Miteinander von Bundesheer und Jägerschaft im Revier
Beim Üben im Revier begegnen sich Soldaten und Jäger. Erfahren Sie, wie gegenseitige Rücksichtnahme und klare Kommunikation Missverständnisse vermeiden und ein harmonisches Miteinander fördern.
Vor einigen Wochen, in einem Revier in Kärnten: Im letzten Büchsenlicht hört eine Jägerin, wie es wiederholt im nahen Unterholz knackt. Dunkle Silhouetten von Männern sind schemenhaft vor dem Licht des Waldrandes zu erkennen. Sie kommen langsam näher. Wenig später schießt die Jägerin. Es folgt ein reges Durcheinander. Niemand ist verletzt. Die Männer geben sich als deutsche Soldaten zu erkennen. Sie üben gemeinsam mit dem Österreichischen Bundesheer. Die Polizei kommt und verhängt ein Waffenverbot über die Jägerin. Die Medien berichten in Österreich und sogar bis nach Deutschland. Eine Tageszeitung schreibt: „Jägerin fühlte sich von Soldaten bedroht: Schuss“, und eine andere berichtet später: „Neue Zeugenaussage bringt Jägerin in Bedrängnis“. Große Aufregung in der Jägerschaft. Fragen werden gestellt: Wurde alles richtig gemacht? Konnte die Jägerin von der internationalen Bundesheerübung wissen?
Ein besonders erschütternder Fall ereignete sich bereits 2002: Ein Jäger erschoss im Burgenland einen übenden Rekruten bei Dunkelheit. Was ist in solchen Fällen grundsätzlich schiefgelaufen? Was kann man als Jäger tun, um Jagdvorfälle mit Soldaten zu vermeiden und Missverständnisse überhaupt nicht erst aufkommen zu lassen?
Partnerschaft von Bundesheer und Jägerschaft im Revier
Der aktuelle Fall in Kärnten, der letztendlich glimpflich ausgegangen ist, bietet eine gute Gelegenheit, einen genauen Blick auf die Partnerschaft der Jägerschaft mit dem Bundesheer zu werfen und Fragen zu beantworten, die sich der Jäger stellen kann, wenn er im Revier auf Soldaten trifft.
David Flicker ist seit neun Jahren Jäger, wöchentlich mit seinem Weimaraner-Rüden „Jaro“ im obersteirischen Mürzzuschlag auf der Birsch – und er ist zugleich Hauptmann beim Bundesheer. Er ist Kommandant von etwa hundert Berufssoldaten und Grundwehrdienern. Zum Verhältnis von Jägerschaft und Bundesheer sagt er: „Ich nehme als Jäger und Offizier wahr, dass sich Soldaten und Jäger im Revier partnerschaftlich auf Augenhöhe begegnen. Ein Fall wie kürzlich in Kärnten, bei dem eine Jägerin schoss, ist die absolute Ausnahme und darf nicht vorkommen. Da gab es Missverständnisse, die sich leicht hätten vermeiden lassen.“
Flicker spricht die Praxis des Bundesheeres an, Übungen, die außerhalb von Bundesheer-Übungsplätzen – im Soldatenjargon „Freies Gelände“ – stattfinden, anzukündigen. Dazu holt das Bundesheer die Erlaubnis der betreffenden Grundstückseigentümer ein und spricht Details, wie Dauer und genaue Übungstätigkeit, ab. Im nächsten Schritt informiert das jeweilige Kommando mehrere Wochen vor Übungsstart alle betreffenden Gemeinden. Diese kündigen dann an ihren jeweiligen „Schwarzen Brettern“ das Bundesheer-Training detailliert an. Flicker dazu: „Als Offizier kann ich sagen, dass es dem Bundesheer wichtig ist, dass hier alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Wir Soldaten haben genaue Abläufe, um die Öffentlichkeit frühzeitig über Übungen im ‚Freien Gelände‘ zu informieren. Denn wir wissen, dass es bei solchen Trainings oftmals zu lauten Szenen durch Gefechte zwischen den Soldaten mit Übungsmunition kommt. Daher soll jeder in der Region informiert sein, dass es sich um eine Bundesheerübung handelt. Jeder soll entsprechend aufmerksam sein, um Unfälle zu vermeiden.“
Warum das Bundesheer auch abseits übt
Flicker erklärt weiter: „Als Jäger erkundige ich mich vor dem Gang ins Revier bei der betreffenden Gemeinde, ob mich militärische Überraschungen im Wald erwarten. Sollte ich Genaueres zur Übung wissen wollen, dann finde ich dort auch den jeweiligen Ansprechpartner. Eines ist mir grundsätzlich klar: Das Bundesheer muss auch abseits von Übungsplätzen trainieren.“
Hauptmann Flicker spricht den gesetzlichen Auftrag der Soldaten an, sich auf alle erdenklichen Bedrohungsszenarien vorzubereiten. „Grundsätzlich üben wir Soldaten auf den Truppenübungsplätzen des Bundesheeres. Da können wir robuste Techniken, wie Sprengen, Scharfschießen – von der Pistole bis hin zum Artilleriegeschütz – oder Panzerfahrten abseits von Straßen trainieren. Auch den Kampf in Ortschaften üben wir dort. Dafür sind die Übungsplätze vorgesehen. Da stören wir mit unseren oft lauten, teils gefährlichen Übungsinhalten niemanden.“
Warum trainieren die Soldaten dennoch abseits von Übungsplätzen, in bewohnten Ortschaften und im Wald? Flicker erklärt: "Der Krieg in der Ukraine zeigt ganz klar, dass wir Soldaten auch Szenarien üben müssen, für die Übungsplätze nicht geeignet sind. Damit wir Soldaten Österreichs Bevölkerung gegen Angriffe von außen schützen können, müssen wir auch dort trainieren, wo sich die Bevölkerung befindet – eben nicht auf den Übungsplätzen. Daher üben wir auch in bewohnten Ortschaften, bei Elektrizitätswerken oder auch in Wäldern und auf Bergen, um uns möglichst realitätsnah auf Einsätze vorbereiten zu können. Unser gesetzlicher Auftrag verlangt das."
Bundesheer-Übungen im Einklang mit Jagd und Natur
Wie sieht es mit den Bedürfnissen der Jägerschaft und der Ruhe in den Revieren aus? Flicker erklärt: „Meine Soldaten wissen, dass sie sich im Wald rücksichtsvoll zu verhalten haben. Sie sind dort möglichst ruhig, hinterlassen das Revier so sauber, wie sie es vorgefunden haben. Auch auf Waldbesucher und jagdliche Notwendigkeiten nehmen sie Rücksicht. So umgehen sie, wenn möglich, auch Reviereinrichtungen.“ Vor einer Übung sucht Flicker als Übungsleiter den Einklang mit den Grundstückseigentümern sowie der Forst- und Jagdgemeinschaft. Dazu spricht er Details ab, beachtet Jagdzeiten und meidet besonders jagdrelevante Gebiete. „Als Jäger weiß ich natürlich, dass meine Soldaten immer für gewisse Unruhe im Revier sorgen. Da reicht allein schon die Anwesenheit von Fahrzeugen, Soldaten und manchmal auch Diensthunden. Zugleich hat das Bundesheer seinen Ausbildungsauftrag, den es erfüllen muss. Essenziell ist, dass es rund um Bundesheerübungen zum Einklang zwischen zivilem Leben – da gehört die Jagd dazu – und den militärischen Bedürfnissen kommen soll.“
Wildtiere unbeeindruckt von Bundesheer-Übungen
Erfahrungen aus dem jahrzehntelangen Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze zeigen, dass vor allem Schalenwild Soldaten nicht als bedrohlich wahrnimmt. Aufgrund ihrer gleichmäßigen Bewegung im Revier wird der Soldat vom Wild früh wahrgenommen und als nachvollziehbar und berechenbar angesehen. Lediglich Prädatoren – wie Wolf und Luchs – reagieren empfindlicher und sind leichter zu vergrämen. Besenderungen, Drohnen und Wärmebildkameras auf Hubschraubern zeigen, dass Schalenwild den Einstand zumeist nicht verlässt oder nur selten zum Nachbareinstand wechselt. Nach kurzer Zeit kehrt es wieder in den vertrauten Einstand zurück. Ein gänzliches Auswechseln aus dem Revier wegen militärischer Übungstätigkeiten wurde bisher nicht beobachtet.
Kärntner Jagdvorfall: Sicherheitstipps für Jäger
Zum Jagdvorfall in Kärnten, bei dem eine Jägerin einen Schuss auf Soldaten abgegeben hat, rät Flicker: „Eine Übung ist immer öffentlich kundgemacht. Sollte ich als Jäger uniformierte Personen im Revier erkennen und mir unsicher sein, kann ich beim Bundesheer, bei der Polizei oder bei der betreffenden Gemeinde nachfragen. Das ist in Zeiten des Mobiltelefons kein Problem mehr.“ Falls niemand erreichbar ist oder das Mobiltelefon nicht funktioniert, empfiehlt Flicker: „Am besten spricht man die Uniformierten direkt an, gibt sich laut und deutlich als Jäger zu erkennen und stellt fest, wer hier Ansprechpartner zur Übung ist – meist der Kommandant. So erhält der Jäger alle notwendigen Informationen und kann etwaige Probleme in Bezug auf das Revier ansprechen. Mit einem klärenden Gespräch lassen sich alle Missverständnisse ausräumen.“ Sollte der Jäger dennoch zu verunsichert sein und sich nicht trauen, die unbekannten Personen im Revier anzusprechen, kann die Polizei verständigt werden. Flicker dazu: „Die Sicherheitsorgane der Polizei würden dann die Situation klären.
Auf jeden Fall ist der Gebrauch der Jagdwaffe gegen übende Soldaten verboten.“
Sicherer Umgang mit gefundener Übungsmunition im Revier
Bei den Bundesheerübungen haben die Soldaten oft Übungsmunition bei sich, wie etwa Messingpatronen ohne Geschoss, blaue oder olivgrüne Knallkörper und bunte Rauchkörper in Dosenform. Hauptmann Flicker erklärt: „Die Soldaten nehmen ihre Munition nach Übungen wieder mit in die Kasernen. Sollte es aber dennoch einmal passieren, dass man als Jäger solche Munition findet, ist folgendes Vorgehen ratsam: Nicht berühren, denn auch Übungsmunition ist gefährlich! Absperren und markieren. Danach das Bundesheer oder die Polizei informieren. Fachleute kommen zur Fundstelle und entsorgen die Munition sachgerecht.“
Respektvolles Miteinander von Jägern und Soldaten im Revier
Bei Büchsenlicht in einem abgelegenen Revier: Es knackt wieder im nahen Unterholz. Dunkle Silhouetten von Männern sind schemenhaft vor dem Licht des Waldrandes zu erkennen. Sie kommen langsam näher. Die Jägerin weiß über die Übung in dieser Nacht Bescheid und winkt. Freundlich grüßen die getarnten Soldaten zurück. Das war eine entspannte Begegnung tief im Revier. Flicker abschließend: „Ich bin fest davon überzeugt, dass bei gegenseitiger Rücksichtnahme ein gutes Nebeneinander möglich ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass frühzeitige Information, gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme in den Revieren die Grundlage für ein gutes Miteinander von Jägern und Soldaten sind.“
Servicenummer des Österreichischen Bundesheeres: 05 0201 – Dort werden Sie mit einer Auskunftsperson Ihres Bundeslandes verbunden.