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Die Jagd im Konflikt

28. Februar 2024 -
Die Jagd im Konflikt - © Reiner Bernhardt
© Reiner Bernhardt

Wenige Themen polarisieren so wie die Jagd. Konträre Standpunkte und Meinungen von außer- wie innerhalb – dabei wäre Zusammenhalt wichtiger denn je.

Es ist eine Tatsache, dass die Jagd eine Vielzahl von Gegnern hat. Gerade unter dem Begriff „Tierschutz“ finden sich viele verschiedene Personen und Organi­sationen, die ihre Abneigung gegen die Jagd auf unterschiedliche Weise ausleben. Zu den Konflikten mit diesen externen Gegnern gesellen sich jedoch auch ­solche mit internen. Denn, wie bei eigentlich jeder größeren Gruppierung, ist „die Jagd“ keiner einheitlichen Norm unterworfen, und was der individuelle Jäger darunter versteht, unterscheidet sich teilweise stark von den Ansichten seiner Weidgenossen. Gerade die Auseinandersetzung mit beiden Konflikten gleichzeitig führt immer wieder zu ­Dilemmata.

Externe Jagdgegner

Außenstehende Kritiker sind für die Jägerschaft längst keine Unbekannten mehr, in regelmäßigen Abständen ­berichten vor allem jagdliche Medien über diese und ihre Aktionen. Dabei fällt besonders viel Aufmerksamkeit auf die äußerst militante Tierrechtsszene.
Der Denkansatz hinter dieser ­Bewegung ist, kurz zusammen­gefasst, dass Tieren Rechte analog zu den ­Menschenrechten zustehen und deren Tötung daher völlig abzulehnen ist. Diese Gruppierungen richten sich daher auch nicht gegen die Jagd im Speziellen, sondern auch gegen landwirtschaftliche Viehhaltung und den Konsum von Fleisch und tierischen Produkten im Allgemeinen. Besonders bekannte Vertreter sind die Organi­sationen PETA (People for the Ethical Treatment of Animals = „Menschen für den ethischen Umgang mit Tieren“), ALF (Animal Liberation Front = „Tier-Befreiungsfront“) sowie der VGT (Verein gegen Tierfabriken). Die Bandbreite des Aktionismus reicht bei diesen Hard­linern über höchst kritische Protestaktionen, wie etwa PETAs in Öster­reich und Deutschland verbotene Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller“, bei der Parallelen zwischen der Massentierhaltung und der Vernichtung der Juden im Dritten Reich gezogen werden, bis hin zu gewalt­tätigen Anschlägen auf Ställe oder jagdliche Einrichtungen, bei denen auch die Gefährdung von Menschen in Kauf genommen wird.
Glücklicherweise gehören jedoch nicht alle Jagdgegner zu diesem besonders extremen Lager, und es gibt eine Reihe gemäßigter Tier- oder Naturschützer, welche man auch ­begrifflich sauber von der Extrem­position trennen sollte. Die Meinungsgrenzen sind hier deutlich auf­geweichter, und das Ziel des Schutzes von Umwelt und Tieren ist eines, welches mit der Jagd geteilt wird. Die Forderungen nach Jagdverboten konzentrieren sich hier vornehmlich auf Tiere, deren Bejagung nicht ­zwingend erforderlich ist und weil diese auch nicht immer verwertet ­werden. So ­steht insbesondere die ­Bejagung von Vögeln und Raubwild in der Kritik ­dieser Gruppen, während Abschuss und Verzehr von Schalenwild als ökologische und wirtschaftliche Not­wendigkeit zumindest toleriert werden. Auf landwirtschaftlicher Seite wird Tierhaltung nicht generell bekämpft, jedoch bessere Lebensbedingungen für die Nutztiere gefordert.
Es gibt jedoch auch tatsächliche „Jagd-Gegner“ im Wortsinn, welche nur die Jagd kritisieren und am liebsten verbieten würden, ohne sich aber zu landwirtschaftlichen Tierbelangen zu äußern. Dabei richtet sich auch ein großer Teil der Abneigung gegen die Jägerschaft als Personengruppe, denn wie das Beispiel der „Abschaffung“ der Jagd im Kanton Genf zeigt, ist dort nicht so sehr die Jagd verschwunden wie die Jäger. Dass dort nach wie vor Wildtiere aus triftigen Gründen und mit jagdlichen Methoden getötet werden, mag zwar vielen der Jagdgegner nicht gefallen, jedoch sehen diese es als ­Erfolg an, dass dies nun zumindest nur noch durch staatliche Wildhüter statt private Jäger geschieht.

Innere Konflikte

Interne Meinungsverschiedenheiten unter Jägern können es aufgrund des größeren gemeinsamen Nenners vielleicht nicht ganz mit den externen Konflikten aufnehmen, haben jedoch durchaus relevanten und nicht zu ­unterschätzenden Einfluss.
Besonders bekannte Beispiele mit politischen Dimensionen wären die Auseinandersetzungen der klassischen Jagdverbände mit den ökologischen Jagdverbänden und der Forstwirtschaft über die Grundsatzfragen „Wald vor Wild“, „Wild vor Wald“ oder doch etwa „Wald mit Wild“. Auch der allgegen­wärtige Konflikt zwischen Traditio­nalisten und Reformern, den es in der einen oder ­anderen Form überall gibt, ist in der Jagd sehr ausgeprägt. Mit jedem neuen technischen Hilfsmittel, welches meist ursprünglich für die ­militärische Verwendung entwickelt wurde, flammt die Frage um den Verfall jagdlicher Werte erneut auf – dies war bei der Einführung des Zielfernrohrs nicht ­anders als heutzutage bei dessen ­Erweiterung um Nachtzieltechnik. Aber auch an manchen Jagdarten scheiden sich die Geister: Ist es weidgerecht, Wild während der Paarungszeit, ­eventuell sogar noch mittels Lock­instrumenten zu ­bejagen? Während sich die Blattjagd auf den brunftigen Rehbock vielerorts großer Beliebtheit erfreut, ist die Jagd auf den Großen und Kleinen Hahn zur Balzzeit beinahe überall verboten worden. Und wie sieht es mit der Bejagung ­ziehender Vogelarten während ihrer Migration aus? Hierüber entscheiden oft auch regionale Unterschiede – was mitteleuropäische Jäger als gut ansehen, dazu haben ihre Weidgenossen in Skandinavien oder im Mittelmeerraum teilweise ganz andere Ansichten.
Aber in vielen Bereichen kommen auch ganz persönliche Philosophien und Meinungen zum Tragen, beispielsweise bei der Frage, ob der gesetzliche Rahmen zur Bejagung wildernder Hunde und Katzen ausgenutzt oder besser doch darauf verzichtet werden sollte, oder beim Thema Auslandsjagd, welcher auch ein Teil der Jägerschaft kritisch gegenübersteht.
Man merkt schnell, es gibt eine ganze Menge an Dingen, über die sich Jäger uneins sein können, und mit ­Sicherheit gibt es noch eine Vielzahl weiterer Beispiele hierfür. „Die Jagd“ ist also weder einheitlich noch einträchtig.

Das Zwei-Fronten-Dilemma

Während das Vorhandensein von ideologischen Gegnern sowie internen ­Differenzen an sich erst einmal etwas völlig Normales ist, ergibt sich aus deren Kombination eine ungünstige Situation. Einerseits sollte man einem übermächtigen externen Gegner am besten geschlossen entgegentreten, um überhaupt eine Chance zu haben, ­andererseits müssen auch interne ­Konflikte im Zuge der eigenen Weiterentwicklung ausgefochten werden. Dabei kommt nachteilig hinzu, dass die verschiedenen Gruppierungen der Jagdgegner trotz interner Unterschiede in dieser Frage trotzdem ein sehr hohes Maß an Zusammenhalt zeigen. Es gibt unter Jägern beispielsweise viele verschiedene persönliche Positionen zur Auslandsjagd, und unter welchen ­genauen Bedingungen diese ethisch und ökologisch vertretbar ist – das Thema wird differenziert betrachtet. Argumentativ kommen diese verschiedenen Standpunkte jedoch nur in den seltensten Fällen gegen den Meinungsblock der Kritiker an, von denen ein großer Teil nicht einmal zwischen ­illegaler Wilderei und legaler, reglementierter Jagd auf exotisches Großwild unterscheiden will, sondern den Erleger bestimmter Tiere pauschal als schlechten Menschen brandmarkt. In diesem Beispiel liegt es einem der Auslandsjagd eher kritisch gegenüberstehenden Jäger intuitiv eher fern, sich für die Interessen jener Weidgenossen einzusetzen, die darin kein Problem sehen. Vielmehr sorgt das in der menschlichen Psyche verwurzelte Bedürfnis nach Anerkennung dafür, dass man zur Mehrheit und zu den „Guten“ gehören möchte und man sich deshalb von Andersdenkenden aus den eigenen Reihen distanziert. Der ­erhoffte Dank seitens der ansonsten gegnerischen Partei für diesen Beistand bleibt jedoch in aller Regel nur ein frommer Wunsch. Vielmehr werden mit einer „Salami-Taktik“ die Feinde Scheibchen um Scheibchen reduziert und abgeschafft – neudeutsch „gecancelled“. Angefangen bei den extremsten Positionen, von denen sich auch viele Jäger distanzieren, rutscht das Visier der Jagdgegner dann immer weiter in ­Richtung der (bis dahin nicht mehr allzu) breiten Basis, und wer sich heute noch selbst von anderen distanziert, kann morgen schon derjenige sein, von dem sich andere lossagen wollen.
Um dies auf ein konkretes Beispiel zu übertragen: Die Bejagung ziehender Singvögel im Mittelmeerraum, teilweise mit Netzen und Leimruten, stellt einen Aspekt der Jagd dar, der in Mitteleuropa mit großer Mehrheit abgelehnt wird, und eine Distanzierung hiervon seitens der heimischen Jägerschaft ist leicht zu erreichen. Geht es jedoch um die Bejagung von Singvögeln generell, kommen die ersten Bedenken auf. Einer­seits sind etwa Stare in Weinbauregionen ein Problem, dem man mit jagdlichen Mitteln beikommen kann, weshalb diese Vögel zum Beispiel in Südtirol oder im Burgenland eine ­Jagdzeit haben, andererseits gehören gemäß der biologischen Systematik auch die Rabenvögel zu den Singvögeln, für deren Bejagung teilweise wiederum der Schutz anderer Vogelarten spricht. Geht es um Zugvögel allgemein, ­kommen ziehende Wasservögel oder die Waldschnepfe in den Sinn, die für viele Jäger einen speziellen Höhepunkt des Jagdjahres darstellen oder eben bereits nicht mehr. Denn auch wenn diese Themen schon weniger kritisch gesehen werden, ist der Rückhalt für die Bejagung dieser Vogelarten nicht überall groß genug, um sich dafür einzusetzen.
Der nächste Schritt sei als drohendes Szenario ergänzt: Das Jagdverbot auf alle Vögel. Schließlich stellen Vögel im Gegensatz zum Schalenwild keine Gefahr für den dringend nötigen Waldumbau dar, fallen von der erzeugten Menge des Wildbrets nicht besonders ins Gewicht, die Jagd mit Schrot, insbesondere, wenn dieser bleihaltig ist, hat manchen ökologischen und ethischen Kritikpunkt, und rückläufige Bestände vieler Federwildarten, vor allem der Hühnervögel, verlangen nach der Ansicht vieler Jagdgegner ohnehin nach Vollschonung. Die Argumente sind zahlreich, und dass dieses Ziel von ­manchen Jagdgegnern angestrebt wird, ist auch bekannt. Es stellt sich allerdings die Frage, wie viele Jäger dann stumm ­bleiben werden, wenn die ­Bejagung von Vögeln verboten werden soll, weil sie selbst ja ohnehin nur mit der Büchse jagen.
Im Konflikt nach außen benötigt die Jagd mehr Zusammenhalt in den eigenen Reihen, um langfristig bestehen zu können. Nur so bleibt auch die Möglichkeit erhalten, die internen Konflikte selbst zu lösen. Die gegne­rischen Argumente sind nicht aus der Luft gegriffen und die Jagd definitiv an manchen Stellen verbesserungswürdig, allerdings sollte man selbst aktiv an der Verbesserung arbeiten, anstatt auf externe Einschränkungen zu reagieren. Interne Unstimmigkeiten dürfen dabei nicht zugunsten des kurzfristigen ­Zusammenhalts ignoriert werden, da sie das jagdliche Bündnis auf lange Sicht destabilisieren würden. Hier den richtigen Mittelweg zu finden, ist ohne Frage ein schwieriges Unterfangen.

"Jagd ist nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen. Wir ­wollen uns noch stärker für den ­Natur- und Arten­erhalt in unserer Kulturlandschaft einbringen. Dafür ist es wichtig, uns auszutauschen, ­Dinge zu hinter­fragen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten."
– Max Mayr-Melnhof, Landesjägermeister Salzburg, Präsident „Jagd Österreich“

Die Jagd im Konflikt - © Reiner Bernhardt

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Politische Parallelen

Spannend ist auch, dass diese Form der Konfliktführung auch in vielen ­Feldern der Politik zu finden ist. ­Sowohl Jagd wie auch Jagdgegner ­lassen sich nämlich recht einfach den beiden großen politischen Lagern „rechts“ und „links“ zuordnen. Im Gegen­satz zu „pro Jagd“ und „contra Jagd“ sind diese beiden Pole allgemein besser bekannt und auf verschiedenste andere Lebensbereiche leichter übertragbar.
Natürlich muss dies nicht für jeden einzelnen Angehörigen der jeweiligen Gruppe zutreffen, und es gibt sowohl rechte Tierschützer wie auch linke Jäger, wobei die Mehrheit selbst vermutlich recht klar der einen oder anderen Seite zuzuordnen ist. Ein positives Verhältnis zu Waffen, großen Autos, Fleischkonsum, die Begrenzung auf einen kleinen ­(elitären) Teil der Bevölkerung sowie dass die Mehrheit aller Jäger nach wie vor aus „alten weißen Männern“ ­besteht (trotz steigendem Frauenanteil und sinkendem Durchschnittsalter), drücken der Jagd in der öffentlichen Meinung unnachgiebig ein rechtes Label auf. Für die Jagdgegner gelten, kurz ­gesagt, gegenteilige Startbedingungen, was wiederum zur Verortung am Gegen­pol „links“ führt.
Sollte sich auf die Nachricht hin, im öffentlichen Auge ein „Rechter“ zu sein, ein gewisses Unwohlsein ­bemerkbar machen, dann ist dies nicht verwunderlich, sondern der bereits zuvor geschilderte intrinsische Drang nach positiver Anerkennung durch die Gemeinschaft. Man möchte sich von diesem Stigma distanzieren. Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. Beispielsweise wurde etwa eine Geldspende des Waffenherstellers „Heckler & Koch“ für die Opfer der Flut­katastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 vom Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“ aus ethischen Gründen ­abgelehnt. Der Drang des Bündnisses zur Distanzierung überwog hier selbst logische Eigeninteressen und lieferte außerdem ein prominentes Beispiel dafür, welch schlechter Ruf Waffen­herstellern anhaftet – eine Tatsache, die auf der nächsten Ebene auch ­Waffenbesitzer wie Jäger betrifft.
Auf linker Seite sind interne ­Distanzierungen weniger bekannt. Wurde etwa eine strittige Aktion durch extreme Gruppierungen der Tierrechtsszene unternommen, stammt die Kritik daran fast ausschließlich von der Gegenseite. In der medialen Berichterstattung wird dabei meist ­lediglich von „Aktivisten“ gesprochen. Man stelle sich im Gegensatz, rein ­hypothetisch, einen jagdlich motivierten Anschlag auf ein veganes Restaurant vor. Die mediale Berichterstattung ­hierüber würde wohl einen härteren Ton anschlagen.
Es ist wichtig, sich zu vergegen­wärtigen, dass sich durch schrittweise Distanzierung von der aktuell rechtesten Position der Meinungskorridor, auch bekannt als „Overton-Fenster“, also die Summe aller vertretbaren Positionen, immer weiter nach links verschiebt. Dies gilt ebenfalls für die Jagd. ­Während das Extrem auf der einen Seite, „Jeder sollte völlig ohne Einschränkungen immer und überall alles jagen dürfen“, selbst unter Jägern vermutlich keinen einzigen Befürworter finden würde, fände der Gegenpol, „Wildtiere sollten sich ohne jegliche ­Bejagung selbst ­regulieren“, bereits ­einigen Zuspruch unter Jagdgegnern.
Die dazwischenliegenden Kompromisse unterschiedlich jagdoffener oder -kritischer Ausprägung verlagern sich gleichsam immer weiter zu Ungunsten der Jagd. Die jagdliche Gesetzgebung spiegelt dabei die aktuellen Tendenzen leicht zeitverzögert wider. Diesen ­Prozess sollte man im Auge behalten und sich der zugrunde liegenden ­Mechanismen bewusst sein, wenn man sich für den Fortbestand der Jagd ­einsetzen möchte.