Test

Bleifrei mit Hasler: Ein Jahr Erfahrung

28. März 2023 -
Bleifrei mit Hasler: Ein Jahr Erfahrung - © Norbert Steinhauser
© Norbert Steinhauser

Ein ganzes Jahr lang haben wir das bleifreie Geschoss „Ariete“ aus dem Hause Hasler im Revier verwendet. Hier das Ergebnis dieses Langzeitests.

Ende 2021 wurde das bleifreie Büchsengeschoss des italienischen Herstellers Hasler im WEIDWERK (12/2021, Seite 46ff) vorgestellt. Im Zuge der WEIDWERK-Serie „Feldtests mit bleifreien Büchsengeschossen“ haben wir das Hasler Ariete für einen jagdlichen Praxistest im Jagdjahr 2022 ausgewählt. Jetzt liegen die Daten und Fakten in Bezug auf Tötungswirkung und Jagdtauglichkeit auf dem Tisch.

Die Zukunft ist bleifrei

In nicht allzu ferner Zukunft wird anstatt des Bleies ein neues, alternatives Geschossmaterial für Büchsengeschosse vorgeschrieben werden, daher beschäftigen wir uns schon seit einigen Jahren mit dieser Materie. Es gibt kaum einen Geschosshersteller, der kein bleifreies Geschoss im Sortiment hat. Viele Jäger sind beim Thema „bleifreie Büchsengeschosse“ aber nach wie vor skeptisch. Die Mitarbeiter der Redaktion undich selbst jagen bereits seit vielen ­Jahren bleifrei und erfahren dabeioft Vorteile, zumindest aber keine Nachteile im Vergleich zu blei-
haltigen ­Geschossen. Nachdem aber jede Geschoss­konst­ruktion ein Ziel ­verfolgt, wollten wir ­wissen, wie sich das bleifreie Defor­mations­geschoss Hasler Ariete in der jagdlichen Praxis auf Schalenwild schlägt.

Hasler Ariete

Das Geschoss Hasler Ariete wurde als monolithisches Deformationsgeschoss aus Kupfer entwickelt. Die Tötungs­wirkung wird im Wildkörper aus der möglichst splitterlosen Deformation des Geschosses generiert. Als Besonder­heit ist zu nennen, dass das Geschoss auf CNC-Drehmaschinen produziert wird. Normalerweise werden ähnliche bleifreie Geschosse unter extremem Hochdruck zu deren Geschossform gepresst. Das Geschoss wurde für den Start der Deformationsphase mit einer Bohrung in der Geschossspitze hergestellt. Eine Kunststoffspitze, die in der Geschossbohrung eingearbeitet ist, schützt das Geschoss vor Beschädigung und verbessert den BC-Wert (ballistischer ­Koeffizient, beschreibt die Abbremsung durch den Luftwiderstand) ungemein. Beim Auftreffen auf den Wildkörper wird die Expansionsbohrung mit ­Gewebe gefüllt und rollt das Geschoss fahnenähnlich nach hinten auf. Die ­Expansion sorgt durch Flüssigkeits­verdrängung und mechanische Zer­störung von Blutgefäßen sowie Gewebe für die not­wendige Tötungswirkung. Konstruktiv sollte das Geschoss nach dem Durchdringen des Wildkörpers keinen Masseverlust aufweisen. Das Geschoss ist unterkalibriert und mit Führbändern ausgestattet. Mit dem Zusammenspiel von Führbändern und Drall wirddas Geschoss in Rotation versetzt. ­Dadurch wird die Stabilität der Flugphase ab der Laufmündung bis zum Einschlagen des Geschosses am Wildkörper sichergestellt. Die Führbandtechnologie hat den Vorteil, dass beim Einpressen in den Lauf ­relativ wenig Geschossmaterial verschoben werden muss. Daher ist der Geschossabrieb im Lauf eher gering.

Büchse Zielfernrohr Kaliber Lauflänge
Blaser R8 Ultimate mit Blaser-SD
(Over-Barrel)
Blaser 2,8–20×50 iC .308 Win. 52 cm
Blaser R8 Professional
Success Leather mit Reck­nagel
ERA Silencer SOB 1
Swarovski Z8i 2–16×50 P SR
mit Ballistikturm
.300 Win. Mag. 60 cm
Steyr Monobloc mit
Steyr-SD (Breezer)
Swarovski Z8i 2–16×50 P SR
mit Ballistikturm
.30-06. Spr. 56 cm

Systemrelevante Details

Wir haben drei Jagdbüchsen (Blaser R8 Ultimate, Blaser R8 Professional Success Leather, Steyr Monobloc) in den ­Kalibern .308 Win., .300 Win. Mag. und .30-06 Spr. für diesen Test vorbereitet und die Läufe noch vor dem Probe- bzw. Einschießen chemisch gereinigt. Die Büchsen waren mit Schall­dämpfern von Blaser, Recknagel und Steyr und den Premiumzielfernrohren Blaser 2,8–20×50 iC und SwarovskiZ 8i 2–16×50 i (2×) inkl. Ballistikturm ausgestattet. Die Schussleistung der Büchsen war sehr gut. Die Blaser R8 Professsional Success Leather im Kaliber .300 Win. Mag. mit einem Geschoss­gewicht von 10,8 g/167 gr und einer ­Anfangsgeschwindigkeit (V0) von genau 900 m/s bei einer Lauflänge von nur 60 cm lieferte sogar eine Spitzenschussleistung. Die 5er-Schussgruppe konnte mit einem Schusspflaster abgedeckt werden und verfügte über einen ­Streukreisdurchmesser von sagenhaften 13 mm. Die Büchse Steyr Monobloc im Kaliber .30-06 Spr. mit einem Geschossgewicht von 10,3 g/159 gr bei einer ­Anfangsgeschwindigkeit von 832 m/s (Lauflänge 56 cm) offerierte einen Streukreisdurchmesser von 38 mm. Die Blaser R8 Ultimate im Kaliber .308 Win, ­Geschossgewicht 9,7 g/150 gr, Lauflänge 52 cm, Anfangsgeschwindigkeit 842 m/s, schloss die Überprüfung der Schussleistung mit einem Streukreis von sehr guten 28 mm ab.

Bleifrei mit Hasler: Ein Jahr Erfahrung - Das bleifreie Geschoss Hasler Ariete verfügt über Führbänder im hinteren Geschossbereich, eine Bohrung an der Geschossspitze sowie eine Kunststoffspitze. - © Norbert Steinhauser

Das bleifreie Geschoss Hasler Ariete verfügt über Führbänder im hinteren Geschossbereich, eine Bohrung an der Geschossspitze sowie eine Kunststoffspitze. © Norbert Steinhauser

Feldtest

Innerhalb des vergangenen Jahres ­wurden insgesamt 64 Stück Schalenwild erlegt. Davon 10 Stück Rotwild, 10 Stück Gamswild, 5 Sauen und 39 Stück Rehwild. Das höchste Wildbretgewicht (aufgebrochen) lag bei 91 kg, das schwächste Stück wog gerade ­einmal 8 kg. Alle vier Jäger bzw. Berufsjäger hatten sich in Bezug auf den Halte­punkt am Wildkörper auf „hart am Blatt“ verständigt. In den Aus­wertungs­blättern wurden folgende Parameter für jedes erlegte Stück bewertet: Wildart, Gewicht aufgebrochen, Entfernung, Zustand des Stückes bei der Schuss­abgabe (vertraut oder nicht), Trefferlage, Schusswirkung, Flucht­distanz, Ausschuss, Birschzeichen, Schweiß und die Wildbretentwertung. Der weiteste Schuss wurde auf einen Gams auf 310 m und der kürzeste auf ein Stück Rehwild auf 15 m abgegeben. Eventuelle Treffer des Zentralnervensystems, wie Rücken, Haupt oder Träger, wurden in der ­Abschussstatistik nicht ausgewertet.

Die Kaliber

Die Anfangsgeschwindigkeit (V0) der im Gewicht unterschiedlichen Geschosse lag wie schon erwähnt nicht sonderlich weit auseinander: 832 m/s (.30-06 Spr.), 842 m/s (.308 Win.) und 900 m/s (.300 Win. Mag.), daher fassten wir die ­Ergebnisse der Auswertung zusammen.Wir haben statistisch keine Ausreißer durch kürzere oder größere Flucht­distanzen bei einem der drei Kaliber feststellen können. Schon nach den ersten Stücken wussten wir, dass dieses Geschoss aus jagdlicher Sicht zu funktionieren scheint. Bei allen ­Abschüssen wurde zu 98 % ein Ausschuss erzielt. Eines der wenigen ­Stücke ohne Ausschuss war etwa ein Rothirsch, der mit der .308 Win. auf eine Distanz von 239 m erlegt wurde. Aber auch bei diesem war die Tötungswirkung sehr gut, denn der Hirsch lag innerhalb von 50 m.
Das Geschoss bringt auch Tiefenwirkung, was insbesondere bei stärkeren Stücken vorteilhaft ist. Wir haben alle Stücke zerwirkt und bei allen Ausschüssen nur eine Ausschusskaverne gefunden. Daher blieb das Geschoss kompakt und erzeugte keine Splitter, was auch konstruktiv so gedacht ist. Die durchschnittliche Schussentfernung lag bei beachtlichen 130 m. Das Geschoss Hasler Ariete bot eine sehr gute Schusswirkung, die Stücke zeichneten wirklich gut. Die Birschzeichen waren sehr gut, wir fanden fast immer Schnitthaare und relativ viel Schweiß, was bei Deformationsgeschossen nicht immer der Fall ist. Auch bei Stücken, die ­bereits flüchtig waren und noch kurz verhofften (fluchtbereit), lagen die ­Stücke oftmals am Anschuss oder nach nur kurzer Fluchtdistanz. Im statis­tischen Durchschnitt aller 64 erlegten Stücke (drei Viertel der Strecke .308 Win. und .30-06 Spr.), betrug die Flucht­distanz nach der Schussabgabe lediglich 13 m. Innerhalb einer Distanz von 15 m wurden die Stücke als „im Feuer verendet“ bewertet. Das waren in der gesamten Auswertungsstatistik (keine Zentralnerventreffer auf Rücken, Haupt oder Träger) 30 Stück.
Wenn Schalenwild mit einem Kammer­treffer beschossen wird, kann nach wissenschaftlicher tierärztlicher Beurteilung die Handlungsfähigkeit noch fünf Sekunden betragen, obwohl das Stück bereits tödlich getroffen ist. ­Rotwild macht dann noch etliche Fluchten, bis die Bewusstlosigkeit ­eintritt. Daher war für uns, wie schon bei den letzten Feldtests, die Flucht­distanz von 50 m nach dem Erhalt der Kugel als kritische Marke fixiert worden. Beim Zusammenfassen der Flucht­distanzen lieferte das Hasler Ariete einen bemerkenswerten Wert von 100 %. Das heißt, alle Stücke lagen am Anschuss (innerhalb von 15 m) oder innerhalb von 50 m.
Die Schützenleistung der vier Jäger war sehr diszipliniert und perfekt. Bei allen erlegten Stücken lagen die Treffer am Stück entweder mit Ein- und ­Ausschuss oder zumindest Ein- oder Ausschuss in der Kammer. Damit beeindruckte das Deformationsgeschoss mit guter jagdlicher Tötungswirkung auf Schalenwild und das auch auf ­größere Schussdistanzen.
Wie schon angeführt, wurden alle Stücke aus der Decke geschlagen bzw. abgeschwartet und zerwirkt. Daher konnten wir auch die Schussverletzungen und die damit verbundene Wildbretentwertung beurteilen. Auch da schnitt das Geschoss sehr gut ab. Manchmal traten zwischen Decke und Muskel größere Hämatome auf. Diese wurden aber nicht in das Muskelgewebe hinein­getragen, sodass nach dem Wegschärfen der Blutansammlungen beinahe die gesamte darunterliegende Muskelbasis verwertet werden konnte. Eines darf aber schon dazu angeführt werden: Ein Geschoss, dass eine solch gute Tötungswirkung bringt, muss auch eine mechanische Zerstörung ver­ursachen, damit diese kurzen Fluchtdistanzen überhaupt erreicht werden können.
Zu guter Letzt haben wir noch eine Schussgruppe auf dem Schießstand geschossen, um zu überprüfen, ob sich nach doch vielen Schüssen die Schussleistung durch Laufablagerungen verschlechtert hat. Dabei konnten wir keine Veränderung der Schussleistung erkennen, wobei die Blaser R8 im ­Kaliber .300 Win. Mag. sogar eine noch bessere Schussgruppe von 11 mm im Streukreisdurchmesser brachte als beim Start des Feldtests.

Bleifrei mit Hasler: Ein Jahr Erfahrung - Die Wildbretentwertung hielt sich in Grenzen, Ein- und Ausschuss lagen stets in der Kammer. - © Norbert Steinhauser

Die Wildbretentwertung hielt sich in Grenzen, Ein- und Ausschuss lagen stets in der Kammer. © Norbert Steinhauser

Resümee

Das bleifreie Geschoss Hasler Ariete bot in den von uns eingesetzten Jagdbüchsen (allesamt Kaliber .30) eine sehr gute Schussleistung. Die Tötungswirkung war bei unserem Haltepunkt am Stück mehr als ausreichend. Alle Tester waren von dem Geschoss tatsächlich äußerst angetan. Wenn wir uns die Fluchtdistanzen ansehen, so sind derartige Werte nur bei wenigen Geschosstypen zu finden. Durch die eher langsame Anfangs­geschwindigkeit war der Geschossabfall ab 200 m zwar schon beachtlich, aber die Geschosse sprachen trotz größerer Schuss­distanzen immer noch gut an. Selbst bei schwachen Stücken auf über 200 m deformierte das Geschoss ausreichend und hatte noch eine gute Tötungs­wirkung, was bei Deformations­geschossen oftmals nicht der Fall ist.
Das Geschoss bietet eine gute Tiefen­wirkung und gibt die Energie nach Eintritt in den Wildkörper auch bei stärkeren Stücken bis in den Bereich der tiefer liegenden Organe ab. Die Wildbretentwertung blieb moderat und im Verhältnis zur guten Tötungswirkung eigentlich in einem verhältnismäßig geringen Ausmaß. Das Geschoss Hasler Ariete hat seine Feuertaufe zumindest in den von uns getesteten .30er-Kalibern als jagdlich geeignetes Büchsengeschoss mehr als erreicht. Summa summarum können wir mit diesen Erfahrungen eine klare Empfehlung abgeben, gerade für jene Jäger, die vor der Schusszeit auf bleifrei umstellen wollen, aber nicht wissen, zu welchem Geschoss sie greifen sollen.

Als nächste bleifreie Laborierung wird die Sellier & Bellot Exergy Blue einem Langzeit-Feldtest unterzogen.