Aufbrech-Methoden
Für das Aufbrechen von Schalenwild gibt es eine Vielzahl an Methoden und Möglichkeiten. Die sinnvollsten präsentieren wir in einer informativen Serie.
Das Stück ist erlegt, und egal, ob es im Feuer geblieben ist oder nachgesucht werden muss – die Eingeweide müssen schnell entfernt werden. Und zwar aus mehreren Gründen: Einerseits erzeugen die Brust- und Bauchinnereien auch noch nach dem Tod Wärme (wie auch die Muskulatur), und diese Wärme kann nicht mehr über den Blutstrom abgeleitet und dann abgestrahlt/abgeatmet werden. Das bedeutet, dass die Körpertemperatur nach dem Tod noch etwas ansteigt.
Da können durchaus 40 °C erreicht werden. Diese Überhitzung kann zu Schäden des Muskeleiweißes führen – das ist die Ursache für das Verhitzen, Absticken, Ersticken, die sogenannte „stickige Reifung“. (Dass Ausweiden aber nicht immer reicht, um eine stickige Reifung zu verhindern, wissen wir vom Schopf des Schwarzwildes. Lufttemperatur und -feuchtigkeit spielen hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle.) Ausweiden entfernt also eine Wärmequelle aus dem Körper und ermöglicht zusätzlich das Auskühlen über die freiliegenden Flächen in der Brust- und Bauchhöhle.
Andererseits dringen durch die recht dünnen Darmwände langsam Geruchsstoffe in die umgebenden Gewebe – das Bauchfett, die Bauchmuskeln, den Lungenbraten. Beim lebenden Tier gehen die Duftstoffe mit der Losung ab. Beim toten Tier bleibt der Darminhalt im Darmrohr liegen, Geruchsstoffe werden weiterhin gebildet und wandern nun langsam in umgebendes Fett und Fleisch, wobei es dann auch zu einer Reaktion schwefelhaltiger Verbindungen aus dem Darm mit dem Muskelfarbstoff kommt und grüngraue Verfärbungen entstehen.
Je länger das Darmpaket im Bauchraum bleibt, desto stärker sind die Veränderungen ausgeprägt. (Besonders deutlich ist das bei Kleinwild zu sehen, wenn es erst nach mehreren Tagen ausgeweidet wird.) Eine spanische Arbeit zeigte, dass Fleisch von Rotwild, das vier Stunden nach Erlegung ausgeweidet wurde, bereits merkliche Geruchsabweichungen aufwies.
Schließlich können auch Bakterien durch die Darmwand treten und die Muskulatur besiedeln. Da die körpereigene Abwehr in den ersten Stunden nach dem Tod erlischt und auch das Darmrohr „durchlässiger“ wird, kann es verschieden lange dauern, bis dieses „Auswandern“ auftritt. Wissenschaftliche Studien geben hier Zeiträume von Stunden bis Tagen an. Begreiflicherweise erfolgt es schneller, wenn der Darmtrakt schon verletzt ist (Weichschuss).
Es gibt also viele gute Gründe, das Wild nach der Erlegung so rasch wie möglich von den Brust- und Bauchorganen zu befreien. Das gilt grundsätzlich für Großwild (Schalenwild) wie auch Kleinwild, wobei Letzteres bei der Abgabe an Großhändler („zugelassene Wildbearbeitungsbetriebe“) nicht ausgeweidet wird. Ziel ist immer, Qualitätseinbußen des Muskelfleisches und der essbaren Innereien zu vermeiden.
Wann und wie?
Beim Schalenwild gibt es die Empfehlung, das Wild innerhalb von drei Stunden nach dem Erlegen auszuweiden. Das ist aber eher eine Faustregel.
Bei schweren Stücken und heißem/schwülem Wetter kann nicht so lange zugewartet werden. Andererseits entspricht diese Faustregel den praktischen Möglichkeiten in Österreich, wie mehrere Studien zeigen. Da nicht nur so bald als möglich, sondern auch so sauber als möglich ausgeweidet werden soll, gibt es verschiedene praktikable Vorgangsweisen, um zum Ziel zu kommen. Einzelansitz oder Bewegungsjagd, schwere Stücke oder leichtes Wild, bergiges oder flaches Gelände, Verfügbarkeit von Wasser, Nähe zum Fahrzeug oder zum Aufbrechplatz haben bei der Wahl der geeigneten Aufbrechmethode Bedeutung. Ein gewisses Maß an Planung und Vorsorge ist immer nötig.
Was sollte noch beachtet werden?
- Wenn das Wild bzw. Wildbret weitergegeben werden soll, ist eine Untersuchung (Besichtigung) der Innereien verpflichtend. Das bedeutet, dass der Erleger den Magen-Darm-Trakt auf Auffälligkeiten besichtigen (frische Verwachsungen mit der Bauchwand, Blutungen, vergrößerte Lymphknoten, Verfärbungen usw.) und beim Vorliegen solcher Auffälligkeiten eine tierärztliche Untersuchung veranlassen muss – dabei muss auch der Magen-Darm-Trakt vorgelegt werden.
- Können die Eingeweide am Ort des Erlegens entsorgt werden oder sind besondere Regelungen zu beachten? Hier ist an tierseuchenrechtliche Vorschriften zu denken, in Zukunft wohl insbesondere die Afrikanische Schweinepest (ASP) betreffend. Im Hochgebirge ist die Entsorgung von durch den Schuss mit Blei kontaminierten Innereien ein Thema, da Greifvögel sehr empfindlich auf Blei in der Nahrung reagieren.
Nach diesen Überlegungen aber zur Praxis des Ausweidens. Wie schon erwähnt, gibt es nicht die Methode, sondern gut und weniger gut geeignete Vorgangsweisen, die sich zum Teil auch aus der persönlichen Erfahrung oder Vorlieben ergeben können. Gerade zu Beginn des Jägerlebens schadet es nicht, verschiedenen Jägerinnen und Jägern beim Aufbrechen zuzusehen. Videos und auch Bücher zu diesem Thema sind eine wertvolle Ergänzung. Die plausiblen und praktikablen Verhaltensweisen kann man dann ausprobieren und ggf. übernehmen. Aber auch „alte Hasen“ können manchmal noch etwas dazulernen – weil die Jagd meist ein Lernprozess ist, der bis ins hohe Alter reicht.
Mit diesem Artikel startet nun eine Serie in loser Folge, in der das Ausweiden bei verschiedenen Schalenwildarten und unter verschiedenen Umgebungsbedingungen beschrieben und illustriert wird. In jedem Artikel wird eine mögliche Vorgangsweise mit kleineren Varianten vorgestellt. Die „beste“ Vorgangsweise mögen die Leserinnen und Leser für sich selbst herausfinden.
Der Beginn wird mit einer recht einfachen Situation gemacht: ein handliches Stück Schwarzwild, die Schusswunde im Bereich der Teller und ein Zerlegeraum, der etwa dreißig Autominuten vom Revier entfernt ist. Der Zerlegeraum ermöglicht das Aufziehen des Tieres mit einer Winde, es steht kaltes und warmes Wasser für die Reinigung der Hände und Werkzeuge zur Verfügung, und im Zerlegeraum befindet sich auch der Wildkühlschrank.
Vorbereitungen
Das nötige Handwerkszeug richtet sich nach der Größe des Tieres. Während bei Rehen alle Arbeitsschritte meist mit dem Jagdmesser durchgeführt werden können, ist bei stärkerem bzw. älterem Wild eine Säge zum Öffnen des Brustbeins und ggf. des Schlosses nötig. Die Verwendung von Hacken erfordert etwas mehr Übung. Die Handwerkszeuge müssen leicht zu reinigen und korrosionsfest sein und sind nicht nur im Jagdfachhandel, sondern auch im Fleischereibedarf erhältlich.
Auch wenn es manche Messerexperten nicht gerne lesen: Die Reinigung der Messer in der Geschirrspülmaschine ist aus hygienischer Sicht die praktikabelste Vorgangsweise. Die Verwendung von Einweghandschuhen ist zusätzlich sinnvoll, da sowohl auf der Haut als auch bei den inneren Organen und dem Schweiß Krankheitserreger vorkommen können.
Aufhängen des Stückes
Das Stück wird – wie bei einer Schlachtung – an den Hinterläufen hochgezogen. Zuerst wird an der Hinterseite der Läufe die Schwarte links und rechts der Beugesehnen durchtrennt, entweder mit zwei parallelen Schnitten oder es wird die Sehne gleich unterstochen. Dann werden einzelne Haken oder die hakenförmigen Enden eines Galgens eingehängt (siehe Seite 21). Die Haken können auch am Fersenbeinhöcker (Achillesferse) eingehängt werden, was aber beim späteren Enthäuten unpraktisch ist und auch wegen der Nähe zum Stelzenfleisch hygienisch nachteilig sein kann.
Das Stück kann nun hochgezogen werden. Dabei rutschen die Baucheingeweide nach „unten“, das heißt Richtung Zwerchfell, was später das saubere Eröffnen der Bauchdecke erleichtert. Da dann nach dem Eröffnen der Bauchdecke die Bauchorgane herausdrängen, ist es sinnvoll, schon vorher das Brustbein zu spalten. Dabei ist etwas Vorsicht geboten, da sich das Zwerchfell ja durch den Druck der Baucheingeweide weit „vorn“ (bzw. beim hängenden Tier unten) im Brustraum befindet.
Brustbein & Kurzwildbret
Das Brustbein kann gut ertastet werden. Das vordere Ende verbindet das erste Rippenpaar, und nach dem hinteren Ende (Schaufelknorpel) beginnt die (weiche, eindrückbare) Bauchwand.
Mit dem Messer werden nun Schwarte, Feist und Muskulatur über dem Brustbein durchschnitten, wobei der Schnitt vom Wurf kommend oder am Schaufelknorpel beginnend erfolgen kann. Der Schnitt reicht jedenfalls nur bis zum Schaufelknorpel und nicht bis in die Bauchwand. Danach wird das Brustbein mit einer Säge durchtrennt.
Vor dem eigentlichen Durchtrennen der Bauchwand wird das Kurzwildbret abgelöst. Beim Schwarzwild liegt vor dem Pinsel der Präputialbeutel, der kräftig riechendes Sekret enthält. Zum Abtrennen wird daher mit einem Hautlappen mehrere Zentimeter vor dem Pinsel begonnen (oder es wird flach zwischen Pinsel und Bauchwand eingestochen und die Klinge nach vorn geführt, wobei auch der Präputialbeutel unverletzt entfernt wird; ähnlich ist es mit dem Brunftfleck des Rothirsches). Der Pinsel wird nun über das Schloss Richtung Weidloch abgelegt und kann später zusammen mit den Steinen entfernt werden.
Ringeln, Pinsel & Steine
Bei der Entnahme der Bauchorgane kann nun entweder das Schloss gespalten werden oder es wird der Enddarm umschnitten und in die Beckenhöhle gezogen. In dieser Bildserie wird das sogenannte „Ringeln“ vorgezeigt.
Beginnend mit einem Schnitt zwischen Bürzel und Weidloch wird das Gewebe zwischen Enddarm und Kreuzbein durchtrennt und dann das Gewebe zwischen Enddarm und den Beckenknochen. Dabei wird immer entlang des Knochens geschnitten. Schließlich ist der Enddarm freigelegt. Zum Abtrennen von Pinsel und Steinen wird nun ein Hautschnitt vom Weidloch in Richtung Bauchwand etwas erweitert. Auch Steine und Pinsel sind auf Veränderungen (Schwellungen, Abszesse usw.) zu besichtigen.
Bauch- und Brustorgane
Das Öffnen der Bauchwand ist nun nicht mehr so schwierig. Der Ansatz der Bauchmuskeln am Beckenknochen ist sicht- und tastbar. In diesem Bereich werden mit einem vorsichtigen Querschnitt oder Stich Bauchmuskeln, Fett und Bauchfell durchtrennt. Der Schnitt ist nur so lang, dass man mit zwei Fingern in die Bauchhöhle eindringen kann und dann den Messerrücken so auf die Finger setzt, dass die Messerspritze nicht den Darm anstechen kann. „Aufbrechklingen“ sind an der Spitze abgerundet, was die Verletzungsgefahr (auch der eigenen Fingerkuppen!) verringert. Der Schnitt wird bis zum Zwerchfell geführt, und die Bauchorgane treten nun heraus.
Mit wenigen Schnitten und unter sanftem Zug wird der Enddarm nun durch das Becken herausgezogen.
Eine Zwischenreinigung der Hände und des Messers (bzw. Handschuh- und Messerwechsel) ist im Zerlegeraum leicht möglich und auch sinnvoll.
Im Bauchraum sind die Organe im Wesentlichen entlang der Wirbelsäule „befestigt“, und diese „Aufhängung“ (Gekröse) muss durchtrennt werden – bis zum Zwerchfell. Dabei hilft die Schwerkraft mit: Die Eingeweide rutschen durch den Bauchschnitt nach unten und außen. Neben dem Darmrohr erscheinen die beiden Nieren und später die Leber. Seitlich der Wirbelsäule befinden sich die Lungenbraten.
Das Zwerchfell liegt quer im Körper und ist der wichtigste Atemmuskel. Dabei ist nur der an Wirbelsäule und Rippen ansetzende Rand muskulös, und das Zentrum ist eine Sehnenplatte. Beim Auslösen der Bauchorgane wird das Zwerchfell fast immer beim Wirbelsäulenansatz („Zwerchfellpfeiler“) angeschnitten, und von dort ausgehend kann es entlang der Rippen abgetrennt werden.
Zu beachten ist: Etwas Zwerchfellmuskulatur muss im Tierkörper für die Entnahme der Proben für die Trichinenuntersuchung belassen werden. Am besten sind die Zwerchfellpfeiler dafür geeignet. Nun können die Bauchorgane weiter aus der Bauchhöhle verlagert werden, und es werden die Lungenflügel sichtbar, später das Herz. Auch zum Auslösen der Brustorgane ist Messereinsatz erforderlich. Anders als in der Bauchhöhle erfolgt die Organaufhängung in zwei Richtungen: zur Wirbelsäule und zum Brustbein. Bauch- und Brustorgane befinden sich nun schon außerhalb des Körpers. Am Vorderende der Lungenbraten sind Teile der Zwerchfellpfeiler zu sehen (Trichinenuntersuchung!).
Schlund, Drossel & Lecker
Zum Auslösen von Luftröhre, Speiseröhre, Kehlkopf und Zunge kann der Tierkörper mit der Winde etwas höher gezogen werden. Speiseröhre und Luftröhre werden nun mit einer Hand erfasst, und mit der anderen wird die Schwarte im Hals-Wurf-Bereich durchtrennt. Durch Schnitte seitlich von Kehlkopf und Zunge und quer im Rachen werden Zunge und Kehlkopf ausgelöst. Damit sind die inneren Organe vom Lecker bis zum Weidloch vom Tierkörper getrennt.
Kühlung
Brust- und Bauchhöhle können nun auf Veränderungen besichtigt werden. Ein Auswaschen ist nicht bzw. nur im Bereich der Mundhöhle nötig.
Eventuell entstandene Verschmutzungen sind möglichst wegzuschärfen. Abwaschen ist nur die zweitbeste Methode. Die Kühleinrichtung soll dem Tierkörper genug Raum bieten – die kalte Luft soll von allen Seiten Zugang finden. Um zügig die nötige Fleischtemperatur von max. 7 °C zu erreichen, soll die Kühleinrichtung etwas kälter eingestellt werden, ideal wären 2 °C. Auch wenn eine zu schnelle oder zu tiefe Kühlung Fleischmängel verursachen kann, ist in der Praxis meist eine ungenügende Kühlung das Problem.
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich hier um eine von mehreren möglichen Vorgangsweisen. Auch wenn es verschiedene Verfahren gibt, haben sie doch alle gemeinsam, dass die Organentnahme so erfolgt, dass Magen- oder Darminhalt nicht die Muskulatur oder andere essbare Gewebe verschmutzen können.
Fortsetzung folgt!