„Wilde Medizin“
Entdecken Sie das überlieferte Naturheilwissen im neuen Buch 'Wilde Medizin' von Martin Grasberger. Erfahren Sie, wie traditionelle Heilmittel aus Wildtieren und Pflanzen zur Gesundheit beitragen können und wie Wildfette als nachhaltige Alternative genutzt werden können.
Wenn wir uns unwohl fühlen, uns verletzt oder einfach nur einen schlechten Tag hinter uns haben, greifen wir sehr oft zu medizinischen Präparaten, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, welche Ingredienzien sie enthalten und welche Nebenwirkungen sie zur Folge haben könnten. Die Einnahme von Aspirin, Novalgin & Co ist in unserer „modernen“ Gesellschaft bereits zur Normalität geworden – die Wenigsten sehen hierbei einen Anlass zur Selbstreflexion oder gar -kritik.
Früher, vor Hunderten von Jahren, wusste man zum Beispiel noch nichts über den hohen Gehalt ungesättigter Fettsäuren im Murmeltierfett oder die medizinische Wirkung der im Bibergeil enthaltenen Salicylsäure, und dennoch war es kein Geheimnis, dass dies positiv auf den menschlichen Organismus wirkt und verschiedenste Symptome lindern kann. Auch wenn einige Heilmittel, die früher in der Volksmedizin nichts Ungewöhnliches waren, heute für den einen oder anderen möglicherweise befremdlich wirken können, halten diese oft sogar wissenschaftlichen Untersuchungen stand. Kurz: Was heute als wissenschaftlich gesichert gilt, war früher über Generationen überliefertes Heilwissen.
Während wir heute nach einem Bienenstich sofort ins Haus eilen, um Fenistil-Gel zu holen und aufzutragen, wissen nur noch wenige, dass die zwischen den Fingern zerriebenen und auf den Stich gelegten Spitzwegerichblätter den Juckreiz und die Schwellung lindern können. Ich selbst staunte nicht schlecht, als Barbara Hoflacher bei ihrem Besuch – wir schossen zahlreiche Bilder für das neue Buch „Wilde Medizin“, das soeben im Österr. Jagd- und Fischerei-Verlag erschienen ist – über einen Spitzwegerich im Bereich meiner Terrasse „stolperte“ und aus ihr prompt sämtliche Details zu dieser Heilpflanze heraussprudelten. Noch weitere Pflanzen mit Heilpotenzial fielen ihr in meinem Garten auf – und mein Wissen um die „Wilde Medizin“ ist seitdem um ein Vielfaches reicher geworden. Was der Unwissende als „Unkraut“ abqualifiziert, ist möglicherweise ein Segen für die menschliche Gesundheit. – Es ist ein großes Glück, dass es Menschen wie Barbara Hoflacher gibt, die sich mit überliefertem Heilwissen auseinandersetzen und dieses, untermauert von wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit neuem Leben erfüllen. Hier ein paar Einblicke:
Vollverwertung schafft Vertrauen
Wildbret genießt seit einigen Jahren – Gott sei Dank – wieder einen sehr guten Ruf, nicht zuletzt deshalb, weil immer größerer Wert auf die Wildbrethygiene gelegt wird. Immer mehr Menschen erfreuen sich am hochwertigen Fleisch, das einen weit höheren Anteil an wertvollen ungesättigten Fettsäuren hat, gleichzeitig aber deutlich fettärmer und vitaminreicher ist als jenes von Nutztieren. Die Verwendung der Fette hat sich hingegen aber leider noch nicht durchgesetzt. Dabei haben gerade die Fette von Wildtieren enorme Vorteile für uns Menschen. Wie auch beim Wildbret enthalten sie wesentlich mehr ungesättigte Fettsäuren, und manche verfügen über zusätzliche Inhaltsstoffe, die wir uns zunutze machen können, wie etwa Corticoide in Murmeltier- und Dachsschmalz. Wiederum andere – Wildschweinschmalz zum Beispiel – sind für unseren Ernährungsplan besonders wertvoll. Anstatt Wildtierfette kostenpflichtig in der Tierkörperverwertung zu entsorgen, sollten sie unbedingt für die Kulinarik oder die Salben- und Seifenherstellung verwendet werden.
Hirschtalg statt Palmfett
Statt des ökologisch bedenklichen Palmfetts dient zum Beispiel Hirschtalg als heimischer Ersatz für die Seifensiederei. Wildschweinschmalz kann wunderbar anstelle von Palmfett oder anderer bedenklicher Frittierfette in der Küche verwendet werden.
Um den Wert von Wildfetten wieder in den Vordergrund zu rücken und damit die zusätzliche Wertschöpfung der Jagd zu betonen, ist es lohnend, sich damit auf einer seriös fundierten Basis auseinanderzusetzen. Alte Erkenntnisse und Betrachtungsweisen können mit modernen wissenschaftlichen Analysen abgeglichen werden, um die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse für die Zukunft zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Wildfette nutzen
Zu den Vorteilen, die die Inhaltsstoffe der Fette bieten, kommen noch weitere Argumente, sie auch zu nutzen:
- Sie sind regional – im Gegensatz zum ökologisch bedenklichen Palmfett.
- Sie sind saisonal.
- Sie liefern einen hohen Ertrag und können selbst gewonnen werden – im Gegensatz zu vielen Pflanzenölen, wie Leinöl oder Olivenöl, die die Wenigsten selbst zu Hause herstellen können.
- Es bedarf keiner aufwendigen, teuren Gerätschaften. Eine einfache Küchenausrüstung, wie sie in der Regel in jedem Haushalt zu finden ist, reicht völlig aus.
- Die Gewinnung geht schnell und einfach.
Ein Apotheker hat mir unlängst mitgeteilt: „Die Zeit der Tierfette ist vorbei, wir haben ja heute viel bessere pflanzliche Öle und Fette. Wozu sollte man also überhaupt noch Tierfette verwenden?“ Ich bin vom Gegenteil überzeugt und hoffe, auch andere für die Vorzüge der Tierfette begeistern zu können.
Wer kann schon sagen, wie lange uns noch Jojoba, Sesamöl, Sheabutter, Kokosöl usw. zur Verfügung stehen? Ist es wirklich nötig, Zutaten zu bevorzugen, die um die halbe Welt reisen müssen, damit wir sie verwenden können? Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Vor allem aber: Warum etwas so Wertvolles, wie Hirschtalg und Co, in den Müll werfen, wenn wir so heilsame Zubereitungen daraus zaubern können? Also: Holen wir das in Vergessenheit geratene Heilwissen unserer Vorfahren vor den Vorhang!
Beispiel Wildschwein
Jeder kennt das Wildschwein, doch nur wenige wissen, dass es über einen Geruchssinn verfügt, der jenem des Hundes ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen ist. In Österreich kommen jährlich etwa 50.000 Sauen zur Strecke, in Deutschland sogar fast eine Million. Diese äußerst soziale und ebenso intelligente Wildart ist sehr anpassungsfähig und besiedelt sogar urbane Bereiche, wo letztlich Konflikte mit dem Menschen vorprogrammiert sind.
Vielseitiges Wildschweinschmalz
Im Fett der Schwarzkittel verbirgt sich ein wahrer Schatz für Gesundheit, Wohlbefinden und Hochgenuss in der Kulinarik. In seiner Festigkeit und Zusammensetzung liegt es genau in der Mitte zwischen den öligen und hochungesättigten Fetten (wie Murmeltier, Feldhase, Biber usw.) sowie den festen, gesättigten Talgen (wie Reh, Hirsch, Gams usw.).
Das Geheimnis liegt in der Zusammensetzung der unterschiedlichen Fettsäuren. In Ernährungsempfehlungen für einen gesunden Fettverzehr ist immer wieder die Rede von den wertvollen ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren bzw. Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.
Im Allgemeinen wird dabei auf wertvolle Pflanzenöle, wie Olivenöl und Sonnenblumenöl, verwiesen, während tierische Fette häufig als „ungesund“ dargestellt werden.
Die moderne Ernährungskunde empfiehlt für die Gesundheit der Konsumenten folgenden Fettverzehr: ein Drittel gesättigte Fettsäuren (zum Beispiel Butter, Butterschmalz oder Kokosöl), ein Drittel einfach ungesättigte Fettsäuren (zum Beipiel Olivenöl) und ein Drittel mehrfach ungesättigte Fettsäuren (zum Beispiel Sonnenblumenöl). Ebenso erstaunlich wie erfreulich ist daher die Tatsache, dass Wildschweinfett genau über jene Zusammensetzung verfügt, die für eine gesunde Ernährung unerlässlich ist. Wie in der Grafik ersichtlich, besteht es nämlich zu 30,1 % aus gesättigten Fettsäuren (SFA), zu 32,2 % aus einfach ungesättigten Fettsäuren (MUFA) und zu 37,0 % aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA).
Für das Auslassen von Wildschweinschmalz eignen sich sowohl die Wasserbad- als auch die Pfannenmethode. Das Fett darf nur nicht zu heiß werden, kochen oder prasseln, wie man es von der Herstellung von Grammelschmalz kennt.
Das ausgelassene Fett wird durch ein sauberes Tuch abgeseiht, die übrig gebliebenen Grammeln können in einer Pfanne weiter knusprig geröstet werden.
Ausgelassenes Wildschweinschmalz eignet sich hervorragend zum Kochen und Braten, da es neben den wertvollen ungesättigten Fettsäuren noch genügend hitzestabile gesättigte Fettsäuren enthält. Nicht nur zum Anbraten von Fleisch oder Wildbret eignet sich das schmack-hafte, feine, nach Nuss und Trüffel schmeckende Fett; auch Wildschwein-Grammelschmalz und süße „Schmalznüsse“ sind ein wahrer Hochgenuss.
Verwendung in der Volksmedizin
Eine sehr alte und immer noch gebräuchliche Anwendung ist der Schmalzwickel bei Husten- und Lungenleiden. Aber auch zur allgemeinen Hautpflege, als entzündungswidrige Salbe (mit Eibischwurzel – Althaea officinalis – Warmmazerat) oder gegen das Brennen der Hämorrhoiden (mit Löwenmaul – Antirrhinum linaria – Warmmazerat) oder bei Frostbeulen und Erfrierungen leistet es gute Dienste. Wildschweinschmalz eignet sich hervorragend als Salbenbasis für Ringelblumen-, Beinwell- oder Wegerichsalbe, um nur einige zu nennen, und benötigt nicht unbedingt weitere Zutaten, da es eine sehr angenehme Konsistenz hat und schnell in die Haut einzieht.
Wildschweinschmalz wirkt weder kühlend noch wärmend und ist daher universell einsetzbar. Da es unserer menschlichen Fettstruktur am ähnlichsten ist, ist es auch besonders „dermakompatibel“, was so viel heißt wie besonders hautverträglich.