Beim Reh im Vormarsch: Fibropapillomatose
Immer wieder trifft man auch in Österreich Rehe an, die von Fibropapillomatose befallen sind. – Um dem Jäger Klarheit über die Möglichkeiten im Umgang mit dieser Wildkrankheit zu geben, bereitet der NÖ Jagdverband eine Umfrage vor.
Die Fibropapillomatose zählt, wie auch die „klassische“ Papillomatose und der Lippengrind, zu den durch Viren verursachten, geschwulstbildenden Erkrankungen, die ausschließlich die Decke betreffen und an dieser zu charakteristischen Veränderungen führen. Diese gutartigen Bindegewebswucherungen werden in der Pannonischen Tiefebene seit den 1960er-Jahren beobachtet und sind somit den meisten Jagdausübungsberechtigten dieser Region vertraut. Den Erreger, der zur Klasse der Delta-Papillomaviren gehört, zeichnet seine hohe Wirtsspezifität aus. Dadurch ist auch eine Übertragung dieses wissenschaftlich als „CcaPV1“ bezeichneten Virus vom Rehwild auf Nutztierbestände nicht möglich, es liegen aus den betroffenen Gebieten auch keine Hinweise auf ein Auftreten von Fibropapillomen bei anderen Wild-, Nutz- oder Haustieren vor. Auch für den Menschen stellen die Viren keine Gefahr dar.
Die Übertragungsmöglichkeiten dieser Virusinfektion sind noch nicht restlos geklärt. Gesichert ist die direkte Übertragung ausgehend von befallenen Stücken, die das Virus über die Hautoberfläche durch Kontakt mit anderen Tieren weitergeben. Höchstwahrscheinlich spielen Insekten ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Übertragung.
In Untersuchungen in Tschechien wurde das Erbgut der auslösenden Viren in Zecken und Hirschlausfliegen nachgewiesen. Ebenso deutet der signifikante Einfluss von Gewässern, unabhängig von der Rehwilddichte, auf eine wahrscheinliche Übertragung durch Insekten hin.
Befallsbild
Die Knoten können sehr unterschiedliche, teilweise beachtliche Größe aufweisen und in unterschiedlicher Anzahl an verschiedenen Körperstellen auftreten. Die häufigsten Stellen für die Fibropapillome sind vor allem Haupt, Bauchdecke, Läufe sowie Kurzwildbret bzw. Gesäuge (siehe Bilder). Sie besitzen eine derbe Konsistenz und erscheinen häufig schwärzlich pigmentiert. Besonders auffallend sind die Wucherungen, wenn sie an der Oberfläche haarlos sind. Immer wieder werden Exulzerationen beobachtet. Hierbei kommt es zum oberflächlichen Aufbrechen der Knoten, und in weiterer Folge können Sekundärinfektionen das Bild verschlimmern und zu eitrigen Entzündungen führen. Beim Anschneiden zeigen die Umfangsvermehrungen eine weißlich-speckige sowie glänzende Schnittfläche und sind von der darunterliegenden Muskulatur gut abgrenzbar.
Betroffene Stücke zeigen in den meisten Fällen keine weiteren Auffälligkeiten, sind in guter Verfassung und können in diesem Zustand auch bedenkenlos einer Verwertung zugeführt werden. Wenn die Knoten allerdings eine gewisse Größe erreichen und etwa über die Lichter wachsen oder als massive „Anhänge“ an den Läufen auftreten, kommt es zu relevanten Beeinträchtigungen, und das Erlegen als Hegeabschuss dieser offensichtlich erkrankten Stücke verringert nicht nur die Möglichkeit einer Ansteckung für andere Rehe, sondern ist auch aus Gründen der Weidgerechtigkeit angebracht. Gleiches gilt für Stücke mit aufgebrochenen und infizierten Knoten.
Hinweis zur Verwertung: Solange keine krankhaften Veränderungen der inneren Organe festgestellt werden und vor allem nach dem Aus-der-Decke-Schlagen keine Veränderungen der Muskulatur, wie starke Abmagerung, Wässrigkeit der Muskulatur, ekelerregendes Aussehen und Ähnliches festgestellt werden, spricht grundsätzlich nichts gegen eine Verwertung des Wildbrets. Im Zweifelsfall muss die Kundige Person jedoch die Beurteilung des Wildkörpers und des Aufbruchs durch einen amtlichen Tierarzt veranlassen.
Abschuss als einzige Chance
Eine Behandlungsmöglichkeit ebenso wie eine vorbeugende Impfung sind nicht bekannt. Die „Entnahme“ befallener Stücke ist daher die einzige Möglichkeit, den „Virusdruck“ in freier Wildbahn abzusenken. Somit verringert das Erlegen erkennbar erkrankter Tiere die Möglichkeit einer Ansteckung für andere Rehe.
Das geografische Auftreten der Fibropapillomatose wurde bisher zum allergrößten Teil in der Pannonischen Tiefebene, Ungarn, dem östlichen Österreich, dem nördlichen Kroatien, der Slowakei sowie aus dem südlichen Teil der Tschechischen Republik beschrieben. In Ungarn sind mehr als die Hälfte der Jagdbezirke betroffen, und die Prävalenz (Vorkommenshäufigkeit) wird in einer Studie aus dem Jahr 2009 mit 0,2–1,1 % angegeben. In die Pathologie des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) werden jährlich etwa fünf Stück Rehwild mit den zuvor beschriebenen Veränderungen eingesandt. Allerdings beobachten wir seit ein paar Jahren ein Auftreten auch in Gebieten außerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebiets, wie zum Beispiel im Waldviertel sowie im niederösterreichischen Alpenvorland. Die geringe Zahl der eingesandten Stücke entspricht aber nicht der tatsächlichen Prävalenz der Infektion. Zumeist kommt es aus betroffenen Revieren nur zu einmaligen Einsendungen zur Absicherung der Diagnose. Als mögliche Ursache für die Ausbreitung und Zunahme der Fälle könnte die Verbreitung und Vermehrung von Insekten im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen.
Umfrage geplant
Um mehr über diese sich offenbar in Ostösterreich ausbreitende Viruserkrankung beim Rehwild zu erfahren, bereiten der Fachausschuss für Wildbret und Wildtiergesundheit sowie der Fachausschuss Rehwild des Niederösterreichischen Jagdverbandes aktuell eine Umfrage vor. – Wir bleiben dran und informieren, sobald es weitere Erkenntnisse gibt.
Weiterführende Literatur ist bei den Autoren erhältlich: Tel. 01/250 77-71 60, E-Mail: anna.kuebber@vetmeduni.ac.at