Langzeit-Feldtest: Bleifrei mit Barnes TTSX
Im Vorjahr haben wir im Zuge eines Langzeit-Feldtests das bleifreie Deformationsgeschoss Barnes TTSX auf Herz und Nieren geprüft. Mit mehreren Jagdbüchsen in unterschiedlichen Kalibern (.30-06 Spr. und .308 Win.) wurden über hundert Stück Schalenwild erlegt und die daraus resultierenden Erkenntnisse penibel genau protokolliert. Hier das interessante Endergebnis.
Im Zuge unserer Artikelserien – Umstellung auf bleifreie Büchsengeschosse – haben wir im WEIDWERK 2/2019, Seite 44, das bleifreie Deformationsgeschoss Barnes TTSX vorgestellt. Ein Schwerpunkt war dabei die Vorbereitung der Büchsen im Hinblick auf eine chemische Reinigung,um möglichst optimale Voraussetzungen für eine ebensolche Schussleistung zu erhalten. Nunmehr liegen die Erfahrungen und Ergebnisse eines umfangreichen Langzeit-Feldtests mit diesem bleifreien Deformationsgeschoss von Barnes vor.
Systemrelevante Details
Für den WEIDWERK-Feldtest standen folgende Büchsen zur Verfügung:
- 1× Blaser R8 Professional Success (montiert mit Zeiss Conquest V6 2–12×50) im Kaliber .308 Win.
- 1× Steyr Mannlicher SM12 SX Leadfree (montiert mit Kahles Helia 2–10×50i) im Kaliber .30-06 Spr.
- 2× Steyr Mannlicher SBS, Kal. .308 Win. (montiert jeweils mit Swarovski Z8i 2–16×50 P)
Wie im bereits zitierten Artikel angeführt, lieferte die Fabriksmunition Barnes VOR-TX eine sehr gute Schussleistung mit einem Streukreisdurchmesser von 30 mm (.30-06 Spr., 150 gr.) bzw. 25–33 mm (.308 Win., 130 gr.). Vor dem Feldtest wurde die Anfangsgeschwindigkeit (V0) der beiden Geschosse ermittelt. Die .30-06 Spr. lieferte mit dem 150 gr. (9,7g) schweren TTSX-Geschoss aus dem Steyr SM 12 Leadfree (Lauflänge 60 cm) eine durchschnittliche Anfangsgeschwindigkeit von 910 m/s. Diese entsprach beinahe den Herstellerangaben (915 m/s). Das 130 gr. (8,4 g) leichte TTSX-Geschoss im Kal. .308 Win. verlor durch die kurzen Läufe (Blaser 52 cm, Steyr 51 cm) erwartungsgemäß etwas mehr Geschwindigkeit. Die V0 reduzierte sich von angegebenen 952 m/s auf tatsächliche 918 m/s (gemessener Wert). Trotz dieser Reduktion erkennt man eindeutig die hohe Rasanz dieser bleifreien Büchsengeschosse. Als jagdliche Vorteile sind hierbei eine flache Flugbahnkurve und eine hohe Auftreffgeschwindigkeit am Stück Wild zu sehen. Gerade kurze Läufe liefern bei bleifreien Büchsengeschossen mit tendenziell leichterem Geschossgewicht und rasch abbrennendem Treibladungspulver (mit kurzem Brennschluss) noch eine sehr hohe Geschossgeschwindigkeit. In Zeiten von Schalldämpfernund immer kürzeren Lauflängen sind dies nicht unwesentliche Faktoren, die für die Verwendung bleifreier Büchsengeschosse sprechen.
Langzeit-Feldtest
Insgesamt wurden von vier fermen Jägern im vorigen Jahr 109 Stück Schalenwild – vom geringen Rehkitz mit 5 kg bis zu schwerem Schwarzwild mit 94 kg erlegt. Um eine nachhaltig reproduzierbare Auswertung bzw. Beurteilung der bereits getesteten und noch folgenden Geschosstypen sicherzustellen, haben wir uns bezüglichdes Haltepunkts am Wild auf „hartam Blatt“ verständigt – gemeint istder Schuss auf das Schulterblatt nach modernsten Grundsätzen; dies haben wir auch tunlichst erfüllt. Weiters sollte das Stück so erlegt werden, dass sowohl Ein- als auch Ausschuss in der Kammer liegen. Dies gelang bei 84 % aller Abschüsse, der Rest waren Treffer, bei denen entweder Ein- oder Ausschuss in der Kammer lagen oder beide außerhalb derselben zu liegen kamen (zum Beispiel Treffer in der Bauchhöhle). Zentralnerventreffer (Träger, Rückgrat) wurden nicht ausgewertet, da sie nicht aussagekräftig sind.
Erlegt wurden Reh-, Muffel-, Gams-, Schwarz- und Rotwild bis zu einer maximalen Schussentfernung von 280 m. Nach Auswertung der einzelnen Parameter konnten wir keine signifikanten Unterschiede der beiden Kaliber im Bereich der Tötungswirkung erkennen. Dies war auch nicht verwunderlich,da beide Geschosse zwar unterschiedliche Geschossgewichte aufweisen, aber eine ähnliche Anfangsgeschwindigkeit liefern.
Für uns sind jagdrelevante Parameter wichtig, um eben eine Aussage für den jagdlichen Einsatzbereich treffen zu können. Jagdrelevant ist zunächst, ob das Stück Wild im Feuer bleibtoder noch eine größere Fluchtstrecke zurücklegen kann. Alle Stücke, die am Anschuss oder innerhalb von 15 m verendeten, wurden mit „im Feuer geblieben“ bewertet. Als weitere markante Fluchtstreckengrenze galt die Distanz von 50 m. Diese 50 m sind deshalbso interessant, da nach veterinärmedizinischer Einschätzung ein Stück, nachdem es absolut tödlich getroffen worden ist, immer noch bis zu fünf Sekunden handlungsfähig bleiben kann. In dieser Zeitspanne ist bei einem Stück Rotwild dann noch eine Fluchtstrecke von etwa 50 m möglich. Bei allen 109 Abschüssen – ohne Rücksicht auf Wildart, Gewicht, Schussentfernung, Zustand bei der Schussabgabe (flüchtig oder vertraut) und Trefferlage – blieben 46 % am Anschuss oder lagen maximal 15 m davon entfernt. 87 % aller erlegten Stücke verendeten innerhalb der geforderten Fluchtstrecke von 50 m.
13 % der erlegten Stücke konnten weiter flüchten, wobei die längste Fluchtstrecke bei einem Treffer weit hinter dem Zwerchfell nach bereits 150 m endete.
Bei einem Langzeit-Feldtest hat das WEIDWERK die bleifreie Munition Barnes TTSX in den Kalibern .308 Win. und .30-06 Spr. in der Praxis ausgiebig getestet. Erlegt wurden dabei 109 Stück Schalenwild, darunter auch ein knapp 100 kg schwerer Keiler.
Vorteile:
- gute Schussleistung
- hohe Rasanz
- flache Flugbahnkurve (Außenballistik)
- gute Laborierung für kurze Läufe (Schalldämpfer)
- große Tiefenwirkung – hohe Ausschusswahrscheinlichkeit (hohes Geschossrestgewicht, hohe Richtungsstabilität, keine Splitterbildung)
- keine Verunreinigung des Wildbrets
Nachteile:
- Deformation spricht etwas später an, insbesondere bei sehr schwachen Stücken
- etwas wenig Schweiß im ersten Teil der Fluchtstrecke
- Empfehlung einer chemischen Reinigung nach 40–50 Schüssen