gezielt auf selbstständiges Handeln, Schärfe, aber auch Härte gezüchtet wurden. So sind beispielsweise Erdhunde (Vorläufer von Dackel und Terrier) bereits im 16. Jahrhundert in Kunstbauen auf die Bodenjagd vorbereitet worden, um später im Revier Füchse, Dachse und Iltisse aufzustöbern und aus ihrem Bau auszugraben. Die Hunde sind unter Tage völlig auf sich allein gestellt, müssen sich gegebenenfalls mit dem Raubwild anlegen, ohne nachzugeben, und es im Fall der Fälle sogar abwürgen. Zu den anspruchsvollen Rassen zählt auch der Weimaraner. Bei ihm bestand von Anfang an das Zuchtziel, nicht nur einen passionierten, vielseitigen Jagdgebrauchshund für die Arbeit vor und nach dem Schuss zu schaffen, sondern gleichzeitig einen unerschrockenen Wächter, der mit deutlich ausgeprägtem Schutzverhalten selbst das Forsthaus zuverlässig bewacht. Ähnlich verhält es sich mit der Schwarzwildbracke (Slovensky Kopov). Sie wurde seit Jahrhunderten vor allem in den Bergregionen des ehemaligen Oberungarn (heutige Slowakei) von der einfachen Bevölkerung als scharfer Jagd- und Wachhund gehalten und gezüchtet. Dies soll natürlich nicht heißen, dass all diese Rassen grundsätzlich aggressiver sind als andere. Aber bei unzureichend geprägten, schlecht gehaltenen und/oder nicht optimal geführten Vertretern ist die Hemmschwelle zur übertriebenen Aggression schon einmal schneller überschritten als bei anderen Vierläufern. Deshalb muss dieser anspruchsvolle Mix aus genetisch bedingter Schärfe, gepaart mit der Anlage, selbstständig Entscheidungen treffen zu wollen bzw. zu müssen (im Jagdeinsatz), von Anfang an in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Daher gelten diese Rassen nicht unbedingt als Anfängerhunde. Besonders heikel kann es werden, wenn Prestigedenken bei der Rassewahl mitspielt. So scheint es in manchen Kreisen besonders chic zu sein, einen besonders apart aussehenden Hund zu führen, der noch dazu aufgrund von angewölftem Schutzverhalten als nicht so einfach gilt.
Vorbeugung von Aggressionen bei Jagdhunden: Verantwortung von Hundeführern und Züchtern
Grundsätzlich ist aggressives Verhalten in verschiedensten Situationen zur Lösung von Konflikten normal. Außerdem können Aggressionen auch unter den teilnehmenden Vierläufern bei einer Jagd aufgrund der Natur des Hundes vorkommen. Dennoch kann jeder Hundeführer durch einen verantwortungsvollen Umgang mit seinem Vierläufer (Aufzucht, Prägung, Ausbildung und Haltung inbegriffen) in gewissem Rahmen vorbeugen, sodass sich heikle Situationen in Grenzen halten und auch nicht völlig eskalieren. Die Hundezüchter spielen hierbei selbstverständlich ebenfalls eine entscheidende Rolle, wenn sie mit einer strengen und kontrollierten Zuchtauswahl den Grundstock für das Hervorbringen wesensfester, gesunder Hunde legen.