Tularämie in Österreich: Ausbreitung und Schutz
Tularämie breitet sich in Österreich weiter aus. Erfahren Sie mehr über Übertragungswege, Symptome bei Mensch und Tier sowie wichtige Schutzmaßnahmen gegen die Zoonose.
Die Tularämie (Hasen-, Nagerpest, Lemmingfieber, Hirschfliegenfieber, Ohara-Krankheit) ist eine auf Menschen übertragbare bakterielle Infektionskrankheit, hervorgerufen durch Francisella (F.) tularensis. Der Erreger ist in Österreich Francisella tularensis subsp. holarctica. Diese Unterart ist im Gegensatz zur hochvirulenten Subspezies Francisella tularensis subsp. tularensis, die überwiegend in Nordamerika vorkommt, für den Menschen nur mäßig virulent. Wirtstiere der Tularämie in Österreich sind Hasenartige und Nagetiere (Lagomorpha und Rodentia).
Die Tiere infizieren sich durch kontaminiertes Wasser bzw. Nahrung, Ektoparasiten, Kannibalismus und durch Inhalation des Erregers. Kontaminiertes Wasser bzw. am Wasser lebende Nagetiere scheinen ein wichtiger epidemiologischer Faktor zu sein, da Orte mit Tularämie-Vorkommen häufig in der Nähe von Flüssen liegen. Dieses Auftreten steht möglicherweise in Zusammenhang mit der Fähigkeit der Francisellen, sich im Inneren von Amöben zu vermehren.
Ektoparasiten, wie Zecken und Mücken, spielen als Überträger eine wichtige Rolle und sind maßgeblich bei der Aufrechterhaltung der Naturherde beteiligt. Der Fuchs, der den Erreger ebenfalls in sich tragen kann, aber für gewöhnlich nicht erkrankt, gilt als Indikatortier.
F. tularensis wurde in Österreich bisher bei Menschen, Feldhasen, Wildkaninchen, Mäusen, Zecken, Füchsen, einem Bunthörnchen, einem Affen und in Wasserproben nachgewiesen.
Ausbreitung seit 1936
Tularämiefälle bei Feldhasen (Lepus europaeus) wurden in Niederösterreich erstmals 1936 nachgewiesen. Darauf folgten weitere Isolierungen in den 1990er-Jahren in Ostösterreich, die gleichzeitig mit einem Ansteigen der amtlich angezeigten Erkrankungen bei Menschen einhergingen. Zum einen wurde im äußersten Nordosten Österreichs ein aktiver Tularämie-Naturherd aufgezeigt, der mit den Endemiegebieten in der Slowakei und Tschechien entlang der Flüsse March und Thaya zusammenhängt, zum anderen ein Herd im südlichen Burgenland und der angrenzenden Steiermark, in dem die Tularämie mehrmals bei Feldhasen nachgewiesen wurde. In Oberösterreich wurden zu dieser Zeit lediglich vereinzelt Tularämie-Fälle bei Feldhasen und Menschen festgestellt. 2018 wurde ein endemisches Vorkommen der Tularämie auch in Westösterreich, mit einer Häufung von Todesfällen bei Feldhasen in Salzburg und Vorarlberg, nachgewiesen. In Tirol wurde die Tularämie beim Feldhasen zum ersten Mal im Mai 2019 nachgewiesen. Darauf folgten nur einzelne weitere Isolierungen in diesem Bundesland. 2022 konnte das endemische Vorkommen der Tularämie in Oberösterreich innerhalb eines Monitorings beim Feldhasen, das seitens der OÖ. Landeszoonosenkommission in Auftrag gegeben wurde, bestätigt werden. Bei sechs der 166 untersuchten Feldhasen wurde Tularämie nachgewiesen. Als noch ausstehendes Bundesland konnte Kärnten seinen ersten Fall von Tularämie im November 2023 bei einem Feldhasen verzeichnen.
Symptomatik beim Feldhasen
Bei einem Seuchenausbruch verläuft die Krankheit in der Regel akut-septikämisch und führt innerhalb weniger Tage zum Tod. Dabei zeigen erkrankte Feldhasen ungewöhnliche Verhaltensweisen, wie unkoordinierte Sprungbewegungen, mangelndes oder fehlendes Fluchtverhalten, und wirken oft abgeschlagen oder benommen.
Eine stark vergrößerte Milz ist eine typische Veränderung bei akut-septikämisch verendeten Tieren. Bei äußerlich scheinbar gesunden Tieren kann die Tularämie als subakute bis chronische Verlaufsform vorliegen. Dabei können bei Lunge, Leber und Niere sowie Hoden entzündliche und/oder nekrotische (mit Gewebeuntergang einhergehende) Veränderungen gefunden werden. Auch am Herzen ohne sichtbare Veränderung ist häufig Tularämie nachweisbar. Eine Lymphknotenschwellung kann ebenfalls ein Hinweis auf Tularämie sein.
Übertragung auf Menschen
Die Übertragung erfolgt durch Haut- und Schleimhautkontakt mit infektiösem Tiermaterial (Verzehr von nicht ausreichend erhitztem, kontaminiertem Fleisch) oder Spritzer erregerhaltiger Flüssigkeiten (vor allem beim Zerlegen von Feldhasen), aber auch durch Zecken- oder Insektenstiche. Es kann zu einer Staub- oder Tröpfcheninfektion beim Abbalgen oder Zerwirken von infizierten Feldhasen und bei Arbeiten mit landwirtschaftlichen Produkten, wie Heu, Stroh, Getreide oder Zuckerrüben, kommen, wenn diese mit Exkreten oder Kadavern von Mäusen kontaminiert sind. Orale Infektionen durch erregerhaltiges Wasser sind ebenfalls möglich. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind bisher nicht beschrieben worden.
Symptomatik beim Menschen
Die Tularämie kann beim Menschen zu verschiedenen Symptomen führen. Diese entwickeln sich nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen. Die Lokalisation der Infektion hängt von der Eintrittspforte ab. Bei der Aufnahme der Erreger durch die Haut, etwa nach Hautverletzungen oder Zecken- und Insektenstichen, kommt es zur Ausbildung eines Hautgeschwürs (Ulcus), regionalen, schmerzhaften Lymphknotenschwellungen und Fieber. Dieses Erscheinungsbild bezeichnet man als ulceroglanduläre (mit Ulcusbildung) oder glanduläre Form (ohne Ulcusbildung) der Tularämie. Die Aufnahme der Francisellen über die Atemwege führt zur pulmonalen Form der Tularämie. Es kommt zur Lungenentzündung, die durch Atemnot, Auswurf und Fieber gekennzeichnet ist. Alle diese Formen können auch zur Sepsis führen, wenn sich der Erreger in der Blutbahn ausbreitet. Weitaus seltener sind die okuläre Form, bei der Francisellen über die Bindehaut aufgenommen werden und zu Entzündungen führen, und die pharyngeale Form (den Rachen betreffend) nach oraler Aufnahme. Eitrige Entzündungen im Rachen und an den Tonsillen können dabei entstehen. Die Schwellung regionaler Lymphknoten wird häufig bei allen Formen beobachtet. Eine mögliche Komplikation der Infektion sind Vereiterungen und Nekrosen der Lymphknoten, die chirurgisch saniert werden müssen. Die Tularämie wird mit Antibiotika behandelt.
Untersuchungsmaterial
Beim toten Feldhasen erfolgt der Erregernachweis im Idealfall aus verändertem Organmaterial, wie Milz, Lunge, Herz, Leber, Niere sowie vergrößerten Lymphknoten. Auch die Geschlechtsorgane stellen bei Organveränderung ein geeignetes Untersuchungsmaterial dar. Die veterinärmedizinische Diagnostik der Organe wird bakteriologisch mittels Kulturversuch und/oder molekulargenetisch mittels PCR durchgeführt.
In der Humanmedizin erfolgt die mikrobiologische Diagnostik ebenfalls durch direkten Erregernachweis (PCR, Kulturversuch). Proben können vom Arzt vom Infektionsort abgenommen werden; zum Beispiel Abstriche vom Ulcus bei der ulceroglandulären Form oder Blut beim Verdacht eines septischen Verlaufs. Auch Lymphknoten sind ein geeignetes Material. Die Anzüchtung des Erregers ist Voraussetzung für eine Resistenztestung. Aufgrund der Infektiosität der Francisellen soll der kulturelle Nachweis nur in Speziallaboratorien stattfinden. Eine weitere Möglichkeit in der Diagnostik sind Antikörperuntersuchungen. Allerdings kann das Ergebnis bei kurzer Krankheitsdauer negativ ausfallen und muss eventuell nach einem Zeitintervall wiederholt werden.
Bekämpfung & Vorbeugung
Die Tularämie gilt als Naturherderkrankung in Europa. Daher ist die regelmäßige Überwachung ihrer Aktivität Voraussetzung für die Eindämmung der Tularämie. Während Epidemien sollten vorzugsweise krank erscheinende Tiere erlegt werden. Verendete und kranke, getötete Feldhasen sowie erlegte Feldhasen mit krankhaften Veränderungen an den inneren Organen sollten auf keinen Fall vergraben werden, sondern zur Untersuchung auf Tularämie eingeschickt oder seuchensicher über die Tierkörperverwertung entsorgt werden.
Da Feldhasen mit bekannter chronischer Nierentularämie die Francisellen über lange Zeit mit dem Harn ausscheiden, sollten Jäger in den Endemiegebieten verstärkt darauf achten, kranke Tiere mit ungewöhnlichem Verhalten zu erlegen, um eine weitere Erregerverbreitung zu verhindern.
Kranke, getötete oder verendete Feldhasen dürfen nicht abgebalgt werden, sondern sollten nur mit Handschuhen berührt und sofort sicher verpackt werden, um eine Infektion von Menschen durch Einatmen von erregerhaltigem Staub oder Berührung von Fell, Blut oder Exkreten zu verhindern. Die Schadnagerbekämpfung spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wesentliche Rolle, da in der Vergangenheit einigen Tularämie-Seuchenausbrüchen eine Mäuseplage vorausgegangen ist.
Veterinärmedizinische Proben
Tot aufgefundene (mit gutem Erhaltungszustand), auffällige, erlegte Feldhasen sowie Individuen mit krankhaften Veränderungen an den inneren Organen können zur Untersuchung auf Tularämie an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling, Robert-Koch-Gasse 17, 2340 Mödling, gesendet oder direkt am Institut beim Portier abgegeben werden. Die Einsendung kann über den Amtstierarzt (Bezirksveterinäramt) oder von Privatpersonen erfolgen.
Humanmedizinische Proben
Klinische Proben können bei Verdacht auf humane Tularämie vom Arzt an die Nationale Referenzzentrale für hochpathogene bakterielle Erreger, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Währinger Straße 25a, 1090 Wien, geschickt werden.
Beim Versand von sowohl veterinärmedizinischen als auch humanmedizinischen Proben sind unbedingt alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten (zum Beispiel Schutzausrüstung, wie Handschuhe, geeignete Verpackungsgefäße, richtiger Versand usw.).