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Wild oder kultiviert?

14. Juli 2023 -
Wild oder kultiviert? - V. l. n. r.: OFM DI Gregor Grill (LK Salzburg), Univ.-Prof. i.R. Dipl.-Geogr. Dr. Karl Georg Bernhardt, DI Christian Fraissl (UWD), Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr. Klaus Hack­länder, Mag. Gerfried Gruber (BML), Präsident DI Felix Montecuccoli (WÖFA), Andrea Pirker (LFBÖ), Dr. Nikolaus Lienbacher, FD DI Michael Sterneck (Forstverwaltung Schwarzenberg), MEP Simone Schmiedtbauer, DI Andreas Duscher (ÖBf AG), GS Mag. Jörg Binder (Jagd Österreich). - © Martin Winkler
V. l. n. r.: OFM DI Gregor Grill (LK Salzburg), Univ.-Prof. i.R. Dipl.-Geogr. Dr. Karl Georg Bernhardt, DI Christian Fraissl (UWD), Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr. Klaus Hack­länder, Mag. Gerfried Gruber (BML), Präsident DI Felix Montecuccoli (WÖFA), Andrea Pirker (LFBÖ), Dr. Nikolaus Lienbacher, FD DI Michael Sterneck (Forstverwaltung Schwarzenberg), MEP Simone Schmiedtbauer, DI Andreas Duscher (ÖBf AG), GS Mag. Jörg Binder (Jagd Österreich). © Martin Winkler

Menschlicher Einfluss auf Kulturlandschaft, ­Artenvielfalt, Regulierungen der Land­bewirtschaftung – Stoff für Diskussionen beim diesjährigen Wildökologischen Forum Alpenraum.

Sobald die Natur kultiviert wird, hört sie auf, Wildnis zu sein. Menschen – das liegt im Erbe ihrer Evolution – könne­­­n gar nicht anders, als Natur zu bearbeiten und zu verändern. Im schlimmsten Fall wird Natur dabei ausgebeutet und zerstört, im besten Fall gehegt und gepflegt.“ – Mit diesen Worten brachte Dr. Konrad Paul Liessmann zu Beginn des Wildökologischen Forums Alpen­raum im Heffterhof Salzburg von 25. bis 26. 5. 2023 in seinem mitreißenden philo­sophischen Vortrag das Verhältnis vom Menschen zu seinem Lebens­raum treffend auf den Punkt.

Mensch und Natur

Der österreichische Philosoph Konrad Liessmann hob in seinem Vortrag zum menschlichen Bild über die Natur- und Kulturlandschaft hervor, dass selbst in den wenigen Wildnisgebieten, in denen die Natur noch Natur sein kann, der Mensch dafür sorgen muss. Im Wesentlichen ist unsere Landschaft, die unsere Lebensgrundlage darstellt, durch die menschliche Gestaltung eine Kulturlandschaft. Diese Art der kultivierten Geregeltheit ist gut und ermöglicht erst unsere heutige komfortable Lebensweise. Der Mensch ist Teil der „Natur“ und darf diese auch gestalten. Jene Teile der Gesellschaft, die eine unberührte Natur fordern, wollen jedoch selbst nicht Teil der Natur sein und glauben fälschlicherweise, dass die Naturgrundlagen für den Menschen nicht gelten. Aus diesem Denken rühren auch die völlig unrealistis­chen Forderungen von Nutzungs­beschränkungen, die eine Verwahrlosung unserer Landschaft zur Folge hätten.
Dass sich diese Forderungen jedoch bereits in diversen europäischen Strategien und Richtlinien wieder­finden, zeigte der Vortrag von Mag. Gerfried Gruber, der von Seiten des Landwirtschafts­ministeriums die Interessen Österreichs auf europäischer Ebene vertritt. Als Folge der EU-­Biodiversitätsstrategie wird der Schutz von 30 % der Landfläche angedacht, wobei 10 % unter strengen Schutz gestellt werden müssten. Österreich hat zwar bereits seit Jahren 29,5 % seiner Fläche unter Schutz gestellt, jedoch stehe­­­n nur ca. 3 % unter strengem Schutz. Die Folgen für die heimische Wirtschaft wären ­gravierend. Derzeit kämpfen die heimischen Vertreter in Brüssel vehement für eine Abschwächung der Forderungen.

Freie Gestaltung

Die Absurdität der Forderungen wurde vom Vegetationsökologen Dr. Karl Bernhardt bestätigt. Erst durch die menschliche Bewirtschaftung wurden die ­relativ artenarmen Wälder unserer Region um Flächen hoher Artenvielfalt ergänzt. Insbesondere die Almwirtschaft führt zu einer gravierenden Erhöhung des Artenreichtums. Die Verwahrlosung der Almen in strengen Schutzgebieten hätte einen enormen Lebensraum- und Arten­verlust zur Folge.
DI Michael Sterneck, Forstdirektor der Schwarzenberg’schen Familien­stiftung, plädierte dafür, die freie Gestalt­barkeit in der Waldbewirtschaftung gemein­sam zu verteidigen. Durch den laufenden Regulierungswahn werden den Eigentümern nach und nach diese Freiheiten abgesprochen, obwohl diese ihre Sache gut machen. Wenn schon Schutzgebiete gefordert werden, müssen diese zu einem ordentlichen Marktpreis vergütet ­werden. Die starken Kräfte, die gegen neue Regelu­ngen wirken, sind ein Lichtblick für die heimischen Wald­besitzer, die sich durch die klimaver­änderungs­bedingten Kalamitäten ohne­hin in einem ­enormen Spannungsfeld befinden.

Wild oder kultiviert? - Angeregte Abschlussdiskussion mit Dr. Nikolaus Lienbacher, DI Christian Fraissl, Andrea Pirker, Moderator DI Gregor Grill, MEP Simone Schmiedtbauer, DI Andreas ­Duscher sowie GS Mag. Jörg Binder (v. l. n. r.). - © Martin Winkler

Angeregte Abschlussdiskussion mit Dr. Nikolaus Lienbacher, DI Christian Fraissl, Andrea Pirker, Moderator DI Gregor Grill, MEP Simone Schmiedtbauer, DI Andreas ­Duscher sowie GS Mag. Jörg Binder (v. l. n. r.). © Martin Winkler

Quo vadis?

Das Interesse der Teilnehmer zeigte sich in der angeregten und emotionalen Podiums­diskussion. Die heimischen Grundeigentümer sind sich ihrer ­Verantwortung gegenüber der Natur bewusst. Angriffe auf das Eigentum sind daher unnötig und zu unterlassen, ­forderte Dr. Nikolaus Lienbacher den Vertreter des Umweltdachverbandes, DI Christian Fraissl, auf. Die Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Simone Schmiedtbauer, kritisierte die realitätsfernen Forderu­ngen gewisser Strömungen in Brüssel. Die geforderte Wieder­herstellung des Naturzustandes aus den 1950er-Jahren wäre ein Rückschritt und müsste folgerichtig auch bedeuten, dass die Waldfläche, die seit Jahrzehnten zunimmt, wieder zu verringern wäre. Die Forderungen widersprechen einander und bewirken eine Resignation der Bewirtschafter. Die Europäische Kommission ist aus fachlicher Sicht beratungs­resistent und folgt nicht der Wissenschaftsmeinung. Die nachhaltige und schonende Bewirtschaftung unserer Flächen über Generationen liegt den Bauern in den Genen. Die nächsten Europa­wahlen 2024 ­werden richtungweisend für die Euro­päische Union. Diese sind eine Chance, unsere Vertreter in Europa zu stärken.
Es ist äußerst schade, dass der Green Deal für die Land- und Forstwirtschaft und die traditionelle Lebensweise im alpi­nen Raum zur Bedrohung und nicht zur Chance wird. Der Deal im Green Deal wird da vergebens gesucht. Die Arten­zusammensetzung in Österreich ist ein Ergebnis der Bewirtschaftung über Jahrtausende und kann auch nur so erhalten werden. Nur durch ein ­starkes gemeinsames Auftreten aller Land­nutzer und eine ehrliche sachliche Diskussion können die Lebensgrundlagen und die heimische Artenvielfalt abgesichert werd­en. „Wir brauchen keinen Applaus für unser nachhaltiges Tun, wir wollen Akzeptanz“, resümierten Dr. Klaus Hackländer und Felix Montecuccoli zum ­Abschluss der erfolgreichen Tagung.