Wild oder kultiviert?
Menschlicher Einfluss auf Kulturlandschaft, Artenvielfalt, Regulierungen der Landbewirtschaftung – Stoff für Diskussionen beim diesjährigen Wildökologischen Forum Alpenraum.
Sobald die Natur kultiviert wird, hört sie auf, Wildnis zu sein. Menschen – das liegt im Erbe ihrer Evolution – können gar nicht anders, als Natur zu bearbeiten und zu verändern. Im schlimmsten Fall wird Natur dabei ausgebeutet und zerstört, im besten Fall gehegt und gepflegt.“ – Mit diesen Worten brachte Dr. Konrad Paul Liessmann zu Beginn des Wildökologischen Forums Alpenraum im Heffterhof Salzburg von 25. bis 26. 5. 2023 in seinem mitreißenden philosophischen Vortrag das Verhältnis vom Menschen zu seinem Lebensraum treffend auf den Punkt.
Mensch und Natur
Der österreichische Philosoph Konrad Liessmann hob in seinem Vortrag zum menschlichen Bild über die Natur- und Kulturlandschaft hervor, dass selbst in den wenigen Wildnisgebieten, in denen die Natur noch Natur sein kann, der Mensch dafür sorgen muss. Im Wesentlichen ist unsere Landschaft, die unsere Lebensgrundlage darstellt, durch die menschliche Gestaltung eine Kulturlandschaft. Diese Art der kultivierten Geregeltheit ist gut und ermöglicht erst unsere heutige komfortable Lebensweise. Der Mensch ist Teil der „Natur“ und darf diese auch gestalten. Jene Teile der Gesellschaft, die eine unberührte Natur fordern, wollen jedoch selbst nicht Teil der Natur sein und glauben fälschlicherweise, dass die Naturgrundlagen für den Menschen nicht gelten. Aus diesem Denken rühren auch die völlig unrealistischen Forderungen von Nutzungsbeschränkungen, die eine Verwahrlosung unserer Landschaft zur Folge hätten.
Dass sich diese Forderungen jedoch bereits in diversen europäischen Strategien und Richtlinien wiederfinden, zeigte der Vortrag von Mag. Gerfried Gruber, der von Seiten des Landwirtschaftsministeriums die Interessen Österreichs auf europäischer Ebene vertritt. Als Folge der EU-Biodiversitätsstrategie wird der Schutz von 30 % der Landfläche angedacht, wobei 10 % unter strengen Schutz gestellt werden müssten. Österreich hat zwar bereits seit Jahren 29,5 % seiner Fläche unter Schutz gestellt, jedoch stehen nur ca. 3 % unter strengem Schutz. Die Folgen für die heimische Wirtschaft wären gravierend. Derzeit kämpfen die heimischen Vertreter in Brüssel vehement für eine Abschwächung der Forderungen.
Freie Gestaltung
Die Absurdität der Forderungen wurde vom Vegetationsökologen Dr. Karl Bernhardt bestätigt. Erst durch die menschliche Bewirtschaftung wurden die relativ artenarmen Wälder unserer Region um Flächen hoher Artenvielfalt ergänzt. Insbesondere die Almwirtschaft führt zu einer gravierenden Erhöhung des Artenreichtums. Die Verwahrlosung der Almen in strengen Schutzgebieten hätte einen enormen Lebensraum- und Artenverlust zur Folge.
DI Michael Sterneck, Forstdirektor der Schwarzenberg’schen Familienstiftung, plädierte dafür, die freie Gestaltbarkeit in der Waldbewirtschaftung gemeinsam zu verteidigen. Durch den laufenden Regulierungswahn werden den Eigentümern nach und nach diese Freiheiten abgesprochen, obwohl diese ihre Sache gut machen. Wenn schon Schutzgebiete gefordert werden, müssen diese zu einem ordentlichen Marktpreis vergütet werden. Die starken Kräfte, die gegen neue Regelungen wirken, sind ein Lichtblick für die heimischen Waldbesitzer, die sich durch die klimaveränderungsbedingten Kalamitäten ohnehin in einem enormen Spannungsfeld befinden.
Quo vadis?
Das Interesse der Teilnehmer zeigte sich in der angeregten und emotionalen Podiumsdiskussion. Die heimischen Grundeigentümer sind sich ihrer Verantwortung gegenüber der Natur bewusst. Angriffe auf das Eigentum sind daher unnötig und zu unterlassen, forderte Dr. Nikolaus Lienbacher den Vertreter des Umweltdachverbandes, DI Christian Fraissl, auf. Die Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Simone Schmiedtbauer, kritisierte die realitätsfernen Forderungen gewisser Strömungen in Brüssel. Die geforderte Wiederherstellung des Naturzustandes aus den 1950er-Jahren wäre ein Rückschritt und müsste folgerichtig auch bedeuten, dass die Waldfläche, die seit Jahrzehnten zunimmt, wieder zu verringern wäre. Die Forderungen widersprechen einander und bewirken eine Resignation der Bewirtschafter. Die Europäische Kommission ist aus fachlicher Sicht beratungsresistent und folgt nicht der Wissenschaftsmeinung. Die nachhaltige und schonende Bewirtschaftung unserer Flächen über Generationen liegt den Bauern in den Genen. Die nächsten Europawahlen 2024 werden richtungweisend für die Europäische Union. Diese sind eine Chance, unsere Vertreter in Europa zu stärken.
Es ist äußerst schade, dass der Green Deal für die Land- und Forstwirtschaft und die traditionelle Lebensweise im alpinen Raum zur Bedrohung und nicht zur Chance wird. Der Deal im Green Deal wird da vergebens gesucht. Die Artenzusammensetzung in Österreich ist ein Ergebnis der Bewirtschaftung über Jahrtausende und kann auch nur so erhalten werden. Nur durch ein starkes gemeinsames Auftreten aller Landnutzer und eine ehrliche sachliche Diskussion können die Lebensgrundlagen und die heimische Artenvielfalt abgesichert werden. „Wir brauchen keinen Applaus für unser nachhaltiges Tun, wir wollen Akzeptanz“, resümierten Dr. Klaus Hackländer und Felix Montecuccoli zum Abschluss der erfolgreichen Tagung.